Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153
Abs. 1 in Verbindung mit § 110
Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -).
Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet.
Die Zurückverweisung beruht auf § 105
Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 159
Abs. 1
Nr. 1
SGG. Danach kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
I. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
1. Die Unzulässigkeit der Klage folgt nicht daraus, dass der Kläger sich bereits vor Bescheiderteilung an das Gericht gewandt hätte. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob das am 12. Oktober 2010 eingegangene Schreiben des Klägers überhaupt als eine auf Erhöhung des
GdB gerichtete Klage verstanden werden darf. Der Wortlaut ("Widerspruch gegen diese Entscheidung") legt es vielmehr nahe, dass der Kläger keine vorbeugende Klage erheben wollte, sondern sich gegen einen bereits erlassenen Verwaltungsakt - offenbar im Bereich des Pflegeversicherungsrechts - wandte. Hierfür spricht auch die Erklärung des Klägers im Telefonat vom 13. Oktober 2010, dass er gegen die
AOK Teltow wegen Erteilung einer Pflegestufe klage. Die Wendung "Beantragt Erhöhung Schwerbehinderung, jetzt 60 unbefristet" stellt sich vor diesem Hintergrund als bloßes Begründungselement dar. Dies kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls hat der Kläger mit dem an das Sozialgericht gerichteten Schreiben vom 30. Oktober 2010 gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Oktober 2010 - also zeitlich nach dessen Erlass - Klage erhoben.
2. Ferner war das Sozialgericht rechtlich gehindert, die Klage mit der Begründung als unzulässig abzuweisen, dass das erforderliche Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sei. In diesem Fall hätte es - u.U. unter Aussetzung des Klageverfahrens - dem Kläger die Möglichkeit geben müssen, das Widerspruchsverfahren nachzuholen (
vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, Rn. 3a zu § 78
SGG, mit weiteren Nachweisen). Die Nachholung war auch nicht ausgeschlossen. Denn in der Klageerhebung liegt gleichzeitig die Einlegung des Widerspruchs (
vgl. Leitherer a.a.O., Rn. 3b zu § 78
SGG). Bei Eingang des Schreibens vom 30. Oktober 2010 am 2. November 2010 war die Widerspruchsfrist gegen den Ablehnungsbescheid vom 25. Oktober 2010 noch nicht abgelaufen. Da inzwischen der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2012 erlassen hat, steht der Zulässigkeit der Klage das Fehlen eines Vorverfahrens nicht mehr entgegen.
3. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist das Begehren des Klägers, dass bei ihm ein höherer
GdB als 60 festgestellt wird, Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Dies ergibt sich daraus, dass dieser sich mit dem Schreiben vom 30. Oktober 2010 ohne Einschränkung gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2010 gewandt hat, mit welchem der Beklagte nicht nur die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "aG" und "RF", sondern auch die Festsetzung eines höheren
GdB als 60 ablehnte. Obwohl hinsichtlich der ferner geltend gemachten Merkzeichen "B" und "H" ein Ausgangsbescheid fehlt, bildet auch dieses Begehren einen zulässigen Streitgegenstand, da der Beklagte hierüber im Widerspruchsbescheid entschieden hat. Denn ein Vorverfahren ist entbehrlich, wenn der Widerspruchsbescheid ohne vorangehenden Verwaltungsakt ergangen ist (
vgl. Leitherer a.a.O., Rn. 8 zu § 78
SGG).
II. Im Rahmen seines nach § 159
SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse des Klägers an einer Erledigung des Rechtsstreits im vorliegenden Berufungsverfahren gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat es berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch weit von einer Entscheidungsreife entfernt ist und tatsächliche Ermittlungen im erheblichen Umfang erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz, wie er wegen der vom Sozialgericht unterlassenen Sachentscheidung praktisch eingetreten ist, besonders ins Gewicht fällt. Die Zurückverweisung stellt die dem gesetzlichen Modell entsprechenden zwei Tatsacheninstanzen wieder her. Auch der Grundsatz der Prozessökonomie führt nicht dazu, den Rechtsstreit bereits jetzt abschließend in der Berufungsinstanz zu behandeln. Denn der Widerspruchsbescheid ist erst im Januar 2012 erlassen worden, so dass es prozessökonomischer erscheint, dem Sozialgericht zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts zu geben.
Das Sozialgericht wird in seiner Kostenentscheidung auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2
SGG) sind nicht gegeben.