Urteil
Voraussetzungen einer Anerkennung des Merkzeichens "G"
Gericht:
LSG Hamburg 54. Kammer
Aktenzeichen:
L 3 SB 21/15
Urteil vom:
29.06.2015
LSG Hamburg 54. Kammer
L 3 SB 21/15
29.06.2015
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G erfüllt.
Der 1941 geborene Kläger hatte im Jahr 1994 einen Hirnfarkt erlitten und stellte danach einen Erstantrag nach dem Schwerbehindertengesetz. Zuletzt stellte das Versorgungsamt Braunschweig mit Ausführungbescheid vom 24. Oktober 2000 aufgrund eines im Gerichtsverfahren vor dem LSG Niedersachsen (L 9 SB 117/00) abgegebenen Teilanerkenntnisses einen Grad der Behinderung GdB von 50 für den Bereich Nervensystem und Psyche fest, wobei jeweils ein Teil-GdB von 30 für 1. eine Restaphasie mit Störung vornehmlich im Bereich der Schriftsprache mit leichtem hirnorganischen Psychosyndrom mit Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsfunktionen sowie 2. eine psychische Beeinträchtigung zugrunde gelegt wurde. Als weitere Funktionsbeeinträchtigungen wurden Gefühlsstörungen in der linken Körperhälfte, Bluthochdruck, ein Schlafapnoe-Syndrom und ein Wirbelsäulenschaden berücksichtigt, die sich jedoch mit einem Teil-GdB von jeweils 10 nicht auf den Gesamt-GdB auswirkten.
Am 6. November 2011 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Feststellung des Merkzeichens G geltend machte, da eine Coxarthrose rechts mit Implantation einer Hüftgelenksprothese hinzugekommen war.
Gegen die mit Bescheid vom 18. April 2012 erfolgte Ablehnung erhob der Kläger Widerspruch und führte aus, es sei durch die Hüftoperation zu einer Beinlängendifferenz gekommen, die zu Schmerzen beim Gehen und Stehen führe. Außerdem seien Herzrhythmusstörungen und plötzlicher Schwindel zu berücksichtigen.
Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2012 zurück.
Mit seiner dagegen am 15. Oktober 2012 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass sich durch die Hüftoperation eine Verschlechterung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergeben habe und insbesondere seine Beweglichkeit eingeschränkt sei. Auch seine übrigen Erkrankungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden.
Dem Sozialgericht haben Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. H. (Orthopäde), Dr. B. (Orthopäde), Dr. G. (Kardiologe/Internist), Dr. V. (Kardiologe/Internist), Dr. D. (Allgemeinmediziner), Dr. S. (Neurologe) sowie der Entlassungsbericht der D1-Klinik über den stationären Aufenthalt vom 25. Juli bis 12. August 2011 und zwei Arztbriefe der A. Klinik A1 über stationäre Aufenthalte vom 11. bis 14. September 2013 und vom 18. bis 22. November 2014 vorgelegen.
Das Sozialgericht hat die Klage sodann durch Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2015 abgewiesen und ausgeführt, den vorliegenden Befunden lasse sich eine massive Einschränkung der Gehfähigkeit nicht entnehmen. Auch in Bezug auf die Herzerkrankung ergebe sich eine gute Belastbarkeit mit Beschwerdefreiheit. Ein Anfallsleiden mit mittlerer Anfallshäufigkeit sei nicht belegt und auch hinsichtlich des vorgetragenen Schwindels sei den Befunden Beschwerdefreiheit zu entnehmen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 18. August 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 11. September 2015 Berufung eingelegt und verweist zur Begründung auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er benötige das Merkzeichen G, denn neben den zunehmenden körperlichen Beeinträchtigungen plagten ihn auch kognitive Defizite, die zu täglichen Zuständen der Verwirrung und Desorientierung führten. Er hat hierzu weitere Befundberichte von Dr. D., Dr. G., Dr. N. (Neurologin), der Praxisgemeinschaft Radiologie B1 sowie einen Arztbrief der A. Klinik A1 über einen stationären Aufenthalt vom 29. bis 31. Oktober 2014 eingereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Juni 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält nach Auswertung der im Berufungsverfahren übersandten Befunde an ihrer Auffassung fest und bezieht sich auf eine gutachtliche Stellungnahme ihres beratenden Internisten Dr. P. vom 20. Februar 2016. Darin heißt es, es ergebe sich lediglich eine Neufassung des Herzleidens (Herzschrittmacher und Herzleistungsminderung, operierte koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck) mit einer GdB-Anhebung auf 20, der jedoch bei einer Ergometerleistung von 150 Watt keine wesentliche negative Beeinflussung der anderen Behinderungsleistungen zuzuerkennen sei. Zu den vorgetragenen kognitiven Defiziten mit Zuständen der Verwirrung und Desorientierung fänden sich in den vorgelegten Unterlagen keine ärztlichen Aussagen. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen festgestellten Behinderungsleiden untereinander lasse sich ein höherer Gesamt-GdB als 50 nicht begründen. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien eindeutig nicht gegeben, weder aus orthopädischer noch aus kardialer Ursache. Ein behandlungspflichtiges Krampfleiden sei nicht dokumentiert. Eine Beinlängendifferenz von 0,5 cm wirke sich weder auf das Gangbild noch auf die Wirbelsäulenstatik gravierend aus.
Das Berufungsgericht hat den Kläger unter dem 8. März 2016 auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen und ihm gleichzeitig gemäß §§ 153 Abs. 1, 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Frist bis zum 29. März 2016 zur Angabe der Tatsachen gesetzt, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich (noch) beschwert fühle. Der Kläger ist außerdem auf die gesetzlichen Folgen einer Einreichung von Erklärungen und Beweismittel nach Fristablauf hingewiesen. Auch für die eventuelle Stellung eines Antrages nach § 109 SGG ist dem Kläger eine Frist bis zum 29. März 2016 gesetzt worden. Weiterer Vortrag des Klägers ist danach nicht erfolgt.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 13. Juni 2017 der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen (§ 153 Abs. 5 SGG).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Schwerbehindertenakte der Beklagten Bezug genommen.
R/R7892
Informationsstand: 27.11.2018