Der Senat konnte den Rechtsstreit mit Zustimmung der Beteiligten gemäß den §§ 124
Abs. 2, 153
Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143
SGG auch statthafte Berufung ist überwiegend unbegründet. Die Klage gegen die Verwaltungsentscheidung des Beklagten ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54
Abs. 1
SGG statthaft. Sie ist im Wesentlichen unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines
GdB von mehr als 40. Bei der hier erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (
vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 -
B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3
Nr. 9
S. 22). Danach liegen bei der Klägerin ein
GdB von 30 ab dem 16. September 2005 und ein
GdB von 40 ab dem 11. September 2007 vor.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene
SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1046). Der hier anzuwendende
§ 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I
S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I
S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Feststellung eines
GdB ist § 69
Abs. 1 und 3
SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69
SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69
SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den
GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69
Abs. 1 Satz 4
SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als
GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69
Abs. 3 Satz 1
SGB IX der
GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den
GdB die im Rahmen des § 30
Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30
Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX gelten für den
GdB die Maßstäbe des § 30
Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30
Abs. 17 BVG erlassenen
Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30
Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades - dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (
GdS) - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (
VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach
§ 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30
Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der
Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I
Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer
Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (
vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 -
B 9 SB 3/02 R - SozR 4-3800 § 1
Nr. 3
Rdnr. 12,
m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung
bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind - inhaltlich nahezu unverändert - in diese Anlage übernommen worden (
vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08,
S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 2004 und 2008
bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden. Im Folgenden werden die Vorschriften der Versorgungsmedizinische Grundsätze zitiert.
GdS und
GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der
GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der
GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (
vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze,
Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a (
S. 19)).
Durch die Neuregelung ist den Einwänden gegen die bisherigen "Anhaltspunkte" jedenfalls für den vorliegenden Fall der Boden entzogen worden. Zum einen ist durch die Neuregelung die auch von der Rechtsprechung geforderte Rechtsgrundlage für die bisherigen "Anhaltspunkte" geschaffen worden (
vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 28. September 2007, BT-Drucks. 16/6541,
S. 1, 31). Zum anderen ist durch die Verweisung des neu gefassten § 69
Abs. 1 Satz 5
SGB IX auf die Neufassung des § 30
Abs. 1 BVG klargestellt worden, dass auch für die Feststellung des
GdB "die allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen" maßgeblich sind. Zudem hatte sich auch schon zu der früheren Fassung des § 69
Abs. 1
SGB IX eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gebildet, nach der trotz der Ersetzung des Schwerbehindertengesetzes durch das
SGB IX inhaltlich das Beurteilungsgefüge der Anhaltspunkte maßgeblich geblieben war (
vgl. BSG, Urt. v. 24. April 2008 -
B 9/9a SB 6/06 R - in juris Rn. 15
m.w.N.).
Der hier streitigen Bemessung des
GdB ist die
GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A,
S. 17
ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A,
S. 33) sind die dort genannten
GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in
Nr. 2 e (Teil A,
S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (
Teil B, Nr. 1 a,
S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen der Klägerin ein
GdB von 30 ab dem 16. September 2005 und ein
GdB von 40 ab dem 11. September 2007 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat insbesondere auf den Rehabilitationsentlassungsbericht der Segeberger-Kliniken vom 10. Oktober 2005, das Gutachten des
Prof. Dr. H. vom 7. März 2008 nach Untersuchung der Klägerin am 11. September 2007, den Rehabilitationsentlassungsbericht der Reha-Klinik D. vom 8. September 2008 sowie auf die im Berufungsverfahren eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte. Der Senat bezieht sich auch auf die Ergebnisse des Erörterungstermins am 18. Mai 2011.
Das Hauptleiden der Klägerin wird durch die Auswirkungen der Multiplen Sklerose geprägt und betrifft das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, wobei besonders kognitive Leistungsstörungen im Mittelpunkt stehen. Hierfür hält der Senat einen Einzel-
GdB von 30 ab dem 16. September 2005 und einen
GdB von 40 ab dem 11. September 2007, also ab dem Zeitpunkt der Untersuchung bei
Prof. Dr. H. und der Durchführung verschiedener Testverfahren bei
Dipl.-Psych. B. für angemessen.
Der
GdS richtet sich insoweit
gem. Ziffer 3.10 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vor allem nach den zerebralen und spinalen Ausfallerscheinungen. Zusätzlich ist die sich aus dem klinischen Verlauf ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen.
Bei Hirnschäden ist nach Ziffer 3.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (
S. 35 ff) entscheidend für die Bewertung das Ausmaß der bleibenden Ausfallerscheinungen. Dabei sind die neurologischen Befunde, die Ausfallerscheinungen im psychischen Bereich und
ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommen für die
GdB/
MdE-Beurteilung Sätze zwischen 20 und 100 in Betracht. Im Einzelnen gelten folgende Maßstäbe:
3.1.1 Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden
Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ... 30 - 40
Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung ... 50 - 60
Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung ... 70 - 100
Sofern der Hirnschaden mit isoliert vorkommenden
bzw. führenden Symptomen (Hirnschäden mit psychischer Störung, zentrale vegetative Störungen, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, kognitive Leistungsstörungen, zerebral bedingte Teillähmungen, Parkinson-Syndrom, Epileptische Anfälle) verbunden ist, kommen jeweils spezielle Bewertungsmaßstäbe zur Anwendung (
Versorgungsmedizinische Grundsätze, B 3.1.1,
S. 36
ff.).
3.1.2 Bewertung von Hirnschäden mit isoliert vorkommenden
bzw. führenden Syndromen (bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht auch zur Feststellung der Schwerstbeschädigtenzulage)
Hirnschäden mit psychischen Störungen
leicht (im Alltag sich gering auswirkend) ... 30 - 40
mittelgradig (im Alltag sich deutlich auswirkend) ... 50 - 60
schwer ... 70 - 100
Zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (
z.B. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Vasomotorenregulation oder der Schweißregulation)
leicht ... 30
mittelgradig, auch mit vereinzelten synkopalen Anfällen ... 40
mit häufigeren Anfällen oder erheblichen Auswirkungen auf den Allgemeinzustand ... 50
Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (spino-) zerebellarer Ursache je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen (siehe hierzu auch bei Hör- und Gleichgewichtsorgan) ... 30 - 100
Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen
(z. B. Aphasie, Apraxie, Agnosie)
leicht (
z.B. Restaphasie) ... 30 - 40
mittelgradig (
z.B. Aphasie mit deutlicher bis sehr ausgeprägter Kommunikationsstörung) ... 50 - 80
schwer (
z.B. globale Aphasie) ... 90 - 100
Zerebral bedingte Teillähmungen und Lähmungen leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen ... 30
bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der
GdS aus Vergleichen mit dem
GdS bei Gliedmaßenverlusten,peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten
vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) ... 100
Nach den vorliegenden medizinischen Ermittlungen und den Äußerungen der Klägerin im Erörterungstermin des Senats kann nur von einem Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ausgegangen werden. Psychische Störungen gehen mit der Erkrankung nicht einher. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Dr. E. hat in seinem Befundbericht vom 27. Februar 2011 ausgeführt, dass eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung nicht besteht (Antwort zur Frage 10). Dies wird durch den Befundbericht vom 1. März 2011 der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G. bestätigt, wonach kein Hirnschaden mit psychischen Störungen und Auswirkungen im Alltag bekannt sei. Es bestehen desweiteren keine vegetativen Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens. Auch dies folgt aus dem Bericht des behandelnden Neurologen und Psychiaters
Dr. E., der unter Ziffer 11 seines Befundberichtes angegeben hat, es bestünden keine vegetativen Störungen als Ausdruck einer hirnorganischen Schädigung, insbesondere keine Störung der Miktion, keine synkopalen Ausfälle oder Störungen der Schlaftätigkeit. Desweiteren ergeben sich nach diesem Befundbericht auch keine kognitiven Leistungsstörungen im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (
z.B. Aphasie, Apraxie, Agnosie).
Dr. E. führt diesbezüglich unter Ziffer 13 aus, dass die neuropsychologischen kognitiven Beeinträchtigungen keine Hirnwerkzeugstörungen, wie Aphasie oder Apraxie betreffen, sondern eher vorzeitige Ermüdbarkeit und Konzentrationsstörungen. Dies wird bestätigt durch den klinisch-neurologischen und den psychiatrischen Untersuchungsbefund des
Prof. Dr. H. in dessen Gutachten vom 7. März 2008. Die Hirnnerven waren hiernach unauffällig. Es fand sich an der oberen und unteren Extremität, eine unauffällige Kraftentfaltung ohne Paresen. Die Muskeleigenreflexe waren beidseits mittellebhaft und symmetrisch auslösbar. Es fand sich allseits eine unauffällige Berührungsempfindung, Propriozeption sowie Temperatur- und Schmerzempfindlichkeit. Koordination sowie Stand- und Gangproben konnten sicher ausgeführt werden. Hinweise auf eine signifikante depressive Störung bestanden nicht.
Auch aus dem Zusatzgutachten der
Dipl.-Psych. B. vom 3. Juni 2008 folgen keine mittelschweren Funktionsstörungen. Die absolvierten testpsychologischen Untersuchungen ergaben mehrheitlich durchschnittliche und knapp durchschnittliche Ergebnisse, die nicht auf einen mittelschweren Hirnschaden hindeuten. Insbesondere bei dem Diagnosticum für Cerebralschädigung traten durchschnittliche Werte sowie keine gehäuften Fehler auf. Dies wird bestätigt durch die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse durch die
Dipl.-Psych. B ... Hiernach war die Klägerin vollständig orientiert. Schulische und berufliche Ausbildung sowie das allgemeinen Leistungsniveau liegen im Normbereich. Die im Bereich der Aufmerksamkeitsfunktion bestehenden unterdurchschnittlichen Reaktionsgeschwindigkeiten sprechen nicht für mit einem mittelschweren Hirnschaden verbundene mittelschwere Leistungsbeeinträchtigungen, zumal sie von der Klägerin im beruflichen Alltag jedenfalls noch ausgeglichen werden können. Diese Wertung stimmt überein mit derjenigen der behandelnden Ärzte der Rehaklinik D. vom 8. September 2008, wonach die Klägerin als Büroleiterin vollschichtig arbeiten kann, wobei keine höheren Anforderungen an das Arbeitstempo und keine höheren Anforderungen an die konzentrative Ausdauerbelastung gestellt werden können. Dass derzeit von keiner mittelschweren Leistungsbeeinträchtigung ausgegangen werden kann, ist auch daraus zu folgern, dass die Klägerin auch derzeit noch einer beruflichen Tätigkeit als Vorzimmerkraft der Vorsteherin eines Finanzamtes nachgehen kann. In dieser Funktion ist sie verantwortlich für die Terminsgestaltung, die Durchführung von Schreibarbeiten sowie die Vorbereitung von großen und kleinen Besprechungen. Sie arbeitet mindestens acht Stunden täglich und benötigt zusätzlich eine Stunde zur Arbeit hin und eine Stunde zurück. Sie nimmt zweimal wöchentlich ein Termin zur Physiotherapie sowie einmal wöchentlich zur Logopädie wahr. Sie kauft für sich ein und führt zwei Haushalte, nämlich in G. und in G ... Ein solches Leistungsvermögen widerspricht der Annahme bereits mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigungen erheblich.
Der Senat geht daher von dem Bewertungsrahmen für Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung aus, der einen
GdB von 30 bis 40 vorsieht. In diesem Bewertungsrahmen hält der Senat im Hinblick auf die von der Klägerin beschriebenen Beeinträchtigungen im kognitiven Bereich, insbesondere durch das Fatique-Syndrom, ab dem Zeitpunkt der Untersuchung und der testpsychologischen Verfahren bei
Prof. Dr. H. und bei der
Dipl.-Psych. B. einen
GdB von 40 für zutreffend. Grund für das Ausschöpfen des Bewertungsrahmens ist, dass die Klägerin, was anlässlich der Untersuchungen und Testverfahren festgestellt worden ist, deutliche Defizite im Bereich von Aufmerksamkeit und Konzentration hat. Unter Zeitdruck zeigte sie eine deutliche verlangsamte Arbeitsweise mit vielen Fehlern; das verbale Gedächtnis war eingeschränkt. Daneben zeigten sich die exekutiven Funktionen derart eingeschränkt, dass Planungen nicht sicher vollzogen werden konnten. Aus dem Vergleich zu den Vorbefunden zeigte sich eine weitere Reduktion des verbalen Gedächtnisses sowie der exekutiven Funktionen. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des
Prof. Dr. H., soweit dieser wegen der kognitiven Leistungsstörungen einen
GdB von 40 annimmt. Dies lässt sich auch vereinbaren mit den Einschätzungen des behandelnden Neurologen und Psychiaters
Dr. E., der in seinem Befundbericht vom 27. Februar 2011 mitgeteilt hat, dass seit der Aufnahme der Betreuung durch ihn die neuropsychologischen Defizite, die Konzentrationsstörungen, die Merkschwäche und die vorzeitige Erschöpfbarkeit mit Fatiquesymptomatik zugenommen hätten.
Aus den weiteren Erkrankungen (vorübergehende depressive Verstimmung, Visusstörung und Bauchbeschwerden) folgen keine Funktionsbeeinträchtigungen, die einen
GdB von mehr als 10 bedingen, sodass eine Erhöhung des Gesamt-
GdB nicht in Betracht kommt. Aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätze ergibt sich, dass zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen
GdB von 10 bedingen, grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen (
Teil A, Gemeinsame Grundsätze, Vorbemerkung 3 lit. d, ee, S. 23 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Soweit die Neurologin und Psychiaterin G. in ihrem Befundbericht vom 1. März 2011 auf eine Depression bei Lebenskrise im Jahr 2009 hinweist, war dies eine vorübergehende Störung, die mit der Trennung von Ehemann und Tochter, dem Umzug sowie dem erneuten Verlassenwerden durch den neuen Partner in Zusammenhang stand. Die behandelnden Ärzte haben keine Behandlung durch Psychopharmaka angegeben. Der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hat ausgeführt, dass keine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung bestünde. Die Visusstörung ist zutreffend mit einem Einzel-
GdB von 10 bewertet wurde, was mit der Einschätzung des
Prof. Dr. H. übereinstimmt. Die im Berufungsverfahren geltend gemachten Verwachsungen im Unterbauch sowie die Beschwerden im Oberbauch, die laparaskopisch gelöst worden sind (Operation am 11. Januar 2011), führen ebenfalls nicht zu einem höheren Gesamt-
GdB.
Soweit
Prof. Dr. H. und der behandelnde Neurologe und Psychiater
Dr. E. meinen, es sei ein Gesamt-
GdB von 50 anzunehmen, lässt sich dies aus den anzuwendenden Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht herleiten. Wie ausführlich dargelegt, leidet die Klägerin nicht unter mittelgradigen Auswirkungen einer Hirnschädigung. Im Ergebnis ist bei der Klägerin der
GdB vielmehr ab dem 16. September 2005 mit 30 und ab dem 11. September 2007 mit 40 ausreichend bemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160
Abs. 2
SGG liegen nicht vor.