1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 12.01.2022 - Az. 4 Ca 2048/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch des Klägers nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (
AGG) aufgrund behaupteter Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60 Prozent. Mit Schreiben vom 31.05.2020 (Bl. 35 der Akte) bewarb sich der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf eine bei der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Mitarbeiter Service- und Beratungszentrum. Nach dem Ausschreibungstext (Bl. 36 der Akte) gehörte zu den Aufgabenbereichen die Annahme von eingehenden Anrufen, die Bearbeitung von Standardanfragen, die Umsetzung von Marketing- und Anspracheaktionen sowie die aktive telefonische Ansprache von Bestandskunden. Unstreitig erfüllt der Kläger als ausgebildeter Bankkaufmann die Qualifikationsanforderungen für die ausgeschriebene Stelle.
Mit E-Mail vom 30.06.2020 (Bl. 33 der Akte) wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sie seine Bewerbung nicht berücksichtigen könne. Mit Schreiben vom 27.07.2020 (Bl. 31 der Akte), der Beklagten am 30.07.2020 zugegangen, machte der Kläger eine Entschädigung gemäß
§ 15 Abs. 2 AGG geltend und forderte unter Fristsetzung bis zum 19.08.2020 eine Zahlung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern, insgesamt 5.000,00 €.
Mit Schreiben vom 12.08.2020 (Bl. 24 der Akte) wies die Beklagte den erhobenen Vorwurf einer Ausgrenzung aufgrund der Schwerbehinderung zurück. Andere Bewerbungen hätten optimaler gepasst. In dem Schreiben wies sie darauf hin, dass aufgrund einer internen Veränderung erneut eine Vakanz im Service- und Beratungszentrum entstanden sei. Diese Stelle werde nun dem Kläger exklusiv angeboten. Dem Schreiben war ein Vertragsangebot mit Wirkung ab 1. September 2020 beigefügt. Ferner wurde der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch am 19.08.2020 in Erfurt eingeladen. Die angebotene Stelle als Mitarbeiter Service- und Beratungszentrum in der Funktion Telefonberater entsprach dabei unstreitig sowohl inhaltlich als auch nach dem Anforderungsprofil der zuvor ausgeschriebenen Stelle.
Der Kläger lehnte mit Schreiben vom 19.08.2020 (Bl. 22 der Akte), auf dessen Inhalt verwiesen wird, die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ab und führte aus, er halte das erst nach Geltendmachung einer Entschädigungszahlung erfolgte Stellenangebot für „sehr ungewöhnlich bis fast unredlich". An der geltend gemachten Entschädigung halte er fest.
Mit seiner am 30.10.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.000,00 € wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung sowie wegen Altersdiskriminierung begehrt. Er hat vorgetragen, durch den Hinweis auf seine Schwerbehinderung seien auf Seiten der Beklagten besondere Förderpflichten ausgelöst worden. Die Beklagte sei diesen Förderpflichten nicht nachgekommen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger keine Chance gehabt habe, sich in einem persönlichen Vorstellungsgespräch vorzustellen. Der Kläger hat bestritten, dass die Beklagte die Beschäftigungsquote gemäß
§ 154 Abs. 1 SGB IX erfülle. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass die gesetzlichen Verpflichtungen gemäß
§ 164 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX erfüllt worden seien und dass die Beklagte einen Inklusionsbeauftragten formgerecht bestellt und Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung beteiligt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem EZB-Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, den Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung benachteiligt zu haben. Auch die behauptete Diskriminierung wegen seines Alters sei abwegig. Zu einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch sei die Beklagte als nicht-öffentlicher Arbeitgeber nicht verpflichtet. Die Beklagte habe es lediglich versäumt, im Vorfeld der Ausschreibung gemäß § 164
Abs. 1 Satz 2
SGB IX die Arbeitsagentur zu kontaktieren und einen Vermittlungsauftrag für die vakante Stelle auszulösen. Alle übrigen Verfahrensvorschriften in Bezug auf den Schutz der Behinderten seien jedoch beachtet worden. Insbesondere erfülle die Mitarbeiterin A... die Aufgabe als Inklusionsbeauftragte. Bei einer aktuellen Beschäftigung von 113 Mitarbeitern seien acht Mitarbeiter mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 beschäftigt. Die Beschäftigungsquote liege daher bei 7 %. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung existierten bei ihr nicht.
Die Beklagte hat ferner ausgeführt, aus ihrer Sicht habe es sich nicht um eine ernsthafte Bewerbung des Klägers gehandelt. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger das Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages auf einer vergleichbaren Stelle abgelehnt und noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch erschienen sei. Bei einer ernst gemeinten Bewerbung hätte der Kläger diese Chance sofort ergriffen.
Mit Urteil vom 12.01.2022 (Bl. 122-127 der Akte) hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters sei nicht nachgewiesen. Für eine solche Benachteiligung seien keine konkret überprüfbaren Umstände vorgebracht worden. Auch eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung könne nicht festgestellt werden. Zwar sei der Geltungsbereich des
AGG eröffnet und der Kläger wegen der Absage benachteiligt worden. Eine Kausalität zwischen dieser Benachteiligung und der Schwerbehinderung des Klägers sei jedoch nicht zu erkennen. Die fehlende Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch habe keinen Indizcharakter, da die Beklagte als nicht-öffentlicher Arbeitgeber nicht nach
§ 165 SGB IX zu einer Einladung verpflichtet sei. Die pauschale Behauptung des Klägers, die Beklagte erfülle die Beschäftigungsquote für Schwerbehinderte nicht, habe die Beklagte mit konkretem Sachvortrag widerlegt. Der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe weder Betriebsrat noch Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung informiert, greife nicht, da bei der Beklagten diese Gremien nicht existierten. Eine fehlende Bestellung eines Inklusionsbeauftragten sei ebenfalls nicht feststellbar. Und die von der Beklagten versäumte Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit gemäß § 164
Abs. 1 Satz 2
SGB IX genüge für sich genommen vor dem Hintergrund der dargelegten Erfüllung der Beschäftigungsquote nicht als ausreichendes Indiz für eine Benachteiligungsabsicht.
Gegen das ihm am 26.01.2022 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat der Kläger mit einem am 25.02.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 26.04.2022 mit seiner am 25.04.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründungsschrift begründet.
Der Kläger wiederholt seine Auffassung, wonach er eine weniger günstige Behandlung als die anderen Bewerber erfahren habe, indem die anderen Bewerber mindestens zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien. Insgesamt habe er ausreichende Indizien vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung nahelegten. Zu wenig habe die erste Instanz berücksichtigt, dass unstreitig die Meldung der ausgeschriebenen Stelle gemäß § 164
Abs. 1
SGB IX bei der Agentur für Arbeit nicht erfolgt sei. Auch habe die Beklagte nach wie vor eine Bestellungsurkunde in Bezug auf den behaupteten Inklusionsbeauftragten nicht vorgelegt. Eine solche Bestellung habe zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers am 31.05.2022 vorliegen müssen. Die erfolgte Diskriminierung könne die Beklagte nicht dadurch heilen, dass sie nach Geltendmachung der Entschädigung den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Der mit Schreiben vom 12.08.2020 übersandte Arbeitsvertrag habe weder ein Datum noch eine Unterschrift enthalten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beklagte sowohl die Übersendung des Arbeitsvertrages als auch die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nur zum Schein übersandt und dem Kläger kein ernsthaftes Angebot habe unterbreiten wollen. Die Beklagte habe ausschließlich ihre Entschädigungspflicht gegenüber dem Kläger umgehen wollen.
Da der Kläger Jahrgang 1956 ist, sei auch davon auszugehen, dass er wegen seines Alters diskriminiert worden sei.
Zur Minimierung des Kostenrisikos begrenzt der Kläger die mit der Berufung weiterverfolgte Entschädigung auf einen Betrag von 2.500,00 € und beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 12.01.2022, Az: 4 Ca 2048/20, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Entschädigungsbetrag in Höhe von 2.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das klageabweisende Urteil und verweist erneut darauf, dass sie als nicht-öffentlicher Arbeitgeber zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch nicht verpflichtet sei. Ersichtlich habe der Kläger keinen Wert auf ein Vorstellungsgespräch gelegt, da er auf das von ihr unterbreitete exklusive Angebot einer erneut frei gewordenen Stelle nicht eingegangen sei. Die ursprüngliche Ablehnung des Klägers sei erfolgt, da die ausgeschriebene Stelle zeitnah zu besetzen gewesen sei und eine Bewerberin die Stelle sofort habe antreten können. Der Kläger wohne in Potsdam. Sie sei nicht davon ausgegangen, dass dieser die Stelle unverzüglich hätte antreten können.
Wegen der Erfüllung der Beschäftigungsquote verweist die Beklagte auf die gegenüber der Agentur für Arbeit erfolgte Anzeige nach
§ 163 Abs. 2 SGB IX für das Jahr 2020 (Bl. 167 der Akte).
Für eine Diskriminierung wegen des Alters habe der Kläger keine Anhaltspunkte vorgebracht. Eine solche Diskriminierung sei auch nicht erfolgt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung zweiter Instanz am 14.03.2023 hat die Beklagte auf Nachfrage des Gerichts angegeben, die Inklusionsbeauftragte sei bereits seit
ca. vier bis fünf Jahren mit dieser Aufgabe betraut. Sie sei nur intern benannt in Absprache mit dem zuständigen Mitarbeiter des Integrationsamtes. Eine förmliche Bestellungsurkunde gebe es nicht. Diese sei vom Integrationsamt nicht verlangt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz vom 14.03.2023 (Bl. 207 der Akte) verwiesen.
I. Die Berufung ist zwar zulässig.
Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66
Abs. 1 Satz 1
ArbGG, § 64
Abs. 6
ArbGG iVm § 520
Abs. 3
ZPO.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Sie ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG.
1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Beklagte den Kläger nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt hat.
a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15
Abs. 2
AGG setzt einen Verstoß gegen das in
§ 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Das Benachteiligungsverbot untersagt eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes,
u. a. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 164
Abs. 2 Satz 1
SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen.
Zwar wurde - wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt - der Kläger dadurch, dass er von der Beklagten im Auswahlverfahren für die ausgeschriebene Stelle als Mitarbeiter Service- und Beratungszentrum nicht berücksichtigt wurde, unmittelbar benachteiligt im Sinne von
§ 3 Abs. 1 AGG. Denn er hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat. Unbestritten hat die Beklagte die seinerzeit ausgeschriebene Stelle mit einer anderen Bewerberin besetzt.
b) Der Kläger hat die unmittelbare Benachteiligung jedoch nicht wegen seiner Schwerbehinderung erfahren. Gegen die eine solche Kausalität verneinende erstinstanzliche Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung ohne Erfolg.
aa) Das Benachteiligungsverbot des § 7
Abs. 1
AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in
§ 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1
AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Auch für das besondere Benachteiligungsverbot in § 164
Abs. 2 Satz 1
SGB IX muss zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung ein Kausalzusammenhang bestehen. Im Falle einer unmittelbaren Benachteiligung ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund i.
S. d. § 1
AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund
i. S. v. § 1
AGG anknüpft und durch diese motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (
BAG 17.12.2020 –
8 AZR 171/20 - Rn. 23, 24;
BAG 23.11.2017 – 8 AZR 372/16 - Rn. 20).
§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (
BAG 17.12.2020 - 8 AZR 171/20 - Rn. 25;
BAG 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 - Rn. 51). Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (
BAG 17.12.2020 - 8 AZR 171/20 - Rn. 26;
BAG 25.10.2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 52).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger vorliegend keine ausreichenden Indizien vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung vermuten lassen.
(1) Auf die zunächst nicht erfolgte Einladung zu einem Vorstellungsgespräch als Indiz für die Vermutungswirkung kann sich der Kläger nicht berufen. Denn zu einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist die Beklagte als nicht-öffentlicher Arbeitgeber gemäß § 165
Abs. 1 Satz 3
SGB IX nicht verpflichtet. Die besondere Pflicht, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, trifft nur öffentliche Arbeitgeber (
BAG 16.05.2019 - 8 AZR 315/18, zu
§ 82 Satz 2 SGB IX aF).
(2) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger ferner auf eine nicht erfolgte Beteiligung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es einen Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung bei ihr nicht gibt. Gegen Pflichten zur Beteiligung etwa der Schwerbehindertenvertretung kann ein Arbeitgeber nur dann verstoßen, wenn bei ihm eine solche Vertretung besteht (
vgl. BAG 16.06.2019 – 8 AZR 315/18 Rn. 23). Und eine gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung dieser Gremien besteht für die Beklagte nicht.
(3) Auch auf eine angebliche Nichterfüllung der in
§ 154 SGB IX vorgeschriebenen Beschäftigungsquote verweist der Kläger ohne Erfolg. Die von ihm mit Nichtwissen bestrittene Erfüllung der Beschäftigungsquote hat die Beklagte durch konkreten Sachvortrag belegt. Nach ihren Angaben hat die Beklagte in 2020 die Beschäftigungsquote mit 7 % sogar übererfüllt.
(4) Zuletzt kann sich der Kläger als Indiz für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung auch nicht auf die Nichtbestellung eines Inklusionsbeauftragten gemäß
§ 181 SGB IX stützen. Die Beklagte hat dargetan, dass die bei ihr tätige Fachkraft für Arbeitssicherheit Frau A... diese Aufgabe seit mehreren Jahren erfüllt und dies mit dem zuständigen Mitarbeiter im Integrationsamt abgestimmt sei. Ob diese Benennung förmlich mittels Bestellungsurkunde erfolgt ist oder ob die Inklusionsbeauftragte lediglich gegenüber dem Integrationsamt formlos benannt wurde, spielt für die erkennende Kammer für die Eignung als Indiztatsache keine entscheidende Rolle. Denn Aufgabe des Inklusionsbeauftragten ist insbesondere die Überwachung, dass der Arbeitgeber ihn treffende Verpflichtungen erfüllt (§ 181 Satz 3
SGB IX), und die Eigenschaft als Bindeglied
u. a. zu dem Integrationsamt (
§ 182 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Diese Aufgaben kann die von der Beklagten benannte Inklusionsbeauftragte auch ohne förmliche Bestellungsurkunde erfüllen. Dass die Mitarbeiterin A... von der Beklagten intern bestellt und gegenüber dem Integrationsamt als Inklusionsbeauftragte benannt wurde und diese Aufgabe seit Jahren ausfüllt, hat der Kläger nicht konkret bestritten. Er hat lediglich wiederholt gerügt, die Beklagte habe keine Bestellungsurkunde vorgelegt.
(5) Von den seitens des Klägers erstinstanzlich erhobenen Vorwürfen bleibt letztlich lediglich die Pflichtverletzung einer nicht erfolgten Einbindung der Agentur für Arbeit gemäß § 164
Abs. 1 Satz 2
SGB IX übrig. Unstreitig hat die Beklagte zu der freien Stelle im Service- und Beratungszentrum keinen Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufgenommen.
Diese Pflichtverletzung ist nach Würdigung der erkennenden Kammer unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht geeignet, für sich alleine die Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung zu belegen.
Zwar verweist der Kläger zu Recht darauf, dass auch der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung rechtfertigen kann (
BAG 25.11.2021 - 8 AZR 313/20 - Rn. 26;
BAG 17.12.2020 - 8 AZR 171/20 - Rn. 27). Gleichzeitig kommt es aber stets darauf an, ob nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhaltes die vorgetragenen Indizien allein oder im Verbund mit mehreren Indizien eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Vermutungswirkung darstellen. In einer Gesamtschau ist dabei im Zusammenhang mit einer behaupteten Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung stets zu prüfen, ob die Pflichtverletzungen geeignet sind, den Anschein zu erwecken, der Arbeitgeber sei an einer Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert (
BAG 25.11.2021 –
8 AZR 313/20 - Rn. 26;
BAG 17.12.2020 - 8 AZR 171/20 - Rn. 27).
Gegen den Anschein, die Beklagte sei an einer Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert, spricht aus Sicht der Kammer, dass sie die Beschäftigungsquote nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt. Diese Übererfüllung gleicht in der anzustellenden Gesamtschau den Verstoß gegen die Verfahrensnorm des § 164
Abs.1 Satz 2
SGB IX aus.
Gegen diese Wertung der Kammer spricht nicht, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Erfüllung der Mindestbeschäftigungsquote nach § 154
SGB IX nicht zur Widerlegung der Vermutung eignet (
vgl. BAG 17.08.2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 50). Denn eine Widerlegung der Vermutung wird erst relevant, wenn die vorgetragenen Indizien in der anzustellenden Gesamtschau die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nahelegen. Vorliegend verneint die Kammer bereits den Schluss auf eine Benachteiligungsabsicht, indem die Übererfüllung der Beschäftigungsquote in der anzustellenden Gesamtschau als „Gegenindiz“ berücksichtigt wird. Zudem liegt vorliegend nicht nur eine Erfüllung der Quote, sondern eine Übererfüllung vor.
Auch ist zu berücksichtigen, dass bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften zumeist von Pflichtverletzungen im Plural gesprochen wird. In dem vom Kläger angeführten Fall, der dem Bundesarbeitsgericht zur Entscheidung vorlag (
BAG 17.08.2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 40), hatte der Arbeitgeber nicht nur gegen die Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit, sondern auch gegen die Pflicht zur Beteiligung der vorhandenen Schwerbehindertenvertretung verstoßen. Vorliegend bleibt es jedoch – wie ausgeführt – alleine bei dem Versäumnis der Beklagten, die Agentur für Arbeit einzuschalten.
Sofern in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anklingt, eine solche Pflichtverletzung könne ausreichendes Indiz für eine Benachteiligungsabsicht wegen der Schwerbehinderung sein (
BAG 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 44 – 46), hält die Kammer den dort zugrundeliegenden Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht für vergleichbar. Wegen Übererfüllung der Beschäftigungsquote lässt der Verfahrensverstoß gegen § 164
Abs. 1
SGB IX gerade nicht vermuten, die Beklagte sei an einer Beschäftigung Schwerbehinderter nicht interessiert. Und eine Aussage, der Verstoß gegen die Einbindung der Agentur für Arbeit sei auch ohne Berücksichtigung der Gesamtumstände stets und für sich genommen ausreichendes Indiz für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung, lässt sich der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht entnehmen.
c) Zudem wäre die Beklagte selbst dann nicht zu einer Entschädigung verpflichtet, wenn alleine der Verstoß gegen die Einbeziehung der Agentur für Arbeit nach § 164
Abs. 1 Satz 2
SGB IX als Indiz ausreichen würde. Denn nach Auffassung der Kammer kann die Beklagte dem Entschädigungsbegehren des Klägers den Einwand rechtsmissbräuchlichen Vorgehens entgegenhalten.
Anerkannt ist, dass in Stellenbesetzungsverfahren nur benachteiligt werden kann, wer sich subjektiv ernsthaft bewirbt. Das ist nicht der Fall, wenn der Bewerber nicht ernsthaft an der Stelle interessiert war, sondern in Wirklichkeit nur eine Entschädigung anstrebte (
BAG 17.08.2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 54). Beweisbelastet für das Vorliegen einer nicht ernsthaften Bewerbungsabsicht ist der sich auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen berufende Arbeitgeber, wobei für eine objektive Tatsachenbasis das Vorbringen von Indizien ausreicht (ErfK-Schlachter, 23. Auflage 2023, § 15
AGG Rn. 13 mwN).
Die Kammer geht aufgrund der Gesamtumstände des Falles davon aus, dass der Kläger nicht ernsthaft an der Aufnahme einer Beschäftigung bei der Beklagten interessiert war.
Denn die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 12.08.2020 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Bewerbung eine zu den gleichen Anforderungen freiwerdende weitere Stelle exklusiv angeboten und ihn zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Dieser Einladung ist der Kläger ohne erkennbaren Grund nicht nachgekommen. Vielmehr hat der Kläger in seinem Antwortschreiben vom 19.08.2020 haltlose Vorwürfe formuliert und das Vorgehen der Beklagten als unredlich bezeichnet. Er hat deutlich gemacht, dass er das Stellenangebot für vorgeschoben hält und an seinem Entschädigungsbegehren festhält.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass ein nachgeholtes Vorstellungsgespräch eine etwaige bereits erfolgte Diskriminierung nicht ohne weiteres wieder beseitigen kann. So kann auch eine nachgeholte Einladung einen zuvor erfolgten Verfahrensfehler nicht heilen (
BAG 22.08.2013 - 8 AZR 563/12 - Leitsatz 3). Der Kläger übersieht jedoch, dass die Beklagte als nicht-öffentlicher Arbeitgeber gar nicht verpflichtet war, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Zudem hat die Beklagte den Kläger nicht nur zu einem Vorstellunggespräch eingeladen, sondern ihm die freigewordene Stelle exklusiv angeboten. Indiztatsachen für eine Diskriminierung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zutage getreten. Vielmehr hatte sich der Kläger in seinem Geltendmachungsschreiben vom 27.07.2020 - zu Unrecht - auf die nicht erfolgte Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und ersichtlich ins Blaue hinein auf die Nichtbeteiligung – gar nicht vorhandener – Gremien berufen. Ob eine Einschaltung der Arbeitsagentur erfolgt war, war dem Kläger nach eigenem Bekunden selbst nicht bekannt. Zu dem Zeitpunkt, als der Kläger das exklusive Angebot der Beklagten auf Aufnahme einer Beschäftigung auf einer mit der ursprünglichen Ausschreibung vergleichbaren Stelle ablehnte, gab es mithin keine Indizien für eine Ablehnung der klägerischen Bewerbung wegen Schwerbehinderung. Objektive Gründe, die Einladung abzulehnen oder gar das Vorgehen als „unredlich“ und „undurchsichtig“ zu bezeichnen, lagen nicht vor. Die vom Kläger erhobenen Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage.
Das Beharren auf einer Entschädigung unter Ausschlagung der Chance auf eine exklusiv angebotene Beschäftigung belegt vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Kammer, dass der in Potsdam wohnhafte Kläger gar nicht ernsthaft vorhatte, eine Stelle in Erfurt anzutreten, sondern die Bewerbung ausschließlich formulierte, um im Falle seiner Ablehnung mit einem standardisierten Schreiben Entschädigungszahlungen geltend zu machen.
2. Eine Benachteiligung wegen seines Alters als Grundlage für eine Entschädigungszahlung nach § 15
Abs. 2
AGG scheidet ebenfalls aus. Der für das Vorliegen entsprechender Indiztatsachen darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat keine Tatsachen vorgebracht, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen. Das bloße Berufen auf sein eigenes Alter ist dafür jedenfalls nicht ausreichend.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1
ZPO.
IV. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht. Die Kammer hat in Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung in einem Einzelfall in tatrichterlicher Würdigung die vorliegenden Indiztatsachen und Gesamtumstände bewertet. Auf die Frage, ob die Verletzung der Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit aus § 164
Abs. 1 Satz 2
SGB IX auch für sich genommen eine ausreichende Indizgrundlage für eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung sein kann, kam es vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Denn die Kammer verneint den Anspruch auch wegen einer nicht ernstlichen Bewerbung des Klägers.