Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob für die bei dem Kläger vorliegende Teilhabebeeinträchtigung nach
§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ein Grad der Behinderung (
GdB) von 50 festzustellen ist.
Der 1959 geborene Kläger beantragte am 05.12.2003, den bei ihm vorliegenden
GdB festzustellen. Das Versorgungsamt zog einen Befundbericht des den Kläger behandelnden praktischen Arztes T2 bei, der unter anderem einen insulinpflichtigen Diabetes Typ II aufführte. Nach Auswertung des Befundberichts durch seinen medizinischen Dienst stellte das Versorgungsamt mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.04.2004 einen
GdB von 30 fest. Dem lagen folgende Funktionsstörungen zu Grunde:
1. Zuckerkrankheit (
GdB 30)
2. Psychovegetative Störungen mit funktionellen Organstörungen, gefäßbedingter Kopfschmerz, depressive Störung (
GdB 10)
3. Wirbelsäulenveränderungen mit Nervenreizungen (
GdB 10).
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung der 31. Kammer des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf damit, dass für die Bewertung des für einen Diabetes mellitus anzusetzenden
GdB nicht die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (
AHP) sondern der Katalog der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) maßgeblich sei.
In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme führte der medizinische Dienst des Versorgungsamtes aus, dass nach dem Beschluss des Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) vom 05.11.2003 der beim Kläger vorliegende und mit Insulin behandelte Diabetes -Typ II mit einem
GdB von 30 zu bewerten sei, da Hypoglykämien (Unterzuckerungen) nicht aufträten. Die Bezirksregierung Münster - Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt - wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2004 zurück.
Mit der hiergegen am 24.06.2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein auf Feststellung eines
GdB von 50 gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen: Der Beiratsbeschluss könne frühestens mit seiner Veröffentlichung in den
AHP im Juni 2004 verbindlich geworden sein. Daher seien die
AHP von 1996 anzuwenden. Diese würden für einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus einen
GdB von 50 vorgeben. Außerdem leide er unter einer Allergie gegen Insulin. Infolge allergischer Reaktionen habe er seinen Beruf als Fahrzeuglackierer aufgeben müssen. Das müsse bei der Bildung des Gesamt-
GdB berücksichtigt werden. Ferner bestünden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke, psychische Beschwerden und Kopfschmerzen sowie eine Schlafapnoesymptomatik mit schwergradigem Befund.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 16.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2004 zu verurteilen, einen
GdB von 50 festzustellen.
Das zunächst beklagte Land Nordrhein-Westfalen (NRW) hat beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit ein höherer
GdB als 40 beantragt wird.
Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid berufen. Das Sozialgericht (SG) hat einen Bericht der Deutschen Diabetes Klinik E vom 22.04.2004 beigezogen, in dem ein mit lnsulin behandelter Diabetes Typ II und eine lokale lnsulinallergie beschrieben wird. Es hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachten von
Dr. C (02.12.2004) sowie eines internistischen Gutachtens vom Internisten und Diabetologen
Dr. N1 (28.12.2004). Der Sachverständige
Dr. C hat das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-
GdB von 10 bewertet. Der Sachverständige
Dr. N1 hat unter Zugrundelegung der
AHP 1996 angenommen, dass ein mit intensivierter Insulintherapie schlecht eingestellter Diabetes mellitus mit einem Einzel-
GdB von 40 vorliege und einen Gesamt-
GdB von 40 vorgeschlagen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2005 hat der Sachverständige dies dahin revidiert, dass nach den
AHP 2004 der Diabetes nicht höher als mit 30 zu bewerten sei, dennoch sei im Ergebnis ein Gesamt-
GdB von 40 gerechtfertigt.
Auf Antrag des Klägers hat das SG weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) von
Prof. Dr. U, Chefarzt der Abteilung Pneumologie am Universitätsklinikum F. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 11.02.2006 das Schlafapnoesyndrom mit einem
GdB von 20 bewertet und unter Berücksichtigung des Diabetes sowie des Wirbelsäulenleidens einen Gesamt-
GdB von zumindest 50 vorgeschlagen.
Mit Urteil vom 16.07.2006 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 verurteilt, beim Kläger einen
GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die
AHP hätten normähnlichen Charakter und seien insoweit verbindlich. Die Wirbelsäulenschäden seien mit geringen funktionellen Auswirkungen verbunden und daher nach
Nr. 26.18 der
AHP 2004 mit einem
GdB von 10 zu bewerten. Für den mit Insulin behandelten Diabetes mellitus Typ II sei nach
Nr. 26.15 der
AHP 2004 ein
GdB von 30 anzusetzen. Die Auswirkungen der Insulinallergie seien nach dem Bericht der Deutschen Insulinklinik gering. Das Schlafapnoesyndrom bedinge nach
Nr. 26.8 der
AHP 2004 einen
GdB von 20 zu. Der Gesamt-
GdB sei mit 40 zu bewerten.
Mit der dagegen fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel fort. Er trägt vor: Die Bewertung der Diabeteserkrankung mit einem
GdB von 30 entsprechend dem Beiratsbeschluss vom November 2003 und entsprechend der
AHP 2004 werde in der Literatur kritisiert. Der Sachverständige
Prof. Dr. T1 habe zudem auf Probleme bei der Insulingabe hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des
BSG komme es nicht auf die Einstellbarkeit des Diabetes, sondern auf die tatsächliche Einstellung an. Bei ihm bestehe daneben der Verdacht eines toxischen Leberzellenschadens.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG Gelsenkirchen vom 13.07.2006 unter Aufhebung des Bescheids vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 zu verurteilen, ab Antrag für die bei ihm vorliegende Teilhabebeeinträchtigung einen
GdB von 50 anzuerkennen.
Die beklagte Stadt H beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 13.07.2006 zurückzuweisen.
Es stehe nicht sicher fest, ob ein Diabetes Typ I oder Typ II vorliege, wenn auch mehr für den Typ II spreche. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage bestehe allerdings kein schwer einstellbarer Diabetes.
Das beigeladene Land NRW stellt keinen Antrag.
Der Senat hat Befundberichte der Inneren Ambulanz des Elisabeth-Krankenhauses Gelsenkirchen, des HNO-Arztes Tarakanoff, des praktischen Arztes T2 sowie einen ärztlichen Untersuchungsbogen der Augenärzte Dres. T und Q beigezogen. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von
Dr. N (16.08.2007), eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von
Dr. W (03.05.2007) und eines orthopädischen Gutachtens von
Dr. S (06.08.2007).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogneen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.