Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die statthafte und zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des
LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2
SGG), weil die vom
LSG festgestellten Tatsachen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht ausreichen. Weder lässt sich danach beurteilen, ob der isolierte Bandscheibenvorfall der Klägerin unter Zugrundelegung des neuesten Standes der medizinischen Wissenschaft ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben- und Tragen verursacht wurde, noch ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist.
Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Feststellungsklage zulässig (
BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151 ff RdNr 10).
Der erhobene Anspruch beurteilt sich gemäß § 212
SGB VII nach den Vorschriften des
SGB VII, weil nicht ersichtlich ist, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Inkrafttreten des
SGB VII am 1.1.1997 (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996, BGBl I 1254) eingetreten sein könnte. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist § 9 Abs 1
SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623), die lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 9 Abs 1 Satz 1
SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (dazu unter A.). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität (dazu unter B.)). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (
BSG vom 30.10.2007 -
B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 17). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (
BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12;
BSG vom 2.4.2009 -
B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN;
BSG vom 2.4.2009 -
B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt
BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412;
BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151;
BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14).
A.1. Die Klägerin war vom 1.8.1986 bis Sommer 2002 in einer Firma für Garten- und Landschaftsbau als Arbeitnehmerin tätig. Sie war damit als "Beschäftigte" iS von § 2 Abs 1 Nr 1
SGB VII versichert.
2. Nach den bindenden Feststellungen des
LSG (§ 163
SGG) unterlag die Klägerin in diesem Zeitraum bei der Ausübung der Beschäftigung einer kumulativen Einwirkungs-Belastung in Form von Hebe- und Tragevorgängen iHv 18,5 MNh (vgl zur Feststellung der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkung in Form von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
BSG vom 23.4.2015 -
B 2 U 20/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
3. Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der BK 2108 voraussetzt - auch langjährig, nämlich von 1986 bis 2002 und damit 16 Jahre. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt
IV; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109
BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15; s zur BK 2108 bereits
BSG vom 18.3.2003 -
B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10;
BSG vom 22.6.2004 -
B 2 U 22/03 R - juris RdNr 25; vgl auch: Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 5/2014, § 9
SGB VII RdNr 42; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand 12/13, M 2108 Anm 2.2.2).
4. Nach den weiteren Feststellungen des
LSG leidet die Klägerin an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Bei ihr liegt im Segment L5/S1 ein altersuntypischer Befund in Form eines Bandscheibenprolapses vor. Darüber hinaus sind keine altersuntypischen Veränderungen auch nicht in Form einer Spondylose vorhanden. An die Feststellung dieses monosegmentalen Befundes ist der Senat mangels zulässiger Rügen gebunden (§ 163
SGG).
B. Der Senat kann hingegen mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht entscheiden, ob das
LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin verneint hat. Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die umstrittene BK 2108 bedeutet dies, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (siehe zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie
BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s
BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32;
BSG vom 9.5.2006 -
B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie -
B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend
BSG, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie
BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).
Vorliegend ist das
LSG in durch das Revisionsgericht nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin einer in der Höhe zur Erzeugung des Bandscheibenschadens genügenden Einwirkungsbelastung unterlag (dazu unter 1). Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat jedoch nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung gegeben sind (dazu unter 2.). Ebenso wenig kann der Senat aufgrund der Feststellungen entscheiden, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit vorliegt (dazu unter 3).
1. Unter Zugrundelegung des bindend festgestellten Einwirkungs-Wertes iHv 18,5 MNh ist das
LSG ausgehend vom MDD zutreffend davon ausgegangen, dass die versicherten Einwirkungen durch schweres Heben und Tragen, denen die Klägerin unterlag, in der Höhe ausreichten, um einen Bandscheibenschaden zu verursachen. Mit der Heranziehung des MDD zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis folgt das
LSG der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der seit 2003 (
BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 11 ff;
BSG vom 19.8.2003 -
B 2 U 1/02 R - USK 2003-219 RdNr 15;
BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 18 und zuletzt
BSG vom 18.11.2008 -
B 2 U 14/07 R - juris RdNr 25) dieses Modell als eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen angesehen hat. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte
BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 31;
BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; sowie die Urteile vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R und B 2 U 10/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für Frauen legt das MDD als Gesamtbelastungsdosis 17 MNh fest, die mit den bindend festgestellten 18,5 MNh sogar überschritten werden, sodass es im hier zu entscheidenden Fall nicht darauf ankommt, ob bereits ein geringerer, ggf hälftiger Wert dieses Orientierungswertes ausreichen würde, um von einem erhöhten Erkrankungsrisiko auszugehen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen nicht mehr verzichtet werden kann (vgl für Männer
BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25). Es kommt deshalb auch nicht drauf an, ob aufgrund der mittlerweile vorliegenden Ergebnisse der DWS-Richtwertestudie (DWS II; "Erweiterte Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie mit dem Ziel der Ableitung geeigneter Richtwerte", Kurztitel: "DWS-Richtwerteableitung", veröffentlicht unter http://www.dguv.de/ifa/Forschung/Projektverzeichnis/ FF-FB_0155A.jsp) eine weitere Absenkung der Orientierungswerte angezeigt ist. Der Senat weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gemäß § 9 Abs 1 Satz 2
SGB VII generelle Voraussetzung für die Einführung eines BK-Tatbestandes die gruppenspezifische Risikoerhöhung gegenüber der Gesamtbevölkerung ist, deren Annahme jedenfalls bei Werten iHv 3 MNh bedenklich erscheint (s nur Kranig, Was schadet den Bandscheiben?,
DGUV Forum 2013, Nr 6 S 27, 31; vgl auch
LSG Baden-Württemberg vom 25.9.2008 - L 10 U 5965/06 - Breith 2009, 307, RdNr 34 ff).
2. Der Senat kann allerdings nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin, die das Berufungsgericht verneint hat, vorliegen, weil hierfür die Feststellungen des
LSG nicht ausreichen. Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen, zum anderen die potentielle Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten, betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit, zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann (Hrsg), Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" (BK 2108), Frankfurt 2014, S 179, 193, 199). Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS (
BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 26) nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (
BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19;
BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 23; vgl
BSG vom 27.6.2006 -
B 2 U 7/05 R - juris RdNr 16 zur BK nach Nr 4302 der Anlage zur BKV;
BSG vom 7.9.2004 -
B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22).
Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise bei der Bestimmung des maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands sowohl die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 zugrunde gelegt (dazu unter a) als auch das festgestellte Schadensbild diesen Erkenntnissen zugeordnet, mit dem Ergebnis, dass ein belastungskonformes Schadensbild iS der Konsensempfehlungen nicht vorliegt (dazu unter b). Hingegen ist die Aussage des Berufungsgerichts, in Fällen der B3-Konstellation spreche mehr gegen als für eine Verursachung durch die spezifischen beruflichen Einwirkungen iS der BK 2108 nicht haltbar (dazu unter c). Ob bei der festgestellten Befundkonstellation ein Anspruch auf Anerkennung einer BK 2108 besteht, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen dazu, ob nach dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Fehlens der B2-Zusatzkriterien der Konsensempfehlungen den Verursachungszusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und LWS-Schaden stützen, nicht entscheiden, weshalb der Rechtsstreit an das
LSG zurückzuverweisen ist (dazu unter d).
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das
LSG die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 216 ff, 228 ff) zugrunde gelegt hat. Diese bilden nach Überzeugung des Senats weiterhin den aktuellen Erkenntnisstand ab.Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, § 163 RdNr 9), jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BK-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (grundlegend:
BSG vom 27.6.2006 -
B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 sowie
BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23; s auch
BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23; s zur älteren Senatsrechtsprechung, wonach diesbezügliche Feststellungen dem Anwendungsbereich des § 163
SGG zugerechnet wurden:
BSG vom 2.5.2001 -
B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 83 = SozR 3-2700 § 9 Nr 4 = SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 4, juris RdNr 28;
BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 15, jeweils mwN). Dies muss zunächst jedenfalls immer dann gelten, wenn diese - wie hier - zulässig gerügt werden (vgl
BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15; s zur Problematik der Überprüfung von allgemeinen Tatsachen auf ihre offensichtliche Unrichtigkeit auch das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Inwieweit in der Rechtsprechung anderer Senate des
BSG (zur Überprüfung sog "genereller Tatsachen" in der sonstigen Rechtsprechung des
BSG vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 7 sowie speziell im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 94 = SozR 3-1500 § 163 Nr 7, juris RdNr 17 sowie
BSG vom 12.8.2009 -
B 3 KR 10/07 R - BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 27 und zuletzt
BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55; s zu "Rechtstatsachen"
BSG vom 25.10.1994 -
3/1 RK 57/93 - SozR 3-1500 § 163 Nr 5, juris RdNr 27, zu "allgemeinkundigen Tatsachen historischer Natur"
BSG vom 7.2.1985 - 9a RV 5/83 - BSGE 58, 38, 42 = SozR 3100 § 5 Nr 7, juris RdNr 17 sowie zu "gerichtskundigen Tatsachen"
BSG vom 27.1.1977 -
7 RAr 16/75 - BSGE 43, 124, 127 = SozR 4100 § 41 Nr 28, juris RdNr 30) eine solche Überprüfung genereller Tatsachen erfolgt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls im Bereich des Rechts der BKen hat das
BSG aufgrund der in den Normtexten der jeweiligen BKen in der Anlage zur BKV regelmäßig vertypisierten wissenschaftlichen Aussagen die Existenz der einschlägigen Erfahrungssätze selbst festzustellen. Das über das Vorliegen von BKen befindende Gericht muss sich folglich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl
BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18;
BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 68 f;
BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch
BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).
Hierbei ist zunächst die Zugrundelegung der Konsensempfehlungen durch das
LSG als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden der Klägerin nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 sind nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands, wie der Senat zuletzt 2009 klargestellt hat (
BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15). Seitdem wurden zwar in Folge der Veröffentlichung der DWS II Fachaufsätze publiziert, die Zweifel an den Aussagen auch der Konsensempfehlungen äußern. Weder aus der DWS II noch den sonstigen Veröffentlichungen ist jedoch zu entnehmen, dass die Erkenntnisse der Konsensarbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 gerade hinsichtlich der hier zugrunde gelegten Befundkonstellation inzwischen veraltet sein könnten. Sofern vertreten wird, dass inzwischen die Ergebnisse der DWS II die wesentlichen Grundannahmen aus den Konsenskriterien widerlegten, etwa weil die bisher angenommenen Einwirkungsgrößen zu hoch seien, die Lokalisation und Häufigkeit der Verteilung von Bandscheibenschäden zu 96 % mit denen der Normalbevölkerung identisch sei, die Auswertungen der DWS II keine deutliche Abhängigkeit der Begleitspondylose von der MDD-Gesamtbelastungsdosis gezeigt habe oder Schäden an der HWS keine Aussagekraft zur Verursachung von LWS-Schäden hätten (M. Kentner und K. Frank, Kommentar zur DWS-Richtwertestudie und Implikationen hinsichtlich BK 2108 - Biomechanik vs. Pathophysiologie, Manuskript, erscheint in ASUMed 8/2015); Linhardt/Grifka, Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie (DWS) auf die Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule (BK 2108), MedSach 111 (2015), 20, 21; Bergmann, Bolm-Audorff, Ditchen, Ellegast, Haerting, Kersten, Jäger, Skölziger, Kuß, Morfeld, Schäfer, Seidler, Luttmann, Lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulärsyndrom und fortgeschrittene Osteochondrose, ZblArbeitsmed 2014, 233 - 238) handelt es sich erkennbar um wissenschaftliche Einzelmeinungen.
Die zitierten Publikationen setzen sich zum einen jeweils inhaltlich nicht mit der grundsätzlichen Kritik an der angewandten Methodik der Nachuntersuchung auseinander (s nur Grosser, Ergebnisse der Konsensusarbeitsgruppe zur Begutachtung der BK 2108 - Status quo und Konsequenzen aus der DWS, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann, Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" (BK 2108), Frankfurt 2014, S 84 - 104; Zagrodnik, Fragliche Belastungsdosis,
DGUV Forum 2014, Nr 7/8 S 10 - 13), zum anderen schöpfen sie ihre Kritik an den Aussagen der Konsensempfehlungen alleine aus den Ergebnissen der DWS II, und wenden sich im Wesentlichen gegen die Bestimmung und Höhe der Einwirkungsgrößen, nicht aber gegen die Grundaussage der Konsensempfehlungen, dass Bandscheibenschäden aufgrund beruflich erworbener Druckbelastungs-Dosen entstehen können. Der Senat verkennt nicht, dass ein wissenschaftlicher Erkenntnisstand auch dadurch erschüttert werden kann, dass grundlegende und fundierte Zweifel seitens der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler diesem den Boden entziehen, ohne dass sich diese in ihrer Mehrheit auf einen neuen Konsens geeinigt hätten. Einzelne Gegenstimmen sind demgegenüber nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit von mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftlern diesem Konsens entgegentritt.
b) Sofern das
LSG davon ausgeht, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 eine Anerkennungsempfehlung aussprechen, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. So wie der erkennende Senat im Recht der BKen nicht gehindert ist, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Verursachungszusammenhängen festzustellen, ist er ebenso wenig gehindert, die korrekte Zuordnung des Sachverhalts seitens des Berufungsgerichts unter diesen einschlägigen Erkenntnisstand zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, wenn dieser in Konsensempfehlungen verdichtet ist. Bei diesen handelt es sich freilich nicht um einen normativen Text oder ein antizipiertes Sachverständigengutachten, weil die Konsensempfehlungen weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden (P. Becker, ASUMed 2009, 592, 595). Daher sind sie für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter auch nicht unmittelbar verbindlich (Siefert,
ASR 2011, 45, 48) und es verbietet sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre (vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht aaO; S 199).Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuell wissenschaftlichen Erkenntnisstandes einordnen zu können (Duell, Kranig, Palfner, BK-Begutachtungsempfehlungen - Wissen von Experten für Experten,
DGUV Forum 2012, Nr 4 S 14, 16). Andererseits muss bei diesem Erkenntnisvorgang überprüfbar bleiben, ob das
LSG nach allgemeinem Verständnis den von ihm festgestellten Sachverhalt (noch) vertretbar den in den Konsensempfehlungen aufgeführten Kategorien zugeordnet hat.
Nicht zu beanstanden ist im Rahmen des soeben aufgezeigten Prüfumfangs jedenfalls die Aussage des
LSG, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen eine Anerkennungsempfehlung aussprechen. Für sämtliche B-Konstellationen wird dort vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat. Sofern zusätzlich eine Begleitspondylose besteht (Befundkonstellation B1) gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt hingegen - wie hier nach den bindenden Feststellungen des
LSG - keine Begleitspondylose vor, so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen ua dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich 1. Alt). Alternativ müssen bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 2. Alt). Als weitere Alternativen genügt für die Konstellation B2 entweder das Bestehen einer besonders intensiven Belastung, wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als 10 Jahren (Befundkonstellation "B2" 2. Spiegelstrich), oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN) verlangt wird (Befundkonstellation "B2" 3. Spiegelstrich). Nach den bindenden, weil nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Feststellungen des
LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen keiner dieser Alternativen der Befundkonstellation B2 vor. Insbesondere hat das
LSG bei fehlender Begleitspondylose lediglich einen - keinesfalls ausreichenden - monosegmentalen Befund sowie das Fehlen von black discs in zwei benachbarten Segmenten festgestellt. Es kommt daher für den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob als "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 1. Alt) auch ein bisegmentaler Befund ausreichen würde (so
LSG Sachsen vom 21.6.2010 - L 2 U 170/08 LW - juris, das Gegenstand des Urteils des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - ist; anders Hessisches
LSG vom 27.3.2012 - L 3 U 81/11 - juris). Auch kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob im Rahmen der Anwendung der Befundkonstellation B2 2. Spiegelstrich für die dort erwähnte "Lebensdosis" das Erreichen der hälftigen MDD-Dosis genügt (vgl ebenfalls das Urteil des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, in dem der Senat im Ergebnis die dahingehende Interpretation der Konsensempfehlungen durch das
LSG als nicht offensichtlich falsch angesehen hat).
Das
LSG hat freilich im vorliegenden Fall für den Senat bindend (§ 163
SGG) eine Belastung durch schweres Heben und Tragen innerhalb von 10 Jahren von maximal 8,42 MNh und damit nur iHv 49,53 % des nach dem MDD angenommenen Richtwertes für die Lebensdosis bei Frauen festgestellt, womit selbst der hälftige MDD-Wert nicht erreicht wurde. Anhaltspunkte dafür, dass auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands die rechtlich wesentliche Verursachung eines monosegmentalen Bandscheibenprolaps im Segment L5/S1 durch die in der BK 2108 genannten Einwirkungen bei Erreichen einer Gesamtbelastungsdosis iHv 8,42 MNh in einem Zeitraum von 10 Jahren ohne die sonstigen Zusatzerfordernisse der B2-Konstellation als hinreichend wahrscheinlich angenommen werden könnte, sind dem Senat nicht bekannt. Das
LSG ist jedenfalls diesbezüglich bei Anwendung der Konsensempfehlungen weder von einem erkennbar falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen, noch hat es einen dem Senat bekannten oder vorgetragenen vorhandenen Erfahrungssatz nicht angewandt, als es unter Zugrundelegung der B3-Konstellation das Vorliegen einer mit einer Anerkennungsempfehlung konsentierten Befundkonstellation nach den Konsensempfehlungen verneint hat (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, sowie
BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 27).
c) Soweit die Klägerin allerdings geltend macht, das
LSG habe bei der Ablehnung des Ursachenzusammenhangs die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1
SGG) überschritten, weil es davon ausgegangen ist, bei Vorliegen der Konstellation B3 spreche deutlich mehr gegen als für den Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung, hat sie zulässig und zutreffend die Anwendung eines nicht existierenden Erfahrungssatzes gerügt. Ein solcher Erfahrungssatz, wie ihn das
LSG angenommen hat, ist nicht allgemeinkundig oder dem Senat gerichtsbekannt. Soweit weder eine Begleitspondylose noch eines der zuvor genannten Zusatzkriterien der Konstellation B2 vorliegen und keine konkurrierenden Faktoren erkennbar sind, war die Einschätzung des Zusammenhangs durch die Arbeitsgruppenteilnehmer der Konsensarbeitsgruppe offensichtlich unterschiedlich und es wurde folglich auch keine Anerkennungsempfehlung ausgesprochen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 221 f).Dieser fehlende Konsens in der Arbeitsgruppe kann aber nicht so gedeutet werden, dass damit eine Anerkennung des Verursachungszusammenhangs im Einzelfall unmöglich wäre. Zwar wird die Schlussfolgerung des
LSG häufig zutreffen, jedoch ist die vom
LSG zugrunde gelegte generelle Aussage wissenschaftlich nicht belegt, so dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen und dementsprechend jeweils erst im Rahmen der Amtsermittlung festzustellen ist, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, die im konkreten Einzelfall den Ursachenzusammenhang als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen(
BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Dies lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des
LSG indes nicht beurteilen, das - von seiner Rechtsansicht her konsequent - die Ermittlungen bereits mit der Bejahung der Konstellation B3 beendet hat. Das
LSG wird daher erst zu ermitteln haben, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können.
3. Für den Fall, dass ein solcher Erfahrungssatz feststellbar ist, wird das
LSG auch weitere Feststellungen dazu treffen müssen, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist. Die von der Klägerin während ihrer Berufstätigkeit ausgeführten Hebe- und Tragevorgänge erfolgten in der Regel bei saisonbedingten Anpflanzungstätigkeiten, ohne dass sich der zeitliche Umfang bzw die Häufigkeit dieser Tätigkeiten den Urteilsgründen entnehmen lässt. Die Regelmäßigkeit der Einwirkung durch Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist kein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der BK 2108, sondern lässt sich als Bestandteil der arbeitstechnischen Voraussetzungen dem Merkblatt 2006 (BArbBl 2006 Nr 10, S 30 ff, Abschnitt
IV) entnehmen. Hintergrund ist, dass bei nicht regelmäßiger Belastung den Bandscheiben genügend Zeit zur Regeneration bleibt und deshalb keine Ursächlichkeit zwischen Druckbelastung und Schädigung besteht. Hierfür reicht es aber aus, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten erfolgten, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann. Vorausgesetzt wird, dass der Betroffene mindestens 60 Schichten im Jahr mit relevanter Wirbelsäulenbelastung ausgesetzt war. Wie bei der Belastungsdauer können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK 2108 auch
BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 24; Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 11a, sowie zur BK 2109:
BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15). In tatsächlicher Hinsicht hat das
LSG insoweit nur festgestellt, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im genannten Umfang insbesondere bei Anpflanzungsarbeiten an der Autobahn erfolgt sind. Insoweit wird das
LSG ggf die Feststellung nachzuholen haben, ob diese Anpflanzungsarbeiten mindestens 60 Schichten umfassten, oder ob die Klägerin weitere diesen Kriterien entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausführte.
Das
LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.