I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) nach der
Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1949 geborene Kläger verrichtete während seines Berufslebens in Deutschland von September 1969 bis September 2003 verschiedene Tätigkeiten als Hilfsbauarbeiter, Produktionsmitarbeiter und Monteur im Fensterbau, als Bauschlosser im Fenster- und Heizungsbau und als Reparatur-Schlosser im Bereich Haustechnik; von 1992 an war er als Außendienstmonteur mit der Wartung und Reinigung von Lüftungsanlagen betraut und ab 1996 als Außendienst-Monteur im Bereich Brandschutz mit der Wartung und Reparatur von Löschwasseranlagen beschäftigt. Nach seinen eigenen Angaben (Fragebogen der Beklagten vom 17. November 2003) traten bei ihm erstmals im Jahre 1972 Wirbelsäulenbeschwerden auf, und zwar Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein.
Nachdem die
AOK Hessen bei der Beklagten im Oktober 2003 eine Berufskrankheit angezeigt und einen Erstattungsanspruch angemeldet hatte, ließ die Beklagte durch ihren Präventionsdienst im August 2004 eine Gefährdungsanalyse und Berechnung der Gesamtbelastung (Lebensdosis) BK 2108 durchführen. Nach diesen Feststellungen waren die arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem sogenannten Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) mit 15,3 MNh nicht erfüllt. Mit Bescheid vom 27. September 2004 und Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2004 lehnte die Beklagte nach Anhörung des Landesgewerbearztes die Anerkennung einer BK
Nr. 2108 ab, da eine geeignete schädigende Einwirkung nicht bewiesen sei.
Mit seiner am 27. Dezember 2004 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach der
Nr. 2108 weiter verfolgt und u.a. den Entlassungsbericht der Ärzte der Klinik
HS., NQ., der Deutschen Rentenversicherung Bund, vom 3. April 2007, einen Magnet-resonanztomogramm(MRT)-Befund der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 5. Oktober 2007, eine Liste der
AOK über Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 1971 sowie einen MRT-Befund der Halswirbelsäule (HWS) vom 23. Dezember 2009 eingereicht. In dem MRT vom 5. Oktober 2007 wird das Vorliegen eines Bandscheibenprolaps L2/L3 aktuell subligamentär paramedian rechts nach kranial sequestriert mit konsekutiver Kompression der L3-Wurzel rechts am Abgang beschrieben ("deutliche Befundprogredienz zur Voruntersuchung 2006") sowie eine diskrete Zunahme auch des medianen Bandscheibenvorfalls L4/L5, jedoch keine Nervenwurzelkompression, eine Bandscheibenprotrusion L5/S1, rechts betont, mit geringer Pelottierung der S1-Wurzel rechts am Abgang und eine Spondylarthrose.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008 aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum MDD das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach der
Nr. 2108 anerkannt; nach der letzten Stellungnahme ihres Präventionsdienstes liege die Gesamtbelastungsdosis mit 20,3 über dem Wert von 12,5 MNh.
Auf Wunsch des Klägers hat die Beklagte während des Klageverfahrens hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der BK
Nr. 2108 ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie
Dr. QQ vom 22. Januar 2009 sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme zu diesem Gutachten von dem Chirurgen und Unfallchirurgen
Dr. WW. vom 30. März 2009 eingeholt und zu den Gerichtsakten eingereicht.
Dr. QQ hat bei dem Kläger ein lumbales Wurzelsyndrom mit sensibler Nervenwurzelreizung rechts bei polysegmentalem Bandscheibenvorfall L2/L3 und L4/L5 diagnostiziert. Er hat das Vorliegen einer Begleitspondylose bejaht und einen Kausalzusammenhang der von ihm festgestellten Erkrankungen der LWS mit der beruflichen Wirbelsäulenbelastung angenommen.
Dr. WW. hat ausgeführt, er könne
Dr. QQ nicht folgen, die vorliegende Erkrankung ließe sich nicht schlüssig mit einer von außen einwirkenden Belastung begründen. Nach dem MRT Befund vom 5. Oktober 2007 sei das Bewegungssegment L5/S1 sehr gering verschleißverändert, das Segment L4/L5 ebenfalls gering verschleißverändert, aber etwas mehr als das Segment L5/S1, während das Segment L2/L3 ausgeprägtere Veränderungen zeige. Es könne indes nicht als belastungsadäquat angesehen werden, wenn das Segment L5/S1 geringer verändert sei, als die darüber liegenden Bandscheiben. Im Übrigen habe
Dr. QQ nicht berücksichtigt, dass bei dem Kläger bereits 1972
bzw. 1973 Rückenschmerzen aufgetreten seien.
Das Sozialgericht hat zu der Stellungnahme von
Dr. WW. eine ergänzende Stellungnahme des
Dr. QQ vom 27. April 2009 eingeholt, in der dieser bei seiner Auffassung geblieben ist, die berufliche Exposition sei wesentliche Bedingung bei der Entstehung der bandscheibenbedingten Erkrankung. Das Verteilungsbild der bandscheibenbedingten Veränderungen entspreche der von der Konsensuskonferenz vorgeschlagenen Konstellation B1.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Sozialgericht von dem Facharzt für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
Prof. Dr. Dr. EE. ein arbeitsmedizinisches Gutachten vom 6. Juli 2010 eingeholt nebst einem Zusatzgutachten von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie,
Dr. RR., CQ.-Klinik NR., vom 26. April 2010 und einem weiteren Zusatzgutachten des Facharztes für Radiologie
Dr. TT. vom 27. April 2010.
Dr. RR. hat bei dem Kläger eine zervikale Myelopathie nach chronischer Densfraktur (MRT der HWS vom 23. Dezember 2009) sowie eine degenerative HWS- und LWS-Erkrankung mit sensiblen Wurzelschädigungen und einem chronischen Schmerzsyndrom mit depressiver Begleitreaktion diagnostiziert.
Dr. TT. hat nach Auswertung der seit 1987 vorliegenden Ergebnisse bildgebender Verfahren folgende Feststellungen getroffen: Auf der CT der LWS vom 28. November 1987 im Segment L5/S1 Nachweis einer breitbasigen Bandscheibenvorwölbung (Grad IIa-Prolaps-Grenzbefund), auf der CT der LWS vom 20. September 1996 im Segment L5/S1 breitbasige Bandscheibenvorwölbung (altersuntypischer, zweitgradiger Prolapsbefund), auf der CT der LWS vom 3. Dezember 2002 zweitgradiger, altersuntypischer Prolapsbefund im Segment L4/L5, auf der MRT der LWS vom 13. Juli 2006 im Segment L2/L3 subligamentäre Bandscheibenvorwölbung (Grad IIa-Prolaps-Grenzbefund), auf der MRT der LWS vom 5. Oktober 2007 drittgradiger, altersuntypischer Sequester im Segment L2/L3. Es bestehe im Übrigen kein Hinweis für eine Begleitspondylose im Bereich der LWS und kein Nachweis einer "black disc".
Prof. Dr. Dr. EE. hat unter Berücksichtigung der von
Dr. TT. erhobenen Befunde ausgeführt, einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und dem 11/1987 diagnostizierten Bandscheibenprolaps L5/S1 nehme er nicht mit Wahrscheinlichkeit an, weil der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nur einer MDD-Gesamtdosis in Höhe von 9,4 MNh ausgesetzt war. Er gehe aber davon aus, dass die Entwicklung des Bandscheibenprolaps L4/L5 12/2002 und des Bandscheibenprolaps L2/L3 7/2006 im Sinne der Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens durch die berufliche Entwicklung zu interpretieren sei. Wegweisend sei nach den Konsensempfehlungen bei bereits länger zurückliegender Aufgabe der belastenden Tätigkeit der Befund zum Zeitpunkt der Aufgabe dieser Tätigkeit, vorliegend somit der 7. Oktober 2003. Zu diesem Zeitpunkt habe nach dem radiologischen Zusatzgutachten bei dem Kläger eine bisegmentale altersuntypische Bandscheibenschädigung in Form eines Bandscheibenprolaps L5/S1 (Erstdiagnose am 28. November 1987) und eines Bandscheibenprolaps L4/L5 (Erstdiagnose am 3. Dezember 2002) vorgelegen. Da somit bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit ein Bandscheibenprolaps an mehreren Bandscheiben (L5/S1 und L4/L5) vorgelegen habe, sei das erste Zusatzkriterium der B2 Konstellation der Konsensempfehlungen erfüllt. Da die Konsensempfehlungen beim Vorliegen dieser Fallkonstellation die Anerkennung einer Berufskrankheit vorsähen, empfehle er ebenfalls bei dem Kläger die Anerkennung dieser Berufskrankheit. Die bei dem Kläger vorliegende Dens-Fraktur mit zervikaler Myelopathie sei nach den Konsensempfehlungen keine bekannte außerberuflich bedingte konkurrierende Ursache für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 27. September 2010 führt der Sachverständige
Prof. Dr. Dr. EE. aus, die Tatsache, dass der Bandscheibenprolaps L2/L3 erst zwei Jahre und neun Monate nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit am 7. Oktober 2003 am 13. Juli 2006 diagnostiziert worden sei, spreche nicht gegen einen beruflichen Zusammenhang. Die Konsensempfehlungen enthielten keine Festlegung, ab welcher Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung der Bandscheibenschaden nicht mehr wahrscheinlich auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden könne. Zwischenzeitlich habe eine Auswertung der Deutschen Wirbelsäulen-Studie ergeben, dass auch bei Beschäftigten, bei denen zwischen Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit und erstmaliger Diagnose der Erkrankung eine expositionsfreie Zeit von zehn Jahren klaffe, ein erhöhtes beruflich bedingtes Prolapsrisiko nachzuweisen sei.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Chirurgie/Unfallchirurgie
Dr. ZZ. vom 3. November 2010 zu dem Gutachten und der Stellungnahme des Sachverständigen
Prof. Dr. Dr. EE. vorgelegt. Die Beratungsärztin führt darin aus, im Zeitpunkt der Berufsaufgabe am 7. Oktober 2003 habe bei dem Kläger an der LWS keine Begleitspondylose, aber ein Bandscheibenvorfall im Segment L4/L5 und L5/S1 vorgelegen.
Prof. Dr. Dr. EE. schätze eine solche bisegmentale Schädigung als Konstellation B2 ein, dies sei aber zweifelsfrei in den Konsensempfehlungen nicht gemeint. Soweit es in dem ersten Zusatzkriterium der B2 Konstellation in den Konsens-Empfehlungen heiße "Höhenminderung und/oder Vorfall an mehreren Bandscheiben", bedeute dies nicht Schädigung an zwei, sondern an mindestens drei Bandscheiben. "Angrenzend" in dieser Fallgruppe bedeute Schädigung im Segment L4/L5 und L3/L4, dies liege hier aber nicht vor, insofern bestehe kein anerkennungsfähiges Schadensbild. Zusätzlich spreche das Auftreten des Bandscheibenvorfalles außerhalb der Belastungszeit für eine innere Genese und eine Neigung zu degenerativen Veränderungen, zumal an der HWS degenerative Veränderungen der unteren HWS gesichert seien und ein Bandscheibenvorfall trotz nicht vorliegender Exposition.
Prof. Dr. Dr. EE. hat dazu (Stellungnahme vom 3. Dezember 2010) ausgeführt, dem Bericht der Konsensus-Arbeitsgruppe zur Fallkonstellation B2 sei eine unmittelbare Definition des Begriffes "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" nicht zu entnehmen. Aus dem Zusammenhang ergebe sich zwar, dass damit sicherlich kein monosegmentaler Befall mit Chondrose und/oder Vorfall in den Segmenten L5/S1 oder L4/L5 gemeint sei, weil dabei zusätzlich "black disc" in mindestens zwei angrenzenden Segmenten verlangt werde. Daraus ergebe sich aus seiner Sicht unmittelbar nach den Gesetzen der Logik, dass unter dem Begriff der "Höhenminderung und/oder des Prolaps an mehreren Bandscheiben" der Befall von mindestens zwei Bandscheiben gemeint sein müsse. Würde die Vorstellung zutreffen, dass der Befall von mehreren Bandscheiben ein solcher sei, bei dem mindestens drei Bandscheiben betroffen seien, wäre der bisegmentale Befall von der Konsensus-Arbeitsgruppe bei der Betrachtung der Konstellation B2 außer Acht gelassen worden, was angesichts der Häufigkeit des bisegmentalen Befalls keinen Sinn mache. Es sei auch nicht plausibel, wenn Frau
Dr. ZZ. eine Bandscheibenschädigung der HWS, die über sechs Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit diagnostiziert wurde, als Grund gegen die Anerkennung einer BK
Nr. 2108 anführe; denn maßgeblich seien die beruflichen und außerberuflichen Faktoren zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit.
Mit Urteil vom 7. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, bei dem Kläger eine BK
Nr. 2108 mit den Gesundheitsschäden, Bandscheibenvorfälle L5/S1, L4/L5 und L2/L3 anzuerkennen und dem Kläger Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (
MdE) von 20 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige
Prof. Dr. Dr. EE. habe zutreffend begründet, dass auch der Bandscheibenvorfall L2/L3 beruflich verursacht worden sei, obgleich dieser Schaden erst etwa drei Jahre nach Aufgabe der Beschäftigung festgestellt worden sei; denn die nachwirkende Schädigung sei durchaus möglich. Den Bandscheibenvorfall L5/S1 habe der Sachverständige nicht als berufsbedingt angesehen, weil zurzeit der Erstdiagnose im November 1987 noch keine ausreichende Gesamtbelastung nach dem MDD vorgelegen habe. Dem folge das Gericht indes nicht, weil das Auftreten der Erkrankung nicht das Erreichen der vollen Gesamtbelastung zur Voraussetzung haben könne. Zur Diskussion von
Prof. Dr. Dr. EE. und Frau
Dr. ZZ., was unter "mehreren Bandscheiben" im Sinne des ersten Zusatzkriteriums der B2 Konstellation zu verstehen sei, folge das Sozialgericht der Auffassung von
Prof. Dr. Dr. EE., dass darunter auch nur "zwei" zu verstehen seien. Die Forderung nach mindestens drei Bandscheibenschäden würde die Anerkennungsmöglichkeit auf nur wenige, seltene, schwere Fälle reduzieren. Davon halte das Sozialgericht nichts.
Prof. Dr. Dr. EE. überzeuge auch deshalb, weil er an führender Stelle Mitverfasser der Konsensempfehlungen gewesen sei.
Gegen das ihr am 15. März 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. April 2011 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Sie ist der Auffassung, zu Unrecht habe das Sozialgericht die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenveränderungen der Klassifikation B2 im Abschnitt "Zusammenhangsbeurteilung bei typischen Fallkonstellationen" zugeordnet. Die Grundvoraussetzungen nach den Konsensempfehlungen für die Annahme einer B2 Konstellation erfülle der deutlich nach dem Ende der Einwirkung diagnostizierte Bandscheibenvorfall L2/L3 schon nicht im Hinblick auf seine Lokalisation und der am 28. November 1987 diagnostizierte Vorfall L5/S1 nicht im Hinblick auf die zu fordernde Korrelation zwischen Belastung und Erkrankung. Der Bandscheibenvorfall L4/L5 erfülle zwar die Grundvoraussetzungen; mit dem Schaden allein an einer Bandscheibe werde die Fallkonstellation B2 der Konsensempfehlungen unstreitig nicht erfüllt. Im Übrigen folge sie der Beratungsärztin
Dr. ZZ., dass für das erste Zusatzkriterium der B2 Konstellation ("mehrere Bandscheiben") zwei Bandscheibenvorfälle/Höhenminderungen allein nicht ausreichten. Auch die Fallkonstellation B3 lasse sich bei dem Kläger nicht feststellen, denn der schon sehr früh aufgetretene erste Bandscheibenvorfall L5/S1 spreche für eine anlagebedingte Schwäche der Wirbelsäule, in diese Richtung deute auch der später aufgetretene Vorfall L2/L3 sowie der im Bereich der HWS festgestellte Vorfall C6/C7 und letztlich auch die bereits anfangs der 70er-Jahre aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten in dem Erörterungstermin vom 31. Januar 2012 über die Rechtsauffassung und ständige Rechtsprechung des Senats zur Auslegung der Konsensempfehlungen unterrichtet. Die Beteiligten haben sich in dem Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten (Band I bis
IV), dort insbesondere auf die Ausführungen und Unterlagen der Beklagten zur Berechnung und Nachberechnung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem MDD (Bl. 184
ff. und Bl. 636
ff.), sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich. Das erstinstanzliche Urteil war aufzuheben, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach
Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und - da ein Versicherungsfall nicht gegeben ist - auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch- Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII.
Berufskrankheiten sind nach § 9
Abs. 1
S. 1
SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In der Anlage 1 zur BKV sind unter
Nr. 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheiten bezeichnet.
Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Meyer-Ladewig,
SGG, 9. Auflage, § 118
Rdnr. 5
m.w.N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287 [BSG 02.02.1978 - 8 RU 66/77]; 61, 127, 128).
Zur Anerkennung einer Berufskrankheit muss zudem ein doppelter ursächlicher Zusammenhang bejaht werden. Die gesundheitsgefährdende schädigende Einwirkung muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und diese Einwirkung muss die als BK zur Anerkennung gestellte Krankheit verursacht haben (sog. haftungsausfüllende Kausalität - dazu: Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung,
SGB VII, Kommentar,
Anm. 54 zu § 8
SGB VII). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Recht der Berufskrankheiten gilt dabei, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s.
BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 -
B 2 U 1/05 - juris). Die Theorie der wesentlichen Bedingung basiert auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. condicio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Als Beweismaßstab genügt für den Ursachenzusammenhang statt des Vollbeweises die Wahrscheinlichkeit,
d. h., dass bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen müssen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (
BSG in SozR
Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Der Ursachenzusammenhang ist jedoch nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59 [BSG 19.03.1986 - 9a RVi 2/84]).
Zur Überzeugung des erkennenden Senats steht gemessen an diesen Kriterien fest, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit nach
Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen.
Der Kläger war zwar während seiner beruflichen Tätigkeit gemäß § 2
Abs. 1
SGB VII als Beschäftigter versichert und währenddessen gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK
Nr. 2108 ausgesetzt. Er erfüllt unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht in dessen Urteil vom 30. Oktober 2007 (B 2 U 4/06 R - juris) dazu festgesetzten Richtwerte unstreitig die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen mit einer von der Beklagten errechneten MDD-Gesamtdosis von 25,1 MNh. Auch die Erkrankungen, für die der Kläger Entschädigungsleistungen beansprucht, nämlich Bandscheibenvorfälle in L5/S1, L4/L5 und L2/L3 sind im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen. Denn sowohl hinsichtlich des Vorliegens dieser Wirbelsäulenerkrankungen als auch hinsichtlich des Zeitpunkts des jeweiligen Auftretens der Bandscheibenvorfälle stimmen die während des Klageverfahrens dazu gehörten Ärzte, der Orthopäde
Dr. QQ, der Radiologe
Dr. TT. und der Arbeitsmediziner
Prof. Dr. Dr. EE., überein.
Nach Auffassung des Senats sind die bei dem Kläger an der LWS vorliegenden Bandscheibenerkrankungen indes nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die physikalischen Einwirkungen zurückzuführen, denen er während seines Berufslebens ausgesetzt gewesen ist. Vorliegend überwiegen nicht (deutlich) die Erwägungen, die für einen (wesentlichen) Ursachenzusammenhang sprechen.
Als wissenschaftliche Grundlage für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei der BK
Nr. 2108 legt der Senat nach seiner ständigen Rechtsprechung (
vgl. u. a. Urteil des Senats vom 18. August 2009 - L 3 U 202/04- juris) die Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften (HVBG) eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule", Bolm-Audorff, Franz, Grosser, Schröter, Seidler u.a., Trauma und Berufskrankheit 2005,
S. 211
ff.) zugrunde, in denen typische Fallkonstellationen definiert und die Einschätzung der Experten zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs entsprechend der jeweiligen Befundkonstellation wiedergegeben sind.
Zur Überzeugung des Senats ist vorliegend nicht eine der in den Konsensempfehlungen definierten Befundkonstellationen gegeben, bei denen ein Zusammenhang als wahrscheinlich beurteilt werden muss. Insbesondere nimmt der Senat entgegen dem Sozialgericht nicht an, dass die bei dem Kläger bestehenden Wirbelsäulenerkrankungen der Konstellation B1 oder B2 nach den Konsensempfehlungen zugeordnet werden können.
Für sämtliche B-Konstellationen wird nach den Konsensempfehlungen vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall hat. Für sämtliche Fallkonstellationen nach den Konsensempfehlungen wird im Übrigen als Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhanges zwischen Erkrankung und beruflicher Belastung verlangt, dass die berufliche Belastung eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweist ("
z. B. ausreichende Exposition muss der Erkrankung vorausgehen; Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs nimmt mit der Länge des Zeitraums zwischen Ende der Exposition und erstmaliger Diagnose der Erkrankung ab"). Bei bereits länger zurückliegender Aufgabe der belastenden Tätigkeit ist nach den Konsensempfehlungen der Befund zum Zeitpunkt der belastenden Tätigkeit wegweisend.
Zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner belastenden Tätigkeit am 7. Oktober 2003 lagen bei dem Kläger Bandscheibenschäden in den Segmenten L5/S1 und L4/L5 vor, die nach Lokalisation und Ausprägung (jeweils altersuntypischer zweitgradiger Prolaps) für die Zuordnung zu einer B-Konstellation in Betracht kommen. Der bei dem Kläger vorliegende Bandscheibenvorfall in L5/S1 erfüllt indes nicht die Grundvoraussetzung der plausiblen zeitlichen Korrelation. Nach dem Gutachten des Radiologen
Dr. TT. ist ein Schaden an diesem Segment erstmals im CT der LWS vom 28. November 1987 festzustellen. Nach Auffassung des Senats hat der Sachverständige
Prof. Dr. Dr. EE. daher bezüglich dieser Erkrankung zutreffend festgestellt, er nehme einen Zusammenhang mit der beruflichen Einwirkung nicht an, da der Kläger bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Diagnose 1987 (Grad IIa-Prolaps-Grenzbefund) nur einer MDD-Gesamtdosis ausgesetzt gewesen ist, die den
BSG-Grenzwert von 12,5 MNh deutlich unterschritten hat.
Der Befund am Segment L4/L5 erfüllt die Grundvoraussetzung der plausiblen zeitlichen Korrelation, da zum Zeitpunkt der Erstdiagnose im CT der LWS vom 3. Dezember 2002 die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK
Nr. 2108 unstreitig vorgelegen haben. Entgegen der Auffassung des
Dr. QQ in seinem Gutachten vom 22. Januar 2009 liegt aber nicht die Konstellation B1 vor. Diese Konstellation setzt das Vorliegen einer Begleitspondylose voraus.
Dr. TT. hat in seinem radiologischen Gutachten das Vorliegen einer Begleitspondylose entsprechend ihrer Definition in den Konsensempfehlungen für den Senat überzeugend verneint.
Dr. QQ, der das Vorliegen einer solchen Begleitspondylose bejaht hat, kann nicht gefolgt werden, da er - worauf
Prof. Dr. Dr. EE. zu Recht hinweist - nicht begründet, warum bei dem Kläger eine Begleitspondylose vorliegen soll.
Die hier zu berücksichtigende Bandscheibenerkrankung im Segment L4/L5 erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der Konstellation B2. Bei dieser Konstellation fehlt die Begleitspondylose und der Zusammenhang wird nur dann als wahrscheinlich angesehen, sofern mindestens eines der in der betreffenden Konstellation genannten Zusatzkriterien erfüllt ist. Die Zusatzkriterien "besonders intensive Belastung" und "besonderes Gefährdungspotential" liegen hier nicht vor. Der Senat stützt sich für diese Feststellung auf die insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
Prof. Dr. Dr. EE.. Auch das Zusatzkriterium "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im MRT in mindestens 2 angrenzenden Segmenten" ist nicht erfüllt. Da zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe nur ein monosegmentaler Vorfall in L4/L5 zu berücksichtigen ist, bedarf es einer "black disc" im MRT, für die es nach dem überzeugenden Gutachten des Radiologen
Dr. TT. keinen Hinweis gibt.
Im Ergebnis kommt es damit auf den im Berufungsverfahren im Vordergrund stehenden Streit der Beteiligten, ob das Zusatzkriterium der B2 Konstellation "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" schon beim Vorliegen eines bisegmentalen Schadens erfüllt ist oder ob mit "mehreren" Bandscheiben mindestes drei gemeint sind, nicht an. Selbst wenn man aber mit
Prof. Dr. Dr. EE. den Vorfall am Segment L5/S1 trotz der fehlenden zeitlichen Korrelation mit der Begründung einbezieht, dieser Schaden habe sich unter der weiteren beruflichen Belastung verschlimmert, und somit einen bisegmentalen Schaden zugrunde legt, wäre das betreffende Zusatzkriterium der B2 Konstellation nicht erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (
vgl. u. a. Urteil vom 18. August 2009 - L 3 U 202/04 - juris) sind mit "mehreren" Bandscheiben mindestens drei gemeint. Für diese Auslegung spricht schon die Systematik der in den Konsensempfehlungen definierten Fallkonstellationen. Alle B-Konstellationen gehen schon von einer Lokalisation der bandscheibenbedingten Erkrankung bei L5/S1 und/oder L4/L5 aus, also an einer oder zwei Bandscheiben. In der B1 Konstellation muss sodann die Begleitspondylose als Positivkriterium hinzukommen, um einen Zusammenhang wahrscheinlich zu machen. In der B2 Konstellation wird das Fehlen der Begleitspondylose durch die dort genannten Zusatzkriterien ersetzt, so dass mit "mehreren" Bandscheiben über die in den B-Konstellationen grundsätzlich vorausgesetzten Veränderungen hinausgehend mindestens drei betroffene Bandscheiben gemeint sind.
Die Konstellation, in der lediglich ein mono- oder bisegmentaler Schaden an den beiden untersten LWS-Segmenten vorliegt und weder eine Begleitspondylose noch ein Zusatzkriterium festzustellen sind, entspricht vielmehr der Konstellation B3, bei der es bezüglich der Beurteilung des Zusammenhangs keinen Konsens unter den Teilnehmern der Arbeitsgruppe gab. Der Senat hält bei dieser Konstellation grundsätzlich den Zusammenhang nicht für wahrscheinlich, da für ihn die Argumente der Mitautoren der Konsensempfehlungen überzeugender sind, die der Begleitspondylose als Positivkriterium maßgebliche Bedeutung beimessen und nach denen ihr Fehlen in der Konstellation B3 gegen eine Expositionsabhängigkeit der bandscheibenbedingten Erkrankung spricht (
vgl. auch Urteil des Senats vom 18. August 2009, a.a.O.). In Anhang 1 der Anmerkungen zu den nicht im Konsens beurteilten Fallkonstellationen weisen Grosser/Schröter auf Studien hin, nach denen deutliche Höhenminderungen von Bandscheiben in allen Segmenten der LWS bei Schwerarbeitern deutlich häufiger als in der Normalbevölkerung seien. Auch die Häufigkeit von Spondylosen sei in der belasteten Gruppe in allen Segmenten der LWS deutlich erhöht. Die Konstellation B3, bei der lediglich ein mono- oder bisegmentaler Befall der beiden unteren LWS-Segmente vorliege, sei indessen die häufigste Manifestationsform eigenständiger Bandscheibenerkrankungen innerer Ursache an der LWS. Es existierten keinerlei epidemiologische Arbeiten, welche nachweisen würden, dass bei Schadensbildern, die der Konstellation B3 entsprechen, bei beruflich Exponierten im Vergleich zur Normalbevölkerung statistisch eine relevante Risikoerhöhung bestehe. Die epidemiologische Literatur zu berufsbedingten Bandscheibenerkrankungen bestätige eine relative Häufung von Chondrosen bei schwerer im Vergleich zu leichter Arbeit an der mittleren und oberen LWS und eine absolute Häufung in den unteren beiden LWS-Segmenten; dies entspreche auch der aus biomechanischer Sicht zu erwartenden Entwicklung eines mehrsegmentalen Befalls der LWS mit Betonung der unteren LWS, während ein mono- und bisegmentaler Befall biomechanisch kaum plausibel sei (Trauma und Berufskrankheit 2005,
S. 219
ff.). Schließlich räumen auch die Autoren der Arbeitsgruppe (Seidler/Bolm-Audorff), die dem Fehlen einer Begleitspondylose keinen hohen Stellenwert beimessen, ein, dass Patienten mit Chondrose und Spondylose ein höheres berufliches Erkrankungsrisiko aufwiesen als Patienten mit Chondrose ohne zusätzliche Spondylose (Trauma und Berufskrankheit 2005,
S. 221 f.).
Sofern man bei der Abwägung, ob hier ein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist, auch die Erkrankungen des Klägers an der Wirbelsäule betrachtet, die erst nach der Berufsaufgabe aufgetreten sind, finden sich weitere Argumente für eine innere Genese.
Prof. Dr. Dr. EE. hat in seiner Stellungnahme vom 3. Dezember 2010 zwar bezüglich des im Juli 2006 erstmals diagnostizierten Vorfalls im Segment L2/L3 ausgeführt, dieser spreche nicht gegen die BK
Nr. 2108
bzw. gegen einen ursächlichen Zusammenhang, da die Erkrankung nur zwei Jahre und neun Monate nach der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit aufgetreten sei. Bei Einbeziehung des Vorfalls im Segment L2/L3 ergibt sich indes kein belastungskonformes Schadensbild. Darauf hat der Chirurg und Unfallchirurg
Dr. WW. in seiner Stellungnahme vom 30. März 2009 zu Recht hingewiesen. Die Auswertung des MRT der LWS vom 5. Oktober 2007 zeigt nach seinen Feststellungen nur geringe Veränderungen in den Segmenten L5/S1 und L4/L5, indes ausgeprägtere im Segment L2/L3. Diese Feststellungen werden durch die spätere Auswertung des betreffenden MRT durch den Radiologen
Dr. TT. im Zusatzgutachten vom 7. April 2010 bestätigt, der bezüglich des Segments L2/L3 einen Prolaps mit Sequester (drittgradig, altersuntypisch) beschreibt, während die Vorfälle in den Segmenten L4/L5 und L5/S1 nur zweitgradig seien und zu keiner Bedrängung nervaler Strukturen geführt hätten. Wie oben ausgeführt, wäre indes nach den Konsensempfehlungen aus biomechanischer Sicht ein mehrsegmentaler Befall der LWS mit Betonung der unteren LWS zu erwarten, welche den höchsten Kompressionskräften ausgesetzt ist (Trauma und Berufskrankheit 2005,
S. 220). Überzeugend erscheint dem Senat daher die Bewertung der Ärztin für Chirurgie
Dr. ZZ. in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2010, das Auftreten eines Vorfalls vor der Belastung sowie des Bandscheibenvorfalles außerhalb der Belastungszeit spreche für eine innere Genese und eine Neigung zu degenerativen Veränderungen des Bandscheibensystems, welches auch durch die an der unteren HWS gesicherten degenerativen Veränderungen und den Bandscheibenvorfall bei nicht vorliegender Exposition und zudem durch das Auftreten von LWS-Beschwerden schon in den Jahren 1972/1973 gestützt werde.
Ein deutliches Überwiegen der Kriterien, die für einen (wesentlichen) Ursachenzusammenhang zwischen beruflicher Einwirkung und den Bandscheibenschäden sprechen und diesen somit wahrscheinlich machen, lässt sich hier jedenfalls nicht feststellen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK
Nr. 2108 sind nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 160
Abs. 2 Nrn. 2 und 3
SGG nicht vorgelegen haben.