Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143
SGG statthafte Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Maßgeblich ist bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (
vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000,
B 9 SB 3/99 R, SozR 3-3870 § 3
Nr. 9
S. 22). Danach liegt bei der Klägerin seit der Antragstellung am 14. August 2001 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein höherer Grad der Behinderung als 70 vor. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung der begehrten Merkzeichen sind nicht gegeben.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1046). Der hier anzuwendende § 69
SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I
S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I
S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines Grads der Behinderung von 90 ist
§ 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 69
Abs. 4
SGB IX hat der Beklagte auch über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, also der begehrten Merkeichen H, G, B und RF zu entscheiden. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69
SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69
SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert. Nach § 69
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69
Abs. 1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69
Abs. 3 Satz 1
SGB IX der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX ist durch das am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den Grad der Behinderung die im Rahmen des § 30
Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30
Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX gelten für den Grad der Behinderung die Maßstäbe des § 30
Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30
Abs. 17 BVG erlassenen
Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30
Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (
GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (
VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) aufgestellt worden.
Nach
§ 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30
Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der
Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I
Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer
Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (
vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003,
B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3800 § 1
Nr. 3
Rdnr. 12,
m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung
bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind inhaltlich weitgehend unverändert in diese Anlage übernommen worden (
vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08,
S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 1996, 2004 und 2008
bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden.
Der Bemessung des Grades der Behinderung ist die
GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A,
S. 17
ff.) zugrunde zu legen.
Nach Teil A, Seite 19 werden Grad der Schädigung und der Grad der Behinderung nach gleichen Grundsätzen bemessen und unterscheiden sich begrifflich nur dadurch, dass der Grad der Schädigung nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal) und der Grad der Behinderung auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in
Nr. 2 e (Teil A, Seite 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (
Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesen Maßstäben kann bei der Klägerin kein höherer Grad der Behinderung als 70 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf das Gutachten des
Prof. Dr. H. einschließlich des Zusatzgutachtens der
Dipl.-Psych. B., die prüfärztlichen Stellungnahmen des Beklagten und die eingeholten medizinischen Unterlagen.
a) Das Hauptleiden der Klägerin wird durch die erlittene Hirnblutung geprägt, die zu einem bildtechnisch gesicherten Hirnsubstanzverlust geführt hat. Damit ist das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche betroffen. Für dieses Funktionssystem ist ein Einzelbehinderungsgrad von 40 festzustellen.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (
B 3.1, S. 35 ff) ist für die Beurteilung des Behinderungsgrads bei Hirnschäden das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen bestimmend. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und
ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein Bewertungsrahmen von 20 bis 100 in Betracht. Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung werden mit einem Behinderungsgrad von 30 bis 40, Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung mit 50 bis 60 und Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung mit 70 bis 100 bewertet (Versorgungsmedizinischen Grundsätze, B 3.1.1,
S. 36). Sofern der Hirnschaden mit isoliert vorkommenden
bzw. führenden Symptomen (Hirnschäden mit psychischer Störung, zentrale vegetative Störungen, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, kognitive Leistungsstörungen, zerebral bedingte Teillähmungen, Parkionson-Syndrom, Epileptische Anfälle) verbunden ist, kommen jeweils spezielle Bewertungsmaßstäbe zur Anwendung (Versorgungsmedizinischen Grundsätze, B 3.1.1,
S. 36
ff.).
Der Klägerin ist nach den Befunden des
Dipl.-Med. N. (einschließlich des enzephalographischen Befundes aus dem Jahre 1998) sowie nach den gutachtlichen Ausführungen des
Prof. Dr. H. eine im November 1998 manifestierte Grand-Mal-Epilepsie
bzw. eine symptomatische Epilepsie nach zerebraler Blutung diagnostisch gesichert. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 3.2,
S. 38) ist bei sehr selten auftretenden Anfällen (generalisierte [große] und komplexfokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr sowie kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten) ein Behinderungsgrad von 40 festzustellen. Bei epileptischen Anfällen mittlerer Häufigkeit (generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) ist ein Bewertungsrahmen von 50 bis 60 vorgesehen. Sofern nach drei Jahren Anfallsfreiheit besteht, jedoch eine weitere antikonvulsive Behandlung notwendig ist, beträgt der Behinderungsgrad 30.
Danach rechtfertigt die Epilepsie der Klägerin einen Behinderungsgrad von allenfalls 40. Zwar hat
Prof. Dr. H. hierfür einen Behinderungsgrad von 50 vorgeschlagen, doch geht auch er nicht von einer mittleren Häufigkeit, sondern von selten auftretenden epileptischen Anfällen aus. Nach Beginn der medikamentösen Therapie sind nach den Angaben der Klägerin gegenüber
Prof. Dr. H. große Anfälle nur selten vorgekommen. Dokumentiert sind diese allerdings nicht und zum Zeitpunkt der Untersuchung war die Klägerin schon lange nicht mehr beim Neurologen. Auch konnte sie keinen Anfallskalender zur Untersuchung vorgelegen. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen stützen die fehlenden neurologischen Befundberichte und Befunde über mögliche epileptische Anfälle die Angabe von nur vereinzelten Anfällen in großen Abständen. Dafür spricht auch das bei der Untersuchung durchgeführte EEG, welches einen Herdbefund als Korrelat des Substanzdefekts gezeigt hat, jedoch keine epilepsietypischen Potenziale. Somit kann nach den Ausführungen von
Prof. Dr. H. und unter Berücksichtigung der weiteren Unterlagen allenfalls von seltenen Anfällen ausgegangen werden, die einen Behinderungsgrad von 40 rechtfertigen.
Die von der Klägerin behaupteten und von ihr bei der Untersuchung durch den Sachverständigen demonstrierten zerebral bedingten Teillähmungen sowie Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen sind offenbar nicht medizinisch bedingt, sondern simuliert und führen damit zu keinem Behinderungsgrad. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass die im Anschluss an die Blutung diagnostizierte linksseitige Fazialisparese und leichte Lähmung von Arm und Bein in seiner aktuellen neurologischen Untersuchung wie auch in den Untersuchungen der letzten Jahre objektiv nicht mehr festgestellt werden konnten. Deshalb ist er zu Recht von einer Simulation der Beschwerden ausgegangen, da in emotionalen und unbeachteten Situationen die Motorik unauffällig und die funktionelle Beweglichkeit normal gewesen seien. Der vom Sachverständigen geäußerte Simulationsverdacht war auch für den Senat schlüssig, da für neurologische Ausfallerscheinungen ein zerebrales Schnittbildkorrelat gefehlt hat und die elektrophysiologischen Befunde unauffällig waren. Zudem ist eine normale Motorik in unbeachteten Situationen mehrfach aktenkundig festgehalten worden.
Auch die von
Dr. S. am 17. Oktober 2007 diagnostizierte Sprachstörung (Aphasie) liegt nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen von
Prof. Dr. H. und
Dipl.-Psych. B. derzeit objektiv nicht vor. Bei Befragungen hat die Klägerin zwar mit sehr großer Latenz und im Telegramm-Stil geantwortet, Jahreszahlen und Geburtsdaten hat sie buchstabiert. In Pausen oder bei emotionaler Erregung hat sie aber eine flüssige und unauffällige Sprache gezeigt und über ihre Medikation inclusive Dosierung, Tageszeit der Einnahme und Indikation des jeweiligen Präparates exakt Auskunft geben können. Sie hat auch ihre Blutdruckwerte in normaler Form nennen können, sodass das Sprachmuster einer aphasischen Störung ausgeschlossen werden konnte. Vielmehr lag auch in Bezug auf die Sprachstörung eine Simulation der Beschwerden vor.
Ob und in welchem Ausmaß die Hirnblutung der Klägerin zu einer psychischen Störung oder kognitiven Leistungsstörungen geführt hat, kann wegen der Aggravation und Simulation der Klägerin nicht festgestellt werden. Nach den Ausführungen von
Prof. Dr. H. sind aufgrund der erlittenen Hirnschädigung kognitive Defizite im Bereich der Aufmerksamkeit, der Konzentrationsfähigkeit sowie der exekutiven Funktion zu erwarten, jedoch nicht zwingend notwendig. Zwar wurden mehrfach Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen (Reha-Entlassungsbericht vom 20. März 2003, Epikrise Klinikum F. vom 11. November 2003), Merkfähigkeitsstörungen (
Prof. Dr. V. am 24. April 2004) sowie eine psychomotorische Verlangsamung, zeitweilig Wortfindungsstörungen, eine auffällige Reizbarkeit sowie Beeinträchtigungen der kognitiven und mnestischen Funktionen (Befundbericht des
Dipl.-Med. N. vom 21. September 2004 sowie dessen Arztbriefe vom 2. März und 20. Juni 2005) diagnostiziert. Die Begutachtungen durch
Prof. Dr. H. und
Dipl.-Psych. B. waren jedoch durch Simulation und Aggravation der Beschwerden geprägt, sodass der Senat nicht feststellen kann, in welchem Umfang derzeit psychische Störungen oder kognitive Leistungsstörungen vorliegen. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast kann daher keine weitere Erhöhung des Behinderungsgrades im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche vorgenommen werden.
Für eine Simulation und Aggravation der Beschwerden spricht zunächst, dass nach den Ausführungen von
Prof. Dr. H. und
Dipl.-Psych. B. das Leistungsprofil im Zusatzgutachten das Ausmaß und die Schwere bei Weitem als zu erwartend übertroffen haben. Unter Berücksichtigung der umfangreichen, in sich stimmigen und überzeugenden Ausführungen von
Dipl.-Psych. B. im Zusatzgutachten geht der Senat davon aus, dass die Auffälligkeiten im Verhalten und Testleistung nicht durch eine neurologische, psychiatrische oder Entwicklungsstörung zu erklären sind, sondern das Ergebnis einer bewussten und willentlichen Bemühung mit dem Ziel, den Krankheitsgewinn (Behinderungsgrad von über 70 sowie diverse Merkzeichen) zu erreichen. Dafür spricht, dass die von der Klägerin demonstrierten kognitiven Defizite nach gegenwärtigen Modellen und der Funktion des zentralen Nervensystems nicht mit der 2001 erlittenen Hirnschädigung erklärt werden können. Auch war das gezeigte intellektuelle Leistungsniveau nicht annähernd mit dem prämorbiden intellektuellen Niveau der Klägerin (Abschluss 10. Klasse) vereinbar. Zudem konnte sie mehrfach Aufgaben mit höherer Schwierigkeit schneller lösen als Aufgaben mit geringerer Schwierigkeit. Andererseits hat sie selbst Aufgaben nicht gelöst, die Patienten mit sehr schwerer Hirnschädigung lösen können. Stark überlernte und automatisierte Wissensinhalte hat sie fehlerhaft und extrem langsam abgerufen. Für eine Simulation spricht auch, dass die Klägerin bei einer Aufgabe mit Anforderungen an höhere Exekutivfunktionen wie planerisches und strategisches Denken das einzige normgerechte Ergebnis der gesamten Untersuchung erzielt hat. Keine Schwierigkeiten hat ihr auch das Erinnern an bestimmte Inhalte der neurologischen Begutachtung bereitet, die bereits einige Wochen zurückgelegen hatte. Ferner hat
Dipl.-Psych. B. auf deutliche Diskrepanzen zwischen den Angaben der Klägerin und denen ihrer Mutter zum Hilfebedarf hingewiesen.
Für eine Aggravation und Simulation der psychischen Beschwerden und der kognitiven Defizite spricht auch das an das
LSG selbst verfasste handschriftliche Schreiben der Klägerin. Klar formuliert und im Gedankengang geordnet hat sie ihre Gesundheitssituation geschildert und ihrem Begehren sprachlich gezielt Nachdruck verliehen. Auch Dr ... hat in seinem Gutachten vom 21. Januar 2004 bereits auf das gezielt eingesetzte Auftreten der Klägerin hingewiesen. Zwar hatte dieser eingeräumt, die misslaunig gereizte Stimmung könne auch Ausdruck einer hirnorganischen Veränderung sein. Doch hat er daraus keine Einschränkungen im Alltag ableiten können. Die Klägerin hatte auch bei seiner Untersuchung einen guten Überblick, Situationskenntnis und Abstraktionsvermögen im Hinblick auf sozialmedizinische Belange gezeigt. Schließlich hat
Dr. S. Anhaltspunkte für eine anderweitige psychische Störung ausschließen können. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen von
Prof. Dr. V. zu verweisen, der schon am 24. April 2002 die weitere Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit in Aussicht gestellt hat. Damit übereinstimmend hat
Dipl.-Med. N. am 8. Februar 2007 über die verhältnismäßig gute Erholung der Klägerin berichtet und mitgeteilt, der bildgebende Befund zeige im Vergleich zu den Vorbefunden keine so starke Ausbreitung über der rechten Hemisphäre mehr. Letztlich wurde auch im MDK-Gutachten vom 2. Februar 2009 ausgeführt, die Klägerin könne Bedürfnisse äußern und Aufforderungen nachkommen. Damit werden die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen zur Simulation und Aggravation durch die weiteren Unterlagen vollumfänglich gestützt. Somit verbleibt es für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche bei einem Behinderungsgrad von 40.
b) Aufgrund der bestehenden Gesichtsfeldeinschränkung der Klägerin ist das Funktionssystem Augen betroffen. Dafür kann ebenfalls maximal ein Einzelbehinderungsgrad von 40 angenommen werden.
Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (B 3.10,
S. 44) umfasst die Sehbehinderung alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung sind die korrigierte Sehschärfe und Ausfälle des Gesichtsfeldes maßgeblich. Eine vollständige homonyme Hemianopsie ist mit einem Behinderungsgrad von 40 zu bewerten (Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 3.10,
S. 48). Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen ist der Behinderungsgrad niedriger anzusetzen. Danach liegt hier ein höherer Einzelbehinderungsgrad als 40 - so wie vom Beklagten den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt - keinesfalls vor und erscheint unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde als sehr wohlwollend. Zwar ist bei der Klägerin aufgrund der Hirnblutung eine Gesichtsfeldeinschränkung eingetreten. Diese geht aus dem Reha-Entlassungsbericht vom September 2001 hervor. Eine weiterhin bestehende Hemianopsie hat
Prof. Dr. V. im April 2002 diagnostiziert. Auch
Prof. Dr. D. hat eine homonyme Hemianopsie im November 2003 für nachvollziehbar gehalten. Doch hat er bezüglich des Ausmaßes auf eine Aggravation der Klägerin bei der Gesichtsfeldbestimmung hingewiesen. So war bei seiner Untersuchung die zu erwartende Vergrößerung des Gesichtsfelds in einem Abstand von zwei Metern von einer Testtafel nicht eingetreten, sondern es war sogar zu einer Verringerung gekommen. Auch im Sitzen hatte die Klägerin keine Orientierungsverluste gezeigt. Der Augenarzt W. konnte im Dezember 2003 die Hemianopsie nicht bestätigen. Auch
Dr. S. hat in seinem Gutachten vom Januar 2004 auf die Diskrepanz zwischen der behaupteten Sehminderung und der sicheren Orientierung im Raum und der Fähigkeit hingewiesen, ihre Kleidung und den Beutel gezielt aufzunehmen, zuzufassen und Unterlagen zu suchen. Eine Aggravation in Bezug auf die behauptete Einschränkung des Gesichtsfeldes hat auch
Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom Dezember 2004 festgestellt, denn die Klägerin habe sich sicher im Gebäude und den Räumen der Universitätsklinik bewegen und gezielt Objekte ergreifen können. Zudem hätten beide Augen objektiv einen normalen augenärztlichen Befund gezeigt. Auch
Dr. B. konnte in ihrer augenärztlichen Einschätzung vom Dezember 2006 die Sehbehinderung nicht objektivieren. Eine Aggravation der Sehbehinderung hat auch Frau
S. aufgrund der gutachtlichen Untersuchung vom Juli 2008 festgestellt. So habe ein Widerspruch zwischen dem subjektiv stark eingeschränkten dynamischen Gesichtsfeld gegenüber der sicheren Orientierung im Raum bestanden. Schließlich war auch bei der gutachtlichen Untersuchung durch
Prof. Dr. H. auffällig, dass für den von der Klägerin angegebenen Tunnelblick in der Untersuchungssituation keine entsprechenden Verhaltensweisen zu beobachten waren. So habe sie sich in den Untersuchungsräumen unauffällig orientieren können.
Prof. Dr. H. ist daher nicht nur von einer Aggravation, sondern von einem dringenden Verdacht einer Simulation von Beschwerden ausgegangen, sodass keinesfalls über eine vollständige homonyme Hemianopsie hinaus noch eine stärkere Gesichtsfeldeinschränkung festgestellt werden kann. Insbesondere lassen sich die von
Dr. G. im Mai 2004 und
Dr. P. im Mai 2005 ohne medizinische Erklärung diagnostizierten beidseitigen Gesichtsfeldausfälle nicht nachvollziehen. Zudem hat auch
Dr. P. auf ein fehlendes objektives Messverfahren hingewiesen und nicht ausgeschlossen, dass auch bei seiner Untersuchung Aggravation vorgelegen habe und ein Lerneffekt aus den vorangegangenen Untersuchungen eingetreten sein könne.
Über die Gesichtsfeldeinschränkung hinaus liegt keine Visusminderung vor, die einen höheren Behinderungsgrad rechtfertigen könnte.
Dr. G. hat zwar noch im November 2001 über beidseitige Fundusschwankungen berichtet und auch
Dr. H. hat im April 2002 eine Visus von 0,4 und 1,0 festgestellt. In der Folgezeit hat sich der Visus aber wieder auf jeweils 1,0 (Befund
Dr. G. von Mai 2003)
bzw. 1,0 und 0,9 (Befund
Dr. G. von Mai 2004) gebessert, sodass keine dauerhafte Sehminderung angenommen werden kann. Auch während des Reha-Aufenthalts im März 2003 konnte kein herabgesetzter Visus festgestellt werden. Daher ist nicht nachvollziehbar, dass bei der Untersuchung durch
Prof. Dr. D. im November 2003 - also genau zwischen den Untersuchungen von
Dr. G. - der Visus nur 0,2 und 0,32 betragen habe sollte. Dagegen erscheint die von
Prof. Dr. D. festgestellte Simulation im Hinblick auf die Sehschärfe einleuchtend, denn dieser konnte die herabgesetzte Sehschärfe nicht mit objektiven Befunden erklären. Eine Aggravation
bzw. Simulation im Hinblick auf die Sehschärfe haben darüber hinaus auch
Prof. Dr. B. und Frau
S. angenommen. Schließlich hat die Klägerin in ihrer Klagebegründung vor dem SG Dessau selbst auf die Rückbildung ihrer anfänglichen Sehminderung hingewiesen.
c) Weitere Gesundheitsstörungen, die einem anderen Funktionssystem zuzuordnen sind und zumindest einen Einzelbehinderungsgrad von 10 bedingen, sind nicht festzustellen. Eine Erkrankung des entzündlich-rheumatischen Formenkreises konnte nach dem Befundbericht des
Dr. A. vom 1. März 2010 und der Epikrise des J.-Krankenhauses F. über den stationären Aufenthalt vom Januar 2011 ausgeschlossen werden. Dort war auch der orthopädische Befund weitgehend unauffällig. Nach den erfolgten Operationen am Knie und Ellenbogen sind demnach keine wesentlichen Funktionseinschränkungen verblieben. Auch der Radiologiebefund der Wirbelsäule vom 16. Oktober 2009 hat nur eine geringgradige retrospondylophyte Ausziehung ohne relevante Einengung des Spinalkanals nachgewiesen. Der Blutdruck ist nach den Ausführungen von
Dr. Z. vom 22. März 2010 gut eingestellt und eine kardiale Leistungseinschränkung ist nicht erkennbar. Bei eine Ergometriebelastung bis 100 Watt war ein adäquates Blutdruckverhalten ohne kardiopulmonale Einschränkungen festgestellt worden. Die Entfernung der Gebärmutter im Oktober 2008 bedingt bei Klägerin keinen Behinderungsgrad. Sie ist nicht mehr im jüngeren Lebensalter mit noch bestehendem Kinderwunsch (dazu
Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 14.3,
S. 87). Auch die lediglich einmal erwähnte Harninkontinenz (
Prof. Dr. V., Arztbrief vom 24. April 2002) rechtfertigt keinen Behinderungsgrad, da allenfalls von einer relativen Harninkontinenz ausgegangen werden kann, die mit 0 bis 10 zu bewerten ist (
Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 12.2.4,
S. 83).
d) Da bei der Klägerin Einzelbehinderungen aus verschiedenen Funktionssystemen mit einem messbaren Grad der Behinderung vorliegen, ist nach
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der Grad der Gesamtbehinderung zu ermitteln. Dafür sind die Grundsätze nach
Teil A, Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (
S. 22) anzuwenden. Nach
Nr. 3c ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad bedingt, und dann zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Zehnergrad ein oder mehr Zehnergrade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Danach ist von dem Behinderungsgrad von 40 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche auszugehen. Dieser ist aufgrund der ebenfalls mit 40 bewerteten Einschränkung des Funktionssystems Auge zu erhöhen. Der Beklagte hat bei der Klägerin bereits einen Gesamtbehinderungsgrad von 70 festgestellt. Dies erscheint unter Berücksichtigung der Einzelbehinderungsgrade von 40 als sehr wohlwollend, denn zwei Einzelbehinderungsgrade von 40 führen nicht automatisch zu einem Gesamtbehinderungsgrad von 70. Oftmals ist in dieser Konstellation auch nur ein Gesamtbehinderungsgrad von 60 gerechtfertigt. Als wohlwollend erscheint der bereits festgestellte Gesamtbehinderungsgrad von 70 auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Bewertung im Funktionssystem Auge mit 40 ebenfalls großzügig war. Keinesfalls kann demnach noch ein höherer Behinderungsgrad als 70 festgestellt werden.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die begehrten Merkzeichen.
a) Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens H liegen nicht vor. Gemäß § 33 b
Abs. 6
S. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe bedarf. Zu den zu berücksichtigenden Verrichtungen zählen zunächst die auch von der Pflegeversicherung erfassten Bereiche der Grundpflege, also der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- und Blasenentleerung), der Ernährung (mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) und der Mobilität (Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung). Hinzu kommen Verrichtungen in den Bereichen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und der Kommunikation (hier insbesondere Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen), während Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht eingeschlossen sind (ständige Rechtsprechung des
BSG,
vgl. nur Urteil vom 24. November 2005,
B 9a SB 1/05 R, RdNr. 15 m.w.N, zitiert nach juris
m.w.N.). Die in § 33 b
Abs. 6
S. 3 EStG vorausgesetzte Reihe von Verrichtungen kann erst dann angenommen werden, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erfordern (
BSG, Urteil vom 24. November 2005, a.a.O.,
m.w.N., RdNr. 16 f.). Die Erheblichkeit des Hilfebedarfs ist in erster Linie nach dem täglichen Zeitaufwand für die erforderlichen Betreuungsleistungen zu beurteilen (ständige Rechtsprechung des
BSG, Urteil vom 24. November 2005, a.a.O., RdNr. 16 f.; Urteil vom 12. Februar 2003, B 9 SB 1/02 R RdNr. 15 f., zitiert nach juris). Danach ist nicht hilflos, wer nur in relativ geringem Umfang (täglich etwa eine Stunde) auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Nach diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens H bei der Klägerin nicht vor. Der Senat folgt der Einschätzung des Sachverständigen
Prof. Dr. H., wonach sie für wiederkehrende Verrichtungen des täglichen Lebens (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, psychische Erholung, geistige Anregung, Kommunikation) keiner Hilfe bedarf. Ein solcher Hilfebedarf ist auch in den Reha-Entlassungsberichten nicht beschrieben worden, sodass die Beurteilung des
Dr. Z. vom 21. August 2003, wonach die Klägerin Hilfe beim An- und Auskleiden (eine Stunde) und der Körperpflege (eine halbe Stunde) benötige, nicht nachzuvollziehen ist. Selbst das auf den Angaben der Klägerin und ihrer Mutter beruhende Pflegegutachten vom 2. Februar 2009 weist nur einen Zeitaufwand in der Grundpflege von täglich 23 Minuten (Körperpflege 11 Minuten, Ernährung 3 Minuten, Mobilität 9 Minuten) aus. Damit bedarf die Klägerin allenfalls nur in einem sehr geringen Umfang fremder Hilfe, der nicht die Vergabe des Merkzeichens H rechtfertigt.
b) Auch die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF sind nicht gegeben. In § 6
Abs. 1
Nr. 8 des Rundfunkstaatsvertrages vom 31. August 1991 in der Fassung des
Art. 5
Nr. 6 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15. Oktober 2004 in Verbindung mit dem Gesetz zu dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag Sachsen-Anhalt vom 9. März 2005 (GVBl. LSA 2005, 122) sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ab 1. April 2005 geregelt. Für die Auslegung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF sind die in
Nr. 33,
S. 141 f. aufgeführten Kriterien der Anhaltspunkte 2004 weiterhin heranzuziehen, auch wenn die
Nr. 33 in den Anhaltspunkten 2008 nicht mehr aufgeführt ist und auch keine Aufnahme in die Versorgungsmedizin-Verordnung gefunden hat. Allein deren weitere Anwendung gewährleistet die im Interesse der Gleichbehandlung der behinderten Menschen gebotene gleichmäßige Anwendung dieser Maßstäbe. Danach sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens RF immer bei Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung erfüllt. Ferner ist das Merkzeichen RF bei Hörgeschädigten festzustellen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist. Schließlich liegen die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF bei Behinderten mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 vor, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen nicht ständig teilnehmen können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern (
vgl. BSG, Urteil vom 12. Februar 1997,
9 RVs 2/96, SozR 3-3870 § 4
Nr. 17; Urteil vom 10. August 1993,
9/9a RVs 7/91, SozR 3-3870 § 48
Nr. 2; Urteil vom 17. März 1982,
9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3
Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der schwerbehinderte Mensch wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist. Der schwerbehinderte Mensch muss demnach praktisch an das Haus gebunden sein.
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Wegen ihrer Sehbehinderung aufgrund der Gesichtsfeldeinschränkung kann allenfalls ein Behinderungsgrad von 40 festgestellt werden. Eine Hörminderung liegt bei ihr nicht vor. Auch ist insgesamt bei wohlwollender Bewertung ein Gesamtbehinderungsgrad von 70, nicht aber der für das Merkzeichen RF erforderliche von 80 festzustellen. Zudem kann die der Klägerin nach den überzeugenden Einschätzungen des Sachverständigen
Prof. Dr. H. in nennenswertem Umfang an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Diese Beurteilung wird auch durch die weiteren im Verfahren beigezogenen Unterlagen bestätigt. So ergeben sich aus den Reha-Entlassungsberichten keine Hinweise für die Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Gegenüber
Dr. S. hat die Klägerin selbst mitgeteilt, sie gehe Einkaufen und besuche Freunde. Im MDK-Gutachten vom 2. Februar 2009 wird ausgeführt und durch die eingeholten Befundunterlagen bestätigt, dass die Klägerin regelmäßig ihre behandelnden Ärzte aufsucht. Zweimal wöchentlich nimmt sie den Angaben im Pflegegutachten zufolge an einem Reha-Kurs im Fitnessstudio teil. Schließlich hat auch die Mutter der Klägerin gegenüber der
Dipl.-Psych. B. angegeben, diese treffe sich regelmäßig mit Bekannten und gehe beispielsweise zur Bowlingbahn, sodass nach alledem die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht vorliegen.
c) Schließlich erfüllt die Klägerin auch nicht die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B. Das Merkzeichen G setzt eine erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr voraus. Die in den
Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (D 1, S. 140 f.) aufgeführten Regelbeispiele liegen nicht vor. Aufgrund der selten auftretenden epileptischen Anfälle kann das Merkzeichen G nicht festgestellt werden. Denn auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit ist erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit zu schließen ist, wenn die Anfälle überwiegend am Tag auftreten (D 1 e,
S. 140). Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem Behinderungsgrad von wenigstens 70 anzunehmen, bei Sehbehinderungen, die einen Behinderungsgrad von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion. Bei der Klägerin ist nur ein Behinderungsgrad von 40 für die Sehbehinderung gegeben, sodass auch dieses Regelbeispiel nicht eingreift. Schließlich liegt auch kein neurologisch
bzw. orthopädisch geprägtes Krankheitsbild vor, das die Vergabe des Merkzeichens G rechtfertigen kann (Versorgungsmedizinischen Grundsätze, D 1,
S. 139 f.). Nach der medizinischen Sachaufklärung bestehen keine Paresen oder Behinderungen der Lendenwirbelsäule und/oder der unteren Gliedmaßen, die die Bewegungsfähigkeit wesentlich einschränken könnten. Das Gangbild der Klägerin war schon unmittelbar nach der Hirnblutung während des stationären Reha-Aufenhalts im Jahre 2001 sicher und zügig. Auch während des Reha-Aufenthalts im Jahre 2003 und bei der Begutachtung im Januar 2004 durch
Dr. S. wurde das Gangbild als ungestört und flüssig beschrieben. Da nach alledem bei der Klägerin die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht vorliegen, ist auch das Merkzeichen B nicht festzustellen (
vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätzen, D 2 b, S. 141). Auch die weiteren Regelbeispiele (D 2 c,
S. 141), die mit denen für das Merkzeichen G in Bezug auf Sehbehinderte und bei epileptischen Anfällen identisch sind, erfüllt die Klägerin damit nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160
SGG nicht vor.