Urteil
Keine Zuerkennung des Merkzeichen "H" bei fehlenden gesundheitlichen Voraussetzungen

Gericht:

SG Freiburg 7. Kammer


Aktenzeichen:

S 7 SB 2419/14


Urteil vom:

20.03.2017


Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung des Merkzeichens "H" (Hilflosigkeit).

Bei dem am geborenen Kläger besteht eine angeborene Achondroplasie (Kleinwuchs - Körpergröße ca. 136 cm - mit überproportional stark verkürzten Extremitäten). Der Kläger war aufgrund der mit dieser Erkrankung verbundenen Einschränkungen der körperlichen Beweglichkeit von Kindheit an mit einer MdE von 50 (später GdB von 50) als Schwerbehinderter anerkannt. Ebenso ist bei ihm seither das Merkzeichen "G" (Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festgestellt.

Nachdem im Erwachsenenalter zusätzlich Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule auftraten, wurde der GdB im Juni 1989 auf 70 erhöht; im Mai 1993 wegen der Verschlechterung der Wirbelsäulenbeschwerden sowie wegen des Hinzutretens von Schwerhörigkeit auf 90. Gleichzeitig wurde auch das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt. Seit Juni 1994 ist ein GdB von 100 sowie zusätzlich auch das Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) anerkannt.

Im Jahr 2004 wurde bei dem Kläger eine operative Dekompression einer Spinalkanalstenose vorgenommen. Danach wurde der Kläger am 14.9.2004 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Frage der Pflegebedürftigkeit begutachtet. Dies ergab einen täglichen Grundpflegebedarf von 39 Minuten. Der Kläger wurde daraufhin von der gesetzlichen Pflegeversicherung in die Pflegestufe I eingestuft.

Im Jahr 2005 beantragte der Kläger erstmals beim Versorgungsamt die Feststellung auch der Merkzeichen "H" (Hilflosigkeit) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht). Körperpflege und An- und Auskleiden seien ihm nicht mehr ohne fremde Hilfe möglich. Außerhalb der Wohnung könne er sich nur noch mit einem Elektrorollstuhl fortbewegen. Das Versorgungsamt lehnte diesen Antrag ab. Das folgende Klageverfahren vor dem Sozialgericht D. endete durch Klagerücknahme.

Am 16.1.2009 erfolgte eine erneute Begutachtung durch den MDK, welche einen gestiegenen Grundpflegebedarf von nunmehr 74 Minuten täglich (für Hilfe beim Aufstehen, An- und Auskleiden, Richten der Bekleidung, Waschen und Duschen sowie Haarpflege) ergab.

Am 1.4.2009 beantragte der Kläger erneut beim Versorgungsamt die Feststellung der Merkzeichen "H" und "RF". Dies begründete er damit, dass nach einem neuen Gutachten für die Pflegeversicherung die Pflegestufe zwar unverändert sei, der zeitliche Pflegeaufwand sich aber erhöht habe. Mit Bescheid vom 24.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.3.2010 lehnte das beklagte Land diesen Antrag wiederum ab. Auch diese Entscheidung wurde bestandskräftig.

Am 7.10.2013 fand eine Fallberatung durch den MDK zur aktuellen Pflegesituation statt; das Protokoll vermerkt keine Änderungen gegenüber der letzten Begutachtung im Jahr 2009. Am 15.10.2013 beantragte der Kläger zum dritten Mal beim Versorgungsamt die Feststellung der Merkzeichen "H" und "RF". Trotz einer nochmaligen Wirbelsäulenoperation im Juni 2013 sei seine körperliche Beweglichkeit inzwischen noch weiter eingeschränkt.

Mit Bescheid vom 9.1.2014 lehnte das Versorgungsamt auch diesen Antrag ab. Die aktuellste Stellungnahme des MDK vom 7.10.2013 dokumentiere keine wesentlichen Änderungen, insbesondere keine nachhaltige Verschlechterung.

Der Kläger legte am 14.1.2014 gegen diese Entscheidung Widerspruch ein. Nach nochmaliger Einholung ärztlicher Unterlagen wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 7.5.2014 als unbegründet zurück.

Mit seiner am 22.5.2014 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt der Kläger das Ziel der Feststellung des Merkzeichens "H" weiter. Die ursprünglich auch wegen des Merkzeichens "RF" erhobene Klage hat er dagegen mit Schreiben vom 30.5.2016 insoweit zurückgenommen.

Der Kläger trägt vor, im Gegensatz zu den Feststellungen des beklagten Landes sei in den vergangenen Jahren eine drastische Verschlechterung seines Gesundheitszustands eingetreten. Er sei mittlerweile außerhalb seiner Wohnung (in einer Anlage für Betreutes Wohnen) ständig auf den Elektrorollstuhl angewiesen. Sein behindertengerecht umgebautes Kfz könne er mittlerweile nicht mehr benutzen, weil ihm der Transfer vom Rollstuhl in den Autositz nicht mehr möglich sei. Die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei gar nicht mehr möglich. Er benötige auch täglich die Hilfe des Pflegedienstes zum An- und Ausziehen und zur Körperpflege. Selbst innerhalb der Wohnung könne er sich nur noch mit dem Rollator oder mit zwei Gehstöcken fortbewegen. Freies Gehen oder Stehen sei ihm nicht mehr möglich. Sollte er in seiner Wohnung stürzen, sei er ebenfalls auf fremde Hilfe angewiesen, um wieder aufzustehen. Er sei daher auf ein Hausnotrufsystem angewiesen. Insgesamt sei zu beachten, dass er aufgrund seiner angeborenen Achondroplasie stärker in seiner Beweglichkeit eingeschränkt sei als ein normalwüchsiger Mensch mit den gleichen Wirbelsäulenerkrankungen. Denn aufgrund der stark verkürzten Gliedmaßen sei es ihm beispielsweise nicht möglich, einen heruntergefallenen Gegenstand durch einfaches Bücken aufzuheben. Er sei dann auf die Verwendung einer Greifhilfe angewiesen. Zur Illustration hat der Kläger dem Gericht zwei kurze selbst gefertigte Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt, die das Anziehen von Schuhen sowie den Positionswechsel vom Gehen/Stehen mit Rollator zum Sitzen im Rollstuhl zeigen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 9.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.5.2014 dahingehend abzuändern, dass beim Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" festgestellt wird.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält die mit der Klage angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers zur Frage der Voraussetzungen des Merkzeichens "RF". Nachdem der Kläger dieses Anliegen allerdings seither nicht mehr weiterverfolgt, nimmt das Gericht an dieser Stelle lediglich zusammenfassend auf deren Inhalt Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des beklagten Landes (Stand 28.5.2014), die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört wurden.

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben und als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Klage ist aber nicht begründet. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide sind, soweit sie vom Kläger noch beanstandet werden, rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Die Zuerkennung des Merkzeichens "H" kommt nicht in Betracht.

Die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" richtet sich nach § 33 b EStG in Verbindung mit den Vorgaben der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Teil A, Ziff. 4) und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Bei den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (VG) handelt es sich um die Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (VersMedVO) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. In ihr sind allgemeine Hinweise und Richtlinien zur Beurteilung der Höhe des GdB sowie des Vorliegens von Merkzeichen niedergelegt. Sie werden unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse der ärztlichen Wissenschaft von einem hierzu berufenen unabhängigen Gremium ("Ärztlicher Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin") ständig überarbeitet.

Nach diesen Grundsätzen ist eine Person hilflos, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe bedarf (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris). Die Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (BSG, Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris).

Zu den zu berücksichtigenden Verrichtungen zählen hierbei alle Verrichtungen der Grundpflege im Sinne der Pflegeversicherung (Körperpflege: Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Haarpflege, Rasieren, Toilettengang; Ernährung: mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung; Mobilität: Aufstehen, Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppen steigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris). Hinzu kommen können ferner auch Maßnahmen zur psychischen Erholung, geistigen Anregung und Kommunikation (Sehen, Hören, Sprechen und Fähigkeit zu Interaktionen) (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris). Der Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (z. B. Reinigen der Wohnung; Einkauf und Zubereitung von Mahlzeiten) ist dagegen nicht zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 2.7.1997, Az. 9 RVs 9/96 - juris).

Hinsichtlich des für das Merkzeichen "H" notwendigen Ausmaßes des Hilfebedarfs geht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon aus, dass es sich um wenigstens drei häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen handeln muss (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris), die einen Hilfebedarf in erheblichem Umfang erforderlich machen (BSG, Urteil vom 2.7.1997, Az. 9 RVs 9/96 - juris). Die "Erheblichkeit" des Umfangs wird bestimmt durch die Zahl der Verrichtungen, für die Hilfe nötig ist; durch den wirtschaftlichen Wert der Hilfe; und durch den zeitlichen Aufwand, wobei zunächst von letzterem Kriterium auszugehen ist.

Hierbei bildet die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts drei Fallgruppen. Vom Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "H" ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Mindestpflegeaufwand zwei Stunden täglich oder mehr beträgt (Fallgruppe 1). Dies entspricht dem Grundpflegeerfordernis für die Pflegestufe II der Pflegeversicherung (entsprechend der geltenden Pflegestufendefinition zum Zeitpunkt der letzten Begutachtung des Klägers am 7.10.2013) (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris). Liegt der Mindestaufwand dagegen zwischen ein und zwei Stunden (Fallgruppe 2), sind zusätzlich die Zahl der Verrichtungen und ihr wirtschaftlicher Wert zu betrachten (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris). Der wirtschaftliche Wert bestimmt sich im Wesentlichen danach, wann - über den Tag verteilt - die jeweiligen Hilfestellungen nötig sind (je ungünstiger die Verteilung, desto höher der Wert) (BSG, Urteil vom 12.2.2003, Az. B 9 SB 1/02 R - juris; Urteil vom 10.12.2002, Az. B 9 V 3/01 R - juris). Liegt der Mindestaufwand unterhalb einer Stunde (Fallgruppe 3), kommt die Zuerkennung des Merkzeichens "H" gar nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 10.11.1997, Az. 9 RV 8/96 - juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "H" beim Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht vor.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung der etwaigen Hilflosigkeit des Klägers im Sinne des Schwerbehindertenrechts ausschließlich am Umfang der notwendigen Assistenz bei der Verrichtung der Grundpflege orientiert. Denn darüber hinaus benötigt der Kläger keine der oben genannten zusätzlichen Assistenzleistungen. Insbesondere ist keine fremde Überwachung oder Anleitung bei der eigenen Durchführung der Grundpflege, soweit sie dem Kläger selbst noch möglich ist, notwendig. Denn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers sind rein körperlicher Natur. Unter geistigen wie psychischen Aspekten ist der Kläger problemlos in der Lage, seinen Alltag zu organisieren und zu bewältigen. Aus dem gleichen Grund benötigt der Kläger keinerlei Assistenz bei der Kommunikation und der sozialen Interaktion. Auch bedarf der Kläger keiner ständige Bereitschaft einer fremden Person zur Hilfeleistung in dem Sinne, dass eine fremde Person ständig anwesend sein müsste. Der vom Kläger glaubhaft geschilderten Sturzgefahr bzw. der Notwendigkeit fremder Hilfe, um nach einem Sturz wieder aufzustehen, wird durch die Verwendung eines Hausnotrufsystems hinreichend Rechnung getragen.

Damit beantwortet sich die Frage der etwaigen Hilflosigkeit des Klägers ausschließlich nach Art und Umfang der notwendigen Assistenzleistungen bei der Grundpflege im Sinne der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Ausweislich des aktuellsten MDK-Gutachtens vom 16.1.2009 benötigt der Kläger Hilfe bei der Grundpflege im Umfang von täglich 74 Minuten, d. h. im Bereich zwischen einer und zwei Stunden (Fallgruppe 2). Diese Hilfe bezieht sich auch auf drei oder mehr Verrichtungen, nämlich auf Hilfe beim Aufstehen, An- und Auskleiden, Richten der Bekleidung, Waschen, Duschen und Haarpflege. Ob dies eine Hilfe in "erheblichem" Umfang im Sinne des Merkzeichens "H" ist, bestimmt sich, wie oben dargelegt, daher zusätzlich nach der Zahl der notwendigen Verrichtungen und ihrem wirtschaftlichen Wert, insbesondere danach, ob die Einsatzzeiten der Pflegeperson günstig oder ungünstig verteilt sind.

Das Gericht kommt hier zu der Überzeugung, dass der Hilfebedarf des Klägers nicht "erheblich" in diesem Sinne ist. Denn er benötigt zwar für insgesamt sechs Verrichtungen Hilfe. Diese konzentrieren sich aber ganz wesentlich auf einen einzigen Einsatz am Tag, nämlich morgens. Im Tagesverlauf benötigt der Kläger nach dem morgendlichen Aufstehen, Körperpflege und Anziehen in der Regel keine fremde Hilfe mehr. Er ist innerhalb seiner Wohnung mit Hilfsmitteln mobil und insbesondere auch in der Lage, selbst die - technisch entsprechend angepasste - Toilette aufzusuchen. Er ist - ausweislich der von ihm selbst vorgelegten Filmaufnahmen - auch in der Lage, die Wohnung eigenständig zu verlassen, insbesondere sich die Schuhe anzuziehen und vom Rollator in den Elektro-Rollstuhl zu wechseln. Aus den Filmaufnahmen geht dabei eindrücklich hervor, dass dies - gegenüber einem orthopädisch gesunden und normalwüchsigen Menschen - für den Kläger mit erheblicher Mühe und größerem Zeitaufwand verbunden ist, wodurch ja auch durch die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und "B" Rechnung getragen wurde. Der Einsatz von fremder Hilfe ist hierzu aber nicht nötig. Der Kläger ist auch in der Lage, sämtliche Mahlzeiten ohne fremde Hilfe einzunehmen. Die fremden Pflegeleistungen konzentrieren sich daher auf einen morgendlichen Einsatz und sind damit nicht unwirtschaftlich über den Tag verteilt. Die Zahl der einzelnen Verrichtungen an sich ist auch nicht ungewöhnlich hoch. Ein "erheblicher" Hilfebedarf im Sinne des Merkzeichens "H" kann daher trotz des Grundpflegeaufwands von ein bis zwei Stunden beim Kläger nicht festgestellt werden.

Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Voraussetzungen des Merkzeichens "H" müssten unabhängig von der Bewertung der Pflegebedürftigkeit durch den MDK beurteilt werden, so kann das Gericht nur darauf hinweisen, dass das Bundessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung seine Definition des Merkzeichens "H" genau darauf stützt. Zwar folgt aus der Ermittlung des zeitlichen Pflegeaufwands und aus der Einordnung in Pflegestufen durch den MDK nicht in jedem Fall automatisch "Hilflosigkeit" im Sinne des Schwerbehindertenrechts. Wie oben dargelegt sind die Feststellungen des MDK jedoch gewichtige Indizien dafür. Dass diese Feststellungen im letzten Gutachten vom 16.1.2009 ihrerseits unzutreffend sind (und etwa der tatsächliche Grundpflegebedarf höher wäre als zwei Stunden täglich), ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Ferner weist das Gericht darauf hin, dass bei der Feststellung des Pflegebedarfs durch den MDK selbstverständlich die körperlichen Einschränkungen des Klägers, die aus der Grunderkrankung der Achondroplasie resultieren, bereits mitberücksichtigt sind. Denn Grundlage der Begutachtung die Gesamtheit der Einschränkungen und Behinderungen des pflegebedürftigen Menschen ist, gleich aus welcher Erkrankung sie resultieren, und gleich ob sie angeboren oder erst im Verlauf des Lebens eingetreten sind. Für den Kläger gilt daher keine andere Definition der Hilfebedürftigkeit im Sinne des Schwerbehindertenrechts als für einen normalwüchsigen Menschen. Vielmehr wurde den Besonderheiten des Kleinwuchses des Klägers bereits im Rahmen der MDK-Begutachtung Rechnung getragen, was wiederum Grundlage zur Bestimmung der Hilfebedürftigkeit war. Der Vortrag des Klägers, die mit der Klage angefochtenen Entscheidungen ließen die Besonderheiten seines Kleinwuchses außer Acht, greift also nicht durch.

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war folglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Referenznummer:

R/R7510


Informationsstand: 23.01.2018