Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 statt 30 sowie die Vergabe des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit).
Der am ... 2002 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten am 3. August 2009 die Feststellungen von Behinderungen und das Ausstellen eines Ausweises sowie die Vergabe des Merkzeichens "H". Zur Begründung gab er an, unter einer schweren Thrombozytopenie zu leiden, die im Mai 2006 festgestellt worden sei. Seinem Antrag fügte er Befundunterlagen der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der Universitätsklinik M. vom 18. Mai 2006, 30. August 2006, 14. August 2007 und 12. Oktober 2007 bei. Diesen Unterlagen ist zu entnehmen, dass bei dem Kläger aufgrund petechialer Hautblutungen (punktförmige
bzw. stecknadelkopfgroße Einblutungen ins Gewebe) im Mai 2006 ein Blutbild durchgeführt worden sei, das eine stark verminderte Thrombozytenzahl erbracht habe. Anamnestisch sei die erhöhte Blutungsneigung schon seit einem längeren Zeitraum beobachtet worden, ohne dass größere Blutungsereignisse aufgetreten seien. Das Kind sei klinisch unauffällig und erscheine unbeeinträchtigt. Es bestehe weiterhin die Hoffnung auf eine spontane Remission (30. August 2006). Nach einer stationären Betreuung vom 4. bis 5. Oktober 2007 habe die Thrombozytenzahl bei 45,0 Gpt/l (Gigapartikel pro Liter) gelegen. Nach Aufforderung durch den Beklagten übersandte die Universitätskinderklinik des Universitätsklinikums M. weitere Befundunterlagen vom 4. August 2008 und 28. Juli 2009 mit der Diagnose einer schweren chronischen Thrombozytopenie mit einer Verminderung der Blutplättchen auf einen Wert unter 20 Gpt/l. Behandlungsversuche mit Immunglobulinen und Kortikoiden hätten nur kurzfristige Besserung erbracht; auch der Versuch einer Immunmodulation mit Dexamethason sei nicht erfolgreich gewesen. Die Zahl der Blutplättchen liegen normalerweise bei über 150 Gpt/l. Sinke dieser Wert deutlich ab, bestehe im Ausmaß der Verminderung eine erhöhte Blutungsneigung. Da das Gerinnungssystem nicht mehr in der Lage sei, bei niedrigen Blutplättchenwerten und Verletzungen einen Wundverschluss zu realisieren, könne es zu schweren Blutungen kommen. Auslöser für Blutungsereignisse seien zum Beispiel traumatische Ereignisse oder Operationen. Im Falle des Eintretens solcher Ereignisse sei die Gabe von Thrombozytenkonzentraten die einzige Behandlungsmöglichkeit. Während der Betreuung des Klägers im Kindergarten sei es zu keinem schweren Blutungsereignis gekommen. Dies sei sicherlich auch auf die gute Zusammenarbeit zwischen der Familie und den Betreuerinnen zurückzuführen. Der Kläger könne eine normale Schule besuchen, wo allerdings seine besondere gesundheitliche Verfassung berücksichtigt werden müsse. Der Ärztliche Dienst des Beklagten kam in Auswertung dieser Unterlagen zu dem Ergebnis einer Funktionseinschränkung in Form einer Blutgerinnungsstörung bei Thrombozytenmangel, wofür ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt werden könne. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 einen Grad der Behinderung von 30 fest, lehnte die Vergabe des Merkzeichens "H" jedoch ab, da die Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien. Zur Begründung seiner Feststellung gab der Beklagte an, nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (
VersMedV) sei bei einer Blutgerinnungsstörung bei Thrombozytenmangel ein Behinderungsgrad von 30 festzustellen.
Gegen den Feststellungsbescheid vom 5. Oktober 2009 legte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger am 15. Oktober 2009 Widerspruch ein und gab an, angesichts der Schwere der Erkrankung müsse ein höherer Grad der Behinderung festgestellt werden. Die erhöhte Blutungsneigung äußere sich in Form von petechialen Blutungen und multiplen Hämatomen am ganzen Körper. Es komme zu Spontanblutungen, Nasenbluten und Schleimhautblutungen. Verletzungen jeder Art und Stürze seien zu vermeiden. Schon bei kleinen Stößen bildeten sich große Blutergüsse und je nach Intensität des Verstoßes auch eine Wulst an der Stoßstelle. Derartige Ereignisse könnten nur durch vorbeugende Maßnahmen reduziert werden. Dies bedeute eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Betreuung des Klägers, der in seinem Bewegungsdrang erheblich beeinträchtigt sei. Nach der
VersMedV komme die Subsumtion der Erkrankung des Klägers unter "Sonstige Blutungsleiden" nach
Nr. 16.10 der Anlage in Betracht. Dann handele es sich in jedem Fall um die Ausprägung "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" und des Weiteren um die Fallvariante "mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen)". Aus diesen Gründen sei ein Grad der Behinderung von mindestens 80 festzustellen. Zusätzlich lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vor, da der Kläger der ständigen Betreuung und Überwachung bedürfe, damit jederzeit schnellstmöglich im Falle einer lebensgefährlichen Situation reagiert werden könne. Der Beklagte holte von Oberarzt
Dr. A., Universitätskinderklinik des Universitätsklinikums M., einen Befundbericht vom 2. November 2009 ein, in dem dieser mitteilte, die Behandlung des Klägers habe nicht zu einem dauerhaft positiven Ergebnis geführt. Nach einer vorübergehenden Besserung Anfang 2009 seien die Thrombozytopeniewerte wieder gefallen und hätten am 27. Juli 2009 sowie am 12. Oktober 2009 bei 14
bzw. 24 Gpt/l gelegen. Da die Blutplättchen in der Blutgerinnung eine zentrale Rolle spielten, sei bei dieser erheblichen Verminderung ihrer Anzahl von einer deutlich erhöhten Blutungsneigung auszugehen. Insbesondere bei Verletzungen, aber auch bei traumatischen Ereignissen, die im täglichen Leben auftreten könnten, könne es zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen. In einem solchen Fall können nur mithilfe der Gabe von Thrombozytopeniekonzentraten geholfen werden. Diese seien aber nur in großen medizinischen Einrichtungen vorrätig. Aufgrund der Gefährdungskriterien sei der Kläger mit dieser Ausprägung seiner Gerinnungsstörung einem schweren Hämophilien vergleichbar. In Auswertung dieser Unterlagen hielt
Dr. B. vom Ärztlichen Dienst des Beklagten mit seiner Stellungnahme vom 15. Januar 2010 wegen der bei dem Kläger bestehenden Gefährdungskriterien bei dauerhaft erniedrigter Blutplättchenzahl eine Bewertung des Grades der Behinderung mit 50 für zulässig, auch wenn nach Aktenlage häufige, mehrfach jährlich auftretende ausgeprägte Blutungen nicht belegt seien. Es sollte eine nochmalige Sachaufklärung zur Frage der Häufigkeit der Blutungen im Jahr, zu Anzahl und Ausmaß von Gelenkblutungen und zur Häufigkeit stationärer Behandlungen mit Intensivierung der Therapie erfolgen. Dem entsprechend holte der Beklagte von
Dr. A. einen weiteren Befundbericht vom 3. Februar 2010 ein, der mitteilte, bei dem Kläger würden je nach Belastung größere Hämatome an den Weichteilen auftreten, insbesondere an den Beinen. Weiterhin fänden sich petechiale Blutungen an den Schleimhäuten. Im Jahre 2008 seien zweimal Kortikoide eingesetzt worden, Anfang desselben Jahres sei auch eine große Weichteilblutung im Stirnbereich des Kopfes aufgetreten. 2009 habe keine medikamentöse Behandlung stattgefunden. Zu Gelenkblutungen sei es bisher nicht gekommen, 2008 und 2009 hätten keine stationären Behandlungen stattgefunden. Der mit der nochmaligen Auswertung der Unterlagen beauftragte Ärztliche Dienst des Beklagten gab mit Stellungnahme vom 19. März 2010 (ärztliche Gutachterin
Dipl.-Med. R.) an, eine Abhilfeentscheidung könne nicht vorgeschlagen werden, da in den letzten beiden Jahren keine erheblichen Blutungen beschrieben worden seien.
Dr. W., ebenfalls ärztliche Gutachterin beim Ärztlichen Dienst des Beklagten, gab mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 26. April 2010 an, ein noch höherer Grad der Behinderung als 30 sei nicht vertretbar, da keine mäßigen oder gar starken Auswirkungen eines Blutungsleidens bestünden. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze stellten bei der Bewertung von Blutungsleiden ausdrücklich auf die daraus resultierenden Auswirkungen ab. Aus allen vorliegenden Befundberichten gehe hervor, dass eine geringe Blutungsneigung und demgemäß keine klinischen Beeinträchtigungen (Auswirkungen) bestünden. Lediglich einmal sei ein etwas länger anhaltendes Nasenbluten belegt. In allen anderen Befundberichten würden nur einzelne Blutergüsse der Haut und punktförmige Hauteinblutungen beschrieben, die keine funktionellen Einschränkungen verursachen könnten. Bedrohliche Blutungen seien durchweg verneint worden und es habe dementsprechend bislang auch keine Notwendigkeit zur Transfusion von Blut oder Thrombozytopeniekonzentraten bestanden. Bei der Immunthrombozytopenie bestehe, da es sich bei dem Kläger um ein Kind handele, durchaus die Möglichkeit einer spontanen Ausheilung. Es sollte daher im 10. Lebensjahr eine Nachuntersuchung erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In der Begründung folgte er der Argumentation der ärztlichen Gutachterin
Dr. W. vom 26. April 2010.
Mit seiner am 12. Juni 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 nebst Vergabe des Merkzeichens "H" für die Zeit vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 zu haben. Zur Begründung hat er zunächst sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ferner hat er vorgetragen, gefährliche Blutungsereignisse könnten nur durch vorbeugende Maßnahmen reduziert werden. Die Aufmerksamkeit liege auf seiner Betreuung, weil jedes Stolpern, jedes Stoßen erhebliche Folgen haben könne. Er sei in seinem Bewegungsdrang erheblich beeinträchtigt. Im Alter von acht Jahren sei er schon dahingehend sensibilisiert, unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden. Es sei offensichtlich, dass dies nicht vollständig gelingen und jegliche Verletzung vermieden werden könne. Aufgrund der ständigen Gefahrenlage stehe er unter permanenter muskulärer Anspannung. Er trage beispielsweise keinen Schulranzen, sondern benutze einen Trolley. Der Druck der Riemen würde nämlich zu Hämatomen an der Druckstelle führen. Das gleiche gelte für zu fest geschnürte Schuhe. Auch einfache Mückenstiche würden Hämatome nach sich ziehen. Die Wahl der Urlaubsziele der Familie richte sich danach, ob eine Hämatologische Klinik in der Nähe verfügbar sei. Auslandsaufenthalte kämen grundsätzlich nicht in Betracht. Es sei auch die Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Seine Konzentrationsfähigkeit lasse schnell nach, denn der Körper müsse auf den Ausgleich des Mangels ständig Energie verwenden. Dies führe zu unterschiedlichen schulischen Leistungen in Abhängigkeit von der absolvierten Stundenzahl. Während der Unterrichtsstunden, die später am Tag stattfinden, zeige er schlechtere Leistungen. Bei der Bewertung der Erkrankung müsse bei Heranziehung der
VersMedV von einem "sonstigen Blutungsleiden" nach
Nummer 16.10 der Anlage ausgegangen werden. Dabei falle die dargestellte Blutungsneigung in jedem Fall unter das Stichwort "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" und auch unter die Bezeichnung "mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen)". Folgerichtig habe
Dr. A. im Befundbericht vom 2. November 2009 seine Gerinnungsstörung mit einer schweren Hämophilie verglichen. Damit sei ein Grad der Behinderung von 50 oder höher gegeben. Die Schwere der Thrombozytopenie sei über die Jahre hinweg auch durch die Befunde des behandelnden Arztes
Dr. A. bestätigt worden, ebenso die Tatsache, dass die Erkrankung nicht beeinflusst werden könne. Es sei mit unterschiedlichen Behandlungsansätzen nicht gelungen, die Thrombozytenzahl dauerhaft zu erhöhen. Zu Unrecht lehne der Beklagte einen höheren Grad der Behinderung als 30 mit der Begründung ab, dass eine geringe Blutungsneigung anzunehmen sei, da es in der Vergangenheit zu keinen größeren Ereignissen gekommen sei. Dies könne nicht der Maßstab für die mit der Erkrankung verbundene Blutungsneigung sein. Nur weil er, seine Eltern und diverse Betreuer mit erheblichem Aufwand erfolgreich um Prävention und Vermeidung von Gefahrensituationen bemüht seien, dürfe daraus nicht auf eine geringere Blutungsneigung geschlossen werden. Bei ärztlichen Untersuchungen in den vergangenen Jahren seien regelmäßig petechiale Blutungen und Hämatome am ganzen Körper beschrieben worden. Hinzu seien Schleimhautblutungen, Nasenbluten und petechiale Blutungen im Rachen gekommen. Dabei habe es sich um "alltägliche" Blutungsereignisse gehandelt, bei denen jeweils keine besondere Gefährdungssituation vorgelegen habe. Des Weiteren lägen auch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" vor, weil er einer ständigen Betreuung und Überwachung bedürfe, damit im Falle einer lebensgefährlichen Situation schnellstmöglich reagiert werden könne. Die Lehrer könnten die notwendige Aufmerksamkeit über den gesamten Zeitraum des Schulbesuchs nicht gewährleisten. Leider habe die Sozialagentur die Unterstützung durch einen Integrationshelfer abgelehnt, weshalb ein entsprechendes Klageverfahren anhängig sei. Ursprünglich habe er im August 2009 in seinem Heimatort
S. eingeschult werden sollen, was aber nur mit Unterstützung eines Integrationshelfers möglich gewesen wäre. Deshalb sei er auch ohne die Zusage eines Integrationshelfers in die Grundschule in U. eingeschult worden. Sein Alltag sei geprägt durch ein ständiges Sich-Zurücknehmen und durchgängige Beaufsichtigung. Aufgrund der erheblichen Probleme zum Zeitpunkt der Einschulung habe die Mutter ihr Arbeitsverhältnis gekündigt und im September 2010 eine Arbeitsstelle mit flexiblen Arbeitszeiten angetreten. Einen Antrag auf eine Pflegestufe nach dem
SGB XI habe er bislang nicht gestellt.
Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und Befundberichte von (
u. a.)
Dr. A. vom 6. August 2012 und der Internistin
Dipl.-Med. W. vom 29. August 2012 eingeholt.
Dr. A. hat angegeben, den Kläger im Zeitraum vom 9. Mai 2006 bis 22. Dezember 2011 wegen einer Autoimmunthrombozytopenie behandelt zu haben. Es hätten 2006 und 2007 zwei stationäre Behandlungen stattgefunden, danach keine mehr. Seit dem 3. August 2009 hätten sich die Befunde des Klägers gebessert, ein Normalbefund liege aber noch nicht vor. Blutungsereignisse seien derzeit wegen der relativ hohen Anzahl von Thrombozyten (119 Gpt/l) nicht zu verzeichnen.
Dipl.-Med. W. hat einen Laborbefund vom 29. August 2012 übersandt, wonach die Anzahl der Thrombozyten auf 170 Gpt/l (normal 140-360) bestimmt worden sei. Als Befund/Diagnose hat sie angegeben, aufgrund der Thrombozytopenie würden Stürze und Verletzungen beim Kläger sofort zu Hämatomen führen. In Auswertung dieser Befunde hat der Beklagte unter Hinweis auf eine Stellungnahme seines versorgungsärztlichen Dienstes vorgetragen, der bisher anerkannte Grad der Behinderung von 30 sei nicht mehr gerechtfertigt, weil die Thrombozytenanzahl inzwischen im Normbereich liege. Im Hinblick auf die erhöhte Hämatombildung sei in Analogie zu den myelodysplastischen Syndromen nur noch ein Grad der Behinderung von 0 bis höchstens 10 vertretbar. Im Übrigen sei eine Thrombozytopenie nicht einer Hämophilie gleichzusetzen. Hierzu hat der Kläger vortragen lassen, es sei seit Ende August 2012 von einer Heilung der Erkrankung auszugehen, so dass die Feststellung des Grades der Behinderung den Zeitraum bis zum 28. August 2012 betreffe. Der Heilung sei eine vierwöchige Fieberphase vorausgegangen. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit keine Bluttransfusionen notwendig gewesen seien, sei auf den erheblichen Aufwand zurückzuführen, den die Eltern des Klägers, die Lehrer und die Erzieherinnen sowie die privat bezahlten Aufsichtspersonen betrieben hätten. Der erhöhte Beaufsichtigungsbedarf sei schon daraus abzuleiten, dass die Einschulung des Klägers von der Grundschule am Wohnort abgelehnt worden sei. In der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2013 hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50 sowie des Vorliegens der Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "H" auf den Zeitraum vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 beschränkt.
Mit Urteil vom 15. April 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, die Erkrankung des Klägers sei dem Funktionssystem Blut, blutbildende Organe, Immunsystem, zuzuordnen. Sie bedinge keinen höheren Grad der Behinderung als 30, da nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Teil B,
Nr. 16.10, bei sonstigen Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen ein Grad der Behinderung von 20 bis 40 und bei solchen mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen) ein Grad der Behinderung von 50 bis 70 zu vergeben sei. Bei myeolodysplastischen Syndromen mit mäßigen Auswirkungen (
z.B. gelegentliche Transfusionen) sei ein Grad der Behinderung von 30 bis 40 und bei stärkeren Auswirkungen (
z.B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, rezidivierende Infektionen) ein Grad der Behinderung von 50 bis 80 zu vergeben (Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil B,
Nr. 16.7). Unabhängig von der konkreten Einordnung der bei dem Kläger aufgetretenen Thrombozytopenie
bzw. Immunthrombozytopenie komme es für die Vergabe eines Grades der Behinderung von 50 auf die Stärke der Auswirkungen an. Bei dieser Prüfung sei auf die konkret eingetretenen Folgen der Erkrankung, nicht aber auf die Möglichkeit
bzw. Gefahr des Eintretens von Folgen abzustellen. Dem liege zu Grunde, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze bei der Einordnung von Funktionsstörungen stets auf die konkrete Funktionsbeeinträchtigung abstellten. Hierzu sei auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu verweisen, das mit Urteil vom 25. Oktober 2012 (
B 9 SB 2/12 R) festgestellt habe, dass die Beurteilung des Grades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen habe, ohne dass es auf die Verursachung der dauernden Gesundheitsstörungen ankomme. Dies gelte sowohl hinsichtlich unbeeinflusster Kausalzusammenhänge als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen könne und die er sogar selbst zu verantworten habe. Insofern komme es nach dieser Rechtsprechung nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung einer konkreten Therapie haben würde. Beim Kläger sei es wegen konsequenter Überwachung und Betreuung trotz niedriger Thrombozytenwerte zu keinen größeren Blutungsereignissen gekommen. Auch Gelenkblutungen seien nicht aufgetreten. 2008 seien zweimal Kortikoide eingesetzt und insgesamt sei der Kläger dreimal stationär behandelt worden. Die zahlreichen Berichte beträfen größere Hämatome und punktartige Einblutungen. Insgesamt handele es sich dabei um ein Blutungsleiden mit mäßigen Auswirkungen, das mit einem Grad der Behinderung von 30 ausreichend bewertet worden sei.
Gegen das ihm am 11. Juni 2013 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 11. Juli 2013 beim Landessozialgericht erhobenen Berufung. Er gibt an, nicht mehr an dem Blutungsleiden erkrankt zu sein und vertritt weiterhin die Auffassung, der Grad der Behinderung müsse unter Berücksichtigung der im Zeitraum vom 18. Mai 2006 bis 12. Oktober 2009 lebensbedrohlich niedrigen Thrombozytenwerte zwischen 2 und 25 Gpt/l mit mindestens 50 festgestellt und ihm ebenso das Merkzeichen "H" zuerkannt werden. Die Tatsache, dass in seinem Umfeld erfolgreich ein hoher Aufwand betrieben worden sei, um Verletzungen mit der Folge starker Blutungen zu vermeiden, lasse keine Rückschlüsse auf das Ausmaß der Blutungsneigung zu. Zu verweisen sei auf Teil B
Nr. 16.5 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze, wo bei einer wesentlich erhöhten Anzahl von Thrombozyten entsprechend deren Ausmaß ein Grad der Behinderung von 50 bis 70
bzw. 80 bis 100 festzustellen sei. Er halte daran fest, dass bei einer Einordnung seines Leidens unter die "sonstigen Blutungsleiden" in
Nr. 16.10 die Ausprägung "mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)" herangezogen werden müsse. Insoweit habe der behandelnde Arzt
Dr. A. seinen Zustand und die Gerinnungsstörung zutreffend mit einer schweren Hämophilie verglichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. April 2013 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2010 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 sowie das Merkzeichen "H" für die Zeit vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die Klage gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2010 ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54
Abs. 1
SGG statthaft. Bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (
vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000,
B 9 SB 3/99 R, SozR 3-3870 § 3
Nr. 9
S. 22). Die Klage ist aber unbegründet, weil der Kläger für den umstrittenen Zeitraum vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 keinen Anspruch auf die Feststellung eines Grades der Behinderung (
GdB) von mehr als 30 hat und auch nicht darauf, dass bei ihm die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" für diese Zeit festgestellt werden.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1046). Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines
GdB ist
§ 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 69
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den
GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiell rechtlich an den in
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69
Abs. 1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als
GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69
Abs. 3 Satz 1
SGB IX der
GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den
GdB die im Rahmen des § 30
Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30
Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX gelten für den
GdB die Maßstäbe des § 30
Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30
Abs. 17 BVG erlassenen
Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30
Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (
GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (
VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten
Abs. 17 ermächtigt worden ist.
Nach
§ 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30
Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der
Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I
Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer
Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (
vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003,
B 9 SB 3/02 R, SozR 4-3800 § 1
Nr. 3
Rdnr. 12,
m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des
GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind - inhaltlich nahezu unverändert - in diese Anlage übernommen worden (
vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08,
S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in der Fassung von 2008
bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden daher die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze (
VMG) zitiert.
GdS und
GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der
GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der
GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (
VMG, Teil A, Allgemeine Grundsätze 2 a).
Der hier streitigen Bemessung des
GdB ist die
GdS-Tabelle der
VMG (Teil B) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (
Teil B, Nr. 1 a) sind die dort genannten
GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle die Teilhabe beeinträchtigenden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in
Nr. 2 e (Teil A,
Nr. 2 f) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B,
Nr. 1 a).
Nach diesem Maßstab ist für die Thrombozytopenie des Klägers für den Zeitraum vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 ein
GdB von 30 festzustellen.
Thrombozytopenie bezeichnet einen Mangel an Thrombozyten (Blutplättchen) im Blut. Der Mensch verfügt normalerweise über
ca. 150 000 bis 450 000 Thrombozyten pro µl (= 150 bis 450 Gpt/l) Blut; wird dieser Wert unterschritten, spricht man von einer Thrombozytopenie. Eine Thrombozytopenie kann durch verminderte Bildung, gestörte Verteilung oder vermehrten Abbau auftreten. Das Gegenteil der Thrombozytopenie ist die Thrombozytose. Klinisch ist eine Thrombozytopenie bei Werten unter 80.000/µl relevant, da erst ab diesem Niveau mit erhöhter Blutungsneigung zu rechnen ist, solange keine Funktionsstörungen der Thrombozyten vorhanden sind. Bei Werten unter 50.000/µl ist mit Spontanblutungen wie Nasenbluten, Hämatomen, Petechien der Haut und Schleimhäute, Hirnblutungen und Magen-Darm-Blutungen zu rechnen. Bei Bildungsstörungen müssen ab 10.000/µl Thrombozyten-Konzentrate verabreicht werden (Angaben nach Wikipedia).
Bei einer Thrombozytopenie handelt es sich um eine Behinderung, die dem Abschnitt B 16 der
GdB-Tabelle der
VMG zu Gesundheitsstörungen des Blutes, der blutbildenden Organe sowie des Immunsystems zuzuordnen ist. Die Höhe des
GdB bei Krankheiten des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems richtet sich nach den Vorbemerkungen zum Abschnitt B 16 der
VMG nach der Schwere der hämatologischen Veränderungen, nach den Organfunktionsstörungen, nach den Rückwirkungen auf andere Organe, nach der Auswirkung auf den Allgemeinzustand und der Häufigkeit von Infektionen. Die Erkrankung des Klägers ist in die Gruppe der Hämophilie und der entsprechenden plasmatischen Blutungskrankheiten (je nach Blutungsneigung) nach
Nr. 16.10 des Abschnitts B 16 der
VMG einzuordnen, und zwar in die Gruppe der "Sonstigen Blutungsleiden". Für die Gruppe der sonstigen Blutungsleiden nach
Nr. 16.10 der
VMG sind folgende Grade der Behinderungen vorgesehen:
ohne wesentliche Auswirkungen 10
mit mäßigen Auswirkungen 20 bis 40.
mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen) 50 bis 70.
mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen) 80 bis 100.
Zutreffend war es hier, einen
GdB von 30 festzustellen, weil die Behinderung des Klägers für ihn mit mäßigen Auswirkungen verbunden war. Damit war ein Bewertungsrahmen für die
GdB-Feststellung von 20 bis 40 eröffnet. Funktionseinschränkungen bestanden im Wesentlichen durch die mit Nebenwirkungen verbundene medikamentöse Behandlung im Jahre 2009, als der Kläger nach den Angaben seiner Ärzte kortisonhaltige Medikamente einnehmen musste. Weitere Einschränkungen ergaben sich aus der häufigen Bildung von Hämatomen bereits bei kleineren Stößen oder Verletzungen wie
z.B. Mückenstichen. Auch die vom Kläger und seinen Betreuungspersonen einschließlich der Eltern betriebene Verletzungsprophylaxe ist den Auswirkungen der Erkrankung zuzurechnen, wenngleich sie den Bereich der mäßigen Auswirkungen insgesamt nicht übersteigt. Nach allem handelt es sich um Einschränkungen mäßiger Art, wobei ab Antragstellung keine Ereignisse (schwere Blutungen, Krankenhausaufenthalte, Medikamenteneinnahme mit Nebenwirkungen) aktenkundig sind, die es rechtfertigen könnten, den Bewertungsrahmen mit einem Grad der Behinderung ganz auszuschöpfen. Deshalb ist der Mittelwert vom 30 für das Leiden des Klägers als angemessen anzusehen.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind hier keine starken Auswirkungen anzunehmen, für die eine Bewertungsspanne von 50 bis 70 eröffnet wäre. Denn es sind die dafür vorausgesetzten starken Blutungen bereits bei leichten Traumen zu keinem Zeitpunkt aufgetreten. Allerdings ist es vereinzelt in Phasen besonders niedriger Thrombozytenwerte zu Spontanblutungen wie Nasenbluten gekommen, was nach den Angaben der Ärzte, insbesondere denen des Oberarztes
Dr. A., in der Anfangszeit der Manifestation der Erkrankung vereinzelt eine intensivere medizinische Betreuung, zum Teil auch unter stationären Bedingen, erfordert hat. Jedoch lagen diese Ereignisse und stationären Krankenhausaufenthalte ausnahmslos vor der Antragstellung im August 2009 und waren, weil sie sich nach diesem Zeitpunkt nicht wiederholt haben, bei der
GdB-Feststellung nicht zu berücksichtigen.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, schon wegen der Gefahr des Auftretens starker Blutungen müsse von starken Auswirkungen der Erkrankung ausgegangen werden, ist ihm nicht zu folgen. Es macht einen Unterschied, ob bei einem Blutungsleiden Auswirkungen durch tatsächlich auftretende starke Blutungen bestehen oder ob lediglich die Möglichkeit besteht, es könne wegen zu niedriger Thrombozytenwerte zu starken Blutungen kommen. Zutreffend hat das SG, dessen Begründung sich der Senat insoweit vollständig anschließt, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
BSG ausgeführt, dass nur solche Beeinträchtigungen zu bewerten sind, die tatsächlich aufgetreten sind, nicht aber auch solche, die lediglich drohen. Von diesem Grundsatz gehen die
VMG im Übrigen auch durchgängig aus. Dafür, dass es sich hierbei auch um eine praxisgerechte Unterscheidung handelt, gibt die Krankengeschichte des Klägers selbst ein Beispiel: Er wurde nach spontan einsetzendem und anhaltendem Nasenbluten vom 4. bis 5. Oktober 2007 stationär im Universitätsklinikum behandelt, erhielt kortisonhaltige und andere Medikamente sowie weitergehende medizinische Behandlungen. Es liegt auf der Hand, dass dieses Erlebnis für den Kläger sehr belastend und im Sinne der
VMG mit starken Auswirkungen verbunden gewesen sein muss. Die Gefahr, es könnte wieder zu Nasenbluten und einer stationären Krankenhausbehandlung kommen, ist demgegenüber geringer zu gewichten, wenngleich eine gewisse psychische Belastung auch dabei gegeben ist.
Eine Gleichstellung mit den unter
Nr. 16.5 in Abschnitt B der
VMG aufgeführten Erkrankungen scheidet aus, weil eine Thrombozytopenie nicht einer chronischen myeloischen Leukämie und auch nicht einer anderen chronischen myeloproliferativen Erkrankung gleichgesetzt werden kann. Chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE) sind gekennzeichnet durch eine Entartung und Vermehrung der Blutzellen im Knochenmark. Im Gegensatz zu den akuten Leukämien mit Auftreten vorwiegend unreifer Leukämiezellen sind hier vor allem reife Zellelemente der Granulopoese (weiße Blutkörperchen), Erythropoese (rote Blutkörperchen) und Thrombopoese (Blutplättchen) betroffen. Zu dieser Gruppe zählen klassischerweise die Chronische myeloische Leukämie (CML), Polycythaemia vera (PV), idiopathische Myelofibrose (IMF) sowie die essentielle Thrombozythämie (ET). Im weiteren Sinne zählen zu dieser Krankheitsgruppe auch die systemische Mastozytose (SME) und die chronische eosinophile Leukämie (CEL). Es handelt sich damit ausnahmslos um lebensbedrohliche Erkrankungen im Umfeld einer Leukämie. Unter einer solchen Erkrankung hat der Kläger im strittigen Zeitraum nicht gelitten.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass zu seinen Gunsten für die Zeit vom 3. August 2009 bis 28. August 2012 das Merkzeichen "H" zuerkannt wird. In
Teil A Nr. 5 der gemeinsamen Grundsätze der VMG sind die Besonderheiten der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen geregelt. Nach
Nr. 5 Buchstabe d) Doppelbuchstabe oo) ist bei einer Hämophilie bei Notwendigkeit der Substitutionsbehandlung - und damit schon bei einer Restaktivität von antihämophilem Globulin von 5 % und darunter - stets bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres, darüber hinaus häufig je nach Blutungsneigung (zwei oder mehr ausgeprägte Gelenkblutungen pro Jahr) und Reifegrad auch noch weitere Jahre, Hilflosigkeit anzunehmen.
Diese Voraussetzungen lagen bei dem Kläger im streitigen Zeitraum nicht vor, weil er einerseits zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits das 7. Lebensjahr vollendet hatte und es andererseits nicht zu häufigen Blutungen in Form von zwei oder mehr Gelenkblutungen pro Jahr gekommen war. Anhaltspunkte für eine besondere Hilfsbedürftigkeit aus anderen Gründen, die den Umfang der Hilfsbedürftigkeit eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschritten haben könnte, sind nicht ersichtlich und angesichts der im Übrigen weitgehend normal verlaufenen körperlichen Entwicklung ohne Mangelzustände auch nicht wahrscheinlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG; Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
SGG).