Der Kläger begehrt die Anerkennung einer COVID-19 Infektion als Dienstunfall.
Der Kläger steht als * an der Polizeiinspektion (PI) * im Dienst des Beklagten. Ab dem 9. März 2020 war er zur Teilnahme an einem Sportübungsleiterlehrgang in der * eingeteilt, der bis zum 27. März 2020 dauern sollte. Am 11. März 2020 meldete sich ein Lehrgangskollege krank. Der Kläger fuhr am Freitag, dem 13. März 2020 für das Wochenende nach Hause. Er verspürte in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2020 grippeähnliche Symptome (Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall) und meldete sich am 15. März 2020 bei der Lehrgangsleiterin krank. Am 16. März 2020 wurde durch den Hausarzt ein PCR-Test durchgeführt. Dieser ergab am 23. März 2020 den positiven Befund einer SARS-CoV-2/COVID-19 Infektion.
Unter dem 25. Mai 2020 beantragte der Kläger beim, Dienststelle, Bezügestelle Dienstunfall, (im Folgenden: *) die Anerkennung der Infektionserkrankung als Dienstunfall. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des * vom 15. Juli 2020 abgelehnt. Aus den vorliegenden Informationen sei ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Unfallereignis nicht erkennbar. Derzeit werde durch das Robert Koch-Institut bei einer Erkrankung an COVID-19 von einer mehrtägigen Inkubationszeit, im Mittel von fünf bis sechs Tagen, ausgegangen. Ein Zeitraum von mehreren Tagen des Aufenthalts am Lehrgangsort, währenddessen eine Ansteckung demnach möglich gewesen sei, sei für die zeitliche Bestimmbarkeit eines Unfallereignisses im Dienstunfallrecht nicht ausreichend. Unabhängig davon könnten nur solche Ereignisse anerkannt werden, bei denen ein kausaler Zusammenhang zwischen Dienst und Unfallereignis bestehe. Nachdem die Ausbreitung des Corona-Virus durch die
WHO zur Pandemie erklärt worden sei, stelle die Infektion mit dem Virus eine Allgemeingefahr dar. In der Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus verwirkliche sich aufgrund der Pandemiesituation ein allgemeines Lebensrisiko. Der innere Ursachenzusammenhang zwischen einem Infektionsereignis und der dienstlichen Tätigkeit könne nur vorliegen, wenn aufgrund der Dienstausübung eine besondere, über die Allgemeingefahr einer Ansteckung hinausgehende Infektionsgefahr bestanden habe. Dies sei bei der Teilnahme an einem Lehrgang jedoch nicht der Fall. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der Infektion als Berufskrankheit gemäß
Art. 46
Abs. 3 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) lägen nicht vor. Dafür sei der einzelfallbezogene Nachweis erforderlich, dass im fraglichen Zeitraum eine Tätigkeit ausgeübt wurde, bei der die Gefahr, an COVID-19 zu erkranken, typischerweise besonders erhöht gewesen sei. Eine allgemeine Ansteckungsgefahr - wie während eines Lehrgangs - sei dafür nicht ausreichend.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit Schreiben vom 13. August 2020 Widerspruch einlegen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 14. Oktober 2020 wurde zur Begründung vorgetragen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Dienstunfalls vorlägen. Fast alle Lehrgangsteilnehmer seien an COVID-19 erkrankt, daher könne die Ansteckung nur während des Lehrgangs erfolgt sein und somit nur während eines begrenzten Zeitraums im Dienst. Der Anerkennung stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine Pandemie handle. Ein Dienstunfall setze nicht voraus, dass der Beamte bei seiner Tätigkeit einer höheren Gefährdung als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei oder sich in dem Körperschaden eine der konkreten dienstlichen Verrichtung innewohnende typische Gefahr realisiere. Hilfsweise komme auch die Anerkennung als Dienstunfall über
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG in Betracht. Bei der Infektion mit dem Corona-Virus und einer daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigung handle es sich um eine Erkrankung nach
Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des * vom 26. Oktober 2020 zurückgewiesen. Ein Dienstunfall setze ein plötzliches Ereignis voraus, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten sei. Als „plötzlich“ sei ein Ereignis anzusehen, wenn es längstens innerhalb der täglichen Dienstzeit stattgefunden habe. Eine Erkrankung infolge längerer (über eine Dienstschicht hinausgehender) schädlicher Einflüsse, denen der Beamte im Dienst ausgesetzt war, gelte nur in den in
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG genannten Fällen als Dienstunfall (Tz. 46.1.4 Bayrische Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht). Die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 sei durch die
WHO zur Pandemie erklärt worden. Die Infektion mit dem Virus stelle daher eine Allgemeingefahr dar. Es verwirkliche sich ein allgemeines Lebensrisiko, das regelmäßig ohne jede Beziehung zu den Anforderungen des Dienstes stehe und sich als latent vorhanden dem Einfluss des Dienstherrn völlig entziehe. Auch eine besondere, über die Allgemeingefahr einer Ansteckung hinausgehende, Infektionsgefahr sei nicht ersichtlich. Der Einsatz bei einem Sportübungsleiterlehrgang sei eine im Polizeidienst alltägliche Arbeitssituation, wie sie aber auch in anderen Berufen auftrete. Die Infektion sei, selbst wenn sie sich bei Gelegenheit des Dienstes ereignet habe, keinesfalls durch den Dienst verursacht. Zudem scheide die Anerkennung aus, da ein zeitlich bestimmbares Unfallereignis nicht vorliege. Die Anerkennung als Berufskrankheit komme ebenfalls nicht in Betracht, da hierzu eine Dienstausübung notwendig gewesen wäre, bei der der Kontakt mit Coronavirusträgern nicht nur potenzielle Begleiterscheinung, sondern maßgebliches Tätigkeitskriterium sei (
z.B. medizinisches Personal im Gesundheitsdienst).
Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 23. November 2020 am 25. November 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Zeitraum vom 9. bis 14. März 2020 eine Infektion mit dem Corona-Virus stattgefunden habe. Dabei handle es sich um ein von außen einwirkendes Ereignis, nämlich die Übertragung von Viren auf einen anderen Menschen durch Tröpfchen oder Schmierinfektion. Es handle sich auch um ein plötzliches Ereignis. Das Tatbestandsmerkmal diene der Abgrenzung gegenüber einer längerdauernden Einwirkung. Das Unfallgeschehen müsse unvermittelt und längstens innerhalb der täglichen Dienstzeit stattgefunden haben. Eine generelle Festlegung, was als kurzer Zeitraum anzusehen sei, gebe es nicht. Es komme insoweit auch auf die Art des Unfallgeschehens an. Danach liege ein „plötzliches Ereignis“ im Rechtssinne vor, denn die Ansteckung könne nur innerhalb einer Dienstschicht zwischen dem 9. und 14. März 2020 stattgefunden haben, da fast alle Lehrgangsteilnehmer an COVID-19 erkrankt seien. Der Kläger sei vor und während der ersten Lehrgangswoche bei bester Gesundheit gewesen. * habe sich am 11. März 2020 krankgemeldet; später sei bekannt geworden, dass er an COVID-19 erkrankt war. Während des Lehrgangs hätten sich alle Teilnehmer in Klassenzimmern, im Speisesaal, in Sporträumlichkeiten und weiteren Örtlichkeiten der * befunden. Die Ansteckung könne somit nur während eines begrenzten Zeitraums im Dienst erfolgt sein. Es sei damit auch örtlich und zeitlich bestimmt, da es während der ersten Woche des Lehrgangs geschehen sei. Ein Körperschaden liege vor. Es sei zu einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Erreger und einer COVID-19 Erkrankung gekommen. Der Anerkennung als Dienstunfall stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine Pandemie handle. Das Bundesverwaltungsgericht ordne dem Dienstherrn grundsätzlich die Verwirklichung sämtlicher Risiken zu, die sich während der Dienstzeit in dessen räumlichen Machtbereich realisierten. Es komme auch nicht darauf an, ob es sich um eine allgemeine, letztlich jeden treffende Gefahr handle, die sich nur zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienst verwirklicht habe. Ein Dienstunfall setze nicht voraus, dass der Beamte bei seiner Tätigkeit einer höheren Gefährdung als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei oder sich in dem Körperschaden eine der konkreten dienstlichen Verrichtung innewohnende typische Gefahr realisiere. Im Übrigen könne die Anerkennung als Dienstunfall auch über
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG erfolgen. Unter
Nr. 3101 der Anlage 1 BKV seien Krankheiten erfasst, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Darunter fielen Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte u.a. im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Letzteres sei vorliegend der Fall gewesen. Dafür verlange das Gesetz, dass die von dem Beamten ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an derjenigen Krankheit in sich berge, an welcher der Beamte erkrankt sei. Dazu werde mit Blick auf den im Gesetz verwendeten Begriff „nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung“ auch verlangt, dass die besondere Gefährdung für die dienstliche Verrichtung typisch sein müsse. Dies sei allerdings nicht dahin zu verstehen, als sei dabei allgemein auf den generellen Inhalt der dienstlichen Verrichtung abzuheben. Eine solche generalisierende Betrachtung sei nicht angezeigt. Es komme vielmehr darauf an, ob dem Beamten die von ihm konkret auszuführende dienstliche Verrichtung - im Ganzen gesehen ihrer Art nach - unter den besonderen zu der fraglichen Zeit bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen der Gefahr der betreffenden Erkrankung besonders aussetzte (VGH BW, U.v. 21.1.1986 - 4 S 2468/85 - unter Verweis auf weitergehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Die Erkrankung eines Lehrers an infektiöser Gelbsucht gelte als Dienstunfall, wenn er der Erkrankung dieser an seiner Schule epidemisch aufgetretenen Krankheit besonders ausgesetzt gewesen sei und der Dienstherr nicht nachweisen könne, dass der Lehrer sich diese Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen habe (HessVGH, U.v. 14.3.1973 - OS I 70/66 - juris). Für eine Grundschullehrkraft sei die besondere Gefahr der Ansteckung an Mumps erst zu bejahen, wenn diese Krankheit in ihrem dienstlichen Bereich epidemisch, zumindest gehäuft, auftrete (
VG Gießen, U.v. 11.5.2000 - 5 E 1269/98 - juris) wobei nach dieser Einschätzung die Erkrankung von zwei Personen nicht ausreiche. Gemäß diesen allgemeinen Ausführungen sei der Kläger der Gefahr der Erkrankung an COVID-19 besonders ausgesetzt gewesen. Von den 21 Lehrgangsteilnehmern seien 19 an COVID-19 erkrankt (dies sei von der Gegenseite auch nicht bestritten worden). Damit habe konkret im Dienst die erhöhte Gefahr bestanden, daran zu erkranken. Die konkrete Dienstleistung des Beamten stelle sich angesichts der zahlreichen ebenfalls erkrankten Beamten zum gleichen Zeitpunkt als besondere Gefährdung dar. Ähnlich wie in der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 21. Januar 1986 sei darauf hinzuweisen, dass vor allem die verhältnismäßig hohe Zahl der nach und nach Erkrankten des Lehrgangs ins Gewicht falle. Die Erkrankung sei gehäuft
bzw. epidemisch im Sinne einer „Kleinseuche“ aufgetreten. Demnach lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung für eine Berufserkrankung vor, die als Dienstunfall gelte.
Der Kläger beantragte zunächst,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Juli 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2020 die Infektion und Erkrankung des Klägers an SARS-CoV-2/COVID-19 als Dienstunfall, hilfsweise als Berufserkrankung
i.S.v.
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG anzuerkennen.
Für den Beklagten beantragt das,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe vom 9. bis 16. März 2020 an einem Sportübungsleiterlehrgang teilgenommen, der ursprünglich bis zum 27. März 2020 dauern sollte, jedoch am 16. März 2020 abgebrochen worden sei. Der Kläger trage vor, dass sich bei ihm am 14. März 2020 grippeähnliche Symptome gezeigt hätten und es in der Folge zusätzlich zu Husten, Schnupfen und teilweise auch Nasenbluten gekommen sei. Er habe sich am 16. März 2020 auf eine Infektion mit dem COVID-19-Erreger testen lassen und am 23. März 2020 ein positives Testergebnis erhalten. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Symptome tatsächlich vorgelegen hätten, da die Voraussetzungen eines Dienstunfalls
bzw. einer Berufserkrankung nicht vorlägen. Die Klagebegründung entspreche im Wesentlichen der Widerspruchsbegründung und enthalte keine neuen Argumente. Es werde zur Vermeidung von Wiederholungen deshalb zunächst auf den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Eine Anerkennung der COVID-19 Infektion als Dienstunfall scheide aus mehreren Gründen aus. Es fehle schon an einem auf äußerer Einwirkung beruhenden Ereignis. Eine Erkrankung sei hierbei von einem Dienstunfallereignis im Rechtssinne abzugrenzen. Der Hauptübertragungsweg für COVID-19 sei die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstünden, wobei eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen insbesondere in der unmittelbaren Umgebung infektiöser Personen nicht auszuschließen sei (Quelle: Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 11.12.2020, Robert Koch-Institut). Bei einer solchen Infektion handle es sich also schon nicht um ein auf äußere Einwirkung beruhendes Ereignis. Die Erkrankung werde lediglich durch das Einatmen mit Viren belastender Aerosole ausgelöst. Dies stelle ein alltägliches Ereignis dar, das sich nicht als Unfallereignis qualifizieren lasse. Ansonsten müsse jeder Atemzug als potenzieller Dienstunfall gewertet werden. Dieses Ergebnis stehe auch im Einklang mit der Gesetzessystematik, da Erkrankungen an Infektionskrankheiten gemäß
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG
i.V.m. Anlage 1 BKV (nur) als Berufskrankheit qualifiziert werden könnten. Weiterhin sei das behauptete Unfallereignis nicht örtlich und zeitlich bestimmbar. Das COVID-19 Virus verbreitete sich epidemisch in Form einer weltweiten Pandemie. Spätestens seit März 2020 herrsche auch in Bayern ein weitgehend unkontrolliertes Infektionsgeschehen mit hohen täglichen Fallzahlen an Neuinfektionen. Gerade zu Beginn der Verbreitung im März 2020 sei wegen fehlendem Bewusstsein in der Bevölkerung und fehlender Testkapazitäten zusätzlich noch von einer hohen Dunkelziffer an Infektionen auszugehen. Eine Infektion sei selbst bei Einhaltung von Präventivmaßnahmen jederzeit und überall möglich. Die mittlere Inkubationszeit, wobei die Inkubationszeit die Zeit von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung angebe, werde in den meisten Studien mit fünf bis sechs Tagen angegeben. In verschiedenen Studien sei berechnet worden, zu welchem Zeitpunkt 95% der Infizierten Symptome entwickelt hatten, dabei habe das 95. Perzentil der Inkubationszeit bei 10 bis 14 Tagen gelegen (Quelle: Epidemiologischer Steckbrief des RKI, Stand: 11.12.2020). Auch wenn die mittlere Inkubationszeit mit fünf bis sechs Tagen angegeben werde, gebe es also Fälle einer längeren Inkubationszeit. Die örtliche und zeitliche Bestimmbarkeit setze in Abgrenzung von länger dauernden Einwirkungen die Feststellung voraus, dass der Kläger sich an einem bestimmten Ort zu einem konkret bestimmbaren Zeitpunkt infiziert habe (
BVerwG, U.v. 9.11.1960 - Az. VI C 144.58). Die Eingrenzbarkeit lediglich eines Zeitraumes von mehreren Tagen genüge dabei ebenso wenig wie die nur abstrakte Bestimmbarkeit des Zeitpunkts der Infektion, die nach ärztlicher Erfahrung zu vermutende Inkubationszeit und die Kenntnis der Orte, an denen sich der Kläger während dieser Zeit aufgehalten habe. Dieser Schwierigkeit habe der Gesetzgeber wiederum dadurch Rechnung getragen, dass Infektionskrankheiten als Dienstunfälle gelten könnten. Ausgehend davon könne ein plötzliches Unfallereignis mit der erforderlichen örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit, wie es Voraussetzung für die Anerkennung eines Dienstunfalles wäre, im vorliegenden Fall nicht festgestellt und erst recht nicht nachgewiesen werden. Das gelte auch unter den von der Klagepartei geschilderten Umständen. Wann und wo die Infektion stattgefunden
bzw. ob diese nicht zu einem ganz anderen Zeitpunkt und an einem ganz anderen Ort stattgefunden habe, was aufgrund der Inkubationszeit ebenfalls möglich sei, lasse sich nicht hinreichend eindeutig beantworten. Die Infektion sei auch nicht in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten. Es fehle an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem behaupteten Unfallereignis und dem Dienst, da sich wegen der pandemischen Verbreitung des COVID-19 Virus die Infektion im Sinne einer Allgemeingefahr in gleicher Weise auch zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort hätte ereignen können. Bei solchen Gefahren, denen der Kläger wie jedermann sonst in gleichem Maße auch dann ausgesetzt gewesen wäre, wenn er sich nicht im Dienst befunden hätte, fehle es an der erforderlichen inneren Beziehung zum Dienst. Es verwirkliche sich ein allgemeines Lebensrisiko, das ohne jede Beziehung zu den Anforderungen des Dienstes stehe und sich als latent vorhanden dem Einfluss des Dienstherrn völlig entziehe, sodass es nicht gerechtfertigt sei, diese jedem Menschen gleichermaßen abstrakt drohende Gefahr der Risikosphäre des Dienstherrn zuzuordnen. Der Kläger hätte sich während der fortdauernden Pandemie jederzeit und allerorts infizieren können. Schließlich sei unabhängig davon schon nicht nachgewiesen, dass sich der Kläger tatsächlich konkret im Rahmen des Lehrgangs oder bei einem Lehrgangsteilnehmer infiziert habe. Der Kläger selbst habe in seiner Dienstunfallanzeige angegeben, dass dies nur naheliege (Blatt 2 der Akte). Keinesfalls stehe somit fest, wie von der Klagepartei behauptet, dass sich der Kläger nur während des begrenzten Zeitraums zwischen dem 9. und 14. März 2020 und dort während seiner dienstlichen Tätigkeit infiziert haben könne, erst recht nicht vor dem Hintergrund einer durchaus möglichen Inkubationszeit von jedenfalls bis zu 14 Tagen. Selbst wenn - wie nicht - sich der Zeitraum entsprechend eingrenzen ließe, sei es auch dann genauso möglich, dass sich der Kläger in der Freizeit infiziert habe. Der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen dem behaupteten Unfallereignis und dem Dienst im dienstunfallrechtlichen Sinne sei deshalb nicht nachgewiesen. Die Beweislast obliege dem Kläger.
Auch eine Anerkennung der Infektion als Berufserkrankung gemäß
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG
i.V.m. Nr. 3101 der Anlage zur BKV komme nicht in Betracht. Dies setze voraus, dass der Kläger durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen sei, nachdem er nicht im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium tätig sei. Die abstrakte Gefährdung infolge der konkreten dienstlichen Tätigkeit des Klägers müsste also in Art und Grad mit der Gefährdung in Folge der Tätigkeit in den genannten Einrichtungen vergleichbar sein. Schon dies sei nicht der Fall. Allein der Umgang mit unterschiedlichen Personen, der auch nur einen Teil der Dienstaufgaben des Klägers darstelle, sei keinesfalls mit der Tätigkeit von Beschäftigten im medizinischen Gesundheitsdienst gleichzusetzen, die grade und ständig zur Betreuung von Infizierten herangezogen würden. Darüber hinaus müsste bei dem Kläger nach Art seiner dienstlichen Verrichtung ein erheblich höherer Grad der Gefahr einer COVID-19-Infektion vorliegen, als bei der üblichen Bevölkerung. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Das Ansteckungsrisiko sei - etwa im Gegensatz wiederum zu medizinisch tätigem Personal - nicht in entscheidendem Maße höher als das der übrigen Bevölkerung. Selbst wenn der Kläger im Dienst mit verschiedenen Personengruppen zu tun habe, stelle dies keine erheblich höhere Gefährdung im Sinn des
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG dar. Gerade die epidemische Verbreitung der COVID-19-Infektionen spätestens seit März 2020 in allen Bevölkerungsteilen und Berufsgruppen spreche hier gegen eine besondere Gefährdung im Sinn des
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG.
Darauf erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 24. März 2021. Soweit die Gegenseite Zweifel im Hinblick auf die tatsächlich vorgetragenen Symptome äußere, werde das ärztliche Attest vom 8. Dezember 2020 übermittelt. Dieses bestätige eine unvermindert ausgeprägte Leistungseinschränkung, eine deutliche Einschränkung des Geruchssinnes und eine Minderung der Dienstfähigkeit. In der Aufnahme von Viren liege ein auf äußerer Einwirkung beruhendes Ereignis, auch wenn es sich beim Einatmen um ein alltägliches Ereignis handle. Der Argumentation der Gegenseite, es fehle an einem erforderlichen inneren Zusammenhang zwischen dem behaupteten Unfallereignis und dem Dienst wegen der pandemischen Verbreitung des COVID-19-Virus, stehe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2010 entgegen. Danach komme es bei einem schädigenden Ereignis in einem dem Dienstherrn zugerechneten räumlichen Bereich grundsätzlich nicht darauf an, ob die konkrete Tätigkeit bei der sich der Unfall ereignet habe, dienstlich geprägt sei. Mit den Ausführungen zur Anerkennung als Berufserkrankung in der zitierten Rechtsprechung setze sich die Gegenseite letztlich nicht auseinander. Insbesondere sei kein Grund ersichtlich, warum der vorliegende Fall signifikant von der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 21. Januar 1986 abweiche. Unabhängig davon werde auch verwiesen auf eine Veröffentlichung der Deutschen Polizeigewerkschaft vom 27. Januar 2021, die beigefügt werde. Daraus gehe hervor, dass Polizeibeschäftigte einem 1,9-fachen Corona-Ansteckungsrisiko ausgesetzt seien. Auch dies spreche dafür, dass Polizeibeamte eben einer erhöhten Gefahr einer Erkrankung an COVID-19 ausgesetzt seien. Damit einhergehend dürfte auch erklärbar sein, dass Polizeibeamte nunmehr in der Impfreihenfolge vorgezogen und mittlerweile auch vor anderen Gruppen geimpft werden könnten. Dies zeige, dass erkannt worden sei, dass gerade Polizeibeamte einem erhöhten Risiko ausgesetzt seien, denn ansonsten sei dieser Schritt nicht zu rechtfertigen.
Darauf erwiderte das * für den Beklagten mit Schriftsatz vom 22. April 2021, dass die Klagepartei sich hinsichtlich der Anerkennung der Infektion als Dienstunfall nicht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2010 stützen könne, da im Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall hier Ort und Zeitpunkt der Infektion gerade nicht festgestellt seien und auch nicht mit hinreichender Bestimmtheit festgestellt werden könnten. Der wiederholte Hinweis auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21. Januar 1986 ändere nichts daran, dass, was die Frage eines Vorliegens einer Berufserkrankung angehe, es eben an der Voraussetzung fehle, dass die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen, zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich geborgen habe. Im Unterschied zum Sachverhalt des zitierten Falles, in dem der Lehrer im Unterricht in einer Klasse mit mehreren an Tuberkulose erkrankten Schülern einem erheblich erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt war, habe für den Kläger hier ein Risiko einer COVID-19 Infektion schlicht in gleichem Maße bestanden wie bei der gesamten Bevölkerung. Bei der Bevorzugung der Gruppe der Polizisten bei der Impfreihenfolge handle es sich um eine im Wesentlichen politische Entscheidung, um deren Einsatzfähigkeit, insbesondere bei Demonstrationen, zu gewährleisten. Ein Beleg für ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko bei der hier streitgegenständlichen Tätigkeit könne darin nicht gesehen werden, schon gar nicht in dem in
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG geforderten besonderen Maße. Ein solcher Beleg ergebe sich auch nicht aus der vorgelegten Pressemitteilung der Deutschen Polizeigewerkschaft. Diese habe keinerlei Aussagekraft hinsichtlich des tatsächlichen Infektionsrisikos. Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar sei, wie die behauptete Zahl ermittelt worden sei, sei schon deswegen, weil unter den Polizeibeamtinnen und -beamten eine höhere Testrate herrschen dürfte als in der Bevölkerung insgesamt, eine verhältnismäßig höhere Zahl an bestätigten Infektionen zu erwarten als in der Bevölkerung insgesamt.
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 übermittelte der Kläger in Kopie die Drucksache 17/404 des baden-württembergischen Landtags vom 2. Juli 2021. Dort sei ausgeführt, dass die vergleichsweise hohe Zahl gemeldeter Unfallgeschehen aus dem Polizeibereich (bezogen auf Anträge auf Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Dienstunfall) ganz wesentlich auf das erhöhte Infektionsrisiko der polizeilichen Einsatzkräfte zurückzuführen sei, welches auch durch die Impfpriorisierung des betroffenen Personenkreises anerkannt werde. Vor diesem Hintergrund dürfte die Impfpriorisierung durchaus einem erhöhten Infektionsrisiko geschuldet sein. Bezüglich der Infektion sei aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten davon auszugehen, dass der * der sog. „Patient Null“ gewesen sei und die restlichen Lehrgangsteilnehmer angesteckt habe. Eine Ansteckung im privaten Umfeld könne der Kläger weitgehend ausschließen. Dazu zählten seine Eltern, seine Schwester und sein Schwager sowie deren drei Kinder. Ferner habe er Kontakt mit zwei Freunden gehabt. In den zwei Wochen vor Lehrgangsantritt sei er seinem Dienst bei der PI * nachgegangen und habe dabei keinen wissentlichen Kontakt zu einer COVID-19 infizierten Person gehabt. Auf der gesamten Dienststelle habe es bis zum 14. August 2020 keine bekannten COVID-19 Infektionen gegeben. Auch in seinem privaten Umfeld sei ihm eine solche Infektion nicht geläufig gewesen.
Am 21. Oktober 2021 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Der Kläger ließ beantragen,
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 15.7.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2020, zugestellt am 31.10.2020, die Infektion und Erkrankung des Klägers an SARS-CoV- 2/COVID 19 als Dienstunfall (
Art. 46
Abs. 1, 3 BayBeamtVG) anzuerkennen.
Der Vertreter des Beklagten wiederholte den Antrag auf Klageabweisung.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 15. Juli 2020 des * in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2020 des * ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung seiner SARS-CoV-2/COVID-19 Erkrankung (im Folgenden: COVID-19 Erkrankung) vom März 2020 als Dienstunfall im Sinne von
Art. 46
Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO).
1. Ein Dienstunfall gemäß
Art. 46
Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG liegt nicht vor. Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Dabei gehört zum Dienst gemäß
Art. 46
Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 BayBeamtVG auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und damit auch Fortbildungsveranstaltungen wie hier der Sportübungsleiterlehrgang, an dem der Kläger teilgenommen hat. Auch ein Körperschaden war ausweislich des ärztlichen Attests vom 8. Dezember 2020 (Bl. 63 Gerichtsakte) gegeben. Der Kläger hatte im März 2020 - beginnend in der Nacht vom 14. auf den 15. März 2020 - grippeähnliche Symptome und zeigte auch bei Kontrollbesuchen im April und Mai 2020 noch eine ausgeprägte Leistungseinschränkung und eine deutliche Einschränkung des Geruchsinns. Noch im Dezember 2020 hatte sich der Geruchssinn nicht zurückgebildet. Damit lag nicht nur eine durch den PCR-Test festgestellte bloße Infektion mit dem SARS-CoV-2 Erreger (sogenannte stumme Infektion) vor (Leihkauff in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2021, Ziff. 16. „Auswirkungen der Corona-Pandemie“ Rn. 113).
Entgegen der Ansicht des Beklagten fehlt es auch nicht an einem auf äußerer Einwirkung beruhenden Ereignis durch die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, dem Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 (Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 des Robert Koch-Instituts, Stand: 14.7.2021 - im Folgenden: Steckbrief RKI). Das Erfordernis der äußeren Einwirkung dient vielmehr der Abgrenzung von Vorgängen im Innern des Körpers
bzw. dem Ausschluss von Körperbeschädigungen, die auf eine besondere Veranlagung zurückgehen (Kazmaier in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Stand Juni 2021, § 31 BeamtVG Rn. 31). Auch die Tuberkulose wird (u.a.) durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen übertragen. Beim Einatmen handelt es sich um eine äußere Einwirkung.
Auch eine Infektionskrankheit - um eine solche handelt es sich bei COVID-19 ausweislich des unter „Infektionskrankheiten A-Z“ aufgeführten Steckbriefs des RKI kann im Grundsatz ein Dienstunfall im Sinne von
Art. 46
Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG sein (
BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 22.90 - juris Rn. 7 zu Tuberkulose; U.v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - juris Rn. 12). Ein Dienstunfall ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei der Erkrankung des Klägers an COVID-19 um die Folge einer Pandemie und daher um die Verwirklichung einer allgemeinen, letztlich jeden treffenden Gefahr handelt. Der Begriff des Dienstunfalls setzt nicht voraus, dass ein Beamter bei seiner Tätigkeit einer höheren Gefährdung als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist oder sich in dem Körperschaden eine der konkreten dienstlichen Verrichtung innewohnende typische Gefahr realisiert hat (
BVerwG, U.v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - juris Rn. 11). Vorliegend fehlt es jedoch an einem örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis im Sinne von
Art. 46
Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG, das zu der COVID-19 Erkrankung des Klägers geführt hat. Das Vorliegen eines örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignisses setzt voraus, dass sich feststellen lässt, dass sich der Beamte an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt infiziert hat. Die Umstände des konkreten Ereignisses müssen so bestimmt sein, dass es Konturen erhält, aufgrund derer es von anderen Geschehnissen eindeutig abgegrenzt werden kann. Die bloße Eingrenzbarkeit des Zeitraums der Infektion oder die abstrakte Bestimmbarkeit ihres Zeitpunkts sowie die Kenntnis der Orte, an denen sich der Beamte während dieser Zeit aufgehalten hat, reichen nicht aus (
BVerwG, U.v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - juris Rn. 16). Hiervon ausgehend genügt für die Annahme eines Dienstunfalls im Sinne von
Art. 46
Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG der Rückschluss nicht, dass sich der Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach während des Zeitraums zwischen dem 9. und 14. März 2020 bei der Teilnahme am Übungsleiterlehrgang infiziert hat. Die Forderung eines örtlich und zeitlich bestimmbaren Schadensereignisses legt zum einen den Schutzbereich der Dienstunfallfürsorge fest und dient zum anderen der Begrenzung des Risikos des Dienstherrn. Dieser soll nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Daher geht das Bundesverwaltungsgericht auch im Grundsatz davon aus, dass sich Ort und Zeitpunkt einer Infektion regelmäßig nicht mit der erforderlichen Genauigkeit feststellen lassen (
BVerwG, U.v. 25.2.2010 - juris Rn. 14 f. zu § 31
Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Damit reicht es dienstunfallrechtlich betrachtet vorliegend nicht, den Lehrgangszeitraum von 9. bis 14. März 2020 in * in den Räumen der * zugrunde zu legen. Der Schwierigkeit, dass sich der Zeitpunkt der Ansteckung mit einer Infektionskrankheit fast ausnahmslos nicht mit der erforderlichen Genauigkeit feststellen lässt, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass Infektionskrankheiten, die in Anlage 1 der BKV aufgeführt sind, fiktiv als Dienstunfälle gelten, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (
BVerwG, U.v. 19.1.2006 - 2 B 46.05 - juris Rn. 6). Das Gericht sieht deshalb aus systematischen Erwägungen heraus nicht die Notwendigkeit, dem Kläger im Anwendungsbereich von
Art. 46
Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG eine Beweiserleichterung in Form des prima-facie-Beweises (Anscheinsbeweis) einzuräumen. Dies würde bedeuten, für die Anerkennung eines Dienstunfalls den eingrenzbaren Zeitraum - hier die Woche des Übungsleiterlehrgangs - ausreichen zu lassen. Dies stünde der gefestigten Rechtsprechung entgegen, wonach es für die zeitliche Bestimmbarkeit eben nicht genügt, dass sich ein über mehrere Tage erstreckender Zeitraum nach Anfangs- und Schlusstag eingrenzen lässt. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 25. Februar 2010 eine Borreliose als Infektionskrankheit in der Folge eines Zeckenbisses anerkannt hat, lag der Sachverhalt anders, da sich in diesem Fall Ort und Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses hatten eindeutig feststellen lassen. Im Übrigen wurde in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf verwiesen, dass damit keine Änderung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur örtlichen und zeitlichen Bestimmbarkeit des schädigenden Ereignisses, das zu einer Infektionskrankheit geführt hat, verbunden sei (
BVerwG, a.a.O., Rn. 16).
2. Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Anerkennung der COVID-19 Erkrankung des Klägers als Dienstunfall gemäß
Art. 46
Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG vor. Demnach gilt auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I
S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit als Dienstunfall, wenn der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Diensts zugezogen hat. Nach
Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV sind Infektionskrankheiten dann Berufskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Als Infektionskrankheit wird die Erkrankung an COVID-19 von
Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV grundsätzlich erfasst.
Nr. 3101 - letzte Alternative - fordert eine der betreffenden Tätigkeit innewohnende besondere, den übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung.
Nach
Art. 46
Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Verbindung mit Anlage 1 der BKV gilt die in
Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (
vgl. z.B. BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 22.90 - juris Rn. 12 zu § 31
Abs. 3 Satz 1 BeamtVG). Diese besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein.
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG setzt nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Dienstes darstellt; maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt (stRspr.
vgl. BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 22.90 - juris Rn. 11 f.; B.v. 15.05.1996 - 2 B 106.95 - juris Rn. 6;
VG Würzburg, U.v. 26. 5.2020 - W 1 K 19.40 - juris Rn. 26). Dies ist hier der Fall. Bei einem auf
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG gestützten Anspruch hat der Beamte, der Dienstunfallfürsorgeleistungen wegen einer Krankheit begehrt, für die besondere Erkrankungsgefahr im Sinne von Satz 1 der Vorschrift und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung die materielle Beweis-
bzw. Feststellungslast zu tragen, wenn das Gericht hierüber die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann. In diesem Rahmen können dem Beamten auch allgemein anerkannte Beweiserleichterungen wie der Beweis des ersten Anscheins oder eine Umkehr der Beweislast zugutekommen, wenn die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegeben sind (
BVerwG, B. v. 11.3.1997 - 2 B 127.96 - juris). Lässt sich bei Vorliegen der beiden erstgenannten Voraussetzungen hingegen lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr (
BVerwG, U.v. 28.4.2011 - 2 C 55.09 - juris Rn. 13).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht das Gericht im vorliegenden Fall davon aus, dass die Teilnahme des Klägers an dem Sportübungsleiterlehrgang unter den gegebenen tatsächlichen Umständen mit einer besonderen Gefährdung einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2 Erreger
bzw. der Erkrankung an COVID-19 einhergegangen ist und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit verbunden war, wobei diese Ansteckungsgefahr trotz eines pandemischen Geschehens in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestand. Insoweit war beim Kläger nicht auf seine „allgemeine“ Tätigkeit als Polizeivollzugsbeamter
bzw. den generellen Inhalt seiner Dienstaufgaben an der PI * abzustellen, sondern konkret auf die Teilnahme am Übungsleiterlehrgang. Diese Dienstverrichtung als zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit hat eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade an der Erkrankung mit COVID-19 in sich geborgen (
vgl. BVerwG, B.v. 15.5.1996 - 2 B 106.95 - juris Rn. 6); der Kläger war damit einer Ansteckungsgefahr in erheblich größerem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (VGH BW, U.v. 6.3.1990 - 4 S 1743/88 - juris Rn. 30). Entgegen der Auffassung des Beklagten hat gerade die Teilnahme am Sportübungsleiterlehrgang die Ansteckungsgefahr signifikant erhöht. Dies ergibt sich zum einen aus dem Ablauf des Lehrgangs. Der Kläger war von Montag, dem 9. März 2020 ab mittags 12:30 Uhr bis zur Heimfahrt am 13. März 2020 ständig in den Räumen der * in der * in * und hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung das Gelände auch am Abend nicht verlassen. Er war mit den Kollegen des Lehrgangs bei jeder Mahlzeit in der Kantine zusammen sowie im Lehrraum anlässlich des theoretischen Unterrichts. Der praktische Teil des Lehrgangs umfasste u.a. die Sportarten Basketball, Zirkeltraining, Life Kinetik und Volleyball jeweils in der Halle; dabei fanden Partnerübungen aller Kollegen untereinander statt, an denen auch der zuerst erkrankte * („Patient Null“) teilgenommen hat; nur einmal wurde im Freien ein Nordic-Walking-Training abgehalten. Darüber hinaus wurde auch das Schwimmbad benutzt und gemeinsam jeweils die Umkleiden
bzw. die Duschen. Der ständige nahe Umgang beim Sport, beim Unterricht und bei den Mahlzeiten birgt eine weit höhere Gefährdung in sich als beispielsweise die von Beklagtenseite angeführte Tätigkeit einer Angestellten im Supermarkt. Dies wird bestätigt durch die Ausführungen des RKI (Steckbrief
Nr. 20) zu sog. „superspreading events“, also Ereignissen, bei denen eine infektiöse Person eine Anzahl an Menschen ansteckt, die deutlich über der durchschnittlichen Anzahl an Folgeinfektionen liegt. Zu Begleitumständen, die eine ungewöhnlich hohe Übertragung begünstigen, gehören danach Situationen, in denen sich kleine infektiöse Partikel (aerosolisierte Partikel) im Raum anreichern. Dazu trägt u.a. die vermehrte Freisetzung kleiner Partikel durch Aktivitäten mit gesteigerter Atemtätigkeit wie
z.B. Sporttreiben bei. Genau letzteres war beim Sportübungsleiterlehrgang des Klägers der Fall. Das RKI benennt daneben auch Fitnessstudios als klassisches Beispiel für größere COVID-19 Ausbrüche. Damit bestand für den Kläger wegen der Teilnahme am Sportübungsleiterlehrgang eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade an einer Infektion mit dem Coronavirus. Da die Teilnehmer des Kurses die ganze Zeit körperlich sehr eng zusammen waren, insbesondere bei den sportlichen Aktivitäten und hier vor allem bei Partnerübungen, überstieg die Gefährdung die Ansteckungsgefahr der (auch) ein Beamter immer ausgesetzt sein kann, der im Dienst mit anderen Personen in Berührung kommt,
z. B. bei Parteiverkehr oder in mit mehreren Personen besetzten Dienstzimmern. Bei solchen Sachverhalten kann von einer nur „allgemeinen Gefahr“ ausgegangen werden, durch die ein Polizeivollzugsbeamter nicht einer Ansteckungsgefahr in erheblich größerem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist.
In der Rechtsprechung sind Infektionskrankheiten als Dienstunfall im Sinne von § 31
Abs. 3 BeamtVG und damit auch dem inhaltsgleichen
Art. 46
Abs. 3 BayBeamtVG jedenfalls dann anerkannt worden, wenn die betreffende Infektionskrankheit gehäuft aufgetreten war (VGH BW, U.v. 21.1.1986 - 4 S 2468/85 - ZBR 1986, 277; offengelassen aufgrund einer fehlenden Häufung einer Tuberkuloseerkrankung
BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 22.90 - juris Rn. 14;
BVerwG, U.v. 15.5.1996 - 2 B 106.95 - juris Rn. 9). Vorliegend sind von den 21 Teilnehmern des Kurses 19 an COVID-19 erkrankt, sodass hier nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass die konkrete Art der dienstlichen Verrichtung für die COVID-19 Erkrankung ursächlich war (
vgl. BayVGH, U.v. 17.5.1995 - 3 B 94.3181 - juris Rn. 22 unter Verweis auf die o.g. Entscheidung des VGH BW). Im Übrigen käme dem Kläger insoweit der Beweis des ersten Anscheins zu Gute.
Der Beweis des ersten Anscheins kommt bei typischen Geschehensabläufen in Betracht in Fällen, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des konkreten Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind (
BVerwG, B.v. 11.3.1997 - 2 B 127/96 - juris Rn. 5).
Vorliegend erscheint es gerechtfertigt, zugunsten des Klägers wegen des seuchenhaften
bzw. gehäuften Auftretens der Erkrankung im Rahmen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass die besondere Erkrankungsgefahr gerade auf die ausgeübte dienstliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Bei einer mittleren Inkubationszeit, die das RKI mit fünf bis sechs Tagen angibt (Steckbrief RKI a.a.O.
Nr. 5), ist es sehr wahrscheinlich, dass die Ansteckung am 9. März 2020 erfolgte, zumal sich ein relevanter Anteil von Personen innerhalb von ein bis zwei Tagen bei bereits infektiösen, aber noch nicht symptomatischen Personen ansteckt (RKI a.a.O.
Nr. 3). * war bereits seit 11. März 2020 nicht mehr Teilnehmer des Lehrgangs, nachdem er sich krankgemeldet hatte. Da es sich um die mittlere Inkubationszeit handelt, kann sich der Kläger allerdings auch noch danach bei einem anderen Lehrgangsteilnehmer angesteckt haben. Insgesamt spricht der ganze Ablauf des Sportlehrgangs mit einem intensiven Kontakt unter den Teilnehmern dafür, dass sich der Kläger im Rahmen der Kursteilnahme angesteckt hat. Anders läge der Fall, wenn nur ein oder zwei weitere Kollegen des Lehrgangs an COVID-19 erkrankt wären. Eine besondere Erkrankungsgefahr ist auch deswegen anzunehmen, weil auch die Schulen in Bayern am 16. März 2020 geschlossen wurden, also kein Unterricht mehr stattfand sowie ein Präsenzunterricht an Universitäten und Hochschulen monatelang nicht abgehalten wurde. Damit wurde gerade dem erhöhten Ansteckungsrisiko bei einem Aufenthalt von vielen Menschen ohne Mindestabstand in geschlossenen Räumen Rechnung getragen.
Nach
Art. 46
Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BayBeamtVG gilt eine Erkrankung an der Infektionskrankheit dann nicht als Dienstunfall, wenn der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Für den Kausalzusammenhang besteht insoweit eine gesetzliche Vermutung („es sei denn, …“), die allerdings vom Dienstherrn widerlegt werden kann. Deshalb trägt dieser das Risiko der Unaufklärbarkeit des Umstands, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat (
BVerwG, U.v. 28.4.2011 - 2 C 55.09 - juris Rn. 13). Vorliegend greift die gesetzliche Vermutung. Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass eine Ansteckung in seinem privaten Umfeld ausgeschlossen werden kann. Der Beklagte kann dem Risiko der Nichterweislichkeit nicht mit der pauschalen Argumentation entgegentreten, es handle sich wegen der pandemischen Verbreitung des Coronavirus um eine Allgemeingefahr. Dies gilt auch im Hinblick auf eine unter Umständen längere Inkubationszeit als fünf bis sechs Tage. Dass der Kläger sich auch - theoretisch - vor Beginn des Lehrgangs hätte infizieren können, stellt eine Möglichkeit dar, die jedoch nicht durch Tatsachen belegt ist. Im Rahmen des
Art. 46
Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG liegt die Beweislast nicht beim Kläger, sondern bei dem Beklagten. Der Kläger hat glaubhaft dargelegt, dass ihm eine COVID-19 Erkrankung im näheren Umfeld nicht bekannt und eine Ansteckung im privaten Umfeld weitestgehend auszuschließen war. Der Kläger hat während des Lehrgangs in der * übernachtet und diese auch am Abend nicht verlassen, um privat auszugehen. Den Donnerstagabend (13. März 2020) hat er noch gemeinsam mit Lehrgangskollegen in der Kantine der * verbracht. Insgesamt bestehen daher keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass er sich die Infektion mit COVID-19 außerhalb des Dienstes zugezogen hat.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1
VwGO stattzugeben. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren war angesichts der Schwierigkeit der Rechtslage notwendig (§ 162
Abs. 2 Satz 2
VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 2
VwGO i. V.m. § 708
Nr. 11, § 711
ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124
Abs. 1 Satz 1
VwGO i.V.m. § 124
Abs. 2
Nr. 3
VwGO).