Die zulässige Verpflichtungsklage hat nur teilweise Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Zurruhesetzung nach § 4
Abs. 1 VerbessPersStrG (
vgl. § 113
Abs. 5 Satz 1 und 2
VwGO).
Nach § 4
Abs. 1 VerbessPersStrG können Beamtinnen und Beamte nach § 1
Nr. 2 des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2012 auf Antrag in den Ruhestand versetzt werden, wenn (1.) sie das 55. Lebensjahr vollendet haben, (2.) ihre Verwendung in Bereichen mit Personalbedarf bei der sie beschäftigenden Aktiengesellschaft und in einem Unternehmen im Sinne des § 4
Abs. 4 Satz 2 und 3 des Postpersonalrechtsgesetzes nicht möglich ist und der Aktiengesellschaft auch keine Verwendungsmöglichkeit in Verwaltungen bekannt ist und (3.) betriebliche oder betriebswirtschaftliche Belange nicht entgegenstehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.
Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet. Nach § 1
Nr. 2 VerbessPersStrG gilt das Gesetz für Beamte, die bei einem der Postnachfolgeunternehmen - u.a. der Deutschen Post
AG - in Bereichen mit Personalüberhang beschäftigt sind. Indem das Gesetz von "Bereichen" spricht, stellt es nicht auf eine individuelle, sondern auf eine abstrakte Betrachtungsweise ab. Mit "Bereich" ist der abstrakt-funktionale Aufgabenbereich innerhalb der Dienstbehörde - hier also der Niederlassung BRIEF Berlin Nord - gemeint, der von einem bestimmten Statusamt - hier Bedienstete der Besoldungsgruppe A 8, also die "klassischen Schalterbeamten" - wahrgenommen wird. In dem so verstandenen Bereich besteht Personalüberhang, wenn abstrakt betrachtet mehr Bedienstete vorhanden sind, als auf absehbare Zeit benötigt werden. Dass die Deutsche Post
AG gerade im Bereich der "klassischen Schalterbeamten" insgesamt über mehr Personal verfügt als es der Bedarf erfordern würde, ist sowohl allgemein als auch gerichtsbekannt und wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Dies wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Niederlassung BRIEF Berlin Nord, zu der der Kläger vor mehr als vier Jahren versetzt worden ist, ihm bisher keinen dauerhaften "echten" Dienstposten zugewiesen hat. Dass der Kläger durchgängig - mit zum Teil speziell auf ihn zugeschnittenen Tätigkeiten - beschäftigt wurde und weiterhin wird, steht dem nicht entgegen.
Der Kläger, der den erforderlichen Antrag gestellt hat, hat (inzwischen) auch das 55. Lebensjahr vollendet, so dass § 4
Abs. 1
Nr. 1 VerbessPersStrG erfüllt ist. Dass dies bei Antragstellung und bei Erlass der angefochtenen Bescheide noch nicht der Fall war, ist unschädlich, da diese Voraussetzung erst im Moment der Zurruhesetzung gegeben sein muss und der Antrag von vorneherein auf einen Zeitpunkt - 31. Dezember 2009 - bezogen war, in dem der der Kläger das 55. Lebensjahr vollendet haben würde.
Eine Verwendungsmöglichkeit des Klägers im Sinne des § 4
Abs. 1
Nr. 2 VerbessPersStrG besteht nicht. Nach der ersten Variante der Vorschrift darf die Verwendung der Beamten in Bereichen mit Personalbedarf bei der sie beschäftigenden Aktiengesellschaft und in einem Unternehmen nach § 4
Abs. 4 Satz 2 und 3 des Postpersonalrechtsgesetzes nicht möglich sein. Der Begriff "Bereich" ist hier ebenso wie in § 1
Nr. 2 VerbessPersStrG zu verstehen. Die Prüfung, ob in einem Bereich der Deutschen Post
AG oder in einem Tochter-
bzw. Enkelunternehmen Personalbedarf besteht, setzt also wieder eine abstrakte Betrachtungsweise voraus. Personalbedarf besteht, wenn - bezogen auf den oben definierten Bereich - das Freiwerden einer Stelle zu einer Neueinstellung führen würde oder wenn - etwa im Falle der Einrichtung neuer abstrakt funktionaler Aufgabenbereiche - Personalbeschaffungsbedarf besteht, der - wenn nicht durch Versetzung - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gedeckt werden müsste. Ihrer Aufgabe, Bereiche in diesem Sinne zu bezeichnen, in denen Personalbedarf besteht, ist die Beklagte nicht nachgekommen. Indem sie sich auf die Darlegung der tatsächlich vorhandenen, konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger beschränkt hat, hat sie vielmehr nur eine individuelle Betrachtung vorgenommen. Dies reicht nicht aus, um das Vorhandensein einer Beschäftigungsmöglichkeit in einem Bereich mit Personalbedarf zu bejahen. Das diesbezügliche Unvermögen der Beklagten versteht die Kammer dahin, dass es in dem definierten Sinne bezogen auf das Amt des Klägers auch keinen solchen Bereich gibt. Die zweite Variante des § 4
Abs. 1
Nr. 2 VerbessPersStrG setzt voraus, dass der Aktiengesellschaft - hier also der Deutschen Post
AG - keine Verwendungsmöglichkeit in Verwaltungen bekannt ist. Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ist zur Klärung des Bedarfs in der Verwaltung erforderlich aber auch ausreichend, dass der Deutschen Post
AG vom Bundesverwaltungsamt übermittelte oder abgefragte vakante Stellen aus dem dort geführten Stellenpool für eine Weiterbeschäftigung des jeweiligen Beamten nicht in Betracht kommen (
vgl. vgl. BT-Drucksache 16/1938,
S. 9). Dass ein solcher Abgleich mit vakanten Stellen
bzw. eine entsprechende Abfrage beim Bundesverwaltungsamt stattgefunden hat, wird von der Beklagten schon nicht dargelegt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ansatzweise erkennbar, dass eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Verwaltung besteht, was angesichts der Laufbahnspezifik des hier in Rede stehenden Amtes auch nicht angenommen werden kann.
Schließlich stehen der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand auch keine betrieblichen oder betriebswirtschaftlichen Gründe entgegen, § 4
Abs. 1
Nr. 3 VerbessPersStrG. Unter Berücksichtigung der aus der Gesetzesbegründung erkennbaren Zielsetzung der Norm, dem Problem zu begegnen, dass eine Vielzahl der bei den Postnachfolgeunternehmen befindlichen Beamtinnen und Beamten nicht mehr beschäftigt oder nicht mehr amtsangemessen beschäftigt werden konnten, obwohl seitens der Unternehmen von den (sonstigen) durch Gesetz- und Verordnungsgeber geschaffenen Möglichkeiten, Personalüberhänge über die natürliche Fluktuation hinaus abzubauen, Gebrauch gemacht worden war, wobei davon ausgegangen wurde, dass die Deutsche Post
AG durch die Vorruhestandsregelung eine Reduzierung der bei ihr beschäftigten Beamtinnen und Beamten um rund 3300 erwarte (
vgl. BT-Drucksache, a.a.O.,
S. 7 f. ), ist anzunehmen, dass solche Belange nicht üblicherweise, sondern ausnahmsweise vorliegen, wenn ein konkreter Beamter etwa wegen spezieller Kenntnisse oder Fähigkeiten unabkömmlich ist oder nur verbunden mit hohen Kosten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ersetzt werden kann. Hierfür ist weder nach dem Vortrag der Beklagten noch aus sonstigen Gründen etwas ersichtlich.
Sind mithin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4
Abs. 1 VerbessPersStrG erfüllt, so ist Ermessen eröffnet. Für ein sog. intendiertes Ermessen ("Soll-Vorschrift") spricht - anders als der Kläger meint - weder der Wortlaut der Vorschrift noch ist der Gesetzesbegründung diesbezüglich etwas zu entnehmen. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, ein Anspruch auf vorzeitige Zurruhesetzung bestehe nicht, es handele sich um eine Entscheidung im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung, die der rechtlichen Überprüfung zugänglich sei. Auch der Umstand, dass der Vorruhestand nach der Gesetzesbegründung Ausnahmecharakter hat (
vgl. BT-Drucks., a.a.O.,
S. 9), steht der Annahme eines gebundenen Ermessens entgegen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Postnachfolgeunternehmen die finanziellen Mehrkosten des vorzeitigen Ruhestandes zu tragen haben (
vgl. § 4
Abs. 4 VerbessPersStrG), mithin nicht - unter Umständen gegen ihren Willen - dazu gehalten sein können, Beschäftigte in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen.
Eine Reduzierung des - ungebundenen - Ermessens auf Null dahin, dass nur die vorzeitige Zurruhesetzung rechtmäßig wäre, liegt nicht vor. Auf der Ebene des Ermessens muss es für das Postnachfolgeunternehmen möglich sein, konkret bestehende, individuelle Verwendungsmöglichkeiten des betroffenen Beamten berücksichtigen zu können. Auch spricht der Umstand, dass bisher kein Bediensteter der Deutschen Post
AG nach § 4
Abs. 1 VerbessPersStrG zur Ruhe gesetzt worden ist, gegen eine durch die Beklagte erfolgte Ermessensbindung. Die Verpflichtungsklage hat daher keinen Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind jedoch wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Die Beklagte hat bisher überhaupt kein Ermessen ausgeübt, sich vielmehr ausdrücklich darauf berufen, Ermessen sei nicht eröffnet. Bei dieser Sachlage kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2
VwGO nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nur die prozessualen Voraussetzungen dafür schafft, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmals ausübt (
vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2006, - 1 C 20/05 -, juris, Rn. 22
m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155
Abs. 1 Satz 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung (
vgl. § 124
Abs. 2
Nr. 3
VwGO) zuzulassen.