Kurzbeschreibung:
Der 1984 geborene Antragsteller ist schwer mehrfachbehindert und leidet an vielfältigen Funktionsbeeinträchtigungen. Bis zum Juli 2007 hat er eine Schule besucht, wobei er zuletzt auf Kosten des Sozialhilfeträgers durch eine Einzelfallherlferin betreut wurde.
Den Antrag auf Kostenübernahme für einen Einzelfallhelfer im Rahmen der Aufnahme in die Fördergruppe einer WfbM lehnte der Sozialhilfeträger mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Krankenkasse ab. Nach Ansicht der Krankenkasse steht der Gewährung von häuslicher Krankenpflege in einer Werkstatt für behinderte Menschen entgegen, dass die entsprechenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses noch nicht vorliegen.
Das Gericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben und die Krankenkasse verpflichtet, bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach ärztlicher Verordnung häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V in der Werkstatt für behinderte Menschen zu gewähren.
Gemäß § 37 Abs. 2 SGB V in der seit dem 1. April 2007 geltenden Fassung könnten Versicherte an geeigneten Orten bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erhalten. Zwar habe der Gemeinsame Bundesausschusses gemäß § 37 Abs. 6 SGB V in Richtlinien festzulegen, an welchen Orten in welchen Fällen Leistungen auch außerhalb des Haushalts der Familie des Versicherten erbracht werden können. Der Anspruch aus § 37 SGB V sei jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, weil diese Richtlinien noch nicht erlassen seien. So lange die Richtlinien nicht vorliegen, ergebe sich der Anspruch der Versicherten unmittelbar aus § 37 Abs. 1 und 2 SGB V. Die Gesetzlichen Krankenkassen hätten über den Inhalt des Anspruchs selbst zu entscheiden, wobei diese Entscheidung gerichtlich voll überprüfbar sei.
Es seien keine Gründe ersichtlich, warum der Antragsteller nicht auch in der WfbM mindestens den gleichen Anspruch aus § 37 SGB V haben solle wie er ihn hätte, wenn er sich zu Hause aufhalte. In der Fördergruppe der Werkstatt müssten professionelle Pflegepersonen die Mutter des Antragstellers ersetzen. Bei der im Rahmen eines Eilverfahrens gebotenen Folgen- bzw. Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Kostenzusage des Landkreises für die Fördergruppe ohne die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung wertlos seien. Ein Verzicht auf sein Recht zum Besuch einer WfbM sei dem Antragsteller zweifellos weit weniger zuzumuten als der Krankenkasse die unwahrscheinliche Option, Leistungen an einem falschen Ort erbracht zu haben, die ohnehin erbracht werden müssten.
Das Gericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob die Richtlinien zur häuslichen Krankenpflege dann, wenn sie vorliegen, auch die Gerichte binden.