II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat iS der Zurückverweisung der Sache an das
LSG Erfolg. Wie die Klägerin formgerecht (vgl § 160a Abs 2 Satz 3
SGG) und auch im Ergebnis zutreffend gerügt hat, beruht das angegriffene Urteil des
LSG iS von § 160 Abs 2 Nr 3
SGG auf einer Verletzung des § 103
SGG (Aufklärung des Sachverhalts vom Amts wegen).
Zur Begründung ihrer Verfahrensrüge hat die Klägerin insbesondere dargelegt, das
LSG sei ihren Beweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Ihre mit dem Berufungsschriftsatz vom 16. September 2002 gestellten Beweisanträge genügen den gesetzlichen Anforderungen (vgl § 118 Abs 1
SGG iVm §§ 402 ff Zivilprozessordnung
ZPO). Aus den näheren Umständen des Verfahrens kann auch nicht entnommen werden, dass die Klägerin die schriftsätzlich gestellten Anträge nicht mehr aufrechterhalten wollte (vgl dazu
BSG SozR 1500 § 160 Nr 12).
Allerdings hat am 4. Dezember 2002 die mündliche Verhandlung vor dem
LSG stattgefunden, in der sich die Klägerin durch ihren Sohn M.
S. hat vertreten lassen, und dieser hat ausweislich der Sitzungsniederschrift nur den Sachantrag gestellt, aber nicht die schriftsätzlich gestellten Beweisanträge zu Protokoll gegeben oder ausdrücklich darauf Bezug genommen. Daraus können jedoch keine für die Klägerin ungünstigen Schlüsse gezogen werden. Soweit die Rechtsprechung des
BSG den Grundsatz verfolgt, dass ein Beweisantrag als nicht aufrechterhalten gilt, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung vor dem
LSG - wie hier - nur einen Sachantrag gestellt hat (vgl Senatsbeschlüsse vom 1. September 1999, SozR 3- 1500 § 124 Nr 3 S 3, 5; 8. März 2001 - B 9 SB 63/00 R - mwN; 23. Dezember 2002 - B 9 V 31/02 B -; 11. September 2001 - B 9 SB 24/01 B -), geht sie jeweils von einem rechtskundig bzw anwaltlich vertretenen Beteiligten aus (vgl
BSG vom 5. März 2002, SozR 3-1500 § 160 Nr 35; vom 1. Februar 2000, SozR 3-1500 § 160 Nr 29 S 49 mwN; 5. Oktober 1998 - B 13 RJ 285/97 B -; 23. August 1989 - 2 BU 97/89 -; ebenso für den Fall der Rüge einer Gehörsverletzung:
BSG vom 20. Januar 1998, SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 34 f; Senatsbeschluss vom 6. Januar 2001 - B 9 V 77/01 B; für den Fall des Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung: Senatsbeschluss vom 1. September 1999 aaO S 5; allgemein dazu auch
BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6).
Dabei kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf das Vorhandensein allgemeiner Rechtskenntnisse bei dem betreffenden Beteiligten oder seinem Bevollmächtigten an. Vielmehr kann das Gericht, dessen Vorsitzender in der mündlichen Verhandlung gemäß § 112 Abs 2
SGG auch darauf hinzuwirken hat, dass die Beteiligten sachdienliche Anträge stellen, bei der Beschränkung auf einen Sachantrag im Termin grundsätzlich nur dann davon ausgehen, dass ein schriftsätzlich gestellter Beweisantrag bewusst nicht weiter verfolgt werden soll, wenn es sich einem berufsmäßigen Rechtsvertreter, also insbesondere einem Rechtsanwalt oder einem der in § 166 Abs 2
SGG genannten Prozessbevollmächtigten, gegenübersieht. Da der Sohn der Klägerin nicht zu diesem Personenkreis gehörte, durfte das
LSG die im Berufungsschriftsatz gestellten Beweisanträge mithin nicht ohne weitere Nachfrage im Termin als fallengelassen betrachten.
Die Klägerin hat mit dem og Schriftsatz zum Beweis der Tatsache, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "H" bereits im Juni 1992 nicht erfüllt waren, die Einholung sowohl eines neurologischen wie eines orthopädischen "Obergutachtens" auf Grund persönlicher Untersuchung beantragt. Auf diese Beweisfragen kam es aus der Sicht des
LSG auch an, das bei der Prüfung der Entziehungsvoraussetzungen nach § 48 Abs 1
SGB X darauf abgestellt hat, ob eine wesentliche Änderung anhand eines Vergleichs "der Verhältnisse im Juni 1997 (letzte Verwaltungsentscheidung) mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt der früheren Entscheidung (Juni 1992) festgestellt werden" kann. Aus dieser Sicht ist der "objektive" Zustand entscheidend, der auch durch entsprechende ärztliche Sachverständigengutachten aufgeklärt werden kann. Soweit das
LSG in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf das
BSG-Urteil vom 29. August 1990 (BSGE 67, 204 ff) ausführt, es sei unerheblich, ob die Feststellung im Jahre 1992 zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei, ergibt sich daraus kein Widerspruch. Gemeint sind hier wegen Anwendung eines fehlerhaften Maßstabs unrichtige Verwaltungsentscheidungen; fallen Tatsachen, die nach diesem fehlerhaften Maßstab wesentlich sind, weg, ist eine wesentliche Änderung iS von § 48
SGB X anzunehmen (vgl
BSG aaO S 211). Darauf, dass der Beklagte 1992 nach einem fehlerhaften Maßstab über die gesundheitlichen Merkmale einer außergewöhnlichen Gehbehinderung und Hilflosigkeit entschieden hätte, ist das
LSG nicht weiter eingegangen. Anhand der von ihm ausgewerteten Unterlagen ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass die damalige Entscheidung des Beklagten zwar großzügig, aber vertretbar gewesen sei. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Feststellung im Widerspruch zu den - vom
LSG zitierten - Ausführungen des Sachverständigen
Dr. M. im Gutachten vom 17. Juni 2000 steht. Unter diesen Umständen hätte es sich dem
LSG - wollte es der Bewertung von
Dr. M. nicht folgen - aufdrängen müssen, eine kritische fachärztliche Beurteilung der vorliegenden Befunde und Angaben der Klägerin durch einen unabhängigen ärztlichen Sachverständigen vornehmen zu lassen.
Jedenfalls ergeben sich auch aus dem Inhalt des Berufungsurteils keine hinreichenden Gründe dafür, warum das
LSG den von der Klägerin gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt ist (vgl dazu
BSG vom 13. August 2002 - B 2 U 53/02 B -).
Wenn das
LSG - gestützt auf die Zweifelhaftigkeit eines sehr guten Erfolges der Rehabilitation, die Eigenangabe der Klägerin zu den Folgen des Schlaganfalls und die Angabe von
Dr. W. im Befundbericht vom 14. März 1992 (wonach die Klägerin auch in Zukunft auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesen sein werde) - ausgeführt hat, es könne nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt des Bescheides vom 5. Juni 1992 die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung nicht vorgelegen hätten, genügt dies nicht den Anforderungen des § 103
SGG. Für eine von dem Sachverständigengutachten des
Dr. M. abweichende ärztlich-wissenschaftliche Beurteilung hätte sich das
LSG mangels ausgewiesener eigener medizinischer Sachkunde auf ein entsprechendes Sachverständigengutachten stützen müssen. Die Prognose von
Dr. W. reichte insoweit nicht aus, weil dieser die Klägerin nach der Rehabilitationsmaßnahme nicht mehr gesehen hatte. Auf das vom SG eingeholte, am 26. Januar 1998 von
Dr. G. erstattete Gutachten hat sich das
LSG zu diesem Punkt selbst nicht bezogen.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Merkzeichens "H". Auch insoweit stellt das
LSG den Widerspruch zwischen dem von
Dr. M. bekundeten Erfolg der Rehabilitation einerseits und den eigenen Angaben der Klägerin sowie denen des Internisten
Dr. W. andererseits heraus, ohne indessen die beantragte fachgerechte Beurteilung durch einen medizinischen Sachverständigen zu veranlassen. Die hierzu vom
LSG gegebene Begründung, das Fehlen der Voraussetzungen für dieses Merkzeichen im Jahre 1992 sei im Nachhinein nicht zweifelsfrei feststellbar, reicht nicht aus. Damit ist kein Grund genannt, warum nicht durch einen unabhängigen Sachverständigen die Angaben im Gutachten von
Dr. M. - ggf nach weiterer Sachaufklärung - einer kritischen fachärztlichen Überprüfung unterzogen werden können.
Auf diesem Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Hätte das
LSG die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens durchgeführt, wäre es möglicherweise zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung gelangt. Es besteht eine nicht nur geringe Möglichkeit, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Bescheides vom 5. Juni 1992 nicht mehr derart an den Folgen des Schlaganfalls gelitten hat, dass die Feststellung der vorgenannten gesundheitlichen Merkmale gerechtfertigt gewesen wäre. Soweit dann eine Korrektur dieser Feststellungen im Wege des § 45
SGB X nicht mehr möglich sein sollte, wäre das Vertrauen der Klägerin in den Fortbestand der Feststellungen geschützt. Erweist sich der - bindende - Ursprungsbescheid als rechtswidrig, weil gesundheitliche Merkmale zu Unrecht festgestellt worden sind, darf die Anwendung von § 48 Abs 1
SGB X zu keiner Korrektur des ungerechtfertigten Vorteils führen; auch bei einer (weiteren) Besserung des Gesundheitszustandes bleibt es bei den zuerkannten Merkmalen (vgl dazu näher Kasseler Komm-Steinwedel, § 48
SGB X RdNr 29 mwN).
Da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3
SGG somit vorliegen, steht es im Ermessen des erkennenden Gerichts, nach § 160a Abs 5
SGG zu verfahren; insoweit ist der Senat nicht an die gestellten Anträge gebunden (Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2003 - B 9 SB 60/02 B -, und 12. Juni 2003 - B 9 SB 62/02 B -). Da es im Rechtsstreit hauptsächlich um die Tatsachenfeststellungen zu den gesundheitlichen Voraussetzungen der streitigen Merkmale geht, sprechen prozessökonomische Gründe für eine unmittelbare Zurückverweisung der Sache, zumal auch ein durch Zulassung eröffnetes Revisionsverfahren zu keinem anderen Ergebnis führen könnte. Bei seiner weiteren Behandlung der Sache wird das
LSG auch die neuere Rechtsprechung des erkennenden Senats zu den Voraussetzungen der streitigen Merkmale zu berücksichtigen haben (zum Merkzeichen "aG": Urteil vom 10. Dezember 2002 -
B 9 SB 7/01 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen grundsätzlich keine Orientierung an einer in Metern ausgedrückten Wegstrecke; zum Merkzeichen "H": Urteile vom 10. Dezember 2002, -
B 9 V 3/01 R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; 12. Februar 2003 -
B 9 SB 1/02 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
2. Soweit sich die Klägerin gegen den Beschluss des
LSG vom 12. Mai 2003 wendet, ist die Beschwerde unzulässig (Argument aus § 177
SGG). Für eine "außerordentliche Beschwerde" (vgl zur Frage außerordentlicher Rechtsmittel grundsätzlich: Urteil des Plenums des
BVerfG vom 30. April 2003 - 1 BvR 1/02 - mit zahlreichen Nachweisen) ist hier ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu bejahen; zum einen ist ein Fall greifbarer Rechtswidrigkeit nicht anzunehmen (zum Problem einer fehlenden Mitwirkung der Richterin
S. - bei der Beschlussfassung des
LSG vgl allerdings Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand März 1991, § 139
SGG RdNr 23), zum anderen hat die Klägerin erfolgreich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Rechte mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu verfolgen (vgl
BSG vom 12. März 2003 - B 11 AL 5/02 S -).
Das
LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.