Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet.
1) Das Sozialgericht Aachen hat seine zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54
Abs. 1 Satz 1, § 56 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zu Recht und mit zutreffender Begründung als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 18.12.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2015 ist rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte aufgrund seiner insulinpflichtigen Zuckerkrankheit einen höheren Grad der Behinderung als 40 ab Antragstellung feststellt.
Nach
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt,
§ 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 SGB IX. Die weitere Präzisierung ergibt sich aus dem in § 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX idF. bis zum 14.01.2015 (
aF.) in Bezug genommenen versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (
VersMedV, BGBl.I 2412) sowie insbesondere den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (
VMG) gemäß der Anlage zu
§ 2 der VersMedV. Zwischenzeitlichen Bedenken an der Ermächtigung des Verordnungsgebers hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl.II 15) durch Schaffung einer nunmehr eigenständig in
§ 70 Abs. 2 SGB IX angesiedelten Ermächtigungsgrundlage Rechnung getragen. Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen
Rechtsverordnung verbleibt es indes bei der bisherigen Rechtslage (
vgl. § 159 Abs. 7 SGB IX; hierzu BT-Drucks 18/2953 und 18/3190,
S. 5).
Die Voraussetzungen nach
Teil B, Ziffer 15.1 VMG für die Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 50 liegen nicht vor. Demnach beträgt der
GdB 50, wenn (1) die an Diabetes erkrankten Menschen eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und (2) diese erkrankten Menschen durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind. Sie erleiden aufgrund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung.
Die unter (1) genannten Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger durch erhebliche Einschnitte gravierend in seiner Lebensführung beeinträchtigt ist. Dies ist zur Überzeugung des Senates nicht der Fall.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss es zusätzlich zu den unter (1) dargestellten Kriterien zu einer gravierenden Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand oder durch die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger gravierender Auswirkungen der Erkrankungen (dazu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21.02.2012 - L 7 SB 20/11 -, juris Rn. 39 ff; Urteil vom 26.04.2012 -
L 7 SB 84/10 -, juris Rn. 36
ff.); der Betroffene muss zudem auch krankheitsbedingt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein (
BSG, Urteil vom 25.10.2012 -
B 9 SB 2/12 R -, juris Rn. 37
ff.; Urteil vom 17.04.2013 -
B 9 SB 3/12 R -, juris Rn. 39
ff.).
Die Auffassung des Klägerbevollmächtigten, dass allein aufgrund des Therapieaufwandes von täglich mindestens vier Insulininjektionen mit einer Anpassung der Dosis ein
GdB von 50 zuzuerkennen ist, erweist sich daher als nicht zutreffend. Dies ergibt sich, wie das Bundessozialgericht entschieden hat, eindeutig aus der Verbindung der beiden Satzteile in
Teil B, Ziffer 15.1 VMG durch das Wort "und".
Der Kläger ist über den genannten Therapieaufwand hinaus nicht "durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt".
Der Großteil der vom Kläger benannten Einschränkungen sind Einschnitte, die mit jeder Form einer insulinpflichtigen Diabetes-Erkrankung verbunden sind. Es handelt sich dabei weder um "erhebliche" Einschnitte im Sinne von Teil B, Ziffer 15.1
Abs. 4
VMG noch beeinträchtigen diese die Lebensführung gravierend; solche Einschränkungen können für sich keinen Grad der Behinderung von 50 begründen. Dazu gehören das Stechen in Fingerkuppe und Bauchdecke, das Mitführen von Nadeln, Insulin und Messgerät und das Einschätzen der Mahlzeiten, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, höherer Aufwand der Planung bei Reisen und im Berufsleben.
Es liegen bei dem Kläger auch keine erheblichen Einschnitte aufgrund einer besonders instabilen Stoffwechsellage vor (dazu
BSG, Urteil vom 24.04.2008 -
B 9/9a SB 10/06 R -, juris Rn. 39, allerdings noch zu den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" -AHP-). Denn die Stoffwechsellage des Klägers ist ausweislich des Sachverständigengutachtens und der Auskünfte des den Kläger behandelnden Diabetologen nicht schwer einstellbar. Vor diesem Hintergrund ist die vom Kläger vorgetragene Einschränkung, er müsse immer die Anwesenden darüber informieren, dass es zu Hypoglykämien kommen könne, nicht recht verständlich. Nach Ausführungen der Ärzte ist es bei ihm noch nicht zu einer Hypoglykämie gekommen, welche nicht durch die Einnahme von Traubenzucker in ihren Folgen abgemildert werden konnte.
Bei dem Kläger liegen auch keine schwerwiegenden Folgeerkrankungen, wie etwa eine Polyneuropathie, vor (zu diesem Aspekt: Wendler/Schillings,
VMG, 7. Aufl.,
S. 283). Die durch Diabetes ausgelöste Fehlsichtigkeit ist korrigierbar und korrigiert. Es liegen auch keine Erkrankungen vor, welche dem Kläger das Messen oder die Therapie erschweren.
Zwar wurde in der Rechtsprechung ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt, wenn Messen, Dokumentation und Insulingabe des Nachts erfolgen müssen (
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.12.2016 -
L 13 SB 232/14 -, juris Rn. 16). Dies ist allerdings bei dem Kläger objektiv nicht notwendig - und erfolgt darüber hinaus ausweislich der Messprotokolle auch nicht in dem Maße, wie der Kläger dies angibt. Häufige Messungen, der eigenen Vorsicht um die Gesundheit geschuldet, sind nicht medizinisch notwendig und müssen daher außer Betracht bleiben (
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.11.2016 -
L 13 SB 112/14 - juris Rn. 17).
Darauf, ob das gute Niveau allein durch das Therapieverhalten erreicht wird und durch Vernachlässigen eine schlechtere Stoffwechsellage herbeigeführt werden könnte, kommt es nicht an (
BSG, Urteil vom 17.04.2013 -
B 9 SB 3/12 R -, juris Rn. 51).
Die Voraussetzungen für einen Grad der Behinderung von 50 gemäß Teil B, Ziffer 15.1
Abs. 4
VMG sind demzufolge nicht gegeben.
Weitere Erkrankungen, die den Kläger in seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigen und welche zu einem höheren Gesamt-Grad der Behinderung führen könnten, liegen bei dem Kläger nicht vor. Der Kläger ist durch seine Blutzuckererkrankung nachvollziehbar psychisch belastet. Es ist aber weder vorgetragen noch erkennbar, dass dieser Belastung ein (eigener) Krankheitswert zukommt.
Die Entscheidung des Sozialgerichts Aachen erweist sich damit als rechtmäßig, die Berufung konnte keinen Erfolg haben.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
3) Gründe, im Sinne von § 160
Abs. 2
SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Soweit der Klägerbevollmächtigte in der Berufungsschrift vorträgt, die Auslegung von Teil B, Ziffer 15.1
Abs. 4
VMG durch das Bundessozialgericht in der genannten Entscheidung
B 9 SB 2/13 R sei mit dem eindeutigen Wortlaut der
VMG nicht zu vereinbaren, setzt er sich nicht weiter mit der umfangreichen Herleitung durch das Bundessozialgericht, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, und durch die vorausgegangene
LSG-Entscheidung auseinander.