Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist
gem. §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässig und teilweise begründet. In Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Leidensverschlimmerung ist der Grad der Behinderung (
GdB) mit Wirkung ab 03.07.2008 mit 50 festzustellen.
Menschen sind gemäß
§ 2 Abs. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Menschen sind gemäß § 2
Abs. 2
SGB IX im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein
GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des
§ 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den
GdB fest. Das KOV-VfG ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das
SGB X Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als
GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30
Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein
GdB von wenigstens 20 vorliegt (
§ 69 Abs. 1 SGB IX).
Die eingangs zitierten Rechtsnormen werden durch die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996
bzw. 2004, 2005 und 2008" ausgefüllt. Wenngleich diese Verwaltungsvorschriften, herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, für das Gericht nicht zwingend bindend sind, werden sie dennoch regelmäßig zur Gesetzesauslegung und als wertvolle Entscheidungshilfe herangezogen. Das Gebot der Gleichbehandlung, wie es in
Art. 3
Abs. 1 des Grundgesetzes (
GG) normiert ist, erfordert es auch in diesem Fall, keinen anderen Bewertungsmaßstab als den üblichen anzulegen (
vgl. Urteil des 9a Senats des
BSG vom 29.08.1990 -
9a/9 RVs 7/89 in "Die Sozialgerichtsbarkeit" 1991,
S. 227
ff. zu "Anhaltspunkte 1983").
Mit Urteilen vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 und 9a/9 RVs 5/92 (ersteres publiziert in BSGE 72, 285 = MDR 1994
S.78, 79) hat das
BSG wiederholt dargelegt, dass den "Anhaltspunkten 1983" keine Normqualität zukommt; es handelt sich nur um antizipierte Sachverständigengutachten. Sie wirken sich in der Praxis der Versorgungsverwaltung jedoch normähnlich aus. Ihre Überprüfung durch die Gerichte muss dieser Zwitterstellung Rechnung tragen. Die "Anhaltspunkte 1983" haben sich normähnlich entwickelt nach Art der untergesetzlichen Normen, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und Kompetenz gesetzt werden. Allerdings fehlt es insoweit an der erforderlichen Ermächtigungsnorm sowie an klaren gesetzlichen Vorgaben und der parlamentarischen Verantwortung hinsichtlich der Besetzung des Gremiums sowie der für Normen maßgeblichen Veröffentlichung. Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der "Anhaltspunkte 1983" ergeben sich Besonderheiten, ungeachtet der Rechtsqualität der "Anhaltspunkte 1983". Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Sie können nicht durch Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; die Gerichte sind insoweit prinzipiell auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Eine solche eingeschränkte Kontrolldichte wird in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit den Sachgesetzlichkeiten des jeweiligen Regelungsbereiches und der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber begründet (
vgl. Papier, DÜV 1986,
S. 621
ff. und in Festschrift für Ule, 1987,
S.235
ff.). Eine solche Beschränkung in der gerichtlichen Kontrolle ist auch für die "Anhaltspunkte 1983" geboten, weil sonst der Zweck der gleichmäßigen Behandlung aller Behinderten in Frage gestellt würde.
Das Bundesverfassungsgericht (
BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.03.1995 -
BvR 60/95 (
vgl. NJW 1995,
S. 3049, 3050) die Beachtlichkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1983" im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren als "antizipierte Sachverständigengutachten" bestätigt. Der in
Art. 3 des Grundgesetzes (
GG) normierte allgemeine Gleichheitssatz gewährleistet innerhalb des § 3
SchwbG nur dann eine entsprechende Rechtsanwendung, wenn bei der Beurteilung der verschiedenen Behinderungen regelmäßig gleiche Maßstäbe zur Anwendung kommen. - Entsprechendes gilt auch für die neu gefassten "Anhaltspunkte 1996", die die zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen, die Rechtsprechung des
BSG, zwischenzeitliche Änderungen der Rechtsgrundlagen sowie Erfahrungen bei der Anwendung der bisherigen "Anhaltspunkte 1983" eingearbeitet haben (
BSG mit Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/03 R in SGb 2004
S.378)
bzw. nunmehr die "Anhaltspunkte 2004, 2005 und 2008".
Ergänzend ist auf § 48 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (
SGB X) hinzuweisen: Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist das BayLSG befugt, das im Wesentlichen von Priv. Doz.
Dr. C. gefertigte Gutachten vom 07.07.2008 zumindest als Urkundsbeweis zu verwerten. Zwar sind gerichtlich bestellte Sachverständige grundsätzlich verpflichtet, das Gutachten persönlich zu erstatten (§ 118
SGG i.V.m. § 407a
ZPO). Diese können jedoch "Hilfskräfte" hinzuziehen. Dann muss der Sachverständige das Gutachten persönlich verantworten und verantwortlich zeichnen. Die Grenzen der erlaubten Mitarbeit (hier von
Dr. R. C.) sind nur dann überschritten, wenn aus der Art und dem Umfang der Mitarbeit gefolgert werden kann, dass der beauftragte Sachverständige seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst übernommen, sondern delegiert hat (Meyer-Ladewig, 9. Auflage,
Anm.11 g und 11 h zu § 118
SGG m.w.N.).
Hier hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Priv. Doz.
Dr. C. mit Stellungnahme vom 03.09.2008 ausgeführt: "Ich wurde sofort zur Begrüßung hinzugezogen und habe Herrn A. persönlich begrüßt. Mein Vater und ich erklärten Herrn A. den weiteren Ablauf: Die Erhebung der medizinischen Vorgeschichte und beruflichen Vorgeschichte sowie die Erhebung der Befunde durch Untersuchung wird zunächst durch meinen Vater, Herrn
Dr. R. C., durchgeführt. Ich selbst werde nach der durchgeführten Untersuchung die auffallenden Befunde nachprüfen. Nach erfolgter Untersuchung durch meinen Vater habe ich den Kläger selbst nochmals nachuntersucht. Die Dokumentation der Befunde war bereits durch Diktat meines Vaters erfolgt. Ich selbst habe mich eingehend mit dem Kläger unterhalten. Es trifft somit nicht zu, dass der Kläger keine Gelegenheit gehabt habe, sich mit mir zu unterhalten. Ich habe mir selbst ein Bild gemacht von den Funktionseinschränkungen, die der Kläger angegeben hat. Ich darf noch bemerken, dass zwischenzeitlich bei der Polizeidirektion C-Stadt von Herrn A. eine Anzeige gegen meinen Vater wegen angeblicher Körperverletzung eingegangen ist." Damit steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige Priv. Doz.
Dr. C. die zentralen Aufgaben der Begutachtung selbst erbracht hat
bzw. sein Vater
Dr. R. C. als "Hilfskraft" die zulässigen Grenzen einer Mitwirkung nicht überschritten hat. Dies gilt auch in Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger die Ausführungen von Priv. Doz.
Dr. C. vom 07.08.2008 eidesstattlich mit Telefax vom 23.08.2008 als wahrheitswidrig bezeichnet hat.
Unabhängig davon hat der Beklagte mit versorgungsärztlich-chirurgischer Stellungnahme von
Dr. N. vom 18.08.2008 bestätigt, dass entsprechend den von Priv. Doz.
Dr. C. mit Fachgutachten vom 07.07.2008 erhobenen Befunden im Vergleich zum Vorgutachten von
Prof. Dr. G. sich eine Zunahme der Funktionsstörungen an der Halswirbelsäule und den oberen Extremitäten ergeben hat. Insofern könne dem Gesamt-
GdB von 50 ab dem Untersuchungszeitpunkt (03.07.2008) gefolgt werden. Die Funktionssysteme seien allerdings zusammenzufassen und mit einem gemeinsamen Einzel-
GdB zu bewerten:
1. Funktionsbehinderung beider Handgelenke, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Einzel-
GdB 40);
2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Nervenwurzelreizerscheinungen, Verformung der Wirbelsäule (Einzel-
GdB 30).
Gesamt-
GdB 50; keine Merkzeichen; Nachprüfung nicht erforderlich.
Vorstehende Ausführungen von
Dr. N. mit versorgungsärztlich-chirurgischer Stellungnahme vom 18.08.2008, auf die sich der erkennende Senat stützt, stehen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in Rz. 26.18. Denn ausweislich des Messblattes "vergleichende Bewegungsmaße der Gelenke der oberen Gliedmaßen" bestehen bei dem Kläger folgende Funktionseinschränkungen:
Schultergelenk: rechts links
Abspreizen/Anspreizen 90/0/2070/0/20
Rückwärtsführen/Vorwärtsführen 30/0/6015/0/50
Außendrehen/Innendrehen (Oberarm am Körper angelegt) 60/0/70 25/0/70
Außendrehen/Innendrehen (Oberarm rechtwinklig gespreizt)
Ellenbogengelenk:
Strecken/Beugen 5/0/140 10/0/145
Handrückenwärts drehen/Handflächenwärts drehen 40/0/6070/0/45
Handgelenk:
Handrückenwärts führen/Handflächenwärts führen 5/0/105/0/15
Ellenwärts führen/Speichenwärtsführen0/0/5 10/0/10
Bei isolierter Betrachtung bedingt die bestehende Funktionsbehinderung beider Handgelenke bei Aufbrauchveränderungen einen Einzel-
GdB von 30. Die schmerzhafte Schulterteilsteife bei Aufbrauchveränderungen der Schultereckgelenke mit Einquetschsymptomatik ist ebenfalls mit einem Einzel-
GdB von 20 zu berücksichtigen. Die diesbezüglichen Ausführungen von Priv. Doz.
Dr. C. mit Gutachten vom 07.07.2008 werden zutreffend von
Dr. N. mit chirurgisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 18.08.2008 zu einem entsprechenden Einzel-
GdB von 40 zusammengefasst (Rz. 18 und 26.18 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht").
Im Bereich der Halswirbelsäule ist zwischenzeitlich eine erhebliche Leidensverschlimmerung eingetreten, die sich in Form einer schmerzhaften Teileinsteifung mit Muskelreizerscheinungen und Nervenreizerscheinungen manifestiert, nachgewiesen aufgrund der Untersuchung bei Priv. Doz.
Dr. C. vom 03.07.2008. In Beachtung von Rz. 26.18 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" ist es daher schlüssig und überzeugend, wenn
Prof. Dr. G. mit Gutachten vom 31.01.2007 diesbezüglich noch einen Einzel-
GdB von 20 und Priv. Doz.
Dr. C. sowie vor allem
Dr. N. einen Einzel-
GdB von 30 festgestellt haben. Denn Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sind mit einem Einzel-
GdB von 20 zu berücksichtigen. Bestehen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, ist ein Einzel-
GdB von 30 bis 40 vorgesehen. Nachdem bei dem Kläger im Bereich der Halswirbelsäule eine schwerere funktionelle Störung vorliegt, im Bereich der Lendenwirbelsäule jedoch nur geringfügige Veränderungen bestehen, ist der ab 03.07.2008 festgestellte Einzel-
GdB von 30 zutreffend.
In Berücksichtigung von Rz. 19 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" hat das Sozialgericht R. den Beklagten zutreffend verurteilt, mit Wirkung ab 23.12.2005 einen
GdB von 40 festzustellen. Ab dem 03.07.2008 ist das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem
GdB von 50 nachgewiesen. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-
GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-
GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigung dem ersten
GdB-Grad 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
Entgegen den Ausführungen des Klägers ist die Feststellung eines höheren
GdB als 40
bzw. als 50 beginnend ab 03.07.2008 nicht möglich. Denn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) hat bereits mit Stellungnahme vom 15.02.2008 dargelegt, dass bei dem Kläger hinsichtlich der Leistungsminderung im Vordergrund Beschwerden von Seiten der beidseitigen Handgelenksarthrosen bestehen. Eine operative Behandlung mit Ziel einer Beschwerdeminderung sei prinzipiell möglich, werde aber derzeit vom Versicherten nicht angestrebt. Auch einer medikamentösen analgetischen Therapie stehe er skeptisch gegenüber. Es mute widersprüchlich an, dass er bei den als invalidisierend erlebten Einschränkungen bis hin zur befürchteten Pflegebedürftigkeit durch die Erkrankung therapeutische Optionen wenig verfolge und sogar auf eine analgetisch-antiphlogistische Medikation verzichte. Der Unschlüssigkeit und Skepsis in Bezug auf therapeutische Optionen stehe die zielstrebige Verfolgung einer Berentung mit Einschaltung vom
VdK bzw. Rechtsanwalt gegenüber. Der Versicherte sei insgesamt auf die Berentung als einzig für ihn vorstellbare Option weitgehend festgelegt. Vor diesem Hintergrund sei die als sehr ausgeprägt imponierende Tendenz zur Betonung der vielfältigen Einschränkungen und Verdeutlichung der Symptomatik zu verstehen, welche der Proband unbeschadet zweifellos bestehender erheblicher Funktionsbeeinträchtigungen zeige.
Auch aus dem aktuellen Gutachten von
Dr. W. vom 28.10.2008, das das Sozialgericht R. in dem Rentenstreitverfahren S 6 R 599/06 eingeholt hat, geht hervor, dass dieser auf orthopädischem Fachgebiet die nämlichen Funktionsstörungen berücksichtigt hat wie
Dr. N. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 18.08.2008.
Ein höherer
GdB als 40 beginnend ab 23.12.2005
bzw. als 50 beginnend ab 03.07.2008 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt feststellbar, dass der Kläger seit dem 18.04.2005 arbeitsunfähig erkrankt ist und sein Arbeitsverhältnis zum 31.01.2006 geendet hat. Denn eine besondere berufliche Betroffenheit wird nach dem Willen des Gesetzgebers im Schwerbehindertenrecht ausdrücklich nicht berücksichtigt (
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).
Soweit der Kläger auf das bei ihm bestehende Augenleiden hingewiesen hat, hat
Dr. Dr. D. G. mit Arztbrief vom 26.07.2006 das Vorliegen einer Trochlearisparese des linken Auges bestätigt. Diese steht einer vollständigen Erblindung des linken Auges jedoch nicht gleich, weil der Visus ohne Korrektur des linken Auges 0,9 und des rechten Auges 1,0 beträgt. Es liegt somit kein vollständiger Sehkraftverlust des linken Auges vor. Vielmehr hat der Prismentrageversuch ergeben, dass wegen des Schielwinkels eine Verlaufskontrolle mit Sehschule sachdienlich ist. Ausweislich des Gutachtens von
Dr. W. vom 28.10.2008 ist der Visus zum Ausgleich der Sehstörung in Form von Doppelbildern zwischenzeitlich mit einer Lese- sowie einer Prismenbrille korrigiert. Entsprechend Rz. 19 und 26.4 wirkt sich die bei dem Kläger bestehende "Sehschwäche des linken Auges" nicht
GdB-erhöhend aus.
Trotz der bereits erkennbaren aktenkundigen Beeinträchtigungen im Bereich der unteren Extremitäten ist der Kläger zweifelsfrei nicht erheblich gehbehindert im Sinne von
§ 146 Abs. 1 SGB IX.
Prof. Dr. G. hat mit fachorthopädischem Gutachten vom 31.01.2007 darauf hingewiesen, dass der Kläger die Untersuchungsräume der Orthopädischen Klinik L. in einem raumgreifenden nicht hinkenden Gangbild betreten hat. Das Gangbild ist als flüssig, nicht hinkend beschrieben worden. Insoweit hat Priv. Doz.
Dr. C. mit Gutachten vom 07.07.2008 eine gewisse Leidensverschlimmerung festgestellt. Der Barfußgang auf dem ebenen Boden des Untersuchungszimmers wird linksseitig hinkend demonstriert. Der Fersengang wird linksseitig hinkend ausgeführt, ebenso der Zehengang. Der Einbeinstand wird rechts unsicher ausgeführt, links sicher ausgeführt. Der Beckengeradstand ergibt einen annähernd geraden Aufbau der Wirbelsäule. Ein Befund vergleichbar dem Teilverlust eines Busis im Unterschenkel liegt zweifelsfrei nicht vor (
vgl. Rz. 30 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht"). Nachdem bei dem Kläger vorwiegend die Halswirbelsäule in ihrer Funktion eingeschränkt ist, wirkt sich die im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehende Funktionsstörung auch nicht erheblich auf die Fortbewegungsfähigkeit aus.
Dem Kläger steht auch das begehrte Merkzeichen "RF" nicht zu. Der 8. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag), in Kraft getreten zum 01.04.2005, regelt in
Art. 5 § 6 die Gebührenbefreiung natürlicher Personen. Gleichzeitig sind die Rundfunkbefreiungsverordnungen der Länder außer Kraft getreten. Dies beinhaltet jedoch nicht, dass sich die zugrunde liegenden medizinischen Voraussetzungen geändert haben. Nachdem der Kläger weder blind ist noch an einer wesentlichen Sehbehinderung mit einem
GdB von 60 leidet, steht ihm aus ophthalmologischer Sicht das Merkzeichen "RF" zweifelsfrei nicht zu. Eine schwere Hörschädigung ist ebenfalls nicht vorgetragen worden oder aktenkundig. Im Übrigen besteht bei dem Kläger kein
GdB von wenigstens 80, wegen dessen er außerdem ständig an der Teilnahme öffentlicher Veranstaltung ausgeschlossen wäre (
z.B. nicht nur vorübergehende ansteckungsfähige Lungentuberkulose). Auch wenn der Kläger glaubhaft vorgetragen hat, behinderungsbedingt vielen seiner Hobbys nicht mehr nachgehen zu können, ist er dennoch nicht an das Haus gebunden.
Wenn der Kläger aktenkundig befürchtet pflegebedürftig zu werden und zahlreiche Hilfen von seiner Tochter in Anspruch nimmt, ist er dennoch nicht hilflos im Sinne von § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG)
bzw. Rz. 21 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht nach den Schwerbehindertenrecht". Danach ist als hilflos derjenige anzusehen, der infolge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zu Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den gemeinsamen Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Außerdem sind notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregungen und Möglichkeiten zur Kommunikation zu berücksichtigen. Hilflosigkeit liegt auch dann vor, wenn ein psychisch oder geistig behinderter Mensch zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens keiner Handreichungen bedarf, er diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebsschwäche ohne ständige Überwachung nicht vornimmt. Der Umfang der notwendigen Hilfe bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen muss erheblich sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Hilfe dauernd für zahlreiche Verrichtungen, die häufig und regelmäßig wiederkehren, benötigt wird. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Lebensablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen wie im Falle des Klägers nicht (
z.B. Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr o.ä.).
Nach alledem ist der Berufung des Klägers nur in dem beschriebenen Umfange stattzugeben. Die Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2008 ist nicht erforderlich gewesen (§ 110
Abs.1
SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160
Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG).