Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer
GdB als 40 zu.
Nach
§ 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß
§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69
Abs. 3
SGB IX der
GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-
GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (
BSG Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - juris Rn. 5
m.w.N.;
LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 -
L 13 SB 127/11 - juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2
Abs. 1
SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-
GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-
GdB zu bilden (
BSG Urteil vom 30.09.2009 -
B 9 SB 4/08 R - juris Rn. 18
m.w.N.;
LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 - juris Rn. 32).
Nach
Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30
Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1
Abs. 1 und 3, des § 30
Abs. 1 und des § 35
Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008,
S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (
Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69
Abs. 1, Satz 4
SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß
Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-
GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste
GdB-Werte angegeben sind (
BSG Urteil vom 02.12.2010 -
B 9 SB 4/10 R - juris Rn. 25;
vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (
vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - juris Rn. 14; Bayerisches
LSG Urteil vom 18.06.2013 - L 15 BL 6/10 - juris Rn. 67
ff.; Bayerisches
LSG Urteil vom 05.02.2013 - L 15 SB 23/10 - juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (
vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9
VG 3/99 R - juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (
vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 - juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht die Feststellung eines
GdB von mehr als 40 rechtfertigen.
Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentlichen unter
1. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus (Typ I)
2. Retinopathia diabetica, Z.n. Retinopathia centralis serosa
3. Funktionsstörung der linken oberen Gliedmaße
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie des Gutachten des
Dr. Q. fest. Das Gutachten beruht auf umfangreichen Untersuchungen eines erfahrenen Internisten und Sozialmediziners, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialmedizinische Bewertung ist bis zuletzt umstritten geblieben.
Im Vordergrund steht beim Kläger der insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ I mit gesicherter diabetischer Netzhauterkrankung (Retinopathia diabetica) Gemäß
Teil B Ziffer 15.1 Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der aktuellen Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung (5. VersMedVÄndV) vom 11.10.2012 (BGBl. I,
S. 2122) gilt hinsichtlich der Beurteilung eine Zuckerkrankheit Folgendes:
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines
GdS rechtfertigt. Der
GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der
GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der
GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der
GdS beträgt 50
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere
GdS-Werte bedingen.
Schon der Wortlaut der Norm macht deutlich, dass für die Annahme eines
GdB von (mindestens) drei Beurteilungskriterien erfüllt sein müssen. Es müssen (1.) täglich mindestens vier Insulininjektionen durchgeführt werden. Es muss darüber hinaus (2.) eine selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung erfolgen sowie (3.) eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte vorliegen. Hierbei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen, dass diese drei Kriterien in einer Gesamtschau die sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern sollen (
vgl. BSG Urteil vom 16.12.2014 -
B 9 SB 2/13 R - juris Rn. 16 unter Hinweis auf
BSG Urteil vom 25.10.2012 -
B 9 SB 2/12 R - juris Rn. 34).
Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger regelmäßig vier Mal am Tag den Blutzuckerspiegel misst und in Abhängigkeit von den hierbei ermittelten Werten sich Humalog® (Wirkstoff: Insulinlispro) spritzt. Darüber hinaus spritzt er sich einmal Lantus® (Wirkstoff: Insulin glargin) in einer festen Dosis von 30 Einheiten. Für die Kammer steht dies fest aufgrund der Angaben des Klägers sowie dem von diesem eingereichten Blutzuckertagebuch, welches die Zeit vom 09.07.2014 bis zum 29.03.2015, also einen Zeitraum von fast neun Monaten umfasst. Das an wenigen Tagen auch weniger als vier Mal gemessen wurde ist insoweit unerheblich (
BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - juris Rn. 35). Beim Kläger bestehen - auch dies steht zur Überzeugung der Kammer fest - durch die Erkrankung und dem deswegen nachvollziehbar betriebenen Therapieaufwand auch stärkere Teilhabebeeinträchtigungen im Sinne des
Teil B Ziffer 15.1, nicht jedoch die für die Annahme eines
GdB von 50 erforderlichen, darüber hinausgehenden erheblichen Einschnitten mit gravierenden Beeinträchtigungen der Lebensführung. Letztere sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur unter strengen Voraussetzungen zu bejahen (
vgl. BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R -juris Rn. 21). Die Kammer folgt dieser höchstrichterlichen Auslegung. Für sie spricht in der Tat die Formulierung in der Vorschrift, die eine für einen Normtext seltene Häufung einschränkender Merkmale ("erheblich", "gravierend", "ausgeprägt") enthält. Die mit der vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte sind nicht geeignet sind, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig ist daher nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Daneben kann - wie oben ausgeführt - ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten (BGS Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R -juris Rn. 21). Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter angegeben, ab Werten unter 55 mg/dl erlebe er Sehstörungen und habe Schweißausbrüche. Die Auswertung der vom Kläger vorgelegten Messwerte zeigt, dass es im Laufe von
ca. 9 Monaten immer wieder zu Schwankungen im Blutzucker gekommen ist, teilweise im hypo-, teilweise im hyperglykämischen Bereich. Der Gutachter
Dr. Q. weist im seinem Gutachten darauf hin, dass in diesem zeitlichen Fenster bei 42 Messungen Werte unter 55 mg/dl (der Gutachter verwendet hier die entsprechende Einheit mg%) zu verzeichnen gewesen seien. Hierbei handelt es sich um Werte, die auch nach Auffassung der Kammer zweifellos in den hypoglykämischen Bereich zu rechnen sind (
vgl. zur Schwierigkeit der Bestimmung eines "Grenzwertes" Matthaei/Kellerer [Hrsg.], Evidenzbasierte Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes, 2011,
S. 63; Hien/Böhm/ClaudiBöhm/Krämer/Kohlhaas, Diabetes Handbuch, 7. Aufl. 2013,
S. 86, wonach der von der American Diabetes Association in Vorschlag gebrachte Wert von 70 mg/dl eher zu hoch gegriffen sein dürfte; Ballteshofer/Claussen/Häring/et. al., Endokrinologie und Diabetes, 2009, S 154 [(50 mg/dl]; Götsch [Hrsg.], Allgemeine und spezielle Krankheitslehre, 2. Aufl. 2011,
S. 360 [(40 mg/dl]; allgemein zur Hypoglykämie
vgl. Siegenthaler/Blum [Hrsg.], Klinische Pathophysiologie, 9. Aufl. 2006,
S. 95). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass offenbar jedes Mal durch Gabe von Traubenzucker (so der Kläger gegenüber dem Gutachter) oder sonstigen Maßnahmen wesentliche Auswirkungen der Unterzuckerung vermieden werden konnten. Es sind bislang - dies ergibt sich auch aus dem Befundbericht des behandelnden Diabetologen
Dr. E. keine akut notwendigen Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte schwere Hypoglykämien oder gar ein hypoglykämischer Schock objektiviert. Dass - wie der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angemerkt hat - gerade in Unterzuckerungssituationen die Messung dem Stadium der stärksten Unterzuckerung nachfolgt, da zunächst Gegenmaßnahmen eingeleitet und dann gemessen wird, ist für die Kammer durchaus nachvollziehbar. Objektivierte Anhaltspunkte, ob und wie häufig solche Situationen waren, sind indes nicht gegeben. Darüber hinaus bleibt es im Übrigen bei der bereits getätigten Feststellung, dass der Kläger die Situationen offensichtlich ohne - jedenfalls ärztliche - Hilfe wieder in den Griff bekommen hat.
Ausweislich des dem Gutachter vorgelegten Blutzuckerpass betrug der HbA1c am 10.07.2014 5,8%, am 13.01.2015 5,6%, am 16.04.2015 6,3% und am 04.08.2015 5,4%. Dieser Wert ermittelt den Anteil des glykierten Hämoglobins in den Erythrozyten und stellt derzeit das wichtigste Maß für die Qualitätsbeurteilung der Blutzuckereinstellung der jeweils letzten zwei Monate dar (Hien/Böhm/Claudi-Böhm/Krämer/Kohlhaas, Diabetes Handbuch, 7. Aufl. 2013,
S. 9 f.; Häring/Gallwitz/Wieland/Usadel/Mehnert, Diabetologie in Klinik und Praxis, 6. Aufl. 2011,
S. 107 f.) Der beim Kläger ermittelte Wert ist nach Auffassung des Gutachters, der sich die Kammer anschließt, in einem sehr guten Bereich (
vgl. dazu Matthaei/Kellerer [Hrsg.], Evidenzbasierte Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes, 2011,
S. 16 f.; Hien/Böhm/Claudi-Böhm/Krämer/Kohlhaas, Diabetes Handbuch, 7. Aufl. 2013,
S. 10). Unter Berücksichtigung der Werte der konkreten Blutzuckermessungen und den ermittelten HbA1c -Werten steht - auf Grundlage des Gutachtens des
Dr. Q. - zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger über den zweifellos die Lebensführung einschränkenden Therapieaufwand hinaus, nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben in der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt ist. Der Kläger arbeitet in einer verantwortungsvollen Position als Projektmanager und ist in diesem Zusammenhang auch häufiger dienstlich auf Reisen. Wie bereits oben dargelegt sind bislang keine schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe objektiviert. Es ist bislang auch nicht zu Zeiten von Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Erkrankung gekommen. Mit Ausnahme einer diabetischen Retinopathie, die indes auf die Sehkraft des Klägers bislang keine Auswirkungen hat - was für die Kammer insbesondere auf Grund des eingeholten Befundberichts des behandelnden Augenarztes feststeht - sind Folgeschäden an anderen Organen bislang nicht objektiviert (zur Prävalenz der diabetischen Retinopathie bei Typ I Diabetikern,
vgl. Siegenthaler/Blum [Hrsg.], Klinische Pathophysiologie, 9. Aufl. 2006,
S. 98). Die Kammer teilt die Auffassung des behandelnden Augenarztes, dass aus ophthalmologischer Sicht kein
GdB zu berücksichtigen ist. Soweit der Kläger gelegentliches Kribbeln und Taubheit von den Knöcheln bis zu den Zehen berichtet hat, lassen sich pathologische Befunde nicht sichern. Anzeichen für eine diabetische Polyneuropathie finden sich weder im Befundbericht des behandelnden Diabetologen noch im Gutachten des
Dr. Q ...
Dr. Dieck bescheinigt, der Bereich der Füße sei ohne Befund auch die Temperaturempfindung sei nicht gestört. Der Test nach Rydel-Seiffer ergab normgerechte Ergebnisse (
vgl. zu diesem Test Haak/Pallizsch, Diabetologie für die Praxis, 2012,
S. 201 f.).
Dr. Q. beschreibt, dass der Patella- und Achillessehnenreflex seitengleich auslösbar war. Auch ansonsten waren keine pathologischen Reflexe zu finden. Eine Störung der Oberflächensensibilität an den unteren Extremitäten fand sich ebenfalls nicht. Das Kalt-Warm-Empfinden war intakt, spitz und stumpf konnten unterschieden werden. Vor dem Hintergrund eines unauffälligen Urinstatus und normalen Kreatininwerten fand
Dr. Q. auch keinen Anhalt für das Vorliegen einer relevanten diabetischen Nephropathie.
Die Kammer verkennt nicht, dass dies alles zweifellos der besonders guten Umsetzung einer krankheitsbedingt erforderlichen Therapie mit den damit verbundenen Restriktionen und Besonderheiten geschuldet ist. Soweit der Kläger insbesondere bei (privaten oder dienstlich veranlassten) Reisen oder bei gesellschaftlichen
bzw. dienstlichen Zusammenkünften Einschränkungen geschildert hat, sind diese letztlich allein Folge der Notwendigkeit zur Insulingabe und sind für den Kläger einschränkend und belastend, stellen nach Auffassung der Kammer indes keine gravierenden Einschnitte im Sinne der oben dargestellten restriktiven bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung dar.
Der Kläger ist in seiner Mobilität nicht eingeschränkt. Er unternimmt umfangreiche Dienstreisen, fährt gelegentlich Mountainbike und geht stramm spazieren. Diese Aktivitäten sind, dies verkennt die Kammer nicht, zwar mit einem erhöhten planerischen Aufwand verbunden, letztlich indes - wenngleich unter erschwerten Bedingungen, etwa weiterer Blutzuckermessungen - nicht ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Kläger
ggf. intensiven Sport nicht mehr ausüben kann, lässt nach Auffassung der Kammer keinen Rückschluss auf "gravierende" Teilhabeeinschränkungen zu (so zutreffend auch
LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 27.08.2014 -
L 7 SB 23/13 - juris Rn. 38). Auch der Umstand, dass die Insulindosis auf die Mahlzeiten (und alle übrigen Betätigungen) abgestimmt werden muss, ist Teil der Therapie. Soweit der Kläger angibt, er könne nicht so ohne Weiteres im Restaurant essen, so trifft das insoweit zu, als die Zuckerwerte dann zu kontrollieren und einzustellen sind. Krankheitsbedingt ausgeschlossen ist dies nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Soweit der Kläger geltend macht, es sei ihm unangenehm, seine Erkrankung gegenüber anderen zu offenbaren, ist nach Auffassung der Kammer darauf zu verweisen, dass jeder, der an Diabetes mellitus erkrankt ist und auf die Einnahme von Insulin angewiesen ist, vor dem Problem steht, auf mit der Krankheit unvertraute Mitmenschen zu treffen. Die damit verbundene psychische Belastung ist in der Höhe des
GdB bereits berücksichtigt (so zutreffend
LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 14.10.2014 -
L 7 SB 35/12 - juris Rn. 37). Soweit der Kläger sich darauf beruft aufgrund der Erfahrungen im engsten Familienkreis, besondere Angst vor den Folgen der Zuckerkrankheit zu haben, so ist dies zweifellos eine Motivation für die strikte - und offensichtlich von Erfolg gekrönte - Einhaltung der Therapie. Eine erhöhende Berücksichtigung kommt nach Auffassung der Kammer indes nicht in Betracht, da ein insoweit bestehender Krankheitswert bislang nicht im Ansatz objektiviert ist. Die Tatsache, dass eine - vom Kläger aus naheliegenden Gründen nicht in Betracht gezogene - Vernachlässigung des konsequenten Therapieverhaltens und der strikten Lebensführung zu einer schlechteren Stoffwechsellage, mit der Folge eines
ggf. höheren
GdB, führen würde, begründet keinen Anspruch auf einen höheren
GdB des Klägers (
vgl. BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - juris Rn. 48).
Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ist gemäß
Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinische Grundsätze nach Auffassung der Kammer derzeit ein
GdB von 10 in Ansatz zu bringen.
Die gutachterliche Untersuchung der Schultergelenke durch
Dr. Q. ergab eine links eine stärker eingeschränkte Ante-/Retroversion von 90°/0°/20° bei einer mäßiggradigen Einschränkung der Abduktion/Adduktion links 120/0°/20°. Rechts waren die nach der Neutral-Null-Methode ermittelten Bewegungsausmaße 160°/0°/30° (Ante-/Retroversion) und 170°/0°/20° (Abduktion/Adduktion) weitgehend normgerecht (
vgl. zur normgerechten Beweglichkeit des Schultergelenks, Buckup/Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S 95). Hintergrund dieser Einschränkung ist nach den Feststellungen des Gutachters
Dr. Q., die beim Kläger nach einer Clavikulafraktur (Bruch des Schlüsselbeins) im Februar 2015 eingesetzte Platte. Die Operation war zum Zeitpunkt der Untersuchung durch
Dr. Q. bereits
ca. sechs Monate her und es fand sich - trotz einer Einschränkung der Beweglichkeit links in der Bewegungsebene ventral/dorsal auf derzeit noch 90° besteht - in der seitlichen Bewegungsebene eine Beweglichkeit von bis zu 120°, was nach Auffassung der Kammer hier in der Gesamtschau keinen
GdB von 20 gerechtfertigt erscheinen lässt. Darüber hinaus nach Einschätzung des Gutachters nach Entfernung der Platte mit einer weiteren Besserung der Beweglichkeit zu rechnen (
vgl. zur Prognose der Ausheilung einer Schlüsselbeinfraktur, Müller-Mai/Ekkernkamp, Frakturen, 2010,
S. 912).
Die im ophthalmologischen Bereich bestehenden Beeinträchtigungen im Sinne der Retinopathien wurden bereits in der Bewertung des
GdB mit berücksichtigt. Augenärztlich bedingt dies - die Kammer schließt sich insoweit der Einschätzung des behandelnden Augenarztes und des
Dr. Preim an - keinen eigenständigen
GdB.
Wesentliche weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen
GdB bedingen könnten sind nicht objektiviert.
Vor diesem Hintergrund ist bei dem Kläger § 69
Abs. 3
SGB IX in Verbindung mit Teil A
Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-
GdB von 40 zu bilden.
§ 69
Abs. 3 Satz 1
SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-
GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (
LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 -
L 13 SB 127/11 - juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf
BSG Urteil vom 11.03.1998 -
B 9 SB 9/97 R - juris Rn. 10
m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (
BSG Urteil vom 02.12.2010 -
B 9 SB 4/10 R - juris).
Absolut im Vordergrund stehen beim Kläger die Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Diabetes des Klägers. Diese bedingen - wie oben ausführlich dargelegt - einen
GdB von 40. Die daneben bestehende Bewegungseinschränkung der linken Schulter ist mit einem
GdB von 10 nicht geeignet, den
GdB zu erhöhen. Selbst wenn man - für den Kläger wohlwollend - den
GdB insoweit mit 20 bewerten wollte, so wäre dieser Wert zweifellos, im Hinblick auf die Beweglichkeit des Armes seitwärts, nur soeben erreicht und ebenfalls nicht geeignet, den
GdB auf mehr als 40 zu erhöhen.
Die begehrte Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft kommt damit derzeit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.