Urteil
Anforderungen an den Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung eines Meniskusschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2102 BKV

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 17. Senat


Aktenzeichen:

L 17 U 734/12


Urteil vom:

25.02.2015


Grundlage:

  • SGB VII § 9 Abs. 1 |
  • BKV Nr. 2102

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.10.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung/BKV (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten).

Der am 00.00.1964 geborene Kläger war vom 01.08.1981 bis zum 06.02.1984 in der Lackiererei E in E1 beschäftigt. Vom 01.01.1988 bis zum 31.12.1998 war er in E1 im Unternehmen "Die M" tätig. Anschließend arbeitete er vom 15.02.1989 bis 15.09.1989 in der Autolackiererei H in E1 und übte danach vom 15.04.1993 bis zum 31.08.2001 seine Berufstätigkeit in der I & T Autolackiererei ebenfalls in E1 aus. Vom 01.08.2002 bis zum 29.09.2006 war der Kläger in T1 bei der Firma T2 & I1 als Kfz-Lackierer tätig. Zwischenzeitlich arbeitete er vom 01.03.1985 bis zum 15.05.1997 bei V. I2 in E1 als Oberflächenbeschichter und Tresor-/Büromöbellackierer sowie vom 22.01.1990 bis zum 31.12.1992 in der Firma Q Büromöbel in E1 als Fließbandarbeiter in der Lackiererei.

Vom 20.09.2006 bis zum 22.09.2006 befand sich der Kläger in der Abteilung für Orthopädie und Rheuma-Orthopädie des Krankenhauses E1-West in stationärer Behandlung mit der Diagnose eines Innenmeniskushinterhornhorizontalabrisses und einer Außenmeniskusrandläsion im rechten Kniegelenk. Am 20.09.2006 wurden eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks mit Innenmeniskushinterhornteilresektion und ein Außenmeniskustrimming durchgeführt. Am 26.04.2007 stellte sich der Kläger in der Orthopädischen Klinik E1 vor, wo ein degenerativer Innenmeniskusschaden im linken Kniegelenk diagnostiziert wurde. Der Therapievorschlag lautete auf Durchführung einer Arthroskopie des linken Kniegelenks.

Im November 2008 stellte sich der Kläger bei N. X und U. D, Fachärzte für Orthopädie in E1, mit Schmerzen in beiden Knien ambulant vor. Die Ärzte fertigten eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit wegen des Berufs des Klägers als Kfz-Lackierer mit häufigen knieenden Tätigkeiten. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Maschinenbau- und Metall Berufsgenossenschaft (im Folgenden: Beklagte) veranlasste daraufhin Ermittlungen der Präventionsabteilung, Fachstelle "Ergonomie" (Herr Dipl.-Ing. M1) der Verwaltungsgemeinschaft Maschinenbau- und Metall- Berufsgenossenschaft und Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft. Herr M1 suchte den Kläger am 23.02.2009 in seiner Privatwohnung auf. Dort schilderte der Kläger, während seiner Tätigkeit als Kfz-Lackierer bei den Unternehmen Lackiererei E, Autolackiererei H, Die M, I & T Autolackiererei und T1 & I1, die er für seine Knieschäden anschuldige, sei er in der Unfallschadenbearbeitung, Umlackierung und Roststellenentfernung eingesetzt worden. Seine Tätigkeit sei nach folgendem Muster erfolgt: Ausbeulen des Bleches, Schleifen mit Schwing- oder Exzenterschleifer, Spachteln, Abkleben, Füllern, Schleifen, erneutes Abkleben, Abwaschen von Fettresten, Verbringen des Fahrzeugs in die Lackierkabine. Er habe Motorhauben, Dach, Kotflügel, Türen, Einstiege, Stoßfänger und so weiter bearbeitet. An manchen Tagen habe er ganz überwiegend im Knien und unter gleichzeitiger Kraftaufwendung gearbeitet, an manchen Tagen gar nicht in dieser Haltung. Teilweise habe er auch im Fersensitz gearbeitet. In der I & T Autolackiererei habe ihm ein Hocker zur Verfügung gestanden, den er regelmäßig genutzt habe. Ferner suchte Herr M1 die Firma I & T Autolackiererei am 21.09.2009 auf und sprach dort mit deren Inhabern, dem Zeugen I3 und Herrn T3. Diese gaben an, seit Anfang der 90er Jahre seien überwiegend zu reparierende Teile ausgetauscht worden, woraus sich geringere Zeitanteile knieender Tätigkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe den zur Verfügung stehenden Hocker auch genutzt. Zur Demontage von Anbauteilen habe eine Hebebühne zur Verfügung gestanden. Die demontierten Teile seien auf Böcke gelegt und stehend bearbeitet worden. Hin und wieder sei es zu hockenden und knieenden Tätigkeiten bei der Bearbeitung von Schwellern und Ähnlichem gekommen. Pro Schicht habe der Kläger durchschnittlich nicht mehr als 1,5 Stunden Tätigkeiten in verschiedenen knieenden oder hockenden Körperhaltungen ausgeführt.

Nach Einschätzung des Präventionsdienstes lagen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Entstehung einer BK 2102 nicht vor.

Mit Bescheid vom 24.03.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der beim Kläger diagnostizierten Meniskuserkrankung im Bereich beider Kniegelenke als Berufskrankheit ab, weil der Kläger nach den Feststellungen der Präventionsabteilung während seines gesamten Berufslebens keine Tätigkeiten verrichtet habe, die nach ihrer Art geeignet gewesen seien, die Berufskrankheit zu verursachen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung der bezeichneten Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV lägen somit nicht vor. Hiergegen legte der Kläger am 17.04.2009 Widerspruch ein und meinte, Meniskusschäden seien eine typische Berufskrankheit von Kfz-Lackierern. Eine medizinische Überprüfung seiner Meniskusschäden sei erforderlich. Die daraufhin erneut befragte Präventionsabteilung der Beklagten (Herr M1) sah weiterhin keine BK 2102-relevante Exposition des Klägers während der Arbeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil der Kläger keine gefährdenden Tätigkeiten im Sinne der BK 2102 aufgeführt habe.

Hiergegen hat der Kläger am 16.11.2009 Klage erhoben und weiterhin seine Meniskuserkrankung ursächlich auf die berufliche Tätigkeit als Kfz-Lackierer zurückgeführt. Bemerkenswert sei, dass die Beklagte lediglich eines der insgesamt fünf Unternehmen aufgesucht habe, für welche er als Kfz-Lackierer tätig gewesen sei, nämlich die Firma I & T in E1. Die Beklagte habe die Firma T1 & I1 in T2 nicht geprüft, obwohl er dort bis zum Ende der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für ihn das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat angeregt, der Kläger möge sich doch mit dem Merkblatt zur BK 2102 auseinandersetzen.

Das Sozialgericht (SG) hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 23.02.2012 den am 21.02.2012 nachträglich geladenen D1 I3, Inhaber der Firma I & T, als Zeugen vernommen und den Kläger gehört. Der Zeuge hat bekundet, auch schon während der Beschäftigung des Klägers in seiner Firma - von 1993 bis 2001 - deren Inhaber gewesen zu sein und sich an den Kläger auch noch erinnern zu können. Zwischen 1993 und 2001 habe man fünf Mitarbeiter gehabt. Die Firma habe auch damals vorrangig Unfallwagen bearbeitet. Anfang der 90er Jahre sei man dazu übergegangen, überwiegend die zu reparierenden Teile auszutauschen. Die montierten Teile seien dann auf Böcke positioniert worden. Die Teile hätten sich in Brusthöhe befunden, sodass sie meist im Stehen hätten bearbeitet werden können. Die Tätigkeit sei im Knien, Hocken, Stehen, Gehen und Bücken erfolgt. Der Kläger habe meist die Vorarbeiten gemacht, sei also mit Ausbeulen, Schleifen, Spachteln etc. beschäftigt gewesen. Im Grunde sei es eine Tätigkeit im Wechsel aus Stehen, Gehen, sich nach vorne Beugen, auch Knien und Hocken, wobei es gelegentlich vorkomme, dass man an einem Stück 5-10 Minuten lang knie. Im Vordergrund stehe der Wechsel. Während einer Arbeitsschicht habe man vielleicht 1 ½ Stunden gekniet. Man habe aber nicht 1 ½ Stunden am Stück gekniet, sondern auch diese 1 ½ Stunden setzten sich zusammen aus einem ständigen Wechsel aus Knien, Hocken und Stehen. Letztlich sei es immer ein Wechsel gewesen. Gelegentlich habe man auch Lkw bearbeitet. Dies habe Tätigkeiten erfordert, bei denen man häufig habe "rauf- und runterspringen" müssen. In den unteren Bereich habe man auf Rollbrettern liegend und kniend gearbeitet. Auch da sei es aber ein ständiger Wechsel gewesen.

Der Kläger hat die Angaben des Zeugen I3 im Großen und Ganzen für zutreffend gehalten. Mal habe man mehr Arbeiten im unteren Bereich zu machen gehabt, dann wieder im oberen Bereich. Es sei ein Wechsel gewesen. Die Tätigkeit bei der Firma T1 & I1 sei im Wesentlichen mit der bei I & T vergleichbar gewesen.

Mit Urteil vom 22.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Der erforderliche Nachweis, dass der Kläger im ausreichenden Maße Belastungen im Sinne der BK 2102 ausgesetzt gewesen sei, sei nicht erbracht. Erforderlich hierfür sei, dass der Kläger über einen Zeitraum von mindestens etwa 20 Jahren während eines wesentlichen Teiles seiner täglichen Arbeitszeit in kniebelastenden Zwangshaltungen gearbeitet habe. Sei diese zeitliche Belastung geringer als ein Drittel der Schicht, hätten die Menisken ausreichend Zeit, sich zu erholen (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit 8. Auflage, 2010, S. 635 f.). Hiervon ausgehend sei nicht bewiesen, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit mindestens 2,6 Stunden pro Schicht in kniebelastender Dauerzwangshaltung verbracht habe. Gegenüber dem Präventionsdienst hätten die befragten Arbeitgeber angegeben, dass der Kläger während der Beschäftigung bei ihnen durchschnittlich nicht mehr als 1,5 Stunden je Schicht Tätigkeiten in verschiedenen hockenden oder knieenden Körperhaltungen ausgeführt habe. Der Zeuge I3 habe ausgeführt, dass die Tätigkeit ein Wechsel aus Stehen, Gehen, nach vorne Beugen, aber auch Knien und Hocken sei. In der Summe sei er von etwa 1,5 Stunden kniebelastenden Tätigkeiten ausgegangen, wobei allerdings immer in wechselnden Körperhaltungen gearbeitet worden sei. Damit sei - so das SG - eine gefährdende Belastungszeit im Sinne der BK 2102 während der Tätigkeit bei der Firma I & T nicht gegeben. Da der Kläger erklärt habe, dass die Tätigkeit bei der Firma T1 & I1 im Wesentlichen mit der bei I & T vergleichbar gewesen sei, müsse für die Zeit vom 01.08.2002 bis zum 29.09.2006 nicht gesondert ermittelt werden. Auch hinsichtlich der Tätigkeiten bei den weiteren Kfz-Lackierereien seien keine weiteren Ermittlungen erforderlich. Zwischen den dort vom Kläger verrichteten Tätigkeiten und der im Jahr 2006 diagnostizierten Meniskuserkrankung lasse sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen. Gegen einen Kausalzusammenhang spreche auch, dass der Kläger bei der Diagnose eines Meniskusschadens bereits 44 Jahre alt gewesen sei, 17 Jahre zwischen der Beendigung der Tätigkeit und der Diagnose lägen und es sich insgesamt um eine kurze Gesamtarbeitszeit von 48 Monaten handele.

Gegen das ihm am 05.11.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.11.2012 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte und das SG einschließlich einer fehlenden Ankündigung der Zeugenbefragung im Vorfeld der nichtöffentlichen Sitzung des SG vom 23.02.2012 rügt. Insbesondere sei die letzte Beschäftigung des Klägers bei der Firma T1 & I1 nicht geprüft worden. Das SG habe überdies die Zeugenaussage falsch gewertet. Der Zeuge I3 habe bekundet, durch die zehn Mitarbeiter seien täglich zehn Ganzlackierungen durchgeführt worden. Rein rechnerisch entfielen also auf jeden Mitarbeiter zwei Fahrzeuge. Daraus ergebe sich aber, da der Zeuge diesbezüglich 1,5 Stunden pro Fahrzeug angesetzt habe, eine arbeitstägliche Tätigkeit im Hocken von drei Stunden. Der Kläger habe überdies vorwiegend Vorarbeiten wie Ausbeulen, Schleifen und Spachteln ausgeführt, was zeitaufwändiger sei als das spätere Lackieren, sodass noch von einem deutlich höheren Umfang knieender und hockender Tätigkeiten auszugehen sei. Auch knüpfe BK 2102 nicht allein an das Berufsbild des Fliegenlegers an, sondern auch an das des Fliesen- und Parkettlegers. Mit letzterem seien die Tätigkeiten des Klägers vergleichbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.10.2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das bereits im Verwaltungsverfahren gewonnene arbeitstechnische Beweisergebnis. BK 2102 erfordere, dass ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit in einer Zwangshaltung mit Belastung der Kniegelenke gearbeitet werde. Dies sei nicht nachgewiesen.

Der Senat hat die früheren Arbeitgeber des Klägers, bei denen dieser als Kfz-Lackierer gearbeitet hat, schriftlich zu dessen Tätigkeiten befragt. Die Firma E konnte keine Auskunft geben, weil der ehemalige Firmeninhaber verstorben sei. Die Autolackiererei T1 & I1 hat mitgeteilt, der Kläger sei mit den üblicherweise in einer Autolackiererei anfallenden Tätigkeiten betraut gewesen. In der Fahrzeugvorbereitung hätten Hocker, Trittstufen, Leitern, Liegebrett, Schaumstoffunterlagen und Knieschoner bei knieenden Arbeiten zur Verfügung gestanden. Bei der Fahrzeugvorbereitung seien laufend sich verändernde Zeitabläufe von fünf bis zehn Minuten im Stehen, Knien und Bücken normal. Die Lackierarbeiten hätten 2 - 15 Minuten pro Lackiergang gedauert und seien überwiegend stehend verrichtet worden. Gleiches gelte für Arbeiten im Bereich der Fahrzeugfertigstellung. Die Firma H Karosseriebau hat mangels Personalunterlagen aus der fraglichen Zeit keine Aussagen mehr treffen können. Die aktuell der Geschäfte der Firma "Die M" führende Sabine T4 hat mitgeteilt, zur Beschäftigungszeit des Klägers im Jahre 1989 könne sie keine Aussage treffen, da sie damals erst fünf Jahre alt gewesen sei.

Die Beklagte hat sich hierdurch in ihrer Rechtsauffassung bestätigt gesehen, wohingegen der Kläger die Auskunft der Firma T1 & I1 für falsch gehalten hat.

In seiner öffentlichen Sitzung vom 26.03.2014 hat der Senat den Kläger befragt und alsdann die Zeugen B M2, T5 H1, T6 C und D I3 vernommen. Im Rahmen der Erläuterungen des Klägers zu seiner Berufstätigkeit als Kfz-Lackierer und im Rahmen der Zeugenvernehmungen hat der Senat den Beteiligten und Zeugen Fotos vorgelegt, die typische Körperhaltungen eines Kfz-Lackierers dokumentieren (Bl. 143 - 147 Band 1 der Prozessakte).

Der Kläger hat erklärt, die deutlich häufigste Körperhaltung, die er als Kfz-Lackierer eingenommen habe, sei die auf Bild 11 abgebildete gewesen, also der Fersensitz, wozu der Kläger weiter ausgeführt hat.

Der Zeuge B M2 hat bei der Firma T1 & I1 mit dem Kläger zusammen gearbeitet. Er hat bekundet, der Kläger habe nicht lackiert, sondern Vorarbeiten gemacht. Die auf den Bildern 2, 5 und 11 dargestellten Tätigkeiten habe der Kläger überwiegend ausgeführt. Soweit der Kläger geschliffen habe, habe er diese Tätigkeit auf zwei Knien ausgeübt. Die Schleifmaschine habe geschätzt zwei bis drei Kilo gewogen. Beim Knien habe man sich immer so aufgerichtet, wie es am bequemsten gewesen sei. In der Firma T1 & I1 habe man es nicht gerne gesehen, dass der Hocker bei den Arbeiten benutzt wurde. Arbeitskleidung mit Kniepolstern habe man erst 2007 erhalten.

Der Zeuge T5 H1 hat ab August 2005 als Auszubildender Fahrzeuglackierer bei T1 & I1 gearbeitet und bekundet, der Kläger sei "vollwertiger Geselle" gewesen. Er habe Vorarbeiten, Schleifen, Füllern, Spachteln, gelegentlich auch Lackieren gemacht. Der Hocker sei nur sehr selten benutzt worden, weil dies auch nicht gerne gesehen worden sei. Besonders häufig sei die auf Bild 11 dokumentierte Körperhaltung eingenommen worden. Hierbei handele es sich um die typische Körperhaltung.

Der Zeuge T6 C, Kfz-Lackierer, hat während eines Teils der Tätigkeit des Klägers bei T1 & I1, nämlich für drei Jahre, dort ebenfalls als Kfz-Lackierer gearbeitet. Er hat bekundet, er habe den Kläger dort eigentlich nur Vorarbeiten machen sehen, also Spachtelarbeiten, Spachtelschleifen, Füllerarbeiten und Nacharbeiten wie Politur. Die Benutzung des Hockers sei dort nicht gerne gesehen worden. Für das Beschleifen einer Stoßstange oder dergleichen sei ein Wagen nicht aufgebockt worden. Soweit man für Lackierarbeiten den Fersensitz einnehme (Bild 11), sei man schon relativ weit weg vom Objekt. Insgesamt hänge die Körperhaltung immer davon ab, wie man sich gerade körperlich fühle und wie es am praktischsten sei. Jüngere Leute könnten durchaus eine Stunde im Fersensitz arbeiten, für ihn mit 33 Jahren sei das schon schwieriger.

Der Zeuge D I3 hat bekundet, der Kläger habe bei der I & T Autolackiererei, also von 1993 bis 2001, Vorarbeiten fürs Lackieren verrichtet, also Schleifarbeiten, ab und zu Füllerarbeiten. Kunden der Firma I & T seien zum Teil Autohäuser gewesen, für die man Teillackierung habe machen müssen, teilweise auch Privatleute, für die man Ganzlackierung habe machen müssen. Eine Hebebühne sei zwar vorhanden gewesen, diese sei aber für Schleifarbeiten weniger benutzt worden. Die häufigsten Arbeiten seien die auf den Bildern 8, 9a, 9b und 11 dokumentierten. Der Zeuge hat bekundet, so wie der Mitarbeiter wie Bild 11 auf den Fersen sitze, sitze er auch. Bild 4 zeige ebenfalls eine häufige Körperhaltung, ebenso wie Bild 6 a. Auch die auf Bild 8 dargestellte Ausbeularbeit sei relativ typisch. Eine Tätigkeit im Fersensitz wie auf Bild 11 habe man maximal zwei Minuten am Stück ausgeübt. Man wechsle dann den Platz. Für eine Arbeit, wie sie auf Bild 11 zu sehen sei, sitze man etwa 15 bis 20 Minuten. In dieser Zeit seien auch das Anrühren des Spachtelns und das Wechseln des Spachtelpapiers eingerechnet. Wenn die Arbeit auf Bild 11 getan sein, müsse abgedeckt werden, das heißt man müsse Papier holen, man gehe hier und dort hin. Manchmal würden zwei Autos parallel behandelt, da müsse der Spachtel an dem einen Fahrzeug trocknen und man mache das nächste Fahrzeug schon fertig. Dann wechsle der Mitarbeiter zwischen den Fahrzeugen.

Entsprechend ihrer Ankündigung im Termin hat die Beklagte erneut ihren Präventionsdienst (Dipl.-Ing. M1) befragt, der mit Schreiben vom 14.07.2014 ausgeführt hat: Das Schleifen, Spachteln (Andrücken von Maschinen an die Fahrzeuge) und Lackieren (Halten und Führen der Lackpistole) könnten als Kraftaufwendung im Sinne der BK 2102 gewertet werden. Nach den Angaben des Klägers und den Bekundungen der Zeugen sei von einer durchschnittlichen Zeitdauer von 0,5 bis einer Stunde je Schicht bei der Durchführung von Tätigkeiten in endgradig hockender oder knieender Körperhaltung unter gleichzeitiger Kraftaufwendung auszugehen. Die gefährdende Körperhaltung sei durchschnittlich nach zwei bis fünf Minuten, längstens zehn Minuten unterbrochen worden. Insgesamt sei der Kläger zusammengerechnet ca. 16 Jahre als Kfz-Lackierer beschäftigt gewesen. In dieser Zeit habe er für durchschnittlich 0,5 bis eine Stunde je Schicht Tätigkeiten in endgradig hockender oder knieender Körperhaltung unter gleichzeitig Kraftaufwendung ausgeführt. Diese Dauer sei niedriger als das Kriterium der im ärztlichen Merkblatt genannten Dauer, sodass die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Entstehung einer BK 2102 nicht vorlägen.

Die Beklagte hat sich dem angeschlossen. Eine biomechanisch ausreichende Dauerzwangshaltung habe nicht vorgelegen. Es handele sich jeweils um eine kurzfristige Belastung durch Hock- und Fersensitzstellung mit häufigen Unterbrechungen der gefährdenden Körperhaltung.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte missinterpretiere das Ergebnis der Beweisaufnahme. Es werde bestritten, dass Herr Schröder derart geringgradig belastende Tätigkeiten des Klägers angegeben haben solle. Auch sei befremdlich, dass die Beklagte zur Fertigung der Stellungnahme des Präventionsdienstes ohne Benachrichtigung des Klägers hiervon Herrn L T4 vom Unternehmen T1 & I1 aufgesucht habe, wozu die Beklagte erklärt hat, die diesbezüglichen Angaben aus der Stellungnahme des Präventionsdienstes stammten nicht von Herrn T4, sondern aus der Zeugenvernehmung Herrn I3 vor dem erkennenden Senat.

In der öffentlichen Sitzung vom 25.02.2015 hat der Senat L T4 als Zeugen vernommen. Der Zeuge hat bekundet, er kenne den Kläger aus seiner Tätigkeit für die Firma T1 & I1 in der Zeit von 2002 bis 2006. Der Kläger habe die Arbeiten gemacht, wie sie bei den Vorarbeiten anfielen, nämlich Schleifen, Spachteln und Grundieren. Er habe auch Teillackierungen durchgeführt und leichte Montagearbeiten. Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers seien die Vorarbeiten, nicht das Lackieren gewesen. Man habe in Acht-Stunden-Schichten gearbeitet. Es habe ca. fünf Minuten gedauert, die Spachtelarbeiten auszuführen, dann habe man Schleifen müssen, was vielleicht 15 Minuten gedauert habe. Anschließend habe man gegebenenfalls nachgespachtelt und wieder geschliffen. Es habe sich um wechselnde Tätigkeiten im Bücken, Knien und Stehen gehandelt, wobei er genaue Zeitanteile der einzelnen Tätigkeiten nicht angeben könne, zumal man ja nicht nur an einem Auto gearbeitet habe, vielmehr wechsele man immer zwischen mehreren Autos. Die häufigste Körperhaltung sei das Bücken gewesen. Tätigkeiten im Knien und Hocken seien meistens notwendig, wenn im unteren Bereich gearbeitet werde, am Schweller oder am Einstieg. Auch dort habe man Hilfsmittel benutzt (Hebebühne, Wagenheber), weil niemand gerne die ganze Zeit knie. Geschliffen werde von Hand oder mit Maschine. Das sei in unterschiedlichen Körperhaltungen erfolgt. Einen Hocker hätten die Mitarbeiter durchaus nutzen können und dürfen. Die auf Bild 11 abgebildete Körperhaltung sei eine übliche Arbeitshaltung, allerdings habe man Schaumstoffkissen oder Knieschoner. Der Kläger habe mit Sicherheit auch im Knien gearbeitet, wie lange, könne er - der Zeuge - nicht sagen. Arbeiten im Schweller-Bereich und im unteren Bereich seien auch nicht so häufig wie an der Seite oder an den anderen Teilen des Autos. Eine Arbeit wie auf Bild 11 mache man höchstens eine viertel Stunde lang. Danach würde er, der Zeuge, aufstehen. Die Firma T1 & I1 habe Teillackierungen für Werkstätten vorgenommen nach Karosseriearbeiten, die dort durchgeführt worden seien. Auch habe die Firma alle Arbeiten an Unfallfahrzeugen durchgeführt. Schäden an Unfallfahrzeugen befänden sich häufig an Front, Heck, Seite und Türen. Arbeiten daran erfolgten vorzugsweise stehend in gebückter Haltung. Der Kläger habe alle üblichen Arbeiten eines Fahrzeuglackierers verrichtet. Diese fänden im Knien, Hocken und Stehen statt. Er, der Zeuge, könne nicht ausschließen, dass der Kläger häufig im Knien gearbeitet habe, aber er kenne es nicht, dass jemand eine Stunde im Knien vor einem Auto sitze. Grundsätzlich erfolge die Arbeit etwa an der Seite eines Autos aber in gebückter Haltung. Die wenigsten Fahrzeuge hätten einen Schaden im unteren Bereich. Die auf Bild 11 abgebildete Position werde bei der dort verrichteten Tätigkeit verändert. Entweder werde die Position gewechselt oder die Maschine werde in die andere Hand genommen. Alles sei möglich, eventuell arbeite man eine Zeit lang gebückt oder stehe zwischendurch auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegt haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Rechtsweg:

SG Dortmund, Urteil vom 22.10.2012 - S 17 U 360/09

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV anzuerkennen.

Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Die Feststellung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, I § 9 SGB VII, Rn. 14), dass in der Person des Versicherten zunächst die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, das heißt dass er in seinen versicherten Tätigkeiten schädigenden Einwirkungen im Sinne der streitigen Berufskrankheit ausgesetzt gewesen ist, die geeignet gewesen sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (arbeitstechnische Voraussetzungen) im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für ihren Erfolg und dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität müssen hinreichend wahrscheinlich sein. Die bloße Möglichkeit genügt nicht. Dieser Zusammenhang ist unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung erst dann gegeben, wenn mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden. Die Faktoren, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, müssen die gegen den Ursachenzusammenhang sprechenden deutlich überwiegen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 zur Anlage der BKV nicht erfüllt.

BK 2102 ist anzuerkennen bei Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten. Solchen mehrjährig andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten aber war der Kläger während seiner versicherten Beschäftigung, insbesondere auch in den von ihm angeschuldigten Beschäftigungsverhältnissen als Kfz-Lackierer, nach dem vom Senat gewonnenen Ermittlungsergebnis nicht ausgesetzt.

Gemäß dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2102: "Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten" (Bekanntmachung des BMA, BArbBl 2/1999 S. 135) können chronische Meniskopathien anlagebedingt in unterschiedlichem Ausmaße auftreten, aber auch zum Beispiel im ursächlichen Zusammenhang mit verschiedenen Sportarten (Fußball, Tennis, Skilaufen und -springen, Slalom). Im Berufsleben muss mit einer überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke zum Beispiel im Bergbau unter Tage, ferner bei Ofenmaurern, Fliesen- oder Parkettlegern, bei Rangierarbeitern, bei Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen gerechnet werden. Eine übermäßige Belastung der Kniegelenke ist biomechanisch gebunden an eine

- Dauerzwangshaltung insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder

- häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen mit Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage.

Unter diesen Umständen werden die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet. Dadurch können allmählich Deformierungen, Ernährungsstörungen des bradytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen. Ein derartig vorgeschädigter Meniskus kann beim Aufrichten aus knieender Stellung, bei Drehbewegungen, beim Treppensteigen oder auch bei ganz normalem Gehen von seinen Ansatzstellen ganz oder teilweise gelöst werden.

Häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchungen wie typischerweise bei Sportlern kamen zur Überzeugung des Senats bei der Tätigkeit des Klägers nicht vor. Weder der Kläger selbst noch die Zeugen haben derartige Tätigkeiten beschrieben. Bei dem Kläger kommen deshalb aufgrund der von ihm und den Zeugen geschilderten typischen beruflichen Belastungen nur solche im Sinne der ersten der beiden oben genannten Alternativen, nämlich andauernde belastende Tätigkeiten im Sinne von Dauerzwangshaltungen, in Betracht. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen orientieren sich insoweit (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 634 f.) an der historischen Entwicklung, die sich auf die Arbeit unter Tage gründet. Charakteristisch waren Arbeitsweisen und Fortbewegung unter räumlich eng begrenzten Verhältnissen. Während einer Dauerzwangshaltung in physiologisch ungünstiger Position des Kniegelenks (hockend, im Knien, liegend, halb liegend) erfolgt "aktive Gelenkarbeit" (Arbeit mit Druckwerkzeug, Schaufeln). Auf den Meniskus wirken dann ein

- Druckkräfte, die zu einer Quetschung des Knorpelgewebes führen
- Zugkräfte, die das Gewebe beanspruchen
- Scherkräfte, die die gegenseitige Verschiebung der Gewebeschichten untereinander zur Folge haben.

Daraus sind, soweit man die im Falle des Klägers nicht einschlägige, für Sportler typischen dynamischen Belastungen mit häufig wiederkehrender erheblicher sportlicher Bewegungsbeanspruchung unberücksichtigt lässt, statische Belastungen, also Dauerzwangshaltungen, vor allem bei Belastung durch Fersensitz, Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung als belastende Tätigkeiten zu sehen

Es handelt sich um Arbeiten, die verrichtet werden

- überwiegend im Knien: Fußboden-, Teppich-, Fliesenleger, Gärtner
- unter eng begrenzten räumlichen Verhältnissen: Ofenbau, gelegentlich auch Monteure, Maurer, Schreiner, Anstreicher
- in Zwangshaltung: Dachdecker, Bergmann, Bodenleger, Ofenbauer.

Nicht meniskusbelastend im Sinne der BK 2102 sind

- kniende Positionen mit rechtwinkliger Beugung des Kniegelenks, da die Menisken weder stark verschoben, stark verformt noch erheblich druckbelastet sind
- Einzeltätigkeiten, kurzfristige Arbeiten, obwohl grundsätzlich meniskusbelastend, da keine Dauerzwangshaltung.

Dass der Kläger derartige die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten mehrjährig (also mindestens zweijährig) andauernd oder häufig wiederkehrend verrichtet hat, ist zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der arbeitstechnischen Beweiserhebungen nicht bewiesen.

Das Berufsbild des Kfz-Lackierers nennt das Merkblatt nicht als eine denjenigen, in denen die Beschäftigten typischerweise Belastungen, wie sie BK 2102 voraussetzt, ausgesetzt sind.

Entscheidend gegen einen Anspruch des Klägers auf Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV spricht zur Überzeugung des Senats, dass sowohl die Ermittlungen des Senats und des SG als auch diejenigen der Beklagten im Verwaltungsverfahren nicht den Beweis dafür haben erbringen können, dass der Kläger in den von ihm konkret in den ca. 16 Jahren seiner Beschäftigungen als Kfz-Lackierer bei den verschiedenen Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten andauernden oder häufig wiederkehrenden die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten ausgesetzt war. Keinesfalls haben derartige Tätigkeiten einen Zeitanteil von mehr als 1 ½ Stunden pro Schicht ausgemacht.

So hat bereits der Kläger selbst im Rahmen seiner Erstbefragung durch Dipl.-Ing. M1 am 23.02.2009 angegeben, lediglich an manchen Tagen ganz überwiegend im Knien und unter gleichzeitiger Kraftaufwendung, an manchen Tagen aber auch gar nicht in dieser Haltung gearbeitet zu haben. Er hat auch angegeben, nur teilweise im Fersensitz gearbeitet zu haben, außerdem habe ihm ein Hocker zur Verfügung gestanden. Ferner hat der Kläger im Rahmen dieser Befragung angegeben, er habe Motorhauben, Dach, Kotflügel, Türen, Einstiege, Stoßfänger usw. bearbeitet, was angesichts der Unterschiedlichkeit und auch unterschiedlichen Höhe dieser Bauteile für eine BK 2102 gerade nicht unterfallende Tätigkeit in häufig wechselnder Körperhaltung spricht, weil es hierbei an der erforderlichen Dauerzwangshaltung fehlt. Eine Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung hat der Kläger überdies im Rahmen der nichtöffentlichen Sitzung vor dem SG am 23.02.2012 eingeräumt, sodass schon das Vorbringen des Klägers selbst zu seinen Belastungen in der Tätigkeit als Kfz-Lackierer nicht für sein Begehren spricht.

Ebenso haben die von Dipl.-Ing. M1 am 21.02.2009 aufgesuchten Inhaber der Firma H&S Autolackiererei, bei der der Kläger circa 8 ½ Jahre als Kfz-Lackierer gearbeitet hat, der Zeuge I3 und Herr T3t, angegeben, dass seit Anfang der 90er Jahre - der Kläger arbeitete bei H&S von 1993 bis 2001 - überwiegend zu reparierende Teile ausgetauscht wurden, woraus sich geringere Zeitanteile knieender Tätigkeiten ergeben hätten. Es sei nur hin und wieder zu hockenden und knieenden Tätigkeiten bei der Bearbeitung von Schwellern und Ähnlichem gekommen. Auch dies spricht dagegen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Kfz-Lackierer überdurchschnittlich kniegelenkbelastend tätig war.

Nichts anderes haben die Beweiserhebungen des SG und des erkennenden Senats ergeben. So hat der Zeuge I3 in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem SG in dessen nichtöffentlicher Sitzung vom 23.02.2012 ausführlich dargelegt, dass es sich bei den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten um solche im Wechsel aus Stehen, Gehen, sich nach vorne Beugen und auch Knien und Hocken gehandelt habe, wobei es lediglich gelegentlich vorkomme, dass man an einem Stück fünf Minuten lang knie. Im Vordergrund stand nach den durchaus anschaulichen Angaben des Zeugen I3 vor dem SG ein Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, was schon mangels Dauerzwangshaltung ebenfalls gerade keine überdurchschnittlich kniegelenksbelastende Tätigkeiten des Klägers belegt. Diese Einschätzung hat der Kläger im Senatstermin überdies für im Großen und Ganzen zutreffend gehalten, sodass auch der Senat keine Veranlassung sieht, hieran zu zweifeln.

Seine Angaben hat der Zeuge I3 anlässlich seiner Vernehmung vor dem erkennenden Senat in der öffentlichen Sitzung vom 26.03.2014 nochmals bestätigt. Anhand der ihm vorgelegten Bilder hat er im Bücken, Sitzen und Knien - auch im Fersensitz - verrichtete Tätigkeiten als häufig vorkommend identifiziert und anschaulich dargelegt, dass der Kläger häufig wechselnde Tätigkeiten in häufig wechselnder Körperhaltung, die insbesondere nicht mit einem dauernden Knien verbunden waren, zu verrichten hatte. Auch hiernach hat der Kläger in zwanglos wechselnden Körperhaltungen, also gerade nicht in Dauerzwangshaltungen gearbeitet.

Nichts anderes hat der vom Senat in seiner öffentlichen Sitzung vom 25.02.2015 als Zeuge vernommene L T4 als seinerzeitiger Mitinhaber der Firma T1 & I1 bekundet. Auch er hat anschaulich dargelegt, dass es sich bei den Tätigkeiten des Klägers um wechselnde Tätigkeiten gehandelt hat, die dieser im Bücken, Knien und Stehen verrichtet hat, wobei der Kläger auch noch häufig zwischen mehreren Autos gewechselt ist. Häufige oder länger oder gar im Fersensitz ausgeübte Tätigkeiten hat demgegenüber auch der Zeuge Sch. gerade nicht geschildert, sodass auch die Bekundungen des Zeugen Sch., an deren Richtigkeit der Senat ebenfalls keinerlei Zweifel hat, nicht die Annahme andauernder oder häufig wiederkehrender überdurchschnittlich kniegelenkbelastender Tätigkeiten durch den Kläger stützt.

Dass der Kläger überdurchschnittlich kniegelenkbelastende Tätigkeiten verrichtet hat, haben auch die Zeugen M2 und C nicht bekundet. So hat der Zeuge M2 die auf den ihm vorgelegten Bildern 2, 5 und 11 dargestellten Körperhaltungen als die vom Kläger überwiegend ausgeführten identifiziert, die Bilder 2 und 5 zeigen jedoch Tätigkeiten in gebückter Körperhaltung. Soweit der Zeuge M2 die auf Bild 11 - also im Fersensitz - ausgeübte Tätigkeit als eine vom Kläger ebenfalls überwiegend verrichtete dargestellt hat, kann dem der Senat ebenso wenig folgen wie der Bekundung des Zeugen H1, dass es sich hierbei gar um die typische Körperhaltung gehandelt habe. Denn diese Darstellung widerspricht nicht nur derjenigen der Zeugen I3 und T4, sondern auch der Darstellung des Klägers selbst, der insbesondere im Rahmen seiner ersten Befragung durch Dipl.-Ing. M1 anschaulich Arbeitsabläufe dargelegt hat, die gerade eine Tätigkeit in häufig wechselnder Körperhaltung belegen. Aus den Bekundungen des Zeugen B. wiederum ergibt sich ebenfalls kein Arbeiten des Klägers in überdurchschnittlich kniegelenksbelastenden Tätigkeiten.

Zudem haben die Zeugen M2, H1 und C übereinstimmend bekundet, dass der Kläger nicht lackiert, sondern Vorarbeiten ausgeführt hat. In der Fahrzeugvorbereitung sind, wie sich aus der vom Senat eingeholten schriftlichen Auskunft der Firma T1 & I1 vom 04.06.2013 ergibt, laufend sich verändernde Zeitabläufe von fünf bis zehn Minuten im Stehen, Knien und Bücken, also ein Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen normal.

Der Senat konnte sich somit nicht davon überzeugen, dass der Kläger mehrjährig andauernd (häufig wiederkehrende Belastungen wie bei Sportlern üblich, traten ohnehin nicht auf) die Kniegelenke überdurchschnittlich belastende Tätigkeiten im Sinne der BK 2102 verrichtet hat. Eine Tätigkeit mit häufigem, zwanglos nach Bedarf möglichem Wechsel der Körperhaltungen, wie sie der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als erwiesen ansieht, verursacht auch dann keine ausreichende Belastung im Sinne der BK 2102, wenn immer mal wieder Zwangshaltungen wie z.B. der Fersensitz, eingenommen werden, ohne dass es zu Dauerzwangshaltungen kommt. Jedenfalls hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass der Kläger in einem Umfang von wenigstens etwa einem Viertel der Arbeitsschicht in Dauerzwangshaltungen tätig sein musste. Kann die Zwangshaltung des Kniegelenks zumindest vorübergehend beendet werden, kann sich das Meniskusgewebe erholen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.09.2013, L 9 U 214/09, juris Rn. 31). Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ist auch bei Dauerzwangshaltungen davon auszugehen, dass etwa ein Zeitanteil von einem Viertel bis zu einem Drittel der Arbeitsschicht (neben der hier zu bejahenden mehrjährigen Belastung) an im Sinne der BK 2102 meniskusbelastenden Tätigkeiten zu fordern ist, da die Menisken bei einem geringeren Zeitanteil belastender Tätigkeit Zeit haben, sich zu regenerieren (Senatsurteil vom 26.09.2001, L 17 U 26/01; Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2012, L 18 U 349/09 m.w.N.; vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, a.a.O., Anm. 8.10.5.5.2.2; ebenso Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 5. Auflage 2009, S. 565). Dies stimmt auch mit dem Wortlaut der BK überein, der eine "andauernde" Belastung der Menisken durch die versicherte Tätigkeit fordert (Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2012, L 18 U 349/09). An einer solchen Belastung fehlt es hier.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Revisionszulassung nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R9151


Informationsstand: 28.01.2021