Der Senat konnte die Streitsache in Abwesenheit der nicht persönlich geladenen Klägerin entscheiden, ohne ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) zu verletzen. Auf diese Möglichkeit ist die Klägerin in der Terminmitteilung ausdrücklich hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Richtige Berufungsbeklagte ist seit dem 01.01.2008 die für die Klägerin örtlich zuständige Stadt E (vgl zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung Urteile des erkennenden Senats vom 05.03.2008, L 10 SB 40/06, Juris Rn 26 ff - rechtskräftig -, sowie des 6. Senats dieses Hauses vom 12.02.2008,
L 6 SB 101/06, Juris Rn 30 ff - rechtskräftig - und vom 26.02.2008,
L 6 SB 35/05, Juris Rn 19 ff =
BSG, Urteil vom 23.04.2009,
B 9 SB 3/08 R, Juris Rn 14 ff).
Die Klage war auch zulässig, obwohl zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch die Bezirksregierung Münster zum Erlass des Widerspruchsbescheides sachlich nicht zuständig gewesen war. Dies hat der erkennende Senat in seiner Leitentscheidung vom 16.12.2009,
L 10 SB 39/09 (Urteil abgeduckt in juris) entschieden. Anders als noch in dieser Entscheidung war der Widerspruchsbescheid im vorliegenden Verfahren jedoch nicht aufzuheben (Urteil vom 16.12.2009, aaO, juris Rn 45), weil der Mangel der sachlichen Zuständigkeit durch die Änderung des
AG-
SGG (Art 3 und Art 4 des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Land Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2010, JuMoG NRW, GV. NRW. S 30 ff) und Einführung des § 4a
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SGG mit rückwirkender Wirkung geheilt worden ist. Nach dieser Bestimmung erlässt die Bezirksregierung Münster die Widerspruchsbescheide in Angelegenheiten nach
§§ 69 und
145 SGB IX, die den Kreisen und kreisfreien Städten übertragen sind. Mit § 4a
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SGG ist damit für den Erlass des Widerspruchsbescheides nunmehr durch Gesetz eine andere Zuständigkeit als die der Selbstverwaltungsbehörde iSd § 85 Abs 2 S 1 Nr 4, 2.
HS SGG ausdrücklich bestimmt. Soweit gemäß Art 4 des JuMoG NRW § 4a
AG-
SGG rückwirkend mit Wirkung vom 01.01.2008 in Kraft getreten ist, bestehen gegen diese, ausnahmsweise mögliche echte Rückwirkung keine durchgreifenden Bedenken. Sie enthält hinsichtlich der Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster eine rein verfahrensrechtliche Regelung und trifft den Kläger nicht in einer geschützten Rechtsposition. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Anspruchsteller wegen der verworrenen Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde hat sich von vornherein nicht bilden können (vgl hierzu und zur Rückwirkung: SG Dortmund, Urteil vom 12.02.2010, S 51 (3) SB 205/08, juris Rn 21 ff, 27 ff). Im Übrigen ist auch eine wesentliche Rechtsposition des Anspruchstellers nicht verkürzt worden. So hat der erkennende Senat das Verfahren in seiner Entscheidung vom 16.12.2009 (aaO juris Rn 46, Leitsatz Nr 4), trotz der angenommenen sachlichen Unzuständigkeit in der Sache entschieden und die Berufung insoweit zurückgewiesen.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht bestätigt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche G und RF feststellt.
Der Klägerin erfüllt nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G (
§ 146 Abs 1 SGB IX, § 9 Einkommenssteuergesetz (EStG) und Teil D 1 (b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VersMedG -, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinischen Verordnung vom 10.12.2008, BGBl I Nr 57 vom 15.12.2008; zum Verhältnis VersMedG zu den früheren Anhaltspunkten vgl Urteil des erkennenden Senates vom 16.12.2009 aaO, juris Rn 48). Dies hat das SG mit zutreffender Begründung insbesondere unter differenzierter Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen
Dr. T dargelegt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs 2
SGG).
Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Die geltend gemachten persönlichen Einwände gegen den Gutachter geben keine Veranlassung, an der Richtigkeit seiner Beurteilung zu zweifeln. Der SV hat sich mit der angeführten Umwelterkrankung eingehend auseinandergesetzt. Anhaltspunkte für eine relevante Einschränkung des Gehvermögens ergeben sich aus der angeführten Umwelterkrankung nicht. Die Klägerin selbst erläutert hierzu auch nicht, worin entsprechende Beschwerden bestehen sollen.
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs RF sind ebenfalls nicht gegeben. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Auch insoweit nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe Bezug. Ergänzend weist er darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -
BSG - als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen sind, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vg.
BSG, Urteil vom 17.03.1982,
9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr 15 = BSGE 53, 175, juris Rn 16 ff,). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der aus Sicht des
BSG ohnehin problematische Nachteilsausgleich RF nur den Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich in § 6 Abs 1 S 1 Nr 7 Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV - ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Auch die schwere psychische Erkrankung macht es der Klägerin nicht unmöglich, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, selbst wenn viele stationäre Unterbringungen erforderlich waren und die Klägerin paranoid-schizophren ist. Spezifische Beschwerden, die die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nahezu unmöglich machen, sind den aktenkundigen Befunden und schriftsätzlichen Äußerungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Weitere, angekündigte Beweismittel, hat die Klägerin nicht beigebracht. Die aktenkundigen Befunde und die Schilderungen der Klägerin deuten auf gewisse Ängste im Verkehr sowie Platzangst bei Menschenansammlungen hin. Hierzu hat der Sachverständige festgestellt, dass die Klägerin eine ausgeprägte Platzangst angegeben hat, gleichwohl die Untersuchung in einer geschlossenen, engen Bodyplethysmographie-Kabine problemlos toleriert wurde. Es lässt sich danach nicht feststellen, dass die Klägerin dauerhaft von der Teilnahme an Veranstaltungen jeglicher Art ausgeschlossen ist. Gottesdienstbesuche, Theaterbesuche, Kaffeerunden in einer Pfarrgemeinde, Lesungen in einer Buchhandlung etc sind weniger mit größeren Menschenansammlungen verbunden. Derartige Veranstaltungen kann die Klägerin, der es auch möglich war, zur Untersuchung beim Gutachter alleine zu erscheinen und den Weg dorthin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, nach Ansicht des Senats jedenfalls noch besuchen. Wer die Menge an Menschen in Bus oder Bahn alleine erträgt, kann sicherlich auch an kleineren Veranstaltungen teilnehmen. Die Art der Erkrankung der Klägerin, die ua mit der Fixierung auf ihren Vergiftungswahn, mit der Verweigerung psychopharmakologischer Behandlung und mit zahlreichen psychosomatischen Beschwerden einhergeht, deutet eher daraufhin, dass die Klägerin krankheitsbedingt wenig Interesse am Besuch irgendwelcher Veranstaltungen hat, nicht aber, dass sie einen Besuch nicht vornehmen könnte. Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ihres Zustands hat
Dr. G als behandelnder Arzt in seinem im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht bestätigt, dass die Klägerin allenfalls zeitweise, bei Exacerbation der psychischen Erkrankungen, nicht an Veranstaltungen teilnehmen kann; für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF müsste dies aber ständig der Fall sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 oder 2
SGG) nicht als gegeben angesehen. Insbesondere sind durch § 4a
AG-
SGG die Gründe entfallen, die in der Entscheidung vom 16.12.2009, aaO, zur Zulassung geführt haben.