Urteil
Keine Anerkennung von Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet als Berufskrankheit

Gericht:

LSG München 3. Senat


Aktenzeichen:

L 3 U 233/15


Urteil vom:

27.04.2018


Grundlage:

  • SGB VII § 9 Abs. 1 u. Abs. 2

Leitsätze:

1. Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet (hier: gesicherte Diagnose einer chronifizierten depressiven Störung), die der Versicherte auf Stress im Zusammenhang mit seiner versicherten beruflichen Tätigkeit (hier: selbstständiger Versicherungsfachwirt) zurückführt, stellen keine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) dar. (Rn. 32)

2. Bei beruflichen Stressbelastungen handelt es sich nicht um Einwirkungen, die in der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur BKV erfasst sind. (Rn. 33 und 36)

3. Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind außerdem nicht ausdrücklich in der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur BKV genannt. (Rn. 38)

4. Die psychische Erkrankung des Versicherten kann auch nicht wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit) anerkannt werden. (Rn. 39)

5. Die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit setzt insbesondere voraus, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. (Rn. 42)

6. Die beim Versicherten gesicherte chronifizierte depressive Störung kann nicht kausal bestimmten "besonderen Einwirkungen" im Sinne des § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB VII zugeordnet werden. Vielmehr wird eine Vielzahl von beruflichen, aber vor allem auch privaten, sozialen und genetischen Faktoren als Ursachen depressiver Störungen diskutiert (sog. "Multikausalität"). "Stress" wird überdies durch eine Vielzahl von Einflüssen arbeitsbedingter und sonstiger Art (Stressoren) verursacht und individuell höchst unterschiedlich empfunden. (Rn. 49 - 50)

7. Zudem lassen sich "bestimmte Personengruppen", die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, nicht abgrenzen. Auch die hier geschilderten beruflichen Belastungssituationen treten in einer Vielzahl beruflicher Tätigkeiten in zumindest vergleichbarer Weise auf. (Rn. 51)

8. Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft liegen nicht vor. (Rn. 60)

9. Da § 9 Abs. 2 SGB VII keine allgemeine Härteklausel beinhaltet, kommt es nicht darauf an, ob in einem konkreten Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer Erkrankung sind. (Rn. 43)

Rechtsweg:

SG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 27.04.2015 - S 7 U 14/15

Quelle:

BAYERN.RECHT

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger und Berufungskläger begehrt von der Beklagten und Berufungsbeklagten die Anerkennung von Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet (Neurasthenie und schwere Depression) als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) i.V.m. der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; sog. Listen-Berufskrankheit) bzw. die Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit).

Der 1972 geborene Kläger war als Versicherungsfachwirt selbstständig tätig. Er verkaufte Versicherungen aller Art. Bis zum 31. Mai 2013 (Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit) war er bei der Beklagten freiwillig versichert. Zum 30. November 2013 kündigte die Versicherungsgesellschaft den mit dem Kläger bestehenden Vertrag.

Am 26. September 2014 zeigte der Kläger bei der Beklagten den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit an. Er leide an einer Neurasthenie und wiederkehrenden schweren Depressionen. Diese führe er zurück auf "ständige "Drücke" von Außen über den Gehörgang ins Gehirn, lange Arbeitszeiten, teilweise auch Samstags, Sonn- und Feiertags". Als gefährdende Tätigkeiten gab der Kläger an: "Verkauf von Versicherungen aller Art an teilweise "schwierige" Kunden, kein Rückhalt von sogenannten "Vorgesetzten", mangelhafte technische und Softwareunterstützung, Zusammenarbeit mit "Kollegen" im Innendienst, die anscheinend weder lesen noch schreiben können". Als Beleg für seine Erkrankung nahm der Kläger Bezug auf eine Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung der Psychiatrischen Institutsambulanz H-Stadt vom 31. Mai 2013.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung der geltend gemachten Neurasthenie und Depression als Berufskrankheit und wie eine Berufskrankheit ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen gehöre. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit seien nicht erfüllt. Zwar werde eine Vielzahl von Krankheiten als Folge von beruflichem Stress und Druck diskutiert, aber es lägen in der medizinischen Wissenschaft keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, welche Erkrankungsbilder im Einzelnen durch beruflichen Stress tatsächlich verursacht oder verschlimmert werden könnten. Zudem habe in diesem Zusammenhang bislang eine "bestimmte Personengruppe" noch nicht definiert werden können, weil es an allgemein verbindlichen Festlegungen zur Erhebung und Bewertung von arbeitsbedingten Stressfaktoren mangele.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch mit dem Antrag, die Neurasthenie/ Depression als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen. Das berufliche Burnout-Syndrom sei bereits Gegenstand der Tagespresse. Es werde daher angeregt, weitere Ermittlungen zur beruflichen Exposition sowie zum medizinischen Sachverhalt durchzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass keine neuen Erkenntnisse vorhanden seien, dass die Tätigkeit als Versicherungsfachwirt zu einem im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erhöhten Risiko führe, an einer Depression, einer Neurasthenie oder einem Burnout-Syndrom zu erkranken. Dabei seien nur Erkenntnisse zu berücksichtigen, die den allgemeinen, überwiegend anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft wiedergeben. Einzelmeinungen oder allgemeine Thesen, wie sie in der Tagespresse formuliert werden, reichten hierfür nicht aus.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) und beantragte, "Unter Abänderung der bezeichneten Bescheide [gemeint: Bescheid vom 23. Oktober 2014 und Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2014] wird die Beklagte verurteilt, eine Berufskrankheit nach der Liste anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise eine Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall anzuerkennen und zu entschädigen, insbesondere in Form der Verletztenrente." Er regte weitere arbeitsmedizinische Ermittlungen sowie die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens an. Als Erkrankung nannte er nunmehr ausdrücklich auch ein Burnout-Syndrom.

Nach Anhörung wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. April 2015 (S 7 U 14/15) ab. Die auf Anerkennung einer Berufskrankheit bzw. Wie-Berufskrankheit gerichtete Klage sei zulässig, aber unbegründet. Im Einzelnen werde auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.

Gegen den ihm am 4. Mai 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Bevollmächtigte des Klägers am 3. Juni 2015 Berufung eingelegt und diese damit begründet, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorliegen müssten, dass Arbeit bzw. versicherte Tätigkeit zu einem Burnout-Syndrom führen könne. Der Erinnerung des Bevollmächtigten nach sei in Spanien von der Presse ein Fall berichtet worden, in dem Stress als Berufskrankheit anerkannt worden sei. Insgesamt berichte die Tagespresse regelmäßig vom beruflichen Burnout-Syndrom. Zu erinnern sei an den Fall des Fußballtorhüters im Profisport, der sich vor einen Zug geworfen habe, oder den Fall, wo ein Fußballtrainer ebenfalls im Profisportbereich ein Burnout-Syndrom erlitten habe. Der Kläger lässt anklingen, dass er bestrebt sei, eine Ergänzung der Berufskrankheitenliste um psychische Erkrankungen herbeizuführen, da er der Meinung sei, dass der chronische negative Stress ihn kaputt gemacht habe.

Die Beklagte hat ergänzend auf die Informationen der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung - Spitzenverband) in der "UV-Net - Info-Plattform für Berufsgenossenschaften und Unfallkassen" zu Erkrankungen durch Stress hingewiesen.

Der Senat hat die Akte des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) aus dem Schwerbehindertenverfahren, einen Leistungsauszug der zuständigen Krankenkasse (AOK) sowie Befundberichte des behandelnden Hausarztes F., der Psychiatrischen Institutsambulanz H-Stadt, der Psychotherapeutin K. sowie des Psychologischen Psychotherapeuten I. beigezogen.

Darüber hinaus hat der Senat zum Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie bei der DGUV angefragt.

Das BMAS hat mit Schreiben vom 4. August 2015 mitgeteilt, dass Seitens des BMAS, beraten durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", die Fragestellung der Verursachung von psychischen Erkrankungen durch berufliche Einwirkungen bei der Tätigkeit als Versicherungsfachwirt bisher nicht geprüft worden sei und eine Prüfung auch nicht beabsichtigt sei. Entsprechende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII würden nicht vorliegen.

Die DGUV hat mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 ebenfalls das Vorliegen neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse zu der streitgegenständlichen Fragestellung verneint. Zur Dokumentation seien einige vergleichbare Erkrankungsfälle gemeldet worden; die Anerkennung einer sog. Wie-Berufskrankheit finde sich darunter nicht.

Anschließend hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des Sachverständigengutachtens der Dr. J. (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin) vom 6. Oktober 2016. Die Sachverständige hat beim Kläger eine chronifizierende mittelschwere depressive Episode (ICD-10 F 33.1) bei anankastischer Persönlichkeitsakzentuierung sowie eine Multiple Sklerose vom schubförmigen Verlauf mit Fatigue-Syndrom festgestellt. Das Vollbild einer Neurasthenie (ICD-10 F 48.0) liege nicht vor, auch wenn einige Symptome vorhanden seien. Bezüglich der Müdigkeitssymptomatik ergebe sich eine Überschneidung zur MS-Erkrankung, möglicherweise durch psycho-reaktive Faktoren etwas verstärkt. Für die Frage einer Berufskrankheit sei allein die Depression zu bewerten. Diese stelle keine Berufskrankheit nach der sog. Berufskrankheitenliste dar. Dasselbe gelte aber auch für eine Neurasthenie oder ein sog. Burnout-Syndrom; letzteres sei ohnehin keine Diagnose nach einem geltenden Diagnosemanual. Auch eine sog. Wie-Berufskrankheit sei nicht zu bejahen.

Der Kläger hat zu dem Gutachten der Dr. J. persönlich Stellung genommen. Auf sein Schreiben datierend von "Dezember 2016" wird bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Der Kläger hat darin insbesondere nochmal seine beruflichen Belastungen geschildert und ausdrücklich auf seine Stellung als Unternehmer (nicht Arbeitnehmer) hingewiesen. Der Bevollmächtigte regte weitere Nachfragen beim BMAS und der DGUV zum jüngsten Stand der Erkenntnisse bei Burnout-Erkrankungen an.

Dr. J. hat hierzu am 16. März 2017 ergänzend Stellung genommen. Eine Änderung hat sich nicht ergeben.

Auf Antrag des Bevollmächtigten des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das weitere Gutachten des Dr. C. (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizinische Grundversorgung, ab 11/2017 Chefarzt am Klinikum W-Stadt, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie) eingeholt worden; das Gutachten ist am 27. November 2017 beim Bayerischen Landessozialgericht eingegangen. Der Sachverständige hat beim Kläger eine chronifizierte depressive Störung, aktuell mittelschwer (F 32.1), sowie eine Multiple Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf (G 35.1 G) diagnostiziert. Ein Teil der Symptomatik überlappe. Früher möge eine Neurasthenie vorgelegen haben, später (bezogen auf die neurologische Erkrankung der Multiplen Sklerose) eher ein neurobiologisch oder psychoreaktiv vorliegendes Fatigue-Syndrom (G 93.3 G). Bezüglich der neurologischen Erkrankung der Multiplen Sklerose sei die Frage nach einem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit bislang weder aufgeworfen worden noch sei ihm ein solcher bekannt. Bezüglich der ursächlichen Auffassung von Depressionen scheine beim Kläger ein Missverständnis zu bestehen. Nach aktueller Krankheitskonzeption seien Depressionen keine Stressfolgeerkrankung. Umgekehrt "werde eher ein Schuh daraus": Der depressiv Erkrankte habe eine nachgewiesenermaßen verringerte Fähigkeit, mit neuen (vielen, unbekannten) Reizen in funktionaler Weise umzugehen. Laut Leitlinie würden Depressionen kein homogenes Krankheitsbild umfassen. Keiner der Ansätze habe bisher eine überzeugende monokausale Erklärung finden können. Von der Mehrzahl der Experten würden multifaktorielle Erklärungskonzepte angenommen, die von einer Wechselwirkung aus biologischen und psychosozialen Faktoren ausgehen. Im Ergebnis zähle keine einzige psychische Erkrankung zu den sog. Listen-Berufskrankheiten. Auch eine Wie-Berufskrankheit sei nicht zu bejahen. Spezifische Gefährdungsrisiken insbesondere für (selbstständige) Versicherungsfachwirte würden sich nicht ableiten lassen.

Das Gutachten wurde den Beteiligten mit Schreiben vom 30. November 2017 übersandt. Das Schreiben hat der Bevollmächtigte des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 4. Dezember 2017 erhalten. Eine weitere Stellungnahme ist nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 3. April 2018 hat der Bevollmächtigte des Klägers sein Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt; mit Schreiben vom 5. April 2018 hat sich die Beklagte ebenfalls mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.


Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt im Berufungsschriftsatz vom 2. Juni 2015:

Unter Abänderung/Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Regensburg vom 27. April 2015 wird nach den Anträgen aus der ersten Instanz erkannt, d.h. auf die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der Neurasthenie und schweren Depression des Klägers als Berufskrankheit nach der Liste,

hilfsweise als Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall,

hilfsweise wird an den gestellten und etwa künftig noch gestellten Beweisanträgen ausdrücklich festgehalten, sowohl für den Fall der mündlichen Verhandlung, für den Fall nach § 124 Abs. 2 SGG, für den Fall des § 153 Abs. 4 SGG sowie für sonstige Fallgestaltungen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des ZBFS (Kopie) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil alle Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 SGG) und bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage auf Anerkennung einer Berufskrankheit oder einer Wie-Berufskrankheit ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 22/10 R -, juris Rn. 10 m.w.N.). Ein etwaiges Leistungsbegehren, welches ohnehin nicht zulässig im Klagewege hätte verfolgt werden können, hat der Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht. Zur Auslegung des Klagebegehrens sowie zur Frage der Unzulässigkeit einer etwaigen Klage "auf Entschädigung" verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat weder Anspruch auf Anerkennung seiner psychischen Erkrankung als sog. Listen-Berufskrankheit noch als sog. Wie-Berufskrankheit.

1. Beim Kläger liegt keine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage 1 zur BKV (sog. Listen-Berufskrankheit) vor.

a) Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung, die Einwirkungen und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R -, BSGE 114, 90 und juris Rn. 12 m.w.N.; vgl. zuletzt auch BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, BSGE 118, 267 und juris Rn. 10 und 23 m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben kann ausgeschlossen werden, dass beim Kläger eine Listen-Berufskrankheit vorliegt. Zwar war der Kläger als selbstständiger Versicherungsfachwirt bei der Beklagten freiwillig versichert mit der Folge, dass für Verrichtungen im sachlichen Zusammenhang mit dieser beruflichen Tätigkeit grundsätzlich der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung greift. Vorliegend werden jedoch weder die vom Kläger geltend gemachten beruflichen Einwirkungen noch die von ihm geltend gemachten psychischen Erkrankungen (Neurasthenie und schwere Depression ebenso wenig wie ein sog. Burnout-Syndrom) von der Berufskrankheitenliste der Anlage 1 zur BKV erfasst.

aa) Der Kläger führt seine psychischen Erkrankungen auf berufliche Stressbelastungen zurück. Als Stressfaktoren benennt er dabei insbesondere: lange Arbeitszeiten, den Umgang mit teilweise "schwierigen" Kunden, fehlenden Rückhalt bzw. Desinteresse von "Vorgesetzten", eine mangelhafte technische und Softwareunterstützung, eine problematische Zusammenarbeit mit "Kollegen" im Innendienst (mit häufig fehlerhafter Erstellung von Versicherungspolicen in der Zentrale), ein Gefühl der Fremdbestimmtheit sowie einen Wechsel in den Arbeitsabläufen. In diesem Zusammenhang hebt der Kläger ganz besonders den Aspekt hervor, dass diese Stressoren für ihn zu Zeitverlusten bzw. Mehrarbeit geführt haben, die er als Selbstständiger nicht vergütet bekommen habe und daher für ihn einen finanziellen Verlust bedeutet hätten.

Gegenüber der Sachverständigen Dr. J. beschrieb der Kläger, dass er 1993 seine Ausbildung bei der V. begonnen und nach Abschluss 1995 selbstständig einen Kundenstamm übernommen habe. Zunächst sei er mit seiner Tätigkeit zufrieden gewesen und habe berufsbegleitend den Abschluss als Versicherungsfachwirt gemacht. Dann hätten sich die Umstände schleichend verschlechtert. Im Zusammenhang mit einem Verkauf der V. an die S. und einem Vorstandsvorsitzenden von der A. habe sich das Arbeitsklima verändert. Nach der Umstellung auf Computer habe im Laufe der Jahre vieles in der Software nicht funktioniert. Außerdem sei die Auftragsbearbeitung in der Zentrale häufig fehlerhaft gewesen, was für ihn viel Arbeit bedeutet habe. 2001 habe sich eine weitere Verschlechterung ergeben, als der langjährige Bereichsleiter gewechselt habe und es mit dem nun zuständigen "Vorgesetzten" zunehmend zu Auseinandersetzungen auch wegen der Zielerfüllung gekommen sei. Der Kläger schilderte sich als jemanden, der seine Arbeit gescheit und sorgfältig machen wolle. Da sei es kaum auszuhalten, wenn man Missstände sehe und nichts getan werde. Nachdem der zuständige Gebietsdirektor 2004 verneint habe, dass es Probleme gebe, habe er angefangen, diese Probleme zu sammeln. Zur Untersuchung bei Dr. J. brachte der Kläger fünf oder sechs dicke Ordner mit den entsprechenden Unterlagen mit.

Bei der Untersuchung durch Dr. C. äußerte der Kläger zudem sinngemäß, dass sich jetzt mal etwas ändern müsse in der Arbeitswelt. Der "Druck" solle raus. Dieser hänge vom "Vorgesetzten" ab. Wichtig seien außerdem funktionierende Arbeitsmittel. In seiner eigenen konkreten Tätigkeit habe er sich, obwohl selbstständig tätig, zunehmend fremdbestimmt gefühlt. Die wechselnden Arbeitsabläufe seien teilweise absurd gewesen.

Dieser Vortrag des Klägers kann vollumfänglich als zutreffend und wahr unterstellt werden. Allerdings handelt es sich bei den geschilderten rein psychischen, nichtstofflichen Einwirkungen nicht um solche, die in der Berufskrankheitenliste nach der Anlage 1 zur BKV erfasst sind. Hinweise auf sonstige berufliche Einwirkungen, die ggf. die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach der Anlage 1 zur BKV erfüllen könnten, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers oder seines Bevollmächtigten noch sonst aus der Aktenlage. Eine Listen-Berufskrankheit liegt daher bereits aus diesem Grund nicht vor.

Der Senat musste sich daher insoweit nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen. Ermittlungen ins Blaue hinein waren nicht veranlasst. Ein prozessordnungsgemäß gestellter Beweisantrag mit einem konkret formulierten Beweisthema liegt nicht vor. Zwar hatte der Prozessbevollmächtigte in der Widerspruchsbegründung (Schreiben vom 20. November 2014) sowie im Klageverfahren (Schreiben vom 24. April 2015) pauschal angeregt, eine arbeitstechnische Beurteilung einzuholen bzw. arbeitstechnische Ermittlungen durchzuführen. Diese Anregung wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt näher dahingehend konkretisiert, zu welchen Umständen bzw. beruflichen Einwirkungen hier nähere Ermittlungen notwendig sein könnten. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass und ggf. inwieweit der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter trotz der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen auf medizinischem Fachgebiet überhaupt noch die Notwendigkeit weiterer arbeitstechnischer Ermittlungen gesehen haben. Daran ändert der bereits bei Einlegung der Berufung (somit vor Durchführung der Ermittlungen) formulierte Hilfsantrag, mit dem an allen bis dahin gestellten Beweisanträgen festgehalten wird, nichts. Denn dieser bereits mit Schreiben vom 2. Juni 2015 formulierte Hilfsantrag vermag die notwendige Warnfunktion bzw. Beweis- und Klarstellungsfunktion eines ordnungsgemäßen Beweisantrages nicht zu erfüllen. Hierfür muss ein Beweisantrag entweder bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten werden oder - wie hier - bei Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach etwaiger Beweiserhebung und der Bitte um Zustimmung zur Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG erstmals schriftsätzlich gestellt, wiederholt oder nochmals ausdrücklich in Bezug genommen und damit bis zuletzt aufrechterhalten werden (vgl. BSG, Beschluss vom 3. August 2017 - B 2 U 5/17 BH -, juris Rn. 7).

bb) Der Kläger meint, durch diese Stressbelastungen sei er an einer Neurasthenie und einer schweren Depression erkrankt. Im Klageverfahren wurde außerdem ein sog. Burnout-Syndrom geltend gemacht, welches in der Antragstellung im Berufungsverfahren zwar nicht mehr genannt ist, aber im Rahmen der Berufungsbegründung weiterhin thematisiert wird. Der Senat geht daher davon aus (vgl. § 123 SGG), dass mit der Berufung weiterhin auch die Anerkennung eines Burnout-Syndroms als Berufskrankheit begehrt wird. Allerdings ist keine dieser genannten Erkrankungen in der Berufskrankenliste in Anlage 1 zur BKV ausdrücklich genannt. Zwar können psychische Erkrankungen unter Umständen Folgen der dort bezeichneten Berufskrankheiten sein. Sie sind dann jedoch in der Regel Folge einer anderen (ggf. schweren) Erkrankung bzw. gehen auf somatische Schädigungen insbesondere des zentralen Nervensystems zurück. Jedenfalls setzt dies wiederum voraus, dass Einwirkungen vorgelegen haben, die von der Berufskrankenliste der Anlage 1 zur BKV erfasst werden. Letzteres ist, wie dargelegt wurde, hier nicht der Fall. Eine Listen-Berufskrankheit scheidet daher auch aus diesem Grund aus.

2. Die psychischen Erkrankungen des Klägers sind auch nicht wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

a) Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind (sog. Wie-Berufskrankheit).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ergeben sich für die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit die folgenden Tatbestandsmerkmale: (1.) das Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen für eine in der BKV bezeichnete Krankheit, (2.) das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, (3.) nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (§ 9 Abs. 2 SGB VII) sowie (4.) die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung dieser Krankheit als Wie-Berufskrankheit im Einzelfall bei dem Versicherten. Die Vorschrift enthält keine Härteklausel, nach der jede durch eine versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen wäre (BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 - B 2 U 33/11 R -, juris Rn. 17).

Die Voraussetzungen (2.) und (3.) sind erfüllt, wenn bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen (BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 - B 2 U 6/12 R -, juris Rn. 15 m.w.N.). Es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 20). Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 24 m.w.N.; vgl. ausführlich zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 und juris Rn. 13 ff. m.w.N.).

Da die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel beinhaltet, ist gerade in dem hier vorliegenden Fall nochmals ausdrücklich zu betonen, dass es nach der gesetzlichen Regelung sowie der Rechtsprechung des BSG für die Feststellung einer Wie-Berufskrankheit nicht genügt, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der Berufskrankheitenliste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-Berufskrankheit in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen schließt der Senat auch das Vorliegen einer sog. Wie-Berufskrankheit beim Kläger aus.

Zwar erfüllt der Kläger, wie bereits dargelegt, die Eigenschaft als Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung. Zudem sind die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Berufskrankheit nicht erfüllt. Allerdings liegen weder die Voraussetzungen der geltend gemachten Krankheit als Listen-Berufskrankheit durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vor, noch gibt es hierzu neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse. D.h., die o.g. Voraussetzungen (2.) und (3.) sind nicht erfüllt. Bezogen auf den konkreten Einzelfall des Klägers kann zudem nicht festgestellt werden, dass seine Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist, womit auch die o.g. Voraussetzung (4.) nicht erfüllt ist.

Der Senat stützt sich für seine Beurteilung auf die übereinstimmenden Angaben des BMAS und der DGUV sowie die ebenfalls übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. J. und Dr. C.. Gesichtspunkte, die auch nur im Ansatz für die Auffassung des Klägers sprechen würden, ergeben sich demgegenüber nicht.

Zunächst geht der Senat davon aus, dass beim Kläger lediglich die Diagnose einer chronifizierten depressiven Störung gesichert ist. Eine entsprechende Diagnose wird von beiden Sachverständigen gestellt und der Schweregrad übereinstimmend als mittelschwer eingeschätzt. Soweit die Sachverständigen hinsichtlich der Einordnung der Erkrankung in das Diagnosesystem des ICD-10 leicht voneinander abweichen, stellt sich dies als nicht entscheidungserheblich dar. Dr. J. geht von einem rezidivierenden (d.h. wiederkehrenden) Krankheitsverlauf aus und kodiert als ICD-10 F 33.1 (rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode); Dr. C. geht demgegenüber von einem eher gleichbleibenden Beschwerdebild aus, welches er mit F 32.1 (mittelgradige depressive Episode) kodiert.

Eine weitere Erkrankung aus dem psychiatrischen Fachgebiet kann demgegenüber nicht im notwendigen Vollbeweis (d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) festgestellt werden. Nach Auffassung der Sachverständigen Dr. J. liegt das Vollbild einer Neurasthenie (ICD-10 F 48.0) beim Kläger nicht vor, da lediglich einige Symptome vorhanden sind. Dr. C. mutmaßt, dass eine Neurasthenie in der Vergangenheit (insbesondere vor dem Beginn und der Diagnose der Multiplen Sklerose) vorgelegen haben könnte. Hierauf vermag der Senat den Nachweis dieser Erkrankung jedoch nicht zu stützen. Ein Burnout-Syndrom stellt schließlich keine Diagnose nach einem anerkannten medizinischen Diagnosemanual dar (vgl. hierzu auch: Schönberger/ Mehrtens/ Valentin - Sch/M/V -, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 862 ff.; danach wird zunehmend in Frage gestellt, ob es sich um eine eigenständige Erkrankung handelt; jedenfalls schließt eine andere psychiatrisch definierte Erkrankung ein Burnout-Syndrom aus). Die Bezeichnung findet sich überdies nicht in den Befundunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers.

Die beim Kläger nachgewiesene depressive Störung, als deren Ursache er berufsbedingten Stress geltend macht, kann nicht wie eine Berufskrankheit anerkannt werden.

Die Erkrankung kann nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft erstens nicht kausal bestimmten "besonderen Einwirkungen" im Sinne des § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 SGB VII zugeordnet werden. Vielmehr wird eine Vielzahl von beruflichen, aber vor allem auch privaten, sozialen und genetischen Faktoren als Ursachen depressiver Störungen diskutiert, was in der Medizin mit dem Begriff der "Multikausalität" beschrieben wird. Eine Definition bestimmter krankheitsauslösender Ursachen ist bislang nicht gelungen. Soweit sich der Kläger auf den beruflichen "Stress" beruft, dem er ausgesetzt gewesen sei, ist dieser Begriff nicht geeignet, einer Klärung und Abgrenzung zu dienen. Was Personen als "Stress" empfinden und was nicht, ist individuell höchst unterschiedlich. Stress wird durch eine Vielzahl von Einflüssen arbeitsbedingter und sonstiger Art (Stressoren) verursacht, z.B. Angst, Zeitdruck, Lärm, Hitze und körperliche Extrembelastung (vgl. zum Begriff des arbeitsbedingten Stresses sowie möglicher Stressoren: Sch/M/V, a.a.O., S. 859 f.). Unklar bleibt auch, wie eine etwaige Einwirkung "Stress" gemessen werden könnte.

Zweitens lassen sich "bestimmte Personengruppen", die diesen besonderen Einwirkungen "durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind", nicht abgrenzen. Belastende Situationen bzw. Umstände, die vom Betroffenen als "Stress" empfunden werden, können in allen Lebensbereichen, d.h. sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld auftreten. Die vom Kläger geschilderten beruflichen Belastungssituationen treten außerdem in einer Vielzahl beruflicher Tätigkeiten in zumindest vergleichbarer Weise auf. Es scheinen kaum Arbeitsbereiche denkbar, in denen es nicht zumindest zu einigen der vom Kläger genannten Stressfaktoren (lange Arbeitszeiten, Probleme in der Zusammenarbeit mit Kollegen, Vorgesetzten und/ oder Kunden, mangelhafte Ausstattung des Arbeitsplatzes und Wechsel in den Arbeitsabläufen) kommt.

Beide Aspekte ergeben sich für den Senat aus den Darlegungen des BMAS und der DGUV, aber auch aus den Ausführungen der im Berufungsverfahren gehörten medizinischen Sachverständigen. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Kläger selbstständig tätig ist und Schwierigkeiten in den Arbeitsabläufen daher bei ihm auch finanzielle Auswirkungen haben können. Dass der Umstand finanzieller Auswirkungen allerdings als Abgrenzungsmerkmal in Bezug auf die Tatbestandsmarkmale "besondere Einwirkungen" und "bestimmte Personengruppen" dienen könnte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen.

Das BMAS hat mit Schreiben vom 4. August 2015 mitgeteilt, dass eine Prüfung der Frage der Verursachung psychischer Erkrankungen durch berufliche Tätigkeiten z.B. als Versicherungsfachwirt nicht beabsichtigt ist. Erläuternd wurde sehr nachvollziehbar und anschaulich darauf hingewiesen, dass die gesetzlich für eine Berufskrankheit erforderliche Voraussetzung der sog. gruppentypischen Risikoerhöhung bei psychischen Erkrankungen wie etwa depressiven Störungen kaum erfüllt sein kann. Denn solche Erkrankungen können durch eine Vielzahl unterschiedlichster Ursachen ausgelöst werden, denen Personen in verschiedener Art und Intensität ausgesetzt sind. Depressionen treten sowohl in unterschiedlichen Berufen und Betätigungsfeldern wie auch gleichermaßen im privaten Bereich auf. Eine besondere abstrakte Gefährdung bestimmter Personengruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist deshalb nicht feststellbar. Vor diesem Hintergrund kann ein solches Krankheitsbild als mögliche Folge von fast beliebig ausweitbaren und vorstellbaren beruflichen und privaten Belastungssituationen wegen der besonderen Bedingungen des Berufskrankheitenrechts nicht als Listenkrankheit anerkannt werden.

Diesen Überlegungen schließt sich der Senat ebenso an wie den Ausführungen der DGUV, die mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 das Vorliegen neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse zu der streitgegenständlichen Fragestellung mit ganz ähnlicher Begründung für den Senat nachvollziehbar verneint hat. Dabei hat sie ihre Aussage auf einen beigefügten Beitrag von Prof. Dr. S./ Dr. P. (Zentrum für Arbeit und Gesundheit Sachsen der GWT-TUD GmbH Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Technischen Universität D.) u.a. in der Broschüre "Erfahrungen mit der Anwendung von § 9 Abs. 2 SGB VII (6. Erfahrungsbericht, Kapitel 2.8, S. 125 ff.)", erschienen in der Schriftenreihe der DGUV, gestützt. Dieser Beitrag befasst sich mit der Thematik, ob psychische Erkrankungen einen möglichen Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen, und gelangt zusammenfassend zu der Aussage, dass eine Anerkennung psychischer Erkrankungen wie eine Berufskrankheit nicht möglich ist. Vielmehr besteht eine Multikausalität. Personengruppen lassen sich schwierig zuordnen.

Die Beklagte hat ergänzend weitere Informationen der DGUV in der "UV-Net - Info-Plattform für Berufsgenossenschaften und Unfallkassen" zu Erkrankungen durch Stress vorgelegt. Danach besteht in der medizinischen Wissenschaft derzeit keine Einigkeit darüber, welche Erkrankungsbilder durch beruflichen Stress verursacht oder verschlimmert werden können. In Betracht kommen hier keinesfalls nur Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, sondern z.B. auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder andere psychosomatische Erkrankungen wie gehäufte Infektionen, Tinnitus und Hauterkrankungen (vgl. hierzu auch: Sch/M/V, a.a.O., S. 860 f.). Darüber hinaus kann eine "bestimmte Personengruppe" nicht definiert werden.

Weitere Ermittlungen bei der DGUV und/ oder dem BMAS waren nicht veranlasst. Soweit der Bevollmächtigte nach der Begutachtung durch Dr. J. weitere Nachfragen zum jüngsten Stand der Erkenntnisse bei Burnout-Erkrankungen angeregt hat, handelt es sich erstens insoweit nicht um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag, der bis zuletzt aufrechterhalten worden wäre (s.o.). Zweitens bezog sich die Antwort des BMAS vom 4. August 2015 allgemein auf psychische Erkrankungen; ein weiterer Ermittlungsbedarf ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Drittens handelt es sich, worauf die Sachverständige Dr. J. ausdrücklich hinweist, bei der Bezeichnung "Burnout" nicht um eine Diagnose nach einem anerkannten Diagnosesystem. Schließlich kann der Senat (wie dargelegt) nicht feststellen, dass die Erkrankung des Klägers mit dieser Bezeichnung überhaupt zutreffend erfasst ist, d.h. der Kläger überhaupt an einem Burnout leidet.

Der Senat hat auch deshalb keine Bedenken, sich den Darlegungen von BMAS und DGUV anzuschließen, weil diese durch die beiden medizinischen Sachverständigen übereinstimmend und für den Senat überzeugend bestätigt werden.

Dr. J. führt hierzu schlüssig aus, dass es sich nach dem aktuellen medizinischen Wissensstand bei Depressionen um eine in der Allgemeinbevölkerung häufig vorkommende Erkrankung handelt. Für eine schwere, klinisch relevante Depression wird ein Lebenszeitrisiko von 16 bis 26% angenommen. Die Symptomatik beginnt oft schon im dritten Lebensjahrzehnt. Familienstudien weisen auf eine genetische Disposition hin, dies allerdings im Rahmen einer multifaktoriellen Entstehung nur als Teilursache. Die neurobiologische Forschung spricht für die Bedeutung von Störungen der aminergen und cholinergen Neurotransmission insbesondere im limbischen System. Die Vulnerabilität wird erhöht durch frühkindliche Belastungen. Letztlich muss ein Zusammenspiel von genetischer Disposition, kindlicher Prägung, innerpsychischen Denk- und Bewertungsschemata und aktuellen psychischen und psychosozialen Belastungsfaktoren berücksichtigt werden.

Im Ergebnis sind selbstständige Versicherungsfachwirte oder Versicherte mit vergleichbarer Tätigkeit nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft durch ihre berufliche Tätigkeit nicht in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt. Die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten Probleme mit Vorgesetzten, unzulänglichem Arbeitsmaterial und ähnliches können in einer Vielzahl von Tätigkeitsfeldern und letztlich in ähnlicher Form auch im privaten Umfeld (z.B. in Vereinen, aber auch im Rahmen des familiären Zusammenlebens oder familiärer Kontakte) auftreten. Bezogen auf seine berufliche Tätigkeit schilderte der Kläger weniger eine Belastung durch seine Tätigkeit im Außendienst einer Versicherung (d.h. Kundenkontakt und das damit verbundene Vorbereiten von Verträgen), sondern vielmehr durch administrative und personelle Umstände in der Versicherungsgesellschaft sowie durch mangelnde Unterstützung seines "Vorgesetzten". Hier zeigte sich eine immer größere Diskrepanz mit den Arbeitsvorstellungen und -auffassungen des Klägers, was aufgrund seiner Persönlichkeitsakzentuierung zu einer zunehmenden Kränkung führte. Der behandelnde Psychotherapeut verweist schließlich darauf, dass der Kläger die Kränkung durch seine Kündigung bis zuletzt nicht vollständig verarbeiten konnte.

Es gibt in der medizinischen Wissenschaft keine Diskussionen, derartige Erkrankungen als Berufskrankheit anzuerkennen. Ärger und Frust über verständnislose Vorgesetzte und schwierige Strukturen können zwar grundsätzlich zu Gesundheitsstörungen unterschiedlicher Art beitragen, so z.B. zu depressiven oder somatoformen Symptomen. Aufgrund der multifaktoriellen Depressionsentstehung und der hohen Subjektivität von Stressbelastungen ist hier aber nicht absehbar, dass sich abgrenzen lassen wird, welche Art und welches Ausmaß von Stress mit Wahrscheinlichkeit zu welcher Art der Depression wesentlich beitragen. Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft gibt es hierzu nicht.

Diese Aussagen werden durch Dr. C. eindrucksvoll bestätigt und untermauert, wenn er betont, dass beim Kläger bezüglich der ursächlichen Auffassung von Depressionen ein Missverständnis besteht. Denn nach aktueller Krankheitskonzeption sind Depressionen keine Stressfolgeerkrankung. Es gilt vielmehr umgekehrt, dass der depressiv Erkrankte eine nachgewiesenermaßen verringerte Fähigkeit hat, mit neuen (vielen, unbekannten) Reizen in funktionaler Weise umzugehen. Auch umfassen Depressionen nach der maßgeblichen Leitlinie kein homogenes Krankheitsbild. Keiner der wissenschaftlichen Ansätze hat bisher eine überzeugende monokausale Erklärung finden können. Von der Mehrzahl der Experten werden multifaktorielle Erklärungskonzepte angenommen, die von einer Wechselwirkung aus biologischen und psychosozialen Faktoren ausgehen. Spezifische Gefährdungsrisiken insbesondere für (selbstständige) Versicherungsfachwirte lassen sich nicht ableiten.

Zu der Fragestellung psychischer Erkrankungen als (Wie-)Berufskrankheit verweist Dr. C. ergänzend auf zwei Fallgestaltungen, die zwar mit der Situation des Klägers nicht vergleichbar sind, allerdings verdeutlichen wie gering der medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisstand derzeit ist. So weist Dr. C. darauf hin, dass z.B. der naheliegende mögliche Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und Depressionen bislang unzureichend untersucht ist. Auch stellt sich die Frage eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen psychischen Belastungen von Soldaten bei Auslandseinsätzen und dem etwaigen Entstehen einer posttraumatischen Belastungsstörung offenbar als keineswegs so eindeutig dar, wie man aus medizinischer Laiensicht meinen könnte.

Die hohen Anforderungen an die Anerkennung einer neuen Berufskrankheit stellt Dr. C. anhand der wissenschaftlichen Begründung für die Berufskrankheit "fokale Dystonie" dar. Er schließt seine Überlegungen mit dem Hinweis, dass es naheliegend scheint, dass bereits aus methodologischen Gründen eine häufige wie in ihrem Erscheinungsbild mannigfaltige Erkrankung wie die Gruppe der depressiven Störungen kaum die geforderten Kriterien in Abgrenzung zu nicht-signifikanten Zusammenhängen, Psychogenese etc. erfüllen mag. Hierzu verweist er auf den 2017 erschienenen Abschlussbericht zum Forschungsprojekt "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt - Wissenschaftliche Standortbestimmung" der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit; dort wurde festgestellt: "Die vorhandene Befundlage erlaubt somit weder Rückschlüsse auf besondere Einwirkungen, die z.B. zu einer depressiven Störung führen, noch Aussagen über Personengruppen, die gegenüber bestimmten Arbeitsbedingungsfaktoren in deutlich höherem Maße als die übrige Bevölkerung exponiert sind. ... [A]ktuell [lässt] sich keine Empfehlung ableiten, dass sich der ärztliche Sachverständigenrat "Berufskrankheiten" mit der Thematik psychischer Belastung und z.B. depressiver Störungen befassen sollte." Auch Statistiken der Krankenkassen über Krankschreibungen aus psychischen Gründen verweisen als Gründe für diese Erkrankungen mit einem hohen Anteil auf private Konflikte bzw. Probleme.

Für den konkreten Fall des Klägers kann der Senat schließlich nicht feststellen, dass die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung der depressiven Störung wie eine Berufskrankheit in seinem Einzelfall erfüllt sind. Denn beim Kläger spricht viel dafür, dass die bei ihm ebenfalls im Vollbeweis gesicherte neurologische Erkrankung (Multiple Sklerose), die von beiden Sachverständigen bestätigt wird, als außerberuflicher Faktor eine wesentliche Rolle spielt. Auffälligkeiten in Bezug auf die Multiple Sklerose haben sich beim Kläger erstmals in einem cranialen Kernspintomogramm vom Dezember 2012 ergeben. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose bzw. Encephalomyelitis disseminata wurde aufgrund neu aufgetretener Läsionen und des Verlaufs der Kernspinveränderungen im Oktober 2014 gestellt.

Dr. J. weist hierzu darauf hin, dass sich die normale Lebenszeitprävalenz einer Depression von 16 bis 26% bei MS-Patienten auf bis zu 50% erhöht. Nach der medizinischen Literatur können zudem bereits in frühen Krankheitsstadien der Multiplen Sklerose kognitive Beeinträchtigungen und die sog. Fatiguebzw. Müdigkeitssymptomatik, die vom Kläger ausdrücklich geschildert wird, auftreten. Letztere ist bei MS-Kranken mit einer Häufigkeit zwischen 53,7 und 95% anzutreffen. Soweit der Kläger ein Müdigkeitssyndrom schildert, stellt es daher eine große Herausforderung dar, Depression und Fatigue zu entflechten, da sich die Symptome teilweise bis weitgehend überschneiden.

In ähnlicher Weise wie Dr. J. befasst sich auch Dr. C. mit der Bedeutung der neurologischen Erkrankung der Multiplen Sklerose und verweist darauf, dass das Vorliegen einer schweren somatischen Erkrankung keinesfalls trivial ist; relevante Auswirkungen sind in beide Richtungen möglich. Die hohe Prävalenz depressiver Störungen bei Patienten mit somatischen Erkrankungen ist nach den medizinischen Leitlinien nachgewiesen, wobei eine deutliche Abhängigkeit von der jeweiligen somatischen Erkrankung besteht. U.a. chronisch neurologische Erkrankungen (bis zu 16% bei Multipler Sklerose) zeigen eine deutliche Erhöhung der Prävalenz. Unter Bezugnahme auf eine Leitlinie zur Multiplen Sklerose legt Dr. C. - ähnlich wie bereits Dr. J. - dar, dass 60-90% der Betroffenen unter einem Fatigue-Syndrom leiden und dies bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf auftreten kann. Die Ursachen der Fatigue sind weitgehend ungeklärt und wahrscheinlich auch hier multifaktoriell.

Hinsichtlich der Frage, worauf die depressive Symptomatik im individuellen Fall des Klägers ursächlich zurückgeführt werden kann, sieht Dr. C. die Vorgutachterin Dr. J. in deren als stringent bezeichneten Gutachten mit der Annahme eines "Autonomie-Konfliktes" auf einer relevanten Spur. Dr. C. verweist auf das Scheitern des Klägers im Studium und die Tatsache, dass dem Kläger danach die Tätigkeit bei der Versicherungsagentur vom Vater vermittelt worden ist - eben jenem Vater, gegen den es schwierig ist, aufzubegehren. Zudem wurde der Vater im Berufsleben selbst Opfer undurchsichtiger Verstrickungen. Den pubertären Ablösungskampf führte der Kläger dann nach Ansicht von Dr. C. mit seinem Vorgesetzten. Mit der Kündigung wurde der Kläger sozusagen im übertragenen Sinne aus seinem Elternhaus geworfen. Ein weiteres, deutlich bewusstseinsnahes und ebenfalls außerberufliches Störungselement als mögliche Ursache der Depression sieht Dr. C. in der durchgehenden Schilderung sexueller Dysfunktion. Drittens zieht er die MS-Erkrankung und das Konzept der Fatigue als Ausdruck einer organischen Depression in Betracht. Lediglich der teilweise in der medizinischen Wissenschaft vertretenen These der "Persönlichkeitsstörung", die quasi ein Scheitern im Berufsleben vorprogrammiere, widerspricht Dr. C.. Im Falle des Klägers vermag diese These unabhängig von ihrer etwaigen Geltung als herrschende medizinische-wissenschaftliche Literaturmeinung ohnehin nicht zu überzeugen, da keiner der Gutachter beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat. Traumatische Erlebnisse im beruflichen Kontext, die als Ursache für die depressive Erkrankung in Betracht kommen könnten, hat schließlich ebenfalls keiner der Sachverständigen festgestellt.

Zusammenfassend kommt Dr. C. zu dem Schluss, dass beim Kläger zwar verschiedene Faktoren für die Krankheitsentstehung diskutiert werden können, eine Ursache - insbesondere eine Ursache aus der beruflichen Tätigkeit - aber nicht mit hinreichender Sicherheit benannt werden kann.

Soweit Dr. C. die Frage anklingen lässt, ob bezüglich der neurologischen Erkrankung der Multiplen Sklerose ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers bestehen könnte, ist dies nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Weder hat die Beklagte bislang hierüber eine Entscheidung getroffen noch haben der Kläger bzw. sein Bevollmächtigter einen entsprechenden Antrag gestellt. Im Übrigen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger empfohlen werden könnte, dieser Frage weiter nachzugehen. Dr. C. weist jedenfalls darauf hin, dass ihm ein solcher Zusammenhang nicht bekannt ist.

Soweit der Bevollmächtigte des Klägers auf einen nicht näher bezeichneten Fall der Anerkennung von "Stress" als Berufskrankheit in Spanien hinweist, lassen sich daraus keine Rückschlüsse für eine Anerkennung nach dem SGB VII ziehen. Pauschale Bezugnahmen auf die Tagespresse sind ebenso wenig zielführend. Denn die Tagespresse liefert keine Erkenntnisse über den aktuellen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Lehre. Schließlich ist nicht ersichtlich, welche Parallelen der Beruf des Klägers mit den genannten Tätigkeiten im Profifußballsport aufweisen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Referenznummer:

R/R7756


Informationsstand: 18.10.2018