Urteil
Vorraussetzungen für die Anerkennung der Merkzeichen "G" und "H"

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg


Aktenzeichen:

L 13 SB 90/11


Urteil vom:

25.10.2012


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Februar 2010 wird auch insoweit zurückgewiesen, als sie nicht zurückgenommen war.

Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vorliegend noch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H".

Der 1979 geborene Kläger beantragte am 19. April 2006 erstmals beim Beklagten die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H". Nach Einholung von Befundberichten und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme setzte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Mai 2006 bei Ablehnung der Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" den GdB auf 30 fest. Dem legte er folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

Ausfall der rechten Niere (Einzel-GdB 25)
Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung, Funktionsbehinderung des Schultergelenkes rechts (Einzel-GdB 20).

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 9. Juni 2006 wies der Beklagte nach Einholung von weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahmen mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2007 zurück.

Der Kläger hat am 13. März 2007 beim Sozialgericht Potsdam Klage erhoben und die Gewährung eines GdB von mindestens 50 sowie die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" geltend gemacht. Zur Begründung verwies der Kläger auf Beschwerden des Bewegungs- und Gelenkapparates, insbesondere im Bereich der rechten Schulter aufgrund eines am 4. April 2005 erlittenen Sportunfalls, welcher am 4. Mai 2007 eine Implantation einer Totalendoprothese der Schulter erforderlich gemacht habe. Der Kläger reichte ein im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung erstelltes orthopädisches Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 29. April 2008 sowie zwei im Auftrag der Axa Versicherung AG erstellte Gutachten des Chirurgen MC vom 14. Januar 2008 und 25. März 2008 ein.

Das Sozialgericht hat zur medizinischen Sachaufklärung neben der Einholung von Befundberichten Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. T vom 22. September 2009 nebst ergänzender Stellungnahme von 22. Dezember 2009 und bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Physiotherapie Dr. W vom 1. September 2009. Der Sachverständige Dr. W stellte auf psychiatrischem Gebiet einen Einzel-GdB von 30 fest, dem er eine somatoforme Schmerzstörung, eine posttraumatische Verbitterungsstörung sowie ein algogenes Psychosyndrom zugrunde legte. Der Sachverständige Dr. T schlug bei Verneinung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" ab dem Zeitpunkt der Implantation der Schultergelenksendoprothese am 4. Mai 2007 die Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 vor, dem er bei Übernahme der Feststellungen des Sachverständigen Dr. W folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde legte:

Zustand des Schultergelenks (Einzel-GdB 30)
chronische Niereninsuffizienz/ Nierenleiden (Einzel-GdB 25)
Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen (Einzel-GdB 10)
somatoforme Schmerzstörung, posttraumatische Verbitterungsstörung und algogenes Psychosyndrom entsprechend den Feststellungen von Dr. (Einzel-GdB 30).

Ein ferner festgestelltes chronisches lokales Lendenwirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance, eine Retropatellararthrose beidseits bei allenfalls einer beginnenden Gonarthrose rechts mit leichten Funktionsstörungen sowie einen arteriellen Hypertonus bewertete der Sachverständige jeweils mit einem Einzel-GdB von unter 10.

Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme hat der Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2010 ab dem 4. Mai 2007 einen GdB von 50 anerkannt. Dem legte der Beklagte für die Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter sowie des Nervensystems jeweils einen Einzel-GdB von 30 und für die Einzelniere rechts ein Einzel-GdB von 25 zugrunde. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 50 für die Zeit vom 19. April 2006 bis zum 3. Mai 2007 sowie auf Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" ab dem 19. April 2006 weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Februar 2010 abgewiesen. Für den Zeitraum vom 19. April 2006 bis zum 3. Mai 2007 sei der Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befundunterlagen sowie der schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. T mit 30 ausreichend bemessen. Eine signifikante Verschlechterung der Beweglichkeit sei erst nach der endoprothetischen Versorgung am 4. Mai 2007 eingetreten. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens seien nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. T nicht gegeben. Auch von einer Hilflosigkeit des Klägers könne nach den anamnestischen Angaben der Sachverständigen Dr. T und Dr. W nicht ausgegangen werden. Gegen das ihm am 1. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. März 2010 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung verwies der Kläger darauf, dass jedenfalls ab der Antragstellung am 19. April 2006 für die Beeinträchtigung an der rechten Schulter ein GdB von 50 gerechtfertigt sei, wobei zusätzlich noch die weiter bestehenden psychischen Beeinträchtigungen sowie die seit Geburt vorliegende Schrumpfniere rechts und die sich insbesondere seit der ersten Schulteroperation im Jahr 2005 immer wieder neu bildenden Nierensteine links zu berücksichtigen seien. Auf Grund der massiven Schmerzzustände sowie der starken Nebenwirkungen der Medikamente in Verbindung mit einem mangelnden räumlichen Sehen und der extrem eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" gegeben.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2011 den Rechtsstreit hinsichtlich des Merkzeichens "G" mit Wirkung ab dem 12. Mai 2011 und hinsichtlich des Merkzeichens "H" mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 abgetrennt. Das Verfahren ist insoweit unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt worden. Die ursprünglich anhängige Berufung (L 13 SB 59/10) hat der Kläger zurückgenommen. Hinsichtlich der vorliegend weiterhin streitigen Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" trägt der Kläger vor, bei ihm bestehe permanent die Gefahr einer Ohnmacht, die mit regelmäßig - aber nicht vorhersehbar - auftretenden Schmerzspitzen und mit der Medikation zusammenhänge. Des Weiteren läge bei ihm die Besonderheit vor, dass seine Hände und Knie in Bewegung sofort anschwellen würden, so dass nach einer maximalen Gehstrecke von 50 bis 60 Metern eine weitere Bewegung nicht mehr möglich sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bei dem Orthopäden Dr. E. Der Sachverständige gelangt in seinem Gutachten vom 16. September 2011 aufgrund der Untersuchung des Klägers am 24. August 2011 zu dem Ergebnis, dass dieser auf orthopädischem Fachgebiet an rezidivierenden Cephalgien, einem Halswirbelsäulensyndrom mit belastungsabhängigen Nacken-Schulterschmerzen und Muskelverspannungen ohne funktionelle Auswirkungen, einer Lähmung im rechten Schultergelenk nach diversen Operationen, einem Zustand nach Versorgung mit einer Endoprothese mit erheblicher Minderbelastbarkeit der rechten oberen Extremität, einem LWS-Syndrom mit Lumbalgien bei initialen degenerativen Wirbelveränderungen ohne funktionelle Auswirkungen, einer altergemäßen Bewegefunktion beider Hüftgelenke mit altersgemäßen Verschleißzeichen bei geringer Minderanlage ohne funktionelle Auswirkungen, Arthralgien beider Kniegelenke - links mehr als rechts - ohne funktionelle Auswirkungen sowie Arthralgien beider Sprunggelenke ohne funktionelle Auswirkungen leide. Aufgrund der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auch auf anderen Fachgebieten bedürfe der Kläger bei im Wesentlichen unverändertem Gesundheitszustand seit Januar 2008 nicht dauernd fremder Hilfe. Der Kläger sei in der Lage - entsprechend einem einarmigen Menschen -, sich zügig ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung des rechten Armes zu entkleiden. Auch bedürfe der Kläger nicht bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens einer Handreichung oder Anleitung. Es bestehe auch keine Antriebsschwäche. Der Sachverständige beschreibt ein in Schuhen und barfuß gut raumförderndes Gangbild des Klägers mit seitengleicher Abrollung der Füße. Zehen- und Fersenstand sowie -gang seien sicher möglich gewesen. Ein medikamenteninduziert auftretender Schwindel habe nicht beobachtet werden können. Die objektivierten orthopädischen Befunde seitens der Wirbelsäule und der Gelenke der unteren Extremitäten bedingten keinen GdB von wenigstens 50. Auch im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens "G" nicht vor. In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23. Januar 2012 hat der Sachverständige Dr. E an seiner Einschätzung festgehalten und ausgeführt, dass der Kläger bei der Untersuchung über keine Schwindelneigung geklagt habe. Eine solche sei auch nicht aktenkundig. Weiterhin habe bei der Untersuchung keine zunehmende Schwellung der Gelenke nach Belastung beobachtet werden können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 31. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007 zu verurteilen, bei ihm für die Zeit ab dem 12. Mai 2011 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" und ab dem 1. Januar 2008 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "H" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts Potsdam auch insoweit für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gerichtsakten des Verfahrens L 13 SB 59/10 vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Rechtsweg:

SG Potsdam Urteil vom 18.02.2010 - S 9 SB 72/07

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil die Klage auch hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab dem 12. Mai 2011 und des Merkzeichens "H" ab dem 1. August 2008 abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2007 ist auch insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "H" ab den vorliegend noch geltend gemachten Zeitpunkten.

Nach § 69 Absatz 1 Satz 1 SGB Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden nach § 69 Absatz 4 SGB IX die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1 der Vorschrift.

Gemäß § 145 Absatz 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Nach § 146 Absatz 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Bei der Prüfung der Frage, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87, Rn. 8 ff. bei Juris). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausreichend, dass diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann. Denn Teil D Nr. 1d der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) gibt an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtert die VersMedV diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die VersMedV beschreibt dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (vgl. BSG, Urteil vom 13. August 1997 - 9 RVs 1/96, Rn. 19 bei Juris).

Nach diesen rechtlichen Vorgaben kann der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens "G" auch für die Zeit ab dem 12. Mai 2011 nicht beanspruchen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. E ist der Kläger in der Lage, ortsübliche Wegstrecken von etwa zwei Kilometern Länge in weniger als einer halben Stunde ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich und andere zu Fuß zurückzulegen. Darüber hinaus bestehen beim Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. E auch keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich genommen einen GdB von wenigstens 50 bedingen (vgl. Teil D Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2 der VersMedV). Auch innere Leiden oder sonstige Gründe, die die Bewegungsfähigkeit des Klägers erheblich beeinträchtigen würden, liegen nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. E nicht vor. Vielmehr beschreibt dieser in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. T weiterhin ein in Schuhen und barfuß gut raumförderndes Gangbild des Klägers mit seitengleicher Abrollung der Füße sowie einen sicheren Zehen- und Fersenstand sowie -gang. Die von dem Kläger geschilderte medikamenten- und schmerzbedingte Schwindelneigung konnte nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. E nicht objektiviert werden.

Der Begriff der Hilflosigkeit ist definiert in § 145 Absatz 1 SGB IX sowie in §§ 33 a, b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Eine Person ist danach hilflos, wenn sie in Folge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend für eine Reihe von häufigen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Bei den gemäß § 33 b Absatz 6 EStG zu berücksichtigenden Verrichtungen handelt es sich neben dem auch von der Pflegeversicherung erfassten Bereich der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität vgl. § 14 Absatz 1 Satz 1, 15 Absatz 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)) um Maßnahmen der psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91, Rn. 11 ff. bei Juris). Nicht vom Begriff der Hilflosigkeit umschlossen ist der Hilfebedarf bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 - 9 RV 19/95, Rn. 13 ff. bei Juris). Die in § 33 b EStG tatbestandlich vorausgesetzte "Reihe von Verrichtungen" ist regelmäßig erst dann gegeben, wenn es sich um mindestens drei Verrichtungen handelt, die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen, wobei sich die Erheblichkeit an dem Verhältnis der dem Beschädigten nur noch mit fremder Hilfe möglichen Verrichtung zu denen, die er auch ohne fremde Hilfe bewältigen kann, orientieren (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - B 9 V 3/01 R, Rn. 22 ff. bei Juris; Urteil vom 12. Februar 2003 - B 9 SB 1/02 R, Rn. 13 ff. bei Juris).

Der Kläger ist unter Berücksichtigung der vorgenannten rechtlichen Vorgaben entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen Dr. E zur eigenständigen Lebensführung in der Lage und auch unter Berücksichtigung dessen, dass er seinen rechten Arm nicht bewegen kann, nicht hilflos. So beschreibt der Sachverständige, dass der Kläger - entsprechend einem einarmigen Menschen - sich zügig ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung des rechten Armes entkleiden konnte. Einen Bedarf an einer Handreichung oder Anleitung bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens konnte der Sachverständige bei dem Kläger gerade nicht feststellen. Der Senat schließt sich den auch insoweit überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.

Referenznummer:

R/R6230


Informationsstand: 10.07.2014