Die zulässige Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer BuS.
Gem.
§ 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen (
vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24.05.2006, Az.
B 3 KR 16/05 R, juris).
Das Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" ist von der Rechtsprechung dahingehend präzisiert worden, sich in der eigenen Wohnung bewegen und die Wohnung verlassen zu können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (
vgl. BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az.
B 3 KR 8/08 R, juris,
Rdnr. 15
m.w.N.).
Der Kläger kann aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen dieses Grundbedürfnis nicht aus eigener Kraft befriedigen. Auch durch die Bereitstellung eines Multifunktionsrollstuhls wird das Grundbedürfnis nur teilweise befriedigt. Das Grundbedürfnis wird auch nicht dadurch befriedigt, dass er in einer vollstationären Pflegeeinrichtung wohnt und im Rahmen der Pflege in dem ihm zur Verfügung gestellten Multifunktionsrollstuhl durch das Pflegepersonal fortbewegt wird. Es kann dahinstehen, ob hierdurch das Grundbedürfnis der Fortbewegung innerhalb des Geländes des Pflegeheimes befriedigt wird. Vorliegend wird das streitgegenständliche Hilfsmittel nämlich allein benötigt, um Spaziergänge in der näheren Umgebung des Geländes des Pflegeheimes zu unternehmen. Die von der Klägerseite angegebenen Ziele befinden sich sämtlich im Nahbereich der oben zitierten Rechtsprechung. Entgegen der von der Beklagten geäußerten Ansicht reichen Spaziergänge innerhalb des Geländes der Pflegeeinrichtung nicht aus, um das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums zu befriedigen. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Grundbedürfnis der Erschließung eines körperlichen Freiraums nicht an dem Zaun oder der Mauer der Pflegeeinrichtung endet, sondern auch im Fall der vollstationären Pflege den von der Rechtsprechung beschriebenen Nahbereich umfasst. Dies wird von der Rechtsprechung auch so vorausgesetzt (
vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10.02.2000, Az.
B 3 KR 26/99 R, juris,
Rdnr. 21; Sächsisches
LSG, Beschluss vom 11.05.2011, Az.
L 1 KR 8/11 B ER, juris,
Rdnr. 35;
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.01.2010, Az.
L 9 KR 356/09 B ER, juris; SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 24.06.2009, Az.
S 18 KR 2/09, juris,
Rdnr. 17; SG Dresden, Urteil vom 07.12.2011, Az. S 25 KR 310/11, Berufung anhängig unter L 1 KR 117/10; SG Dresden Urteil vom 12.05.2010, Az. S 25 KR 513/09 , Berufung anhängig unter L 1 KR 38/12).
Eine Verpflichtung der Beigeladenen zu regelmäßigen Ausfahrten des Klägers außerhalb des Geländes der Pflegeeinrichtung folgt weder aus § 2
Abs. 1 noch aus § 2
Abs. 3 Rahmenvertrag. Gemäß § 2
Abs. 1 Rahmenvertrag sind Inhalt der Pflegeleistungen die im Einzelfall erforderlichen Hilfen zur Unterstützung, zur teilweisen oder zur vollständigen Übernahme der Aktivitäten im Ablauf des täglichen Lebens oder zur Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Durchführung der Aktivitäten. Pflegeleistungen werden jedoch nur innerhalb des Pflegeheimes geschuldet. Hilfsmittel, die regelmäßig auch außerhalb des Pflegeheimes und des Heimgeländes benötigt werden, sind von dem Heimträger nicht vorzuhalten (
vgl. BSG, Urteil vom 10.02.2000, B 3 KR 26/99 R, juris,
Rdnr. 18). Gemäß § 2
Abs. 3 Rahmenvertrag umfasst die Mobilität unter anderem auch "das Verlassen und Wiederaufsuchen der Pflegeeinrichtung; dabei sind solche Aktivitäten des täglichen Lebens außerhalb der Pflegeeinrichtung zu unterstützen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erfordern
(z. B. Organisieren und Planen des Zahnarztbesuches). In diesem Zusammenhang ist zum einen festzuhalten, dass bereits die Formulierung "zur Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig" nicht deckungsgleich mit dem beschriebenen Umfang des Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraumes ist. Ein Spaziergang an der frischen Luft ist nämlich nicht unbedingt zur Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig. Damit ist die Formulierung im § 2
Abs. 3 Rahmenvertrag enger als die Beschreibung des streitgegenständlichen Grundbedürfnisses. Unabhängig hiervon kann es nach Ansicht der Kammer jedoch nicht darauf ankommen, in welchem Umfange das Pflegeheim Leistungen zu erbringen hat, die einem bestimmten Grundbedürfnis zuzuordnen sind. Nach Ansicht der Kammer werden die Grundbedürfnisse der Versicherten nicht durch den Versorgungsvertrag, den das Pflegeheim mit der Krankenkasse geschlossen hat, beschränkt. Denn dann könnte der Versicherte nicht selbst bestimmen, wann, durch wen und in welchem Umfange das Grundbedürfnis befriedigt wird. Er wäre abhängig von den Regelungen des Versorgungsvertrages. Eine solche Einschränkung entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage und findet sich auch nicht in der Rechtsprechung wieder.
Darauf, dass der Kläger selber keine Wünsche mehr in Bezug auf seinen Aufenthaltsort äußern kann, kommt es nach der Neuregelung des § 33
Abs. 1 Satz 2
SGB V nicht mehr an. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass die Regelung speziell für die Fälle geschaffen wurde, in denen Versicherte nicht mehr in der Lage sind, einen Willen zur Bestimmung des Aufenthalts zu bilden oder mitzuteilen (
vgl. Deutscher Bundestag, Bundestagsdrucksache 16/3100, Seite 102).
Die Frage, auf welche Hilfspersonen abzustellen ist, ist wie folgt zu beantworten: Für Fahrten außerhalb des Geländes des Pflegeheimes kommt es jedenfalls nicht darauf an, dass im Pflegeheim Personen tätig sind, die auch ohne BuS in der Lage wären, den Kläger zu schieben, da das Pflegeheim nicht für regelmäßige Ausfahrten außerhalb des Pflegeheimes zuständig ist. Wie bei der Prüfung einer BuS bei häuslicher Unterbringung muss es nach Ansicht der Kammer darauf ankommen, ob es sich um Personen handelt, die den Versicherten regelmäßig, mindestens wöchentlich besuchen und ihm die Wahrnehmung seines Grundbedürfnisses ermöglichen. Es ist der Beklagten zuzugeben, dass es im Einzelfall schwierig sein kann festzustellen, auf welche Hilfspersonen es ankommt. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung sind jedoch kein Grund, ein Hilfsmittel, auf das ein Anspruch besteht, nicht zu gewähren. Dies gilt auch für die fehlende Untersuchungsmöglichkeit durch den MDK. Die Krankenversicherung kann sich die gesundheitlichen Einschränkungen im Rahmen der Amtsermittlung auch durch ein ärztliches Attest nachweisen lassen. Im Bereich der häuslichen Unterbringung wird dies auch so von der Beklagten gehandhabt. Vorliegend hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass die Eltern des Klägers, die ihn meist abwechselnd mindestens fünfmal wöchentlich in der Pflegeeinrichtung aufsuchen und mit ihm innerhalb des Nahbereiches Spaziergänge unternehmen, als zu berücksichtigende Begleitpersonen in Betracht kommen. Der Kläger hat im Rahmen des Grundbedürfnisses einen Anspruch darauf, dass diese Personen ihm bei der Ausübung der Mobilität assistieren, wenn diese hierzu in relevantem Umfange bereit sind. Sind diese Personen körperlich nicht in der Lage, den Versicherten über eine relevante Strecke zu schieben, so ist durch die
GKV eine BuS zur Verfügung zu stellen.
Die vorgenannten Voraussetzungen liegen hier vor: Das Bundessozialgericht hat für den Rollstuhlfahrer selber festgestellt, dass das Grundbedürfnis der Fortbewegung im Nahbereich nur dann befriedigt ist, wenn er ohne übermäßige Anstrengung, schmerzfrei und aus eigener Kraft in der Lage ist, sich in normalem Rollstuhltempo fortzubewegen (
BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az.:
B 3 KR 8/08 R, juris,
Rdnr. 24). Der gleiche Maßstab muss für die in Anspruch genommene Hilfsperson gelten. Ist diese nicht mehr in der Lage, ohne übermäßige Anstrengung den Rollstuhl schmerzfrei und aus eigener Kraft in normalem Rollstuhltempo zu schieben, so ist es ihr nicht mehr zuzumuten, den Rollstuhl ohne zu schieben. Darüber hinaus hat das Bundessozialgericht Hilfeleistungen, durch die ein Hilfsmittel ersetzt werden könnten, nur bei solchen Haushaltsangehörigen für zumutbar erachtet, die von einer für sie bestehenden beitragsfreien Familienversicherung profitieren (
BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az.: B 3 KR 8/08 R, juris,
Rdnr. 23
m.w.N.). Vorliegend gibt es keine Hilfspersonen, die von einer beitragsfreien Familienversicherung profitieren. Hier leiden die in Betracht kommenden Hilfspersonen (Mutter und Vater) unter gesundheitlichen Einschränkungen, so dass ihnen das Schieben des Klägers ohne elektrische Schiebehilfe unmöglich beziehungsweise unzumutbar ist. Die behandelnden Ärztinnen der Mutter des Klägers haben bestätigt, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihren Sohn im Rollstuhl ohne BuS zu transportieren. Gleiches gilt für den Vater des Klägers, für den der Facharzt für Innere Medizin D. bei bekannter koronarer Dreigefäßerkrankung und Zustand nach Vorderwandinfarkt sowie rezidivierend hyperintensiven Entgleisungen von Belastungen wie das Schieben eines Rollstuhles abrät. Angesichts der bei den Eltern vorliegenden Diagnosen und ihres Alters erscheinen die Einschätzungen der Ärzte der Kammer nachvollziehbar.
Dass sich die Facheinrichtung auf einem Hügel befindet und damit die BuS im besonderen Maße erforderlich ist, kommt es nicht an. Zwar hat das Bundessozialgericht entschieden, dass es auf Besonderheiten des konkreten Wohnungsumfeldes eines Versicherten
z. B. hinsichtlich der Entfernung zu Einkaufsmöglichkeiten oder bezüglich topografischer Besonderheiten der Wohnumgebung nicht ankommt. Entscheidend sei vielmehr ein allgemeiner an durchschnittlichen Lebens- und Wohnverhältnissen orientierter Maßstab, der erfüllt sein muss, um die Ausstattung eines gehunfähigen oder gehbehinderten Menschen mit einem Elektrorollstuhl,
bzw. einer elektrische Schiebehilfe zu rechtfertigen (
BSG, Urteil vom 12.08.2009, Az.: B 3 KR 8/08 R, juris,
Rdnr. 24). Durchschnittliche Wohnverhältnisse bedeuten jedoch nicht eine für einen Rollstuhlfahrer optimale Wohnumgebung ohne jegliche An- und Abstiege. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass auch in einem durchschnittlichen Wohnbereich mit kleineren Anstiegen und Gefällen zu rechnen ist. Vorliegend ist für Spaziergänge in der allernächsten Umgebung nur für eine kurze Strecke eine Steigung von
ca. 8 % zu überwinden. Mit solchen kurzen Steigungen muss auch in einem durchschnittlichen Wohngebiet gerechnet werden. Ist die Hilfsperson ohne BuS nicht in der Lage, solche kurze Steigungen zu überwinden, so ist die BuS zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.