Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nummer 1103 ("Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen") der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit.
Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger hat den Beruf des Malers und Lackierers erlernt. Anschließend arbeitete er vom xx.xx.1984 bis zum xx.xx.1992 als Galvaniseur, wobei er unter anderem auch Kontakt mit Chrom und seinen Verbindungen im Sinne der BK
Nr. 1103 hatte. Für die darauffolgenden verschiedenen Tätigkeiten des Klägers als Selbständiger
bzw. als Verkäufer seit dem xx.xx.1992 ist ein Kontakt mit Chrom und seinen Verbindungen nicht aktenkundig und auch nach Auffassung des Klägers nicht erfolgt.
Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 26.05.2015 mit, dass er an einem ausgedehnten linkszentralen Bronchialkarzinom cT4, cN3, cMx bei Vorliegen einer mediastinalen Lymphknotenmetastasierung leide, weswegen der Verdacht auf eine Berufskrankheit vorliege.
Die Firma Malerei A. bestätigte auf Anfrage der Beklagten, dass der Kläger von September 1980 bis Juli 1983 in der Ausbildung zum Maler und Lackierer gewesen sei, in diesem Betrieb jedoch zu keinem Zeitpunkt mit Asbest, Chrom, Nickel oder anderen Giftstoffen in Berührung gekommen sei. Der Arbeitgeber führte ergänzend aus, dass der Kläger zur damaligen Zeit vor und nach der Arbeitszeit ein starker Raucher gewesen sei.
Die Firma B. bestätigte eine Tätigkeit vom xx.xx.1984 bis zum xx.xx.1990 als Mitarbeiter im Bereich Hartchrom, bei der gesundheitsgefährdende Einwirkungen durch die Aufnahme von Chrom durch Aerosole und über die Haut mit einem Zeitanteil von 2 bis 3 Stunden pro Tag möglich gewesen seien. Als technische Schutzmaßnahmen/persönliche Schutzausrüstung hätten eine Absaugevorrichtung, ein Abdeckmittel und Handschuhe vorgelegen (Auskunft vom 23.06.2015).
Die Firma C. teilte mit, dass Auskünfte zu dem anschließenden Arbeitsverhältnis von xx.xx.1990 bis zum xx.xx.1992 nicht möglich seien, da die Mitarbeiter von damals nicht mehr im Unternehmen tätig und die Unterlagen bereits vernichteten seien (Auskunft vom 16.06.2015).
Das Klinikum D. bestätigte am 05.06.2015 das Vorliegen eines linkszentralen kleinzelligen Bronchialkarzinoms, welches derzeit im dritten Zyklus mittels Chemotherapie behandelt werde.
Der Kläger gab in seiner Selbstauskunft vom 27.06.2015 an, dass er von 1980 an bei seinen Tätigkeiten als Maler und Lackierer und anschließend in der Galvanik mit zahlreichen Schadstoffen Kontakt gehabt habe
u. a. Chromsäure, Salpetersäure, Flusssäure, Salzsäure, Ätznatron, Tri, Peer, Nickel, Zink und Schwefelsäure, welche teils in offenen Behältern
bzw. Bädern vorrätig gehalten worden seien.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse bei. Der Präventionsdienst der Beklagten nahm am 22.09.2015 zu den möglichen Gefährdungen des Klägers an seinen Arbeitsplätzen im Hinblick auf Berufskrankheiten nach den Nummern 1103, 4104 und 4109 Stellung. U.a. wurde ausgeführt, dass der Kläger bei seiner Arbeit als Galvaniseur für die Firma B. von xx.xx.1984 bis xx.xx.1990 zu 90 % seiner Arbeitszeit an Standard-Hartchrombädern und zu 10 % seiner Arbeitszeit an Hartchrom-Tiefbädern tätig gewesen sei. Seine wöchentliche Arbeitszeit habe im Rahmen eines Dreischichtsystems durchschnittlich bis zu 50 Stunden betragen, teilweise habe der Kläger auch in Doppelschichten gearbeitet. Die Arbeiten seien die Vorbereitung, das Auf-, Abhängen von Teilen an Gestellen und Vorrichtungen, die Vorbehandlung sowie auch das Eintauchen/die Entnahme der Teile per Hand oder mittels Kran in die/aus den Chrombädern gewesen. Die Teile seien nach der Entnahme aus den Chrombädern abgespült und auch abgeblasen worden. Teilweise seien die Teile für einen besseren Schichtaufbau mehrfach in die Chrombäder eingetaucht worden, dazwischen wurden sie über den Bädern hängend abgeschmirgelt. Nebenarbeiten seien das Tauschen der Anoden sowie deren Reinigung mittels Drahtbürste gewesen. Atemschutz sei während keiner der Tätigkeiten verwendet worden. Die Chrombäder hätten neben einem Netzmittel gegen die Aerosolbildung und Katalysatoren in der Regel 250 g CrO3pro Liter enthalten. In einem Messbericht vom Juli 1991 sei für alle Messpunkte in Halle 1 (personenbezogene und ortsgebundene Messungen) die Schadstoffkonzentrationen von Chromaten als unter dem zulässigen Grenzwert und unter der damaligen Auslöseschwelle (( als 1/4 des TRK-Wertes) angegeben worden. Der höchste ermittelte Wert für Chromate in Halle 1 sei 0,0066 mg pro m³ gewesen. Allerdings sei dabei zu beachten, dass die Chromatwerte in Galvanikbetrieben Schwankungen unterworfen seien, und zwar sowohl innerhalb einer Schicht als auch von Schicht zu Schicht, was an der unterschiedlichen Auftragslage und Auslastung der Bäder, der unterschiedlichen Größe der zu verchromenden Werkstücke, Störungen an Absaugungen und nicht zuletzt auch an der Arbeitsweise des Mitarbeiters liege. Der Kläger habe sich aufgrund der Chromat-Exposition in der arbeitsmedizinischen Vorsorge befunden; in der Akte seien keine Auffälligkeiten vermerkt. Allerdings fänden sich in der Akte Einträge vom 20.01.1988 und 25.10.1989 mit dem Wortlaut "keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen/Kontakt mit Chromsäure mit Nasenschutz". Eine telefonische Anfrage bei der Firma sowie in der Praxis der damaligen untersuchenden Ärzte habe keine weiteren Informationen ergeben, da Unterlagen nach der langen Zeit nicht mehr vorhanden seien. Der Kläger habe im Gespräch mitgeteilt, dass kurz nach seinem Arbeitgeberwechsel zur Firma H. in K. erhöhte Chromatwerte im Urin festgestellt worden seien, was sich jedoch nicht durch Angaben des Arbeitgebers oder dem betriebsärztlichen Dienst habe bestätigen lassen. Der Kläger hat im Gespräch mitgeteilt, dass zwischenzeitlich mehrere ehemalige Kollegen bei der Firma B. frühzeitig verstorben seien.
Bezüglich des Arbeitgebers C. habe der Kläger als Galvaniseur vergleichbar gearbeitet, wobei jedoch nach Aussage des Klägers die Randabsaugungen an den Beiz- und Verchromungsbädern wesentlich effizienter als bei seinem vorherigen Arbeitgeber gewesen seien. Es hätten hier Expositionen zu Stäuben von fester Chromsäure beim Nachschärfen der Chrombäder, zu Nebel und Dämpfen von Verchromungsbädern (Schwefelsäure sowie gelöste Chromsäure mit
ca. 55 ° Celsius), Beizbädern (Salzsäure etwa bei Raumtemperatur) und auch Dämpfen von Entfettungsmitteln bestanden. In einem Gefahrstoffmessbericht aus dem Jahre 1993 sei die Schadstoffkonzentration von Chromaten als unter den zulässigen Grenzwert und unter der damaligen Auslöseschwelle (( als 1/4 des TRK-Wertes) angegeben worden. Der höchste ermittelte Wert für Chromate aus dem Tätigkeitsbereich des Klägers bei der Firma H. sei mit 0,004 mg pro m³ angegeben worden. Zusammenfassend führte der Präventionsdienst aus, dass eine Exposition zu Chromaten zwischen Februar 1984 und Oktober 1992 werktäglich bestanden habe. Es sei zu Expositionen gegenüber Chrom (VI)-haltigen Aerosolen, zusätzlich gegenüber Chromsäurestäuben beim Nachschärfen der Chrombäder gekommen. Belastungen im Sinne einer BK 1103 vom Beginn der Tätigkeit bis zum Ausscheiden aus den Betrieben C. und H. seien unstreitig gegeben gewesen. Exakte Angaben über die Höhe der Belastung seien nicht möglich. Der BK-Report "Chrom und seine Verbindungen" (Stand Juni 2014) nenne in Tabelle 38 für Galvaniken und Tätigkeiten am Hartchrombad mit Erfassung sortierend aus 239 Messungen der Jahre 1986 bis 2010 einen personenbezogenen 90 %-Chrom (VI) - Wert von 0,022 mg pro m³. Für die Beschäftigungszeiten ab Oktober 1992 im Verkauf und zuletzt als Leiharbeiter sei von keiner Exposition zu Gefahrstoffen im Sinne der angefragten Berufskrankheiten-Nummern mehr auszugehen.
Am 03.02.2016 erstellte
Prof. Dr. E. ein wissenschaftlich begründetes arbeitsmedizinisches Gutachten nach Aktenlage. Eine krebserzeugende Wirkung von Chrom VI-Verbindungen bei Menschen sei nachgewiesen. Anhand der Arbeitszeiten des Klägers als Galvaniseur in den beiden chromverarbeitenden Betrieben und unter Berücksichtigung der erhöhten Wochenarbeitszeit ergäben sich bei einer rechnerischen Expositionsdauer von 10,9 Jahren 240 sogenannte Chromatjahre. Beim Kläger habe allerdings auch ein außerberufliches Risiko in Form eines Konsums von
ca. 40 Zigaretten pro Tag vorgelegen. Auch unter Berücksichtigung dieses außerberuflichen Risikos sei davon auszugehen, dass die festgestellte Exposition gegenüber Chrom VI-Verbindungen zumindest als wesentliche Teilursache der Erkrankung an einem Lungenkarzinom angesehen werden könne, sofern eine relevante berufliche Exposition vorgelegen habe. Die genaue Höhe der beruflichen Chromatexposition könne im Rahmen des arbeitsmedizinischen Fachgutachtens nicht weiter abgeklärt werden. Im Gutachten sei versucht worden, eine groborientierende Abschätzung vorzunehmen, was zu dem Ergebnis geführt habe, dass vermutlich eine relevante berufliche Exposition vorgelegen habe. Die endgültige Beurteilung der Einwirkungskausalität könne jedoch nicht dem medizinischem Sachverständigen obliegen, sondern müsse aus arbeitstechnischer Sicht erfolgen. Soweit die entsprechende berufliche Exposition und die Einwirkungskausalität aus arbeitstechnischer Sicht bestätigt würden, werde die Anerkennung einer BK nach der
Nr. 1103 der Berufskrankheitenliste empfohlen.
In der Akte der Beklagten findet sich ein Vermerk vom 29.02.2016, in dem auf die Veröffentlichung des
Prof. Dr. Brüning in der Zeitschrift ASU 2015, 666 bis 676 verwiesen wird, wonach im Sinne eines Orientierungsmaßes der Wert von 500 Expositionsjahren vorgeschlagen werde. Dieser Wert werde vorliegend nicht erreicht. Außerdem gehe
Prof. Dr. E. in seinem Gutachten mehrfach von Worst-Case-Szenarien aus, wodurch die - nicht genügenden - 240 Chromatjahre erst erreicht würden.
Prof. Dr. E. nahm hierzu am 06.04.2016 ergänzend dahingehend Stellung, dass der Vorschlag von
Prof. Dr. Brüning
u. a. ausdrücklich nur als Orientierungsmaß angegeben worden sei und nicht als starres Abschneidekriterium. Brüning
u. a. hätten darauf hingewiesen, dass es Aufgabe eines qualifizierten arbeitsmedizinischen Gutachters sei, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände die Plausibilität eines Kausalzusammenhangs zu beurteilen. Insoweit werde darauf hingewiesen, dass die BK
Nr. 1103 offen definiert und auch vom Verordnungsgeber kein Abschneidekriterium festgelegt worden sei. In der Individualbetrachtung sei die Risikoverdoppelung nicht von wesentlicher Bedeutung, da die Gruppentypik mit Aufnahme in die BK-Liste bereits bestätigt sei. Unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Literatur werde daher bei einer beruflichen Chrom VI-Exposition von 100 Chromatjahren ein relevantes berufliches Risiko im Sinne des BK-Rechts als gegeben angesehen.
Mit Stellungnahme vom 14.06.2016 widersprach die staatliche Gewerbeärztin
Dr. F. der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters, wobei sie sich auf die Argumentation in dem Aktenvermerk der Beklagten bezog und den Nachweis von maximal 240 Chromatjahren als nicht ausreichend für die Annahme einer Ursache-Wirkungsbeziehung ansah.
Mit Bescheid vom 20.07.2016 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung von Berufskrankheiten nach den Nrn. 1103, 4104 und 4109 ab, wobei sie sich auf das Gutachten des
Prof. Dr. D. und darauf stützte, dass auch danach 500 Chromatjahre nicht erreicht seien.
Den deswegen am 03.08.2016 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass auch
Prof. Dr. G. vom Klinikum D. als behandelnder Arzt die Erkrankung aufgrund der Belastungen mit Chromverbindungen nicht ausgeschlossen habe. Im Übrigen seien die Belastungen durch Chrom am Arbeitsplatz so groß gewesen, dass auch Mitarbeiter aus dem Büro und der Schlosserei hieran erkrankt seien. Die Namen der entsprechenden Mitarbeiter müssten der Beklagten bekannt sein. Er gehe daher davon aus, dass seine Belastungen noch höher gewesen seien als die Angaben in dem nach dem Ausscheiden aus der Firma erstellten Bericht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2016 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Beklagte sich auf ihre bisherige Argumentation stützte.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben deswegen am 05.12.2016 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage zu dem Aktenzeichen S 10 U 4163/16 erhoben. Mit der Klage wird der Vortrag des Klägers wiederholt und vertieft, insbesondere im Hinblick auf die nach Auffassung des Klägers erheblichen Belastungen mit Chrom bei seinen beiden Tätigkeiten für die Firma B. und die Firma C. Die nach dem Zeitablauf eingetretene mangelhafte Datenlage könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, nachdem dieser jedenfalls unbestreitbar mehrstündigen täglichen Belastungen über mehrere Jahre hinweg mit einschlägigen Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen sei. Die vorhandenen Daten zeigten, dass der Kläger bei der Firma B. Belastungen in fünffacher Höhe der Belastungen bei der Firma C. ausgesetzt gewesen sei, wonach erwiesen sei, dass der Kläger in dem längeren Beschäftigungsverhältnis ganz erheblichen Kontakt mit Chrom gehabt habe.
Der Kläger beantragt zuletzt noch,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2016 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach der
Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Die Beklagte hat eine zweite Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 18.04.2017 vorgelegt, in welcher dieser sich mit den Einwänden des Klägers auseinandersetzt. Danach sei eine durchgängige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in den genannten Betrieben von 50 Stunden pro Woche, wie von
Prof. Dr. E. zugrunde gelegt, nicht belegt. Die Annahme einer 44-Stunden-Woche über die gesamte Beschäftigungszeit werde nach Auffassung des Präventionsdienstes dem konkreten Sachverhalt mehr als gerecht. Ausgehend von den Messberichten lasse sich ein maximaler Summenwert für die kumulierte Chromat-Exposition von 164 Jahren abschätzen; dieser Wert sei für die Umrechnung in die Chrom (VI)-Exposition zu halbieren, woraus sich ein maximaler Summenwert der kumulierten Chrom VI-Exposition von 82 Jahren ergebe.
Das Verfahren ist am 01.08.2016 durch Beschluss des Präsidiums des SG der 7. Kammer zu dem neuen Aktenzeichen S 7 U 4163/16 übertragen worden.
Die Beklagte hat im Klageverfahren ergänzend Kopien von Messberichten vorgelegt, welche in der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 18.04.2017 genannt worden seien. Ferner hat die Beklagte eingeräumt, dass weitere Fälle von Krebserkrankungen infolge Chromateinwirkung bei den Firmen B. und C. gemeldet worden und zum Teil als auch Berufskrankheiten anerkannt worden seien. Eine Offenlegung der Fälle könne aus Gründen des Datenschutzes jedoch nicht erfolgen. Jedoch werde darauf hingewiesen, dass die anerkannten Fälle allein durch die langjährigen Beschäftigungszeiten von zum Teil mehr als 30 Jahren mehr Chromjahre erreicht hätten.
Am 08.11.2017 ist im SG ein Erörterungstermin durchgeführt worden, in welchem der Kläger seinen Klageantrag nach richterlichem Hinweis auf die Anerkennung einer BK
Nr. 1103 eingeschränkt hat. Der Kläger hat in dem Termin nähere Angaben zu seinen Arbeitszeiten gemacht, wobei er behauptete, teilweise faktisch in einer 80-Stunden-Woche gearbeitet zu haben. Im Übrigen hätten Absaugevorrichtungen teilweise sehr schlecht funktioniert, was er beim Einatmen gemerkt und was sich durch Nasenbluten bemerkbar gemacht habe. Er sei mit dem Gesicht oft über die Flüssigkeiten gebeugt gewesen und ansonsten etwa 1 m davon entfernt gewesen. Mit dem Rauchen habe er im April 2015 aufgehört, begonnen habe er hiermit im Alter von etwa 17 Jahren. Ab dem Alter von 21
bzw. 22 Jahren bis zum Jahre 2015 habe er täglich eine Packung Zigaretten am Tag geraucht.
Nach Maßgabe der damals zuständigen Kammervorsitzenden hat der Präventionsdienst der Beklagten daraufhin eine weitere Berechnung zur Chromateinwirkung vorgenommen, bei der für die Belastung bei der Firma B. zu 70 % eine 42-Stunden-Woche und zu 30 % eine Arbeitszeit von mehr als 42 Stunden (davon 10 % 80-Stunden-Woche, 90 % 55-Stunden-Woche), keine längere Arbeitsunfähigkeit, 30 Werktage Urlaub im Jahr und 95 % Arbeitszeiten im Hartchrombereich und 5 % in anderen Bereichen, jedoch weiterhin in derselben Halle zugrunde gelegt werden sollten.
Der Präventionsdienst hat hierzu am 05.12.2017 eine erneute Berechnung vorgelegt, in welcher eine Chromatexposition (CrO3) von 162 Jahren und eine Chrom VI-Exposition von 93 Jahren mitgeteilt worden ist.
Durch Beschluss des Präsidiums ist das Verfahren zum 01.04.2018 der zuletzt zuständigen 4. Kammer zu dem Aktenzeichen S 4 U 4163/16 übertragen worden.
Im Auftrag des SG hat der Arbeitsmediziner
Prof. Dr. K. am 06.06.2018 ein Fachgutachten vorgelegt, in welchem dieser die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit
Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV bejaht. Es handele sich um eine sogenannte stochastische BK, die mit Chrom einen konkreten Schadstoff, aber keine definierte Erkrankung als Folge der Einwirkung benenne, und bei der eine für die berufliche Verursachung generell als hinreichend angesehene Dosis nicht genannt werde. Hinzukomme, dass bei krebserzeugenden Stoffen wissenschaftlich grundsätzlich keine Mindestdosis zu belegen sei, bei deren Unterschreiten der Eintritt einer Krebserkrankung auszuschließen wäre. Im Ergebnis werde daher für die Bejahung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Verursachung durch die berufliche Einwirkung die Berechnung der Verdoppelungsdosis herangezogen. Dieses Verfahren habe zur Folge, dass statistisch gesehen die Unfallversicherungsträger auch Krankheiten entschädigen, die zur Hälfte auch ohne diese Einwirkung entstanden wären. Vor diesem Hintergrund sehe er den Vorschlag eines Konsenswertes von 500 Chromatjahren gemäß der zitierten Fundstelle von
Prof. Dr. Brüning
u. a. kritisch, da die Berechnung einer Risikoverdoppelung unmittelbar von der statistischen Erkrankungshäufigkeit in der gewählten Referenzgruppe abhänge. Brüning lege das Lebenszeitrisiko von
ca. 5 % für Lungenkrebs in der Allgemeinbevölkerung zugrunde, wohingegen seiner Auffassung nach das allgemeine Lungenkrebsrisiko in der jeweiligen Altersgruppe passend zum individuellen Erkrankungsalter der versicherten Person zugrunde gelegt werden müsse. Übereinstimmung bestehe mit
Prof. Dr. E. dahingehend, dass der Raucherstatus nicht zu berücksichtigen sei, da in dem Referenzkollektiv auch keine Trennung nach Raucherstatus erfolge, also in diese Zahlen auch alle erkrankten Raucher Eingang gefunden hätten. Ausgehend von seiner Berechnung, welche auch durch eine Studie des US-amerikanischen National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) aus dem Jahre 2003 gestützt werde, liege die für den Kläger ermittelte kumulative Chrom VI-Exposition mit 93 Chromatjahren um den Faktor 10 über dem Wert, ab dem von einem signifikant erhöhten Risiko auszugehen sei. Vor diesem Hintergrund sei eine BK
Nr. 1103 bei dem Kläger mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit zu bestätigen, weswegen das bei dem Kläger Anfang April 2015 festgestellte ausgedehnte Bronchialkarzinom linksseitig im Stadium IIIB als Berufskrankheit mit einer
MdE um 100 v. H. bis einschließlich März 2020 anerkannt werden sollte. Dem Gutachten des
Prof. Dr. E. stimme er im Wesentlichen zu, jedoch sehe er die Schwelle für die Mindestexposition der Anerkennung der geltend gemachten BK als wesentlich niedriger an.
Die Beklagte ist auch den Ausführungen des zweiten Gutachters entgegengetreten. Zwar sei einzuräumen, dass der Verordnungsgeber den Wortlaut der BK
Nr. 1103 denkbar weit gefasst und die Anerkennung dieser BK nicht vom Erreichen bestimmter Grenzwerte abhängig gemacht habe. Die aktuellen arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse sähen eine Anerkennung indes erst ab einer Chromat-Exposition von 500 Chromatjahren vor (mit Verweis auf Mehrtens/Brandenburg, Handkommentar BKV, M1103,
S. 7). Schließlich stehe auch der erhebliche Zigarettenkonsum des Klägers einer Anerkennung der geltend gemachten BK im konkreten Fall entgegen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.
Die Klage ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags zulässig und begründet.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7
Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9
Abs. 1 Satz 1
SGB VII).
In
Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen als BK anerkannt. Voraussetzung für die Anerkennung dieser BK ist einerseits das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen (berufliche Belastung / Exposition) sowie einer einschlägigen Erkrankung aufgrund dieser Belastung. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß sowie die entsprechende Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (
vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112;
BSG, Urt. vom 28.03.2003 -
B 2 U 33/03 R -).
Bei dem Kläger liegt mit dem 2015 festgestellten linkszentralen kleinzelligen Bronchialkarzinom eine Erkrankung im Sinne von § 9
Abs. 1
SGB VII i.V.m. der BK
Nr. 1103 vor, weil Chrom-VI-Einwirkungen geeignet sind, Bronchialkarzinome zu verursachen (
vgl. Merkblatt zur BK
Nr. 1103,
Bek. des BMA vom 25.2.1981 im BArbBl Heft 4/1981,
S. 4, wonach die Entstehung eines "Chromatlungenkrebses" infolge langdauernder Einwirkung von Chromaten auf die Bronchialschleimhaut möglich ist). Bei der BK
Nr. 1103 handelt es sich um einen sog. offenen BK-Tatbestand, der u.a. keine konkrete Erkrankung benennt, die bei dem Versicherten diagnostiziert werden muss, um den BK-Tatbestand bejahen zu können. Anerkennungsfähig sind deshalb alle Krankheiten, die durch die benannten Einwirkungen potentiell verursacht werden können (
BSG, Urteil vom 30. März 2017 -
B 2 U 6/15 R -, BSGE [vorgesehen], SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 14
m.w.N.).
Zwischen den festgestellten gefährdenden Einwirkungen i.
S. der BK
Nr. 1103 durch Chrom-VI und der Lungenkrebserkrankung des Klägers besteht auch ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne.
Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Voraussetzung für die Anerkennung der BK
Nr. 1103 ist deshalb, dass die Lungenkrebserkrankung des Versicherten durch die während seiner versicherten Tätigkeit erfolgten Einwirkungen von Chrom-VI verursacht worden ist. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sog. ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sog. zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist (
BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9
Nr. 26, RdNr 19 mwN;
BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE [vorgesehen], SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 16).
Ein naturwissenschaftlich gesicherter oder anerkannter Grenzwert für eine Dosis-Wirkungsbeziehung besteht bei der BK
Nr. 1103 derzeit nicht. Auch ist die BK durch den Verordnungsgeber ausdrücklich - anders als bestimmte andere Berufskrankheiten - nicht mit einem Grenzwert für eine Mindest-Exposition verknüpft worden. Mithin zeigt bereits die Normformulierung der BK
Nr. 1103, dass Chrom und seine Verbindungen vom Verordnungsgeber auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft werden, was durch die bekannten Forschungsbefunde eindrucksvoll belegt wird (
vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE [vorgesehen], SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 24).
Den Forschungsergebnissen lässt sich zudem die Tendenz entnehmen, bei immer geringeren Einwirkungsmengen eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit zu bejahen. Während im Jahr 1994 für die Annahme einer erheblichen inhalativen Chrom-VI-Belastung und die Anerkennung der BK
Nr. 1103 ein Chromat-Jahre-Wert von 2.000 für CrO3
bzw. 1.000 für Chrom-VI für Lichtbogenschweißer und für andere Tätigkeiten Werte von 1.000 für CrO3
bzw. 500 für Chrom-VI vorgeschlagen wurden (Norpoth und Popp, zusammenfassend dargestellt bei Pesch u.a., ASUMed 2009,
S. 336, 337), nennt eine Studie aus dem Jahr 2005 einen Grenzwert von 1.300 Chromat-Jahren (Luippold, zusammenfassend dargestellt bei Pesch u.a., ASUMed 2009,
S. 336, 340; dies. ASUMed 2015,
S. 666, 671). Aufbauend auf einer Studie aus dem Jahr 2000 (Gibb u.a.) wurde im Jahr 2006 von einem ursächlichen Zusammenhang bei einem Wert von 300 Chromat-Jahren ausgegangen (Borsch-Galetke, zusammenfassend dargestellt bei Pesch u.a., ASUMed 2009,
S. 336, 341; zu den Schwächen der Studien
vgl. B./Pesch u.a., ASUMed 2015,
S. 666, 670
ff.; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017,
S. 1176). Die Tendenz zur Annahme immer geringerer Werte wird gestützt durch die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (
BAuA) veröffentlichte Begründung in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 910 zur Exposition-Risiko-Beziehung bei Chrom-VI. Das Ziel solcher präventiven Grenzwerte ist die Ermittlung einer Dosis, ab der die ernsthafte Möglichkeit einer Gefährdung besteht, so dass aus ihnen keine direkten Aussagen über retrospektiv betrachtete Dosis-Wirkungsbeziehungen abgeleitet werden können (vgl hierzu Bieresborn, SGb 2016, 310, 319; Seidler, ZblArbeitsmed 2014, 325, 326; alle zitiert nach
BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE [vorgesehen], SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 20 - 21).
Demnach ist anerkannt, dass auch eine Dosis von 300 Chrom VI-Jahren bereits zur Bejahung der naturwissenschaftlichen Kausalität führen kann (
BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE [vorgesehen], SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Leitsatz 1). Mit dieser Feststellung ist allerdings nicht der Umkehrschluss verbunden, dass unterhalb einer errechneten Belastung von 300 Chrom VI-Jahren keine Verursachung einer BK
Nr. 1103 angenommen werden kann.
Der Präventionsdienst hat im Fall des Klägers am 05.12.2017 eine aktuelle und schlüssige Berechnung vorgelegt, nach der von einer Chromatexposition (CrO3) von 162 Jahren und eine Chrom VI-Exposition von 93 Jahren auszugehen ist.
Nach den beiden schlüssigen und überzeugenden Gutachten des
Prof. Dr. E. und des
Prof. Dr. K. geht die Kammer mit den Gutachtern davon aus, dass diese Exposition grundsätzlich geeignet ist, eine BK der
Nr. 1103 zu verursachen, und im naturwissenschaftlichen Sinne die Krebserkrankung des Klägers im konkreten Fall auch verursacht hat. Zwar ging
Prof. Dr. E. in seinem Gutachten von ausreichenden 100 Chrom VI-Jahren aus, die der Kläger vorliegend nicht ganz erreicht. Allerdings legte dieser Gutachter bei seiner Stellungnahme 240 nachgewiesene Jahren zugrunde, weswegen dies für ihn kein Ausschlusskriterium darstellte. Der ergänzenden Stellungnahme des
Prof. Dr. E. vom 06.04.2016 lässt sich indes hinreichend deutlich entnehmen, dass nach seiner Argumentation auch knapp unterhalb eines Gesamtbelastungswerts von 100 Chrom VI-Jahren die Kausalität zu bejahen ist.
Die beiden Gutachter stellen zu Recht heraus, dass nach wie vor keinerlei Mindestwert als Grenzwert benannt werden kann. Die maßgebliche Zusammenfassung des medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Berücksichtigung der auch international vorhandenen Studien durch Brüning u.a. schlägt einen Grenzwert von 500 Chrom VI-Jahren vor, der durch die oben aufgezeichnete Entwicklung in der Wissenschaft und Rechtsprechung bereits überholt ist (ASU 2015,666;
vgl. auch IPA-Journal 2015, 14; zitiert in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017,
S. 1175 f.; auch die von der Beklagten zitierte Fundstelle Mehrtens/Brandenburg, Handkommentar BKV, M 1103,
S. 7 gibt im Wesentlichen die Erkenntnisse von Brüning u.a. wieder). Angesichts der bisherigen Entwicklung im Sinne einer beständigen Absenkung der Grenz-
bzw. Orientierungswerte erscheint es plausibel, dass die beiden konkret mit dem Fall des Klägers befassten Gutachter auch bei dessen unterhalb 300 Chromat VI-Jahren liegender Expositionszeit eine Kausalität bejahen. Die Kammer lässt hierbei offen, ob mit der Argumentation des
Prof. Dr. K. auch bereits eine Exposition von lediglich
ca. 10 Chromat VI-Jahren als ausreichend angesehen werden kann. Denn jedenfalls erscheint nach der schlüssigen Argumentation der Gutachter im Übrigen bei einer Chrom-VI-Exposition von 93 Jahren unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsbedingungen des Klägers ein wesentliches Erhöhungsrisiko, eine Erkrankung im Sinne der BK
Nr. 1103 zu erleiden, als nachgewiesen.
Insoweit stellen auch Brüning u.a. in ihrem Aufsatz ausdrücklich fest, dass es sich bei den bis dato angenommenen 500 Chrom VI-Jahren nur um einen "Orientierungswert" (ASU 2015, 666) und nicht um ein "starres Abschneidekriterium" (ASU 2015, 674) im Sinne eines Konsenses handelt, bei dessen Vorliegen keine Zweifel mehr an der Kausalität veranlasst sind. Auch soll es sich nach Brüning u.a. nicht um das alleinige Entscheidungskriterium im BK-Verfahren handeln (ASU 2015, 674). Damit ist auch nach der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur in geeigneten Einzelfällen wie dem des Klägers die Anerkennung eines geringeren Belastungswertes möglich. Dies berücksichtigt den wesentlichen Umstand, dass der Verordnungsgeber angesichts des Gefahrenpotentials von Chrom und seinen Verbindungen den Wortlaut der BK
Nr. 1103 denkbar weit gefasst hat und die Anerkennung dieser BK gerade nicht von der Erreichung bestimmter Grenzwerte abhängig machen wollte (
vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 24).
Schließlich stellt auch das Merkblatt zur BK
Nr. 1103 speziell für den beim Kläger liegenden Bronchialkrebs fest, dass die Entstehung eines "Chromatlungenkrebses" infolge langdauernder Einwirkung von Chromaten
(z. B. Zinkchromat) auf die Bronchialschleimhaut möglich ist und insofern "meist" eine langjährige Exposition vorausgegangen ist; dies bedeutet aber, dass auch die Formulierung des Merkblattes dafür offen ist, dass in bestimmten ungünstigen Konstellationen eine weniger als einjährige berufliche Exposition gegenüber Chromaten ausreichend sein kann (
vgl. Merkblatt zur BK
Nr. 1103,
Bek. des BMA vom 25.2.1981 im BArbBl Heft 4/1981,
S. 4).
Im Ergebnis ist daher in Übereinstimmung mit den beiden Gutachtern von einer ausreichenden beruflichen Gefahrstoff-Exposition im Sinne einer BK der
Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV auszugehen.
Neben der naturwissenschaftlich zu bejahenden Kausalität liegt zur Überzeugung der Kammer auch die Kausalität im Sinne der rechtlichen Wesentlichkeit der Verursachung vor.
Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden. Die Wesentlichkeit einer (Mit-)Ursache ist eine reine Rechtsfrage, die sich nach dem Schutzzweck der Norm beantwortet. Die rechtliche Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Einwirkung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Erkrankung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (
BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8
Nr. 46, RdNr 37;
BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 4104
Nr. 2 RdNr. 23). Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat (
BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 4104
Nr. 2, RdNr. 22;
BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, Rn. 23,
m.w.N.).
Die Gutachter halten die Exposition des Klägers gegenüber Chrom und seinen Verbindungen auch für rechtlich wesentlich im oben angeführten Sinn, was von ihnen schlüssig dargelegt wird; zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen der Gutachter Bezug genommen. Der Zigarettenkonsum des Klägers von 1985/1986 bis zum Jahr 2015 (
ca. 29 Packungsjahre) steht der Bejahung der rechtlich wesentlichen Verursachung nicht entgegen. Eine konkurrierende Ursache kann insoweit entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht angenommen werden. Denn der Versicherte wird im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung in dem gesundheitlichen Zustand geschützt, in dem er mit dem gefährdenden Stoff konfrontiert wird. Wenn ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen einer beruflichen Einwirkung und einer Erkrankung festgestellt wurde, kann die rechtliche Wesentlichkeit dieser Einwirkung nicht bereits deshalb verneint werden, weil eine außerberufliche Einwirkung ebenfalls geeignet war, die Erkrankung des Versicherten hervorzurufen (
BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R -, BSGE (vorgesehen), SozR 4-5671 Anl. 1
Nr. 1103
Nr. 1, zu einem Fall mit dem dokumentierten Nikotinkonsum von 30 Packungsjahren). Zusätzlich ist hierzu auf die schlüssigen Ausführungen des Gutachters
Prof. Dr. K. hinzuweisen, wonach das von ihm festgestellte erhöhte Krankheitsrisiko bei Chrom-Exposition in beiden Vergleichsgruppen auch Raucher enthielt, weswegen insoweit auch für Raucher bei einer genügenden Chrom-Exposition eine rechtlich wesentliche Erhöhung des Erkrankungsrisikos vorliegt.
Schließlich steht der rechtlichen Wesentlichkeit auch nicht der Umstand entgegen, dass die letzte erhöhte Chromexposition im Jahr 1992 stattfand. Denn auch Jahre nach Wegfall der Exposition kann sich noch ein derartiger "Chromatlungenkrebs" entwickeln (
vgl. Merkblatt zur BK
Nr. 1103,
Bek. des BMA vom 25.2.1981 im BArbBl Heft 4/1981,
S. 4).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.