Urteil
Unfallversicherung: Bei der Prüfung bandscheibenbedingter Lendenwirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit kann das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) herangezogen werden

Gericht:

BSG


Aktenzeichen:

B 2 U 13/02 R


Urteil vom:

18.03.2003


Leitsätze:

1. Die Umschreibung bandscheibenbedingter Lendenwirbelsäulenerkrankungen als Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV entspricht auch gegenwärtig dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

2. Bei der Auslegung der in Nr. 2108 der Anlage zur BKV als Tatbestandsmerkmale aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe kommt dem zur Prüfung der "arbeitstechnischen Voraussetzungen" dieser Berufskrankheit entwickelten "Mainz-Dortmunder- Dosismodell" aus heutiger Sicht eine besondere Bedeutung zu.

Kurzbeschreibung:

Der Kläger beanspruchte die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerde als Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2108 = bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).

Der im Jahre 1949 geborene Kläger absolvierte von 1964 bis 1967 eine Mechanikerlehre und ist seither in diesem Beruf beschäftigt, seit 1974 an einer Universal-Tisch-Bohrmaschiene. Dort arbeitet er in nach vorn gebeugter Körperhaltung im Stehen. Er hat bis zu 20 mal täglich bis zu 25 Kilogramm (kg) schwere Materialkisten vom Boden aufzunehmen und auf der Abstellfläche des 85 Zentimeter (cm) hohen Arbeitstisches abzustellen.

An der Bohrmaschiene sind ständige Werkzeugwechsel erforderlich. Diese müssen in rund 80 cm Entfernung seitlich neben dem Körper gegriffen und in die Aufnahme der Maschine eingeführt werden. Dabei ist der Kläger in verdrehter Stellung nach vorne gebeugt; eine Abstützung mit der anderen ist nicht möglich, da diese den Entriegelungshebel der Bohrfutteraufnahme bedient.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Vorliegens einer BK 2108 ab, weil die vom Kläger als belastend empfundene Körperhaltung keine extreme Rumpfbeugehaltung sei und die übrigen Belastungen (Anheben der Materialkisten) einen Wert ergäben, der weit unterhalb des Wertes liege, bei dem grundsätzlich mit dem Risiko einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule gerechnet werden müsse.

Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass es an den so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung fehle. Sowohl nach dem Merkblatt zur BK 2108 und insbesondere nach dem so genannte Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) ergebe sich für den Kläger aus der Hebebelastung am Arbeitsplatz eine Beurteilungsdosis, die weit unterhalb der Grenzwerttagesdosis liege. Bei der gebeugten und teilweise seitlich verdrehten Körperhaltung am Arbeitsplatz handele es sich nicht um eine gefährdete Tätigkeit i.S. der BK 2108.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügte der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der Senat hat den Beteiligten mit der Terminladung juristische und medizinische Veröffentlichungen zur BK 2108 und zum MDD, schwerpunktmäßig aus der Zeit ab dem Jahre 1999, übersandt, die im Rahmen des Rechtsgesprächs zur Frage der Wirksamkeit der BK 2108 erörtert wurde.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen einer BK 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbeksäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).

Die Nr. 2108 der Anlage zur BKV entspricht auch bei erneuter Überprüfung dem rechtsstaatlichen Gebot der Bestimmtheit. Zur Auslegung der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe hat das LSG das Mainz-Dortmunder- Dosis-Modell (MDD) herangezogen. Das ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, weil das MDD eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen darstellt.

Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG erreicht der Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nur weit weniger als die Hälfte des arbeitstäglichen Dosisrichtwertes nach dem MDD, so dass das LSG nicht gehalten war, ein ärztliches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob die beruflichen Belastungen des Klägers sein Wirbelsäulenleiden wesentlich mitverursacht haben. Da es sich bei der Körperhaltung des Klägers während des Werkzeugwechsels nicht um eine extreme Rumpfbeugehaltung i.S. des BK 2108 handelte, war auch nicht weiter zu prüfen, ob diese Körperhaltung im Zusammenwirken mit dem Heben von Lasten weit unterhalb des täglichen Dosisrichtwertes das Wirbelsäulenleiden mitverursacht hat.

Rechtsweg:

Sozialgericht Saarbrücken Gerichtsbescheid vom 9.02.2001 - S 4 U 224/00
LSG Saarbrücken Urteil vom 21.11.2001 - L 2 U 37/01

Quelle:

Sozialrecht + Praxis 08/2003

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der im Jahre 1949 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 1964 bis 1967 eine Mechanikerlehre und war seither in diesem Beruf beschäftigt. Seit dem Jahre 1974 war er an einer Universal-Tisch-Bohrmaschiene eingesetzt, wobei er in nach vorn gebeugter Körperhaltung im Stehen arbeitete. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er bis zu 20 mal täglich bis zu 25 kg schwere Materialkisten vom Boden aufzunehmen und auf der Abstellfläche des 85 cm hohen Arbeitstisches abzustellen.

Ständige Werkzeugwechsel an der Bohrmaschiene waren erforderlich; die bereit gestellten Werkzeuge mussten in rund 80 cm Entfernung seitlich neben dem Körper gegriffen und in die Aufnahme der Maschine eingeführt werden. Dabei war der Körper in verdrehter Stellung nach vorne gebeugt; eine Abstützung mit der anderen Hand war nicht möglich, da diese den Entriegelungshebel der Bohrfutteraufnahme bediente.

Im Dezember 1999 erfolgte die ärztliche Anzeige einer BK aufgrund von Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers. Die Beklagte zog ärztliche Befundberichte bei und holte eine Arbeitgeberauskunft, einen Bericht ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) sowie eine Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes ein. Durch Bescheid vom 3. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2000 lehnte sie die Anerkennung der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers als BK ab. Die von dem Kläger als belastend empfundene Körperhaltung beim Bedienen der Tisch-Bohrmaschine stelle keine extreme Rumpfbeugehaltung im Sinne des Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur BK nach Nr. 2108 (BArbB13/1993 S. 50) dar.

Die übrigen Belastungen hätten einen Dosisrichtwert ergeben, der weit unterhalb des Wertes liege, bei dem grundsätzlich mit dem Risiko einer bandscheibenbedingten Erkrankung gerechnet werden müsse. Die Tätigkeiten des Klägers am Arbeitsplatz hätten somit keine ausreichende Gefährdung durch das Heben von Lasten für die Anerkennung als BK ergeben.

Das Sozialgericht für das Saarland (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2001). Das Landessozialgericht für das Saarland (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 21. November 2001). Das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sei beim Kläger nicht nachgewiesen, da es bereits nach dem Ergebnis der auch auf den Angaben des Klägers beruhenden Ermittlungen des TAD an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung fehle.

Nach dem Merkblatt zur BK (aaO) sei unter langjährigem Heben und Tragen schwerer Lasten eine mindestens zehnjährige Tätigkeit zu verstehen, bei der Lasten bis zum 40. Lebensjahr von mindestens 25 kg und ab dem 40. Lebensjahr von 20 kg mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben oder getragen worden seien. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien Arbeiten in Arbeitsräumen, die niedriger als 100 cm seien.

Derartige Expositionen sei der Kläger aber nicht in ausreichendem Maße ausgesetzt gewesen. Er habe zwar nach seinen eigenen Angaben, die auch der TAD zugrunde gelegt habe, überwiegend bei nach vorn gebeugtem und teilweise seitlich verdrehtem Oberkörper gearbeitet. Allerdings stellten Arbeiten in geringer gebeugter Haltung auch bei zum Teil seitlich verdrehter Körperhaltung (( 90) keine gefährdenden Tätigkeiten i.S. der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV dar.

Sie könnten damit im Rahmen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK nicht berücksichtigt werden. Zur Ermittlung der Belastungen des Klägers durch Heben und Tragen schwerer Lasten habe der TAD der Beklagten das Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) zugrunde gelegt. Dieses Modell habe eine wegen unterschiedlicher Bewertungen der beruflichen Voraussetzungen für die BK durch die einzelnen Berufsgenossenschaften gebildete Arbeitsgruppe im Rahmen eines Konsensus-Berichts entwickelt und als MDD veröffentlicht.

Das Modell gehe davon aus, dass nur Lastgewichte von mindestens 15 kg bei Männern zu berücksichtigen seien, die mit einer Druckkraft von mindestens 3.200 N (3,2 mal 10 hoch 3 N) auf die Bandscheibe L5/S1 einwirkten. Nach dem MDD gelte eine Tätigkeit für männliche Beschäftigte als belastend, wenn sie mit einer Tagesdosis von mindestens 5500 Nh (5,5 mal 10 hoch 3 Nh) verbunden sei. Die Gesamtdosis während der gefährdenden Beschäftigung müsse den Richtwert von 25 mal 106 Nh erreichen, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltend gemachte Berufskrankheit zu erfüllen.

Ausgehend davon ermögliche das MDD eine praxisgerechte Berücksichtigung einzelner Verrichtungen. Die vom MDD für eine kritische Belastung der Lendenwirbelsäule angenommenen Dosiswerte orientieren sich an den Belastungswerten des Merkblatts zur BK Nr. 2108 und bezögen die Ergebnisse epidemiologischer Studien ein. Es bestünden daher keine Bedenken, der vom TAD angewandten Berechnungsmethode zu folgen.

Der TAD habe eine Beurteilungsdosis von 1739 Nh je Arbeitsschicht errechnet. Diese liege weit unterhalb der Tagesdosis von 5500 Nh, ab der Hebe- und Tragetätigkeiten nach dem MDD als gefährdende Tätigkeiten im Bereich der maßgeblichen Gesamtbelastung berücksichtigt werden könnten. Daher sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger während der einzelnen Arbeitsschichten in einem den Voraussetzungen der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV entsprechenden Umfang schwere Lasten gehoben oder getragen habe.

Ferner sei bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen neben der Hebetätigkeit nicht zu berücksichtigen, dass der Kläger in nach vorn gebeugter und teilweise seitlich verdrehter Haltung gearbeitet habe, da es sich dabei nicht um eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV handele.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 9 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) iVm Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Das MDD sei nicht in dem erforderlichen Maße geeignet, im BK-Feststellungsverfahren eine zuverlässige und geeignete Abgrenzung hinsichtlich der Frage zu ermöglichen, bei welchem konkreten Tätigkeitsbild von einer "gefährdenden Tätigkeit" i.S. des § 9 SGB VII gesprochen werden könne. Jedenfalls sei das MDD als ausschließliches Abgrenzungskriterium ungeeignet, da es nicht die Fälle erfassen könne, in denen wie hier auf den letztlich erkrankten Körperbereich während der beruflichen Tätigkeit langjährig in mehrerlei Hinsicht eingewirkt worden sei.

So hätte bei Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens durchaus festgestellt werden können, dass die spezifischen Belastungen der beruflichen Tätigkeit maßgebliche oder gar alleinige Ursache für ein bestimmtes gesundheitliches Leiden des Betroffenen sei. Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sollten bestimmte Personengruppen, die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt seien, geschützt werden.

Das heißt, dass konkrete Krankheitsbilder kausal durch langjährige berufliche Tätigkeiten verursacht sein müssten. Zwar sei das MDD in vielen Fällen in der Lage, für eine sachgerechte Abgrenzung zu sorgen. Mit dem Willen des Gesetzgebers unvereinbar sei es aber, ohne jede Ausnahmeregelung jene Fälle auszugrenzen, in denen die Kausalität einer langjährigen und besonders belastenden Tätigkeit hinsichtlich des nachfolgenden Leidens durchaus festgestellt werden könne, nicht aber die nach dem MDD erforderliche "Tagesdosis" von 5500 Nh erreicht werde. Vorliegend hätten sich die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers ständig verschlimmert.

Es dränge sich gradezu auf, dass die berufliche Konstellation mit einer "Kombination" zwischen einer ständigen starken Rumpfbeugehaltung und der Notwendigkeit, regelmäßig Gewichte bis zu 25 kg zu heben, das Leiden verursacht habe. Derartige Fälle müssten zwangsläufig anders behandelt werden als die Fälle, in denen lediglich ein bestimmtes Kriterium, etwa eine langjährige "extreme Rumpfbeugehaltung", vorgelegen habe. Daher sei eine Überprüfung des MDD hinsichtlich seiner Geeignetheit angezeigt.

Die Beklagte hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass das Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei dem Kläger nicht nachgewiesen ist.

Nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit für das BSG bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG erweisen sich das angefochtene Urteil sowie der streitige Bescheid der Beklagten als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 SGB VII), weil ein Versicherungsfall in Gestalt der streitigen BK (§ 7 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 1 SGB VII) nicht eingetreten ist.

Der Kläger leidet nicht an einer BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Nach dieser Vorschrift gehören zu den Berufskrankheiten auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Obgleich das LSG keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen hat, ob und ab wann der Kläger dauerhaft alle wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten i.S. der Nr. 2108 der Anlage zur BKV aufgegeben hat (siehe dazu BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2), erübrigen sich die Aufhebungen des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur Feststellung dieser nach dem Wortlaut der BK maßgeblichen Tatsachen, weil der Rechtsstreit aus anderen Gründen zur abschließenden Entscheidung reif ist.

Die Revision ist allerdings nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger aufgrund der Unwirksamkeit der Vorschrift der Nr. 2108 der Anlage zur BKV keinen Anspruch auf Verletztenrente hätte. Die Vorschrift erweist sich trotz verschiedentlich geäußerter Kritik (vgl. etwa Ricke, SGb 1999, 582 ff.; Mehrtens/Brandenburg, ASUMed 1999, 378 f.; Riede, MedSach 2002, 113) nach der von Amts wegen durch das befasste Gericht insoweit vorzunehmenden (Inzident-)Prüfung (vgl. BVerfGE 1, 184, 198; BSGE 44, 90, 92 = SozR 2200 § 551 Nr. 9) nach wie vor als wirksam.

Der Senat hat sich seit Einführung der BK in der Nr. 2108 der Anlage (damals Anlage 1) zur BKV durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S. 2343) bereits mehrfach - ausdrücklich - mit der Gültihkeit der Norm beschäftigt (BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; BSGE 84, 30, 33 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; BSG, Urteil vom 10. August 1999 - B 2 U 11/99 R - USK 99138; vgl. auch BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16) und diese dabei stets der Entscheidung über die insoweit geltend gemachten Ansprüche zugrunde gelegt.

Obwohl zugleich mehrfach auf die Möglichkeit, zu einer anderen Bewertung der Wirksamkeit der Norm zu gelangen, hingewiesen wurde (BSG, aaO), sieht der Senat derzeit keinen zureichenden Grund, seine bisherige Beurteilung dieser Frage zu ändern. Seit der sich grundlegend mit der Frage der Gültigkeit der Norm befassenden Entscheidung des Senats vom 23. März 1999 (BSGE 84, 30 ff. = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12) sind keine Umstände eingetreten oder nachträglich bekannt geworden, die Anlass zu Zweifeln an der Gültigkeit der der BKV und damit auch der der Nr. 2108 der Anlage zur BKV zugrunde liegenden gesetzlichen Ermächtigung (vormals § 551 Abs. 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung, RVO, nunmehr § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) geben würden (vgl. BSG SozR 2200 § 551 Nr. 10; SozR 5677 Anl. 1 Nr. 46 Nr. 8).

Insbesondere deutet - allgemein, das heißt auf die ganze Reichweite dieser Normen gesehen - nichts darauf hin, dass die genannten Regelungen im Widerspruch zu dem in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) speziell für Ermächtigungsgrundlagen von Rechtsverordnungen normierten Bestimmtheitsgebot stehen, demzufolge bereits Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung durch das "formelle" Gesetz bestimmt sein müssen.

Ebenso wenig kann heute festgestellt werden, dass der Verordnungsgeber durch die Einführung der in Nr. 2108 der Anlage zur BKV bezeichneten BK zum 1. Januar 1993 (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung, aaO) Inhalt, Zweck und Ausmaß der oben genannten Ermächtigungsnorm überschritten hätte. Auch in dieser Hinsicht hält der Senat an seiner bisherigen, hierzu ergangenen Rechtsprechung (BSGE 84, 30 ff. = BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; BSG, Urteil vom 10. August 1999 - B 2 U 11/99 R - USK 99138; siehe auch BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16) fest.

Der Inhalt der seinerzeit maßgebenden Ermächtigungsnorm des § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO, der im Wesentlichen von der entsprechenden Neuregelung in § 9 Abs. 1 SGB VII übernommen wurde (BT-Drucks 13/2204 S. 77), erschließt sich ohne weiteres durch den Wortlaut und schließt als solcher nicht die Normierung der in Nr. 2108 der Anlage zur BKV bezeichneten BK aus. Es entspricht dem Zweck der Ermächtigung, solche Krankheiten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen, die wesentlich durch die versicherte Tätigkeit mitverursacht und daher vom Schutzgedanken der Unfallversicherung miterfasst sind (BSGE 84, 30, 32 mwN = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12).

Bei bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule besteht eine unbestrittene biologische Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie durch besonders hohe berufliche Belastungen hervorgerufen werden können ( vgl. Schwarze, Blome, Notbohm, Der Orthopäde 2002, 957, 962; Blome, Ergo-Med 2000, 2, 13).

Schließlich enthält die Ermächtigungsregelung eine Bestimmung ihrer Reichweite (Ausmaß) dahingehend, dass dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, der wiederum durch die Verpflichtung begrenzt wird, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigung die entsprechenden Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen. Die Feststellung, wann die Voraussetzungen der Ermächtigung erfüllt sind, liegt indes allein im normativen Ermessen des Verordnungsgebers, der zugleich die sozialpolitische Notwendigkeit gesteigerten Schutzes gegen betriebliche Risiken mit zu berücksichtigen hat (BSGE 84, 30, 36 mwN = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12).

Daran, dass der Verordnungsgeber dieses Ermessen seinerzeit fehlerfrei ausgeübt hat (BSGE 84, 30, 32 ff. = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; siehe zum weiteren Ermessensspielraum einschließlich eines fachlichen und auch sozialpolitischen Bewertungsspielraumes des Verordnungsgebers im Rahmen des § 551 Abs. 1 Satz 2 RVOB VerfG SozR 3-2200 § 551 Nr. 15; vgl. zum weiteren Ermessen des Verordnungsgebers bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in der Ermächtigungsgrundlage BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2002 - 2 BvF 4/98 - unveröffentlicht), hat der Senat auch weiterhin keine Zweifel, so dass sich die Annahme der Nichtigkeit der Bestimmung in Nr. 2108 der Anlage zur BKV nach wie vor nicht mit einer vermeindlichen Überschreitung des durch die Verordnungsermächtigung gezogenen Rahmens rechtfertigen lässt.

Schließlich ist die in Nr. 2108 der Anlage zur BKV gewählte Umschreibung der BK weiterhin als vereinbar mit dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Gebot der Bestimmtheit (gesetzlicher) Vorschriften (Bestimmtheitsgrundsatz) zu beurteilen. Danach sind der Gesetz- wie auch der Verordnungsgeber gehalten, ihre Vorschriften inhaltlich so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.

Zwar bewirkt allein die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm noch nicht deren Unbestimmtheit; allerdings sind an die Bestimmtheit um so strengere Anforderungen zu stellen, je intensiver etwa Grundrechte betroffen sind ( BVerfGE 93, 213, 238 mwN).

Dementsprechend können auch die an die Vorschrift in Nr. 2108 der Anlage zur BKV zu stellenden Ansprüche hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmtheit nicht zu weit gespannt werden, denn es handelt sich hierbei nicht um eine Vorschrift, die zum Eingriff in eine geschützte Rechtsposition des Bürgers berechtigen würde ( Eingriffsnorm), sondern die unter bestimmten Umständen eine Begünstigung (Anspruch) begründet. Allerdings ist zu beachten, dass Leistungsansprüche regelnde Normen am Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sind. Sie müssen daher so bestimmt gefasst sein, dass sie eine gleichmäßige Rechtsanwendung gegenüber den Anspruchstellern gewährleisten (vgl. BVerfG SozR 3-2200 § 551 Nr. 15).

Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert daher auch hier wie bei jeder zulässigen Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln, dass sich der Inhalt der betreffenden Vorschrift durch die Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln (vgl. hierzu BVerfGE 11, 126, 130) erschließen lässt (BVerfGE 92, 365, 409 f., BVerfGE 92, 262, 272 f. mwN; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2002 - 1 BvR 142/02 - NJW 2003, 196, 197).

Dies bedeutet aber nur, dass einerseits das auf solchen Vorschriften beruhende Verwaltungshandeln für den Betroffenen hinreichend begrenzt, messbar und in gewissem Sinne vorhersehbar erscheint und andererseits die Regelung auf diese Weise ihre Justitiabilität gewinnt (vgl. BVerfGE 21, 73, 79 f.; BVerfGE 56, 1, 12; Jaras/ Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl., Art. 20 RdNr 62, mwN).

Daher müssen der Gesetz- und der Verordnungsgeber nicht jede einzelne, sich gerade in einem komplexen wissenschaftlichen oder technischen Zusammenhang stellende Frage selbst entscheiden und dies im Normtext zum Ausdruck bringen; dies wäre angesichts sich grade insoweit häufig ändernder Gegebenheiten wohl unmöglich. Maßgebend ist allein, dass Verwaltungen und Gerichte die betreffende Norm (noch) im Wege einer Auslegung auf die wechselnden Situationen des Lebens anwenden können (BVerfGE 56, 1, 12; BVerfGE 79, 106, 120).

Wie der Senat in der Vergangenheit mehrfach betont hat (BSG SozR 3-5680 Art. 2 Nr. 1; BSGE 84, 30, 39 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 12; BSG Urteil vom 10. August 1999 - B 2 U 11/99 R - USK 99138; vgl. auch BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16), ist die Umschreibung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als BK in Nr. 2108 der Anlage zur BKV zwar auslegungebedürftig; sie ist jedoch deswegen nicht unvereinbar mit der rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit. Hieran muss gerade zum jetzigen Zeitpunkt, da vermehrt tragfähige Ergebnisse der wissenschaftlichen Diskussion um die Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale sichtbar werden, festgehalten werden.

Diese Einschätzung rechtfertigt sich zudem - wie auch schon früher - gerade im Hinblick auf die Reichweite des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und auf den äußerst weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers bei der Gewährung von Begünstigungen.

Darüber hinaus sprechen für diese Sicht nach wie vor die nach der Einführung der BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV gesammelten Erfahrungen, denen zufolge nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne eine ausreichend sichere, rechtsstaatlichen Anforderungen noch genügende Anwendung der Regelung festgestellt werden konnte (BSG SozR 3- 5680 Art. 2 Nr. 1; BSGE 84, 30, 39, 40 = SozR 3-2000 § 551 Nr. 12).

Zwar kann allein nach dem Wortlaut der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht exakt bestimmt werden, was unter den Begriffen einer "schweren" Last, einer "langjährigen" Tätigkeit und einer "extremen Rumpfbeugehaltung" zu verstehen ist (vgl. die Erläuterungen zu den Begriffen "schwer" und "langjährig" in Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., S. 2060, 3036); es ist jedoch - wie dargelegt - in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung unbestritten, dass gerade bei schwierigen, insbesondere wissenschaftlich-technischen Zusammenhängen wegen der Komplexität der Materie eine bis ins Detail gehende Regelung im Gesetzes- oder Verordnungstext nicht zu erfolgen braucht (BVerfGE 56, 1, 12; BVerfGE 79, 106, 120).

Dass sich die Frage, in welchem Ausmaß ein Zusammenhang zwischen langjährig schwerem Heben und Tragen oder einer entsprechenden Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung und der Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule besteht, als wissenschaftlich schwierig zu beurteilen erweist, belegt ihre vielfältige Behandlung sowohl in der unfallversicherungsrechtlichen als auch in der arbeitsmedizinischen Literatur.

Es bleibt daher festzustellen, dass der Verordnungsgeber nicht gehindert war, die Klärung solcher Gesichtspunkte zunächst der Verwaltung und Rechtsprechung zu überlassen. Er durfte durch die gezielte Verwendung auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe die Norm für zukünftige Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft öffnen (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16, S. 82 mwN).

Dies besagt nicht, dass zwischenzeitlich alle erheblichen Fragen abschließend geklärt wären und auch der Verordnungsgeber - entgegen den früheren Hinweisen des Senats (BSG aaO; zuletzt SozR 3-2200 § 551 Nr. 16) - von seiner Verpflichtung entbunden wäre, die Rechtsanwendung im Rahmen der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV weiter ständig zu beobachten und zu prüfen, ob ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung eine Konkretisierung, Einschränkung, Ausweitung oder Klarstellung des Wortlauts der BK notwendig ist.

Maßgebend für die Entscheidung dieser Streitsache ist, dass die Regelung in Nr. 2108 der Anlage zur BKV aufgrund des derzeitigen Standes der medizinischen Erkenntnisse eine hinreichend bestimmte Grundlage für eine gleichmäßige Rechtsanwendung bietet. Gegenwärtig kommt dabei dem MDD besondere Bedeutung zu.

Die Anknüpfung, die das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung zur notwendigen Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV i.S. einer Ermittlung der tatsächlichen Belastung des Klägers an das im Wesentlichen von Seiten der Verwaltung entwickelte MDD (siehe grundlegend dazu Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, S. 101 ff. , 112 ff. und 143 ff.), das zwischenzeitlich für weitere Bereiche eingeführt wurde (vgl. Fröde, Sozialer Fortschritt 2001, 117, 120; Hofmann, Bolm-Audorff, Dupuis, Rehder, ZblArbeitsmed 2002, 78, 86 f.), vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden.

Das MDD dient letztlich der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten". Es basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch äußere Einwirkungen verursacht werden können und dafür eine gewisse Belastungsdosis i.S. eines Drucks auf die Bandscheiben notwendig ist. Insofern handelt es sich um die Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen. Die gerichtliche Anwendung des MDD beruht daher auf einer tatsächlichen Feststellung dahin, dass es diese Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen gibt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16, S. 83).

Bei der Ermittlung solcher Erkenntnisse, regelmäßig medizinischer Erfahrungssätze, handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen hat und die der Revision daher nur beschränkt zugänglich ist.

Der Inhalt medizinischer Erfahrungssätze kann vom Revisionsgericht nicht überprüft und somit auch nicht festgestellt werden. Es darf lediglich kontrollieren, ob das Tatsachengericht bei seinen Feststellungen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt hat (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr. 19 mwN). Ein Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze liegt vor, wenn das Tatsachengericht einen bestehenden Erfahrungssatz nicht berücksichtigt oder einen tatsächlich nicht existierenden Erfahrungssatz angewendet hat (BSG SozR 1500 § 103 Nr. 25 mwN; insgesamt BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).

Mit seiner Auffassung, das MDD sei ein geeigneter Maßstab zur Konkretisierung und Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108, hat das LSG einen tatsächlich existierenden medizinischen Erfahrungssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das MDD nicht auf medizinischen Erfahrungstatsachen beruht.

Nach der vorliegenden medizinischen Literatur, die der Senat den Beteiligten zur Verfügung gestellt hat, ist das MDD - entgegen der Auffassung des Klägers - zumindest derzeit ein geeignetes Modell, um, worauf es hier ankommt, die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (vgl. Brandenburg, BG 2001, 365, 368; ASUMed 1999, 101, 102). Zwar arbeitet dieses Modell mit gewissen Vorgaben, etwa indem die Langjährigkeit mit mindestens sieben Jahren angesetzt wird (vgl. ASUMed 1999, 112, 113) und nach Geschlecht und Lebensalter differenziert bestimmte Mindestlastgewichte festgelegt werden (vgl. ASUMed 1999, aaO).

Diese Vorgaben sind jedoch nicht frei gegriffen, sondern sind ihrerseits wiederum medizinische Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau, Transport) gewonnenen Werten (vgl. ASUMed 1999, 101, 104, 105) orientieren. Sie knüpfen zudem an das vom seinerzeit zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV (BArbBl 3/1993 S. 50) an (vgl. Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 1999, 101, 103; Becker, SGb 2001, 488, 490). Dieses Merkblatt ist zwar nicht in erster Linie als juristische Arbeitshilfe, sondern als Hilfsmittel für die ärztliche Untersuchung gedacht (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Becker, SGb 2001, 488, 489); es beansprucht daher weder in irgendeiner Weise eine rechtliche Verbindlichkeit noch gibt es zwingend den neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Forschungsstand wieder (BSG aaO).

Allerdings ist nicht zu übersehen, dass das Merkblatt über weite Passagen wortgleich ist mit der amtlichen Begründung zur Einführung der BK in der BR-Drucks 773/92. Das bedeutet, dass das MDD wichtige Eckpunkte einbezieht, die als Motive für den seinerzeitigen Verordnungsgeber wegweisend waren.

Dadurch, dass das MDD darüber hinaus auch weitere, nach Erlass der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I S 2343) gewonnene Forschungsergebnisse, etwa das Prizip des quadratischen Ansatzes (vgl. ASUMed 1999, 101, 107), berücksichtigt und daraus entscheidende Schlussfolgerungen, nämlich die Aufstellung von Richtwerten, zieht (vgl. aaO, 109), bewegtes sich nicht über den im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu erschließenden Normbereich hinaus.

Es ist gerade in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich bereits der Verordnungsgeber des Problemfeldes der "Ursache-Wirkungs-Beziehung" oder "Dosis-Häufigkeitsbeziehung" bewusst war (BR-Drucks 773/ 92 S. 8).

Zwar übersieht der Senat nicht, dass das MDD nach wie vor aus verschiedenen Gründen, etwa im Hinblick auf die wissenschaftlichen Grundlagen des Modells, den konkreten Berechnungsmodus, die "Richtwerte" oder die fehlende Berücksichtigung der individuellen Konstitution unter Kritik steht (vgl. Becker, SGb 2001, 488, 491; Liebers, Caffier, ASUMed 2001, 447, 450; zusammenfassend Hartmann, ASUMed 2002, 580), die von seinen Befürwortern teilweise anerkannt wird (vgl. Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGb 2002, 202, 203).

Dennoch wird das Modell auch von seinen Kritikern regelmäßig als ein Ansatz angesehen, der weiterverfolgt werden sollte (Liebers, Caffier, aaO, 456; Becker, aaO, 491, 492; Hartmann, aaO). Darüber, wie dies im Einzelnen geschehen sollte, gehen zwar die Meinungen auseinander; grundsätzlich kann jedoch aus der wissenschaftlichen Diskussion des MDD (vgl. gegen die Kritiker: Jäger, Luttmann, Bolm-Audorff, Schäfer, Hartung, Kuhn, Paul, Francks, ASUMed 2002, 580; Schäfer, Hartung, Bolm-Audorff, Luttmann, Jäger, SGb 2002, 202) der Schluss gezogen werden, dass jedenfalls durch das Modell - natürlich mit Abstrichen - erstmalig eine von den Unfallversicherungsträgern einheitlich angewandte praktikable Arbeitsgrundlage für die Bemessung der belastungsbedingten Dosis in Bezug auf ein Erkrankungsrisiko zur Verfügung steht.

Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaft führt zudem derzeit eine "Epidemiologische Fall- Kontroll-Studie zur Untersuchung von Dosis-Wirkung-Beziehungen bei der BK Nr. 2108" durch (vgl. Bolm-Audorff, ZblArbeitsmed 2003, 11, 14). Er überprüft damit die Vorgabe des MDD und erwartet wesentlich vertiefte Erkenntnisse über den Verlauf der Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen beruflichen Wirbelsäulenbelastungen und bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankungen (Bolm-Audorff, aaO).

Referenznummer:

R/R1846


Informationsstand: 10.02.2004