Urteil
Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 (Mesotheliom - Tumor - des Rippenfells durch Asbest)

Gericht:

LSG Hessen 3. Senat


Aktenzeichen:

L 3 U 124/14


Urteil vom:

21.02.2017


Grundlage:

  • SGB VII § 9 Abs. 1 |
  • BKV Anlage 1 Nr. 4105

Leitsatz:

Das Vorliegen eines Pleuramesothelioms gilt medizinisch auch dann als gesichert, sofern ein wahrscheinliches Mesotheliom der Kategorie B des Euroäischen Mesotheliompanels vorliegt. Auch der juristische Vollbeweis im Sinne der vollen richterlichen Überzeugung ist in diesem Fall erbracht. Die Anforderungen an den juristischen Vollbeweis gehen bei der Feststellung medizinischer Tatschen grundsätzlich nicht über den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft hinaus.

Pressemitteilung:

(Nr. 5/17 vom 3.04.2017)

Berufskrankheiten sind - ebenso wie Arbeitsunfälle - Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells ist eine solche Berufskrankheit. Ein Mesotheliom ist bereits dann nachgewiesen, wenn es aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft als wahrscheinlich diagnostiziert worden ist. Bei der Feststellung der medizinischen Tatsachen sind insoweit trotz des grundsätzlich erforderlichen juristischen Vollbeweises keine höheren Anforderungen zu stellen.

Ein Mann aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg war von 1948 bis 1993 als Schlosser und später als Elektriker tätig. Bei diesen Tätigkeiten musste er Asbestplatten schneiden und häufig Lötarbeiten mit Asbestband durchführen. Im Jahre 2011 erkrankte der 77-jährige Mann an einem Tumor im Bereich des Brustkorbes. Aufgrund des histologischen Befundes wurden ein Mesotheliom sowie hiervon abweichende Erkrankungen diagnostiziert. Nach wenigen Monaten verstarb der Mann an der Krebserkrankung.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4105 mit der Begründung ab, dass ein Mesotheliom lediglich wahrscheinlich, nicht aber im Vollbeweis nachgewiesen sei. Da eine Obduktion nicht erfolgt sei, habe das Tumorbild nicht zweifelsfrei geklärt werden können. Die Witwe des Verstorbenen erhob Klage gegen die Berufsgenossenschaft.

Die Diagnose eines wahrscheinlichen Mesothelioms reicht als Nachweis aus

Die Richter verurteilten die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung einer Berufskrankheit.

Pleuramesotheliome seien zu ca. 70 - 80 % asbestinduziert. Die Diagnose "Mesotheliom" sei eine Ausschlussdiagnose, zu welcher neben der Histologie auch klinische Angaben zur Tumorerkrankung sowie Angaben zur Asbestexposition gehörten. Erfahrungsgemäß lägen zwischen der beruflichen Asbestexposition und der Entwicklung eines Pleuramesothelioms durchschnittlich mehr als 30 Jahre. Unter Umständen reiche eine nur geringfügig vermehrte Asbestbelastung aus, die nicht mit fibrosierenden Lungenveränderungen einhergehe. Aufgrund des variantenreichen histologischen Tumortyps könnten differenzialdiagnostische Schwierigkeiten in der Abgrenzung zu anderen Tumorerkrankungen bestehen. Vor diesem Hintergrund habe das Europäische Mesotheliompanel ein Wertungsschema entwickelt. Danach gelte die Diagnose "malignes Mesotheliom" medizinisch als gesichert, sofern die Kategorie A (sicheres Mesotheliom) oder die Kategorie B (wahrscheinliches Mesotheliom) vorliege.

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit sei im Vollbeweis nachzuweisen, dass die entsprechende Erkrankung vorliege. Der juristische Vollbeweis erfordere jedoch keine absolute Sicherheit. Wenn die Diagnose eines Mesothelioms der Kategorie B medizinisch als gesichert gelte, sei auch der juristische Vollbeweis erbracht. Die Anforderungen an den juristischen Vollbeweis gingen bei den Feststellungen medizinischer Tatsachen grundsätzlich nicht über den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft hinaus.

Zudem habe die Berufsgenossenschaft die Angehörigen des Verstorbenen nicht auf die Bedeutung einer Obduktion hingewiesen. Der hierdurch eingetretene Beweisnotstand führe dazu, dass weniger hohe Anforderungen an den Nachweis eines Mesothelioms zu stellen seien.

Rechtsweg:

SG Gießen, Urteil vom 14.03.2014 - S 1 U 74/12

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. März 2014 wird zurückgewiesen.

II.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 (Mesotheliom - Tumor - des Rippenfells durch Asbest) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die Klägerin ist die Witwe des 1934 geborenen und 2011 verstorbenen Versicherten D. A. Dieser war von 1948 bis 1993 als Schlosser, später Elektriker bei E. im Werk F. beschäftigt und bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Erstmals am 12. Juli 2011 ging bei der Beklagten eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige der Asklepios Burgseekliniken, Bad Salzungen, ein. Die Beklagte leitete ein Verwaltungsverfahren ein, nahm telefonisch Kontakt mit dem Versicherten auf und befragte diesen insbesondere zum beruflichen Werdegang und seinem Umgang mit belastenden Materialien. Der Versicherte gab darin an, er habe Asbestplatten schneiden müssen und habe Lötarbeiten mit Asbestband in größerem Umfang durchgeführt. Aufgrund dessen führte die Beklagte Ermittlungen wegen der Schwere der Erkrankung des Versicherten durch. Sie zog einen Arztbrief des Prof. Dr. G., Thoraxzentrum der Klinik für Thorax- und Gefäßchirurgie, Zentralklinik Bad Berka GmbH vom 18. Juli 2011 bei, in dem mitgeteilt wird, der histologische Befund nach Operation am 1. Juni 2011 (parietale totale Pleurektomie rechts) spreche für ein Pleuramesotheliom, ebenso die immunhistochemische Untersuchung durch Dr. H., Labor für Pathologie, Bad Berka/Thüringen, vom 7. Juli 2011, weitere konsiliarische Beurteilungen würden nach Vorstellung des Materials indes andere Diagnosen favorisieren. So nehme Prof. Dr. J., Institut für Pathologie Ruhr-Universität Bochum eher ein epitheloides Angiosarkom an (Bericht vom 21. Juni 2011), während Prof. Dr. I., Konsultations- und Referenzzentrum für Weichgewebstumoren am Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Jena, die Diagnosen sarkomatoides Karzinom bzw. die Metastase eines solchen Tumors diskutiere (Berichte vom 5. Juli 2011, 8. Juli 2011).

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV ab. Die beruflichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 seien nach den Feststellungen im Verwaltungsverfahren zwar gegeben. Der Versicherte sei während seiner Beschäftigungszeit im Bergbau einer Asbestbelastung ausgesetzt gewesen. Die Berufskrankheit nach Nr. 4105 sei indes nicht nachgewiesen. Insbesondere nach den Befunden der Institute für Pathologie des Universitätsklinikums Jena und der Ruhr-Universität Bochum sei ein malignes Mesotheliom nicht im Vollbeweis gesichert.

Die Tochter des Versicherten erhob für ihren Vater am 14. November 2011 Widerspruch und teilte mit, ihr schwer erkrankter Vater liege im künstlichen Koma. Am 23. November 2011 teilte sie der Beklagten telefonisch mit, ihr Vater sei am xx.xx.2011 verstorben und am xx.xx.2011 beigesetzt worden. In dem Gespräch erbat die Beklagte eine Vollmacht für die Ehefrau des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin und die Anschrift des Krankenhauses, in dem der Versicherte verstorben war (Telefonvermerk vom 23. November 2011). Die Beklagte zog die Krankenakte des Versicherten vom Klinikum Bad Hersfeld bei, in der sich u. a. ein pathologisch-anatomisches Gutachten von Dr. K., Institut für Pathologie und Zytologie Marburg, befindet sowie ein Bericht des Chefarztes Dr. L., Klinik für Innere Medizin, vom 2. Mai 2011, in dem die Beschwerden des Klägers laut Anamnese sowie Untersuchungsbefunde vom 1. April 2011 und die Ergebnisse der im April 2011 dort durchgeführten bildgebenden Verfahren (Rö-Thorax und Thoraxangio-CT) mitgeteilt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin des Versicherten am 25. Mai 2012 Klage beim dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) erhoben. Sie ist der Ansicht, bei ihrem verstorbenen Ehemann lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 vor.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens nach Aktenlage von Prof. Dr. M., Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) vom 15. November 2012 mit einem pathologischen Zusatzgutachten von Prof. Dr. C., ebenfalls UKGM, vom 8. November 2012. Der pathologische Zusatzgutachter Prof. Dr. C. hat die histopathologischen und immunhistochemischen Untersuchungsbefunde der Pathologen Dr. H., Prof. Dr. I., Prof. Dr. J. und des Instituts für Pathologie und Zytologie in Marburg ausgewertet und kommt in seinem Gutachten vom 8. November 2012 zu dem Ergebnis, ein "sicheres Mesotheliom" (Typ A nach CEC Panel) könne nicht angenommen werden, da die Tumorzellen von den Mesotheliom-assoziierten Markern nur eine Positivität für den Marker Pan-Cytokeratin aufwiesen (Feststellungen der Pathologen Dr. H., Prof. Dr. I. und Prof. Dr. J.), jedoch überwiegend negativ für weitere Mesotheliom-assoziierte Marker (wie D240, WT1, Calretinin und CK5/6) blieben. Gleichzeitig lasse sich ein "nicht wahrscheinliches Mesotheliom" (Typ D nach CEC Panel) und die Entität "sicher kein Mesotheliom" (Typ E nach CEC Panel) ebenso sicher ausschließen, da gerade sarkomatoide Pleuramesotheliome neben einer hier nachgewiesenen Positivität für Cytokeratin häufg negativ für die weiteren Mesothelmarker ausfallen könnten. Für die Diagnose eines malignen Mesothelioms sei hier daher entscheidend, ob ein "wahrscheinliches Mesotheliom" (Typ B nach CEC Panel) oder nur ein "mögliches Mesotheliom" (Typ C nach CEC Panel) vorliege. Innerhalb der histopathologischen, immunhistochemischen, aber auch molekulargenetischen Diagnostik sei bei einer geringen Anzahl von Tumoren trotz des Einsatzes aller verfügbaren Methoden und Techniken keine eindeutige und definitive, und häufig dann nur der Wahrscheinlichkeit folgende Klassifikation möglich. Diese sollte dann in jedem Fall im Kontext und wenn möglich in Einklang mit der klinischen Gesamtkonstellation getroffen werden. Vorliegend sei angesichts der klinischen Aspekte mit dem Vorliegen einer Asbestexposition, bildgebend gut vereinbaren Befunden eines von der Pleura ausgehenden Primärtumors, mit der pathologisch wegweisenden Positivität für Pan-Keratinmarker und dem mit einem Pleuramesotheliom gut vereinbaren sarkomatoiden Wachstumsmuster ein wahrscheinliches Mesotheliom (Typ B nach CEC Panel) anzunehmen. Prof. Dr. M. hat auf dieser Grundlage die Diagnose eines primären malignen Pleuramesothelioms (Typ B nach CEC Panel) im Vollbeweis als gesichert angesehen. Ein Karzinom anderer Genese der Lunge sei von sämtlichen Pathologen eindeutig ausgeschlossen worden. Hinweise für Metastasen eines Tumors anderer Entität seien klinisch nicht nachweisbar. Der Ursachenzusammenhang der Erkrankung mit der (unstreitigen) Asbestfaserstaubbelastung sei hinreichend wahrscheinlich. Die zu einer solchen Erkrankung führenden Asbestfaserstaubdosen seien im Gegensatz zu dem asbestverursachten Lungenkarzinom oder zur Asbeststaublungenerkrankung sehr gering. Typisch für die Erkrankung sei auch die hier gegebene lange Latenzzeit zwischen dem Beginn der Asbestfaserstaubeinwirkung und dem Beginn der Erkrankung.

Die Beklagte hat dazu eine fachpathologische Stellungnahme von Prof. Dr. J. vom 7. Februar 2013 vorgelegt, wonach auch nach erneuter Kenntnisnahme der Schnittpräparate aus pathologisch-anatomischer Sicht der Vollbeweis eines malignen Mesothelioms nicht zu erbringen sei, da lediglich der Mesotheliommarker Cytokeratin und nicht die anderen Marker eine verwertbare positive Reaktion gezeigt hätten. Bestenfalls sei von einem Mesotheliom der Kategorie C auszugehen. Da eine Obduktion nicht erfolgt sei, könne das Tumorbild nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Während des Klageverfahrens lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2013 die Anerkennung weiterer Berufskrankheiten nach Nrn. 4103 und 4104 der Anlage 1 zur BKV ab. Trotz vorhanden gewesener Asbestexposition liege ein histologisch gesicherter Primärtumor der Lunge nicht vor.

Mit Urteil vom 14. März 2014 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, bei dem verstorbenen Versicherten eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Mit Prof. Dr. C. und Prof. Dr. M. sei davon auszugehen, dass bei dem verstorbenen Versicherten ein Mesotheliom Typ B nach CEC Panel vorgelegen habe. Der pathologische Sachverständige habe die an den verschiedenen pathologischen Instituten durchgeführten Untersuchungen der Schnittpräparate verglichen und überzeugend bewertet. Prof. Dr. M. habe hierzu unterstützend die klinische Diagnostik dargestellt. Ein Pleuramesotheliom sei daher nicht im Vollbeweis gesichert, es liege aber ein wahrscheinliches Pleuramesotheliom vor, was bei dieser Berufskrankheit zur Anerkennung ausreichen müsse. Im Übrigen sei für das Gericht aus der Akte nicht ersichtlich, warum die Beklagte trotz vorheriger Meldung des Verdachts es unterlassen habe, die Durchführung einer Obduktion zumindest mit den Angehörigen des Versicherten abzustimmen.

Gegen das ihr am 20. Juni 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Juli 2014 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Sie trägt vor, es fehle am Nachweis eines Pleuramesothelioms, so dass die Anerkennung einer Berufskrankheit des Versicherten ausscheide. Ein "wahrscheinliches Mesotheliom" sei juristisch kein nachgewiesenes Mesotheliom. Selbst ein nur "wahrscheinliches Mesotheliom" nach der Kategorie B sei hier aber nicht gegeben, vielmehr nur ein mögliches Mesotheliom der Kategorie C, welches in keinem Fall dem Vollbeweis genüge. Zwar habe die Beklagte es versäumt, rechtzeitig auf die Möglichkeit einer Obduktion hinzuweisen. Dies führe aber nicht zu einer Beweislastumkehr, sondern nur zu einer Beweiserleichterung, die sich hier nicht zugunsten der Klägerin auswirke.


Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. März 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.


Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat am 11. August 2015 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und darauf hingewiesen, dass der Vollbeweis juristisch hier dann gegeben sei, wenn nach den Leitlinien ein Mesotheliom der Kategorie A oder B vorliege. Zudem hat der Senat darauf hingewiesen, dass eine Beweiserleichterung für die Klägerin im Hinblick auf den Nachweis des Vorliegens der Erkrankung in Betracht komme, da die Beklagte nach Aktenlage nicht auf die Möglichkeit und Bedeutung einer Obduktion bzw. Exhumierung hingewiesen habe.

Sodann hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens durch Prof. Dr. C. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 16. Dezember 2015 nach nunmehr eigener pathologisch-anatomischer Untersuchung des Paraffintumorblockmaterials des Versicherten ausgeführt, bei unstreitiger Asbestfaserbelastung habe bei dem Versicherten im Bereich der Pleura eine sehr ausgedehnte sarkomatoide Neoplasie bestanden, die unter Zusammenschau aller morphologischen, immunhistochemischen und molekulargenetischen Ergebnisse als sarkomatoides Mesotheliom der Pleura vom Typ B nach CEC Panel (wahrscheinliches Pleuramesotheliom) einzuordnen sei. Obschon eine sarkomatoide Neoplasie andersartiger Differenzierung nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, hätten sich doch in den ausführlichen immunhistochemischen Untersuchungen keine Hinweise für eine andersartig differenzierte sarkomatoide Neoplasie ergeben, speziell habe ein in den Vorgutachten favorisiertes Angiosarkom nicht gesichert werden können. In seiner weiteren Stellungnahme vom 22. April 2016 erläutert der Sachverständige ergänzend, bei einem nur möglichen Mesotheliom der Katogorie C fehlten ausreichende Hinweise für eine positive Diagnose, während bei einem wahrscheinlichen Mesotheliom der Kategorie B das Fehlen gewisser histologischer Details zu leichten Zweifeln Anlass gebe. Bei dem verstorbenen Versicherten sei die Wahrscheinlichkeit der Diagnose wegen des Vorliegens der von allen Gutachtern bestätigten Kausalkette mit Asbestexposition, Nachweis eines primären Pleuratumors und einer schwankenden Positivität für den Marker Zytokeratin anzunehmen als den wesentlichen, ausreichenden klinischen und histologischen Aspekten für die Diagnose. Das Fehlen von weiteren Mesotheliomspezifischen Markern, das allerdings gerade bei sarkomatoid differenzierten Mesotheliomen nicht selten beobachtet werde, könne als Fehlen eines histologischen Details interpretiert werden. Angesichts der unstreitigen positiven Berufsanamnese und des klinischen Erscheinungsbildes wäre vielmehr bei der Feststellung weiterer spezifischer Marker das Mesotheliom nach der Kategorie A gesichert gewesen.

Prof. Dr. J. hat dem in ihrer von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 24. März 2016 entgegen gehalten, Zweifel an der Mesotheliomdiagnose ergäben sich vor allem aus der Tatsache, dass ein diese Erkrankung beweisendes immunhistochemisches Markerprofil von mittlerweile drei untersuchenden Pathologen im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit sowie der Erstbefundung nicht habe erbracht werden können und nach der von Prof. Dr. C. durchgeführten molkularpathologischen Untersuchung auch ein als beweisend einzustufender Gendefekt fehle. Sicherlich gebe es durchaus sarkomatoide Mesotheliome, die immunhistochemisch den Nachweis charakteristischer Marker vermissen ließen. Auch komme es gelegentlich vor, dass bei einigen Mesotheliomen ein u. a. spezifischer molekularpathologisch nachweisbarer Gendefekt fehle. Bei diesen Befunden sei ein malignes Mesotheliom aber nur möglich im Sinne der Kategorie C und genüge nicht dem Vollbeweis. In ihrer weiteren Stellungnahme vom 24. Mai 2016 weist Prof. Dr. J. nochmals auf die Relevanz einer Obduktion hin und führt aus, nach ihrer Auffassung könne es sich bei der Erkrankung des Versicherten differenzial-diagnostisch auch um die Metastase eines spindelzelligen Karzinoms handeln. Sie empfehle daher der Beklagten dringend noch die Faserjahrberechnung durchführen zu lassen. Sofern im vorliegenden Falle tatsächlich eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 25 oder mehr Faserjahren erreicht wäre, komme sodann eine Berufskrankheit nach Nr. 4104 in Betracht.

Die Beklagte hat nach nochmaliger Überprüfung durch den Präventionsdienst mitgeteilt, die Anerkennung der BK Nr. 4104 sei nicht möglich, da nur etwa 10,4 Faserjahre bei dem Versicherten angenommen werden könnten. Eine genauere Berechnung sei nicht möglich, da belastbare Angaben zur quantitativen Belastung des Versicherten zu dessen Lebzeiten nicht erhoben worden seien. Dazu hat die Beklagte Stellungnahmen des Präventionsdienstes von Herrn N. vom 29. August 2016 und vom 14. August 2012 vorgelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis zu Recht ergangen.

Die Klägerin hat (materiell) Anspruch auf die Feststellung, dass bei dem verstorbenen Versicherten eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage 1 zur BKV vorgelegen hat. Sie ist Sonderrechtsnachfolgerin ihres während des Widerspruchsverfahrens verstorbenen Ehemannes (§§ 59 Satz 2, 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - SGB I) und hat verfahrensrechtlich ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung im Sinne von § 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG, da ihr ggf. Ansprüche auf Geldleistungen zustehen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 24/08 R - juris; Beschluss des Senats vom 23. Februar 2016 - L 3 U 86/10).

Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der Anlage 1 zur BKV ist unter Nr. 4105 ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells (der Pleura) als Berufskrankheit bezeichnet.

Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist zunächst, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts dabei nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 118 Rdnr. 5 m.w.N.). Der Grad der Wahrscheinlichkeit muss so hoch sein, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287 [BSG 02.02.1978 - 8 RU 66/77]; 61, 127, 128). Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. Einwirkungskausaliät) und diese Einwirkung muss die als Berufskrankheit zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Als Beweismaßstab genügt für die ursächlichen Zusammenhänge statt des Vollbeweises die hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59 [BSG 19.03.1986 - 9a RVi 2/84]).

Der verstorbene Versicherte war während seiner nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB VII versicherten Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten beim E. Werk O. als Schlosser und Elektriker in den Jahren 1948 bis 1986 gegenüber Asbest exponiert (vgl. die Stellungnahme des Präventionsdienstes - Herrn N. - vom 14. August 2012). Nach den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Stellungnahme des Herrn N. vom 29. August 2016) sind jedenfalls etwa 10,4 Faserjahre anzunehmen. Die gesundheitsschädigende Einwirkung ist damit im Vollbeweis gesichert und die Einwirkungskausalität, d. h. der Zusammenhang zwischen Einwirkung und versicherter Tätigkeit, im notwendigen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.

Nach Auffassung des Senats ist auch die nach Nr. 4105 vorausgesetzte Listenerkrankung, ein Mesotheliom der Pleura, im Vollbeweis gesichert.

Der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand zu diesem Krankheitsbild ergibt sich (z. Zt. noch) aus der Interdisziplinären S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin zur Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten (S2-Leitlinie; AWMF- Register Nr. 002/038, Stand: Januar 2011; Gültigkeit bis 2014; wird z. Zt. überprüft) und aus der Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung - der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV), Stand: Februar 2011 sowie aus Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seiten 1162, 1163, der sich auf die Falkensteiner Empfehlung bezieht. An diesem Erkenntnisstand haben sich auch die hier im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen orientiert. Zum Krankheitsbild und zu dessen Diagnostik gibt es danach folgenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand:

Pleuramesotheliome sind überwiegend (ca. 70 - 80 %) asbestinduziert. Das Anfangsstadium ist oft relativ symptomarm. Später wird über Schmerzen im Brustkorb, Luftnot, Husten und Auswurf geklagt. Persistierende oder rezidivierende Rippenfellergüsse sind häufig Initialsymptome. Im weiteren Verlauf kann die höckrig-wulstige Grenze der tumorösen Thoraxwandauflagerungen nach Punktion des Ergusses röntgenologisch dargestellt werden.

Die Diagnose "Mesotheliom" ist eine Ausschlussdiagnose, zu der neben der Histologie auch klinische Angaben zu vorbestehenden Tumorerkrankungen und Angaben zu einer möglichen Asbestexposition einschließlich Angabe der Latenzzeit gehören. Erfahrungsgemäß liegt zwischen beruflicher Asbestexpostion und Entwicklung eines Pleuramesothelioms im Mittel eine Zeitspanne von mehr als 30 Jahren. Für die Induktion eines malignen Pleuramesothelioms reicht unter Umständen eine nur geringfügig vermehrte Asbestbelastung aus, die nicht mit fibrosierenden Lungenveränderungen einhergeht.

Aufgrund des variantenreichen histologischen Tumortyps können differenzialdiagnostische Schwierigkeiten in der Abgrenzung von Pleurakarzinosen pulmonaler Adenokarzinome und Pleurasarkomatosen andererseits bestehen. Um der Problematik in der Sicherung bzw. dem Ausschluss eines malignen diffusen Mesothelioms Rechnung zu tragen, wurde vom Europäischen Mesotheliompanel (Commission of the European Communities = C.E.C.) das folgende Wertungsschema vorgeschlagen:

Mesotheliom A sicheres Mesotheliom, kein Zweifel an der histologischen Diagnose

Mesotheliom B wahrscheinliches Mesotheliom (mangelnde Gewebsgröße, schlechte Qualität, mangelnde Differenzierung, Fehlen gewisser histologischer Details)

Mesotheliom C mögliches Mesotheliom (Fehlen ausreichender Hinweise für positive Diagnose)

Mesotheliom D wahrscheinlich kein Mesotheliom

Mesotheliom E sicher kein Mesotheliom, konkrete Diagnose eines anderen Tumors sollte angegeben werden.

Die Diagnose malignes Mesotheliom gilt nach diesem Erkenntnisstand medizinisch als gesichert, sofern ein sicheres Mesotheliom der Kategorie A oder ein wahrscheinliches Mesotheliom der Kategorie B des Wertungsschemas vorliegt (S2-Leitlinie, e15). Auch der juristische Vollbeweis im Sinne der vollen richterlichen Überzeugung ist nach Auffassung des Senats gegeben, sofern die Diagnose medizinisch als gesichert gilt, vorliegend also auch dann, wenn sich nur ein wahrscheinliches Mesotheliom der Kategorie B feststellen lässt. Denn der juristische Vollbeweis fordert, wie oben ausgeführt, keine absolute Sicherheit und kann bei der Feststellung medizinischer Tatsachen nicht über den aktuellen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft hinausgehen. Nachvollziehbar hat der pathologische Sachverständige Prof. Dr. C. in seinem (Zusatz)Gutachten im Klageverfahren vom 8. November 2012 dargelegt, dass bei einer geringen Anzahl von Tumoren trotz des Einsatzes aller verfügbarer Methoden und Techniken keine eindeutige und definitive, und häufig dann nur der Wahrscheinlichkeit folgende Klassifikation möglich ist. Etwas anderes gilt für die Anforderungen an den juristischen Vollbeweis nur dann, wenn einer medizinischen Diagnose anders als hier bei der Ausschlussdiagnose Mesotheliom nicht harte objektive, sondern weiche subjektive Befunde zugrunde liegen (vgl. dazu HLSG, Urteil vom 14. Juni 2016 - L 3 U 238/12 - juris - und zum Vollbeweis bei Diagnose eines Mesothelioms A oder B - allerdings ohne Begründung - die Falkensteiner Empfehlung 5.2.1. Seite 55 und - unter Bezugnahme auf die Empfehlung - Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung (BKV), 2016, M 4105, Seite 9 sowie Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Seite 1163).

Nach Auffassung des Senats ist vorliegend ein Mesotheliom B (wahrscheinliches Mesotheliom) im Vollbeweis gesichert.

Für diese Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Gutachten und Stellungnahmen des Pathologen Prof. Dr. C. im Klage- und Berufungsverfahren sowie auf das Gutachten des Internisten und Arbeitsmediziners Prof. Dr. M. im Klageverfahren. Danach sind die für die Ausschlussdiagnose Mesotheliom zu berücksichtigenden Aspekte der gesicherten Asbestexposition, die in dem Klinikum Bad Hersfeld laut Anamnese festgestellten Beschwerden des Klägers, die in dem Klinikum im April 2011 erhobenen bildgebenden Befunde, das sarkomatoide Wachstumsmuster des Tumors (ausgedehnte spindelzellige Neoplasie) sowie die Histologie, wie diese von Prof. Dr. G. nach der am 1. Juni 2011 durchgeführten OP beschrieben wird, gut vereinbar mit einem von der Pleura ausgehenden Primärtumor. Ebenso steht mit der Diagnose eines malignen Mesothelioms die lange Latenzzeit zwischen der beruflichen Asbestexposition und der Entwicklung der Krankheit im Einklang als auch - so Prof. Dr. M. - der klinische Krankheitsverlauf mit einer Überlebensrate von etwa einem halben Jahr. Nach Prof. Dr. C. bestätigen die Ergebnisse der Pathologie den klinischen Befund im Hinblick auf die Annahme der Diagnose. In seinem Gutachten vom 8. November 2012 hat der Sachverständige ausgeführt, als die relevantesten immunhistochemischen Marker für die Diagnose von malignen Mesotheliomen seien Pan-Cytokertin, Cytokeratin 5/6, Calretinin und Wilms-Tumor 1-Gen (WT1) anzusehen. Dies entspricht der S2-Leitlinie (a.a.O., e15) und der Falkensteiner Empfehlung (a.a.O., Seite 54), wonach es einen spezifischen Marker für die Feststellung des Mesothelioms nicht gibt, sich die genannten aber als besonders geeignet erwiesen haben. Nach nunmehr im Berufungsverfahren erfolgter eigener Untersuchung des Gewebes durch Prof. Dr. C. (insbesondere die Durchführung immunhistochemischer Färbungen) bestätigt sich seine Auswertung der pathologischen Vorgutachten, dass die Tumorzellen immunhistochemisch positiv auf den Mesotheliom-assoziierten Pan-Keratinmarker reagieren, sich die weiteren Mesotheliom-assozierten Marker indes nicht eindeutig identifizieren lassen. Dies hat nach den Ausführungen des Sachverständigen die Konsequenz, dass hier ein sicheres Mesotheliom der Kategorie A nicht angenommen werden kann, da eben gewisse histologische Details fehlen. Die Positivität des Markers Keratin im Zusammenhang mit den im Hinblick auf die Diagnose Mesotheliom stimmigen klinischen und histologischen Aspekte ist aber ausreichend für eine positive Diagnose eines Mesothelioms der Kategorie B. Prof. Dr. P. Schlussfolgerungen im Sinne einer nach der S2-Leitlinie auch geforderten Gesamtbetrachtung der beruflichen, klinischen, histologischen und immunhistologischen Aspekte sind für den Senat schlüssig und nachvollziehbar. Prof. Dr. J., die wegen des Fehlens weiterer Mesotheliom-assoziierter Marker nur von einem möglichen Mesotheliom der Kategorie C und damit nicht von ausreichenden Hinweisen für die Diagnose ausgeht, vermag nicht zu überzeugen, zumal Prof. Dr. C. - unwidersprochen - festgestellt hat, dass sich Surrogatmarker für einen andersartigen primären oder metastatischen Pleuratumor im Sinne einer Differentialdiagnose in allen Voruntersuchungen nicht haben nachweisen lassen. Speziell ein Angiosarkom konnte nach den Gutachten und Untersuchungen durch Prof. Dr. C. nicht gesichert werden (negative Reaktion für den maßgeblichen Marker CD34), welches Prof. Dr. J. in ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2011 noch favorisiert hatte. Auch Prof. Dr. J. hält nicht mehr an dieser Differentialdiagnose fest. Wenn die Ärztin nunmehr in ihrer letzten Stellungnahme im Berufungsverfahren vom 24. Juni 2016 davon ausgeht, es sei hier eher ein spindelzelliges Karzinom anzunehmen, welches in die Pleura metastasiert sei, so bietet sie für diese Diagnose keine überzeugenden Anhaltspunkte. Prof. Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 15. November 2012 darauf hingewiesen, dass sich Hinweise für Metastasen eines Tumors anderer Entität auch klinisch nicht nachweisen lassen. Der Hinweis von Prof. Dr. J., letztlich hätte nur eine Obduktion vollständige Klarheit verschafft, ist sicher zutreffend. Diesen Beweisnotstand hat aber die Beklagte verschuldet, indem sie trotz Kenntnis des unklaren Krankheitsbildes noch zu Lebzeiten des Versicherten und angesichts des Kontaktes zu der Tochter des Versicherten im Widerspruchsverfahren nicht auf die Bedeutung einer Obduktion für das laufende Verfahren hingewiesen hat. Nach entsprechendem Hinweis durch den Senat hat die Beklagte selbst mit Schriftsatz vom 23. September 2015 ein entsprechendes Versäumnis zugestanden. Dem Beweisnotstand kann der Senat hier Rechnung tragen (vgl. dazu Urteile des BSG vom 29. September 1965 - 2 RU 61/60 - 2 RU 61/60 - vom 27. Mai 1997 - 2 RU 38/96 - und vom 7. September 2004 - B 2 U 25/03 R - jeweils juris), indem er an den Beweis der Tatsachen, die die Annahme des Vorliegens eines Mesothelioms B begründen, weniger hohe Anforderungen stellt. Nach Auffassung des Senats bedarf es aber vorliegend nicht dieser Beweiserleichterung. Es liegen wie ausgeführt ausreichende Hinweise für die Diagnose eines Mesothelioms der Kategorie B vor.

Das nachgewiesene maligne Mesotheliom ist hinreichend wahrscheinlich auf die Einwirkungen bei der beruflichen Tätigkeit des Versicherten zurückzuführen. Die haftungsbegründende Kausalität für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4105 ist erfüllt.

Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Versicherungsfalles basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d. h. - so die neueste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - ob eine objektive Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a. a. O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 - 2 BU 194/97 - Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg), Personenschäden und Unfallverletzungen, Referenz Verlag Frankfurt 2015, Seite 630). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris).

Vorliegend bestehen unter Berücksichtigung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zur Verursachung eines Mesothelioms der Pleura keine Zweifel, dass die Asbestfasern, denen der Kläger als Schlosser und Elektriker an seinem Arbeitsplatz bis 1986 ausgesetzt war, im naturwissenschaftlichen Sinne und wesentlich zur Erkrankung geführt haben. Prof. Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 15. November 2012 ausgeführt, die zu einer Mesotheliomerkrankung führenden Asbestfaserstaubdosen seien im Gegensatz zu dem asbestverursachten Lungenkarzinom oder zur Asbeststaublungenerkrankung sehr gering. Dies stimmt mit den Feststellungen der Falkensteiner Empfehlung (s. dort 5.4., Seite 57) sowie mit der S2-Leitlinie (s. dort 5.4.3. BK Nr. 4105, e24) überein, wonach es bei der Listenerkrankung nach Nr. 4105 keine Expositionsgrenze gibt, unterhalb der berufliche Asbestexpositionen bei den Ermittlungen nicht zu berücksichtigen wären (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1163 sowie Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - L 3 U 306/08 - und Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 13. Dezember 2011 - L 3 U 21/07 - jeweils juris). Untersuchungen haben zudem eine deutlich erhöhte Mesotheliominzidenz in Bereichen ohne typischerweise stattfindende Asbestexposition bestätigt mit klarer Häufung in Metallberufen, wie dem Schlosser und Betriebselektriker (siehe dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1164). Für die berufsbedingte Verursachung der Erkrankung spricht nach den Ausführungen von Prof. Dr. M. schließlich die lange Latenzzeit zwischen Exposition und Erkrankung (25 Jahre). Die Asbestbelastung am Arbeitsplatz kommt hier auch als einzige Ursache in Betracht. Die ubiquitäre Asbestfaserstaub-Einwirkung aus dem Umweltbereich ist in Deutschland so niedrig, dass ihr gegenüber einer überubiquitären arbeitsbedingten Exposition keine überragende Bedeutung zukommt. (S2-Leitlinie a.a.O., e24). Eine außerberufliche Asbestfaserstaubeinwirkung (Hauhaltskontakte, Nachbarschaftsgefährdung oder Umweltgefährdung) ist - so Prof. Dr. M. - nicht bewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.

Referenznummer:

R/R7317


Informationsstand: 12.04.2017