Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. August 2014 aufgehoben. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 1. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2011 verpflichtet, bei der Klägerin ab dem 25. Mai 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten für das Verfahren in beiden Instanzen in vollem Umfang zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1963 geborene Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50. Am 28. Januar 2010 beantragte die Klägerin die Zuerkennung eines GdB. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Beteiligung des eigenen ärztlichen Dienstes stellte der Beklagte mit Bescheid vom 21. März 2010 bei der Klägerin einen GdB von 30 fest und legte dem folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
- Diabetes Mellitus (GdB 30),
- Bluthochdruck (GdB 10),
- Sehbehinderung beidseits (GdB 10).
Am 25. Mai 2011 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag, mit dem sie sich insbesondere auf ihre Diabetes-Erkrankung bezog. Nach Auswertung medizinischer Unterlagen und Beteiligung des ärztlichen Dienstes änderte der Beklagte seinen Bescheid vom 21. März 2010 mit Wirkung vom 25. Mai 2011 und stellte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 fest. Dem legte er als Funktionsbehinderung Diabetes Mellitus (GdB 40) sowie Bluthochdruck (GdB 10) zugrunde. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es hätte keine Sachaufklärung in Bezug auf die bereits zuvor festgestellte Sehbehinderung gegeben. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht der die Klägerin behandelnden Augenärztin ein und wies mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2011 den Widerspruch zurück.
Mit der am 4. Januar 2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das Sozialgericht hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und den Facharzt für innere Medizin Dr. F mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach Untersuchung der Klägerin am 5. Februar 2014 ist der Sachverständige in seinem Gutachten vom 26. Februar 2014 zu der Einschätzung gelangt, bei der Klägerin seien auf seinem Fachgebiet folgende Funktionsbeeinträchtigungen gegeben:
- Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus (GdB 50),
- Hypertonus (GdB 10).
Insgesamt betrage der Grad der Behinderung 50. Maßgeblich für die Bemessung des GdB für den Diabetes mit 50 sei die Notwendigkeit einer nächtlichen Injektion von Insulin gegen 2 Uhr morgens. Die hierdurch verursachte Unterbrechung der Nachtruhe sei ein gravierender Einschnitt in der Lebensführung. Außerdem seien bei der Klägerin diabetische Komplikationen in Gestalt einer Retinopathie mit Notwendigkeit wiederholter Laserbehandlungen der Augen sowie ein Glaukom feststellbar.
Mit Urteil vom 19. August 2014 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne eine Diabetes-Erkrankung mit einem GdB von 50 nur dann bewertet werden, wenn die betreffende Person durch die Auswirkungen insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sei. Hierfür reiche es nicht aus, dass eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durchgeführt werde, wobei die Dosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden und die Messung und Dosen dokumentiert sein müssten. Hinzutreten müsste eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte. Allein die Unterbrechung der Nachtruhe wegen der nächtlichen Insulingabe um 2 Uhr rechtfertige es nicht, die Klägerin dem Personenkreis der schwerbehinderten Menschen zuzurechnen. Die behandelnde Augenärztin der Klägerin habe dieser eine korrigierte Sehschärfe von 1,0, also eine Sehkraft von 100 Prozent attestiert. Hierfür sei ein Grad der Behinderung nicht anzusetzen. Soweit erstmalig mit Schriftsatz vom 6. August 2014 Kniebeschwerden erwähnt worden seien, die seit Mitte Juni 2014 bestünden, komme deren Berücksichtigung nicht in Betracht, weil sie noch nicht länger als sechs Monate andauerten. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28. August 2014 zugestellt worden.
Mit der am 18. September 2014 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter auf Zuerkennung eines GdB von 50 ab dem 25. Mai 2011. Sie ist der Auffassung, die Diabetes-Erkrankung sei mit einem GdB von 40 unzutreffend niedrig bewertet. Neben der Beeinträchtigung durch die nächtliche Gabe von Insulin erfahre sie auch beruflich eine Einschränkung, denn sie habe seit Auftreten des Diabetes im Jahr 2009 ihre Unterrichtsverpflichtung als Lehrerin auf 84 Prozent der vollen Stundenzahl reduziert. Darüber hinaus macht sie geltend, seit der Entscheidung des Sozialgerichts habe sich ihre gesundheitliche Situation im Hinblick auf die Augen, die Knie und das Schultergelenk verschlechtert. Soweit zwischenzeitlich versucht worden sei, sie von der nächtlichen Insulingabe durch ein neues Präparat zu befreien, habe dies eingestellt werden müssen, da das ihr verordnete Medikament wieder vom Markt genommen worden sei.
Die Klägerin wird beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. August 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 1. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2011 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab dem 25. Mai 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er vertieft hierzu sein Vorbringen zur Einordnung des Diabetes und ist im Übrigen der Ansicht, Funktionsbeeinträchtigungen der Augen, der Kniegelenke und des Schultergelenkes seien bislang nicht nachgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt des Verwaltungsvorganges und der Streitakte Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.