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Urteil
Aussetzung des Verfahrens - Entscheidung der Hauptfürsorgestelle - Kündigung eines Schwerbehinderten

Gericht:

LAG Mainz 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 Ta 187/97


Urteil vom:

09.10.1997


Grundlage:

Leitsatz:

1. Im Kündigungsschutzprozeß eines Schwerbehinderten ist die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle gem § 15 SchwbG vorgreiflich iSd § 148 ZPO für eine klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die rechtskräftige Ablehnung der Zustimmung zur Kündigung durch die Hauptfürsorgestelle macht die Kündigung von Anfang an unwirksam, so daß eine Klageabweisung durch das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Unrecht erfolgt wäre. Ein klageabweisendes Urteil des Arbeitsgerichts kann letztlich nur Bestand haben, wenn die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung rechtskräftig erteilt ist.

2. Daß gem § 18 Abs IV SchwbG Widerspruch und Anfechtungsklage des Arbeitnehmers gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle keine aufschiebende Wirkung entfalten, steht der Vorgreiflichkeit nicht entgegen. Zutreffender Ansicht nach bedeutet dies lediglich, daß nach Erteilung der Zustimmung der Arbeitgeber am Ausspruch der Kündigung nicht gehindert ist. Über das endgültige Schicksal der Kündigung ist damit nichts entschieden.

3. Es steht im Ermessen des Arbeitsgerichts, ob es in diesen Fällen die Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptfürsorgestelle aussetzt. Der besondere Beschleunigungsgrundsatz in arbeitsgerichtlichen Verfahren (§ 9 Abs 1 ArbGG) und das Gebot zur vorrangigen Erledigung von Bestandsstreitigkeiten (§ 61a ArbGG) stehen einer Aussetzung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Arbeitsgericht nach den von ihm zugrundezulegenden kündigungsschutzrechtlichen Normen die Kündigung für wirksam erachtet. Dieser Entscheidung kann durch die Feststellungen der Verwaltungsbehörde die Grundlage entzogen werden. Dagegen wird es in der Regel ermessensfehlerhaft sein, den Rechtsstreit dann auszusetzen, wenn das Arbeitsgericht nach den von ihm zugrundezulegenden Normen (§§ 626 BGB, 1 KSchG ua) die Kündigung für unwirksam erachtet; in diesem Fall besteht nicht die Gefahr widerstreitender Entscheidungen, da die Hauptfürsorgestelle auf anderer Rechtsgrundlage als das Arbeitsgericht entscheidet und ihre Entscheidung nicht im Gegensatz zu einem arbeitsgerichtlichen Urteil geraten kann, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt. In den Fällen, in denen das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage des Schwerbehinderten für abweisungsreif hält, wird der Kläger durch die Aussetzung nicht beschwert. Auch der Arbeitgeber hat aus dieser Entscheidung keine Nachteile zu besorgen, da die Entscheidung des Gerichts ohnehin davon abhängig ist von der rechtskräftigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.

Rechtsweg:

ArbG Mainz, 29.08.1997 - 6 Ca 846/97

Quelle:

JURIS-GmbH

Gründe:

I. Der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine Kündigung der Beklagten vom 24.03.1997. Die Hauptfürsorgestelle hat durch Bescheid vom 21.03.1997 der Kündigung zugestimmt; der Bescheid enthält keine Begründung.

Der Kläger hat gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.

Das Arbeitsgericht Mainz hat durch den angefochtenen Beschluß vom 29.08.1997 den Rechtsstreit gem. § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung des Klägers ausgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten, mit der sie beantragt,

den Aussetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.08.1997 aufzuheben.

Auf die Beschwerdebegründung im Schriftsatz vom 11.09.1997 wird Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 252 ZPO an sich statthafte Beschwerde entspricht in formeller Hinsicht den gesetzlichen Erfordernissen und erweist sich als zulässig. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch erfolglos. Der Aussetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Gem. § 148 ZPO kann das Gericht eine Verhandlung unter anderem dann aussetzen, wenn sein Urteil von der Entscheidung einer Verwaltungsbehörde abhängt. Die Entscheidung steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Der Aussetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts weist Ermessensfehler nicht auf. Das Arbeitsgericht hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung deutlich gemacht, daß "die Kündigung des Klägers arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden" sei. Nach den seiner Beurteilung unterliegenden Rechtsgrundlage hätte es folglich die Klage abweisen müssen mit der Folge, daß es sich u.U. im Widerspruch zu einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Zustimmungsverfahren gem. § 15 SchwBG gesetzt hätte.
Die rechtskräftige Ablehnung der Zustimmung zur Kündigung durch die Hauptfürsorgestelle macht die Kündigung von Anfang an unwirksam, so daß die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Unrecht erfolgt wäre. Der Kläger wäre auf den Weg der Restitutionsklage verwiesen.
Letztlich kann ein klageabweisendes Urteil des Arbeitsgerichts nur Bestand haben, wenn die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung rechtskräftig erteilt ist. Damit sind die Voraussetzungen der Vorgreiflichkeit erfüllt.

Daß gem. § 18 Abs. IV SchwBG Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle keine Wirkung entfalten, steht dem nicht entgegen. Zutreffender Ansicht nach bedeutet dies lediglich, daß nach Erteilung der Zustimmung der Arbeitgeber am Ausspruch der Kündigung nicht gehindert ist. Über das endgültige Schicksal der Kündigung ist damit jedoch nichts gesagt (vgl. Raab, Anm. zu BAG, 26.09.1991 EZA Nr. 10 zu § 1 KSchG, personenbedingte Kündigung).

Das Arbeitsgericht hat sich bei seiner Entscheidung auch nicht über dem besonderen Beschleunigungsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Verfahren (§ 9 Abs. 1 ArbGG) und an das Gebot zur vorrangigen Erledigung von Bestandsstreitigkeiten (§ 61 a ArbGG) ermessensfehlerhaft hinweggesetzt. Das Bundesarbeitsgericht, das in seiner Entscheidung vom 25.11.1980 (EZA Nr. 1 zu § 580 ZPO) noch eine Verpflichtung des Arbeitsgericht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Hauptfürsorgestelle angenommen hatte, ist in seiner Entscheidung vom 26.09.1991 (a.a.O.) zwar zu dem Standpunkt gelangt, daß es auch dann im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liege, ob es den von einem Schwerbehinderten anhängig gemachten Kündigungsschutzprozeß gem. § 148 ZPO bis zur Entscheidung der Hauptfürsorgestelle aussetzt. Es bleibt aber dabei, daß diese Entscheidung im Ermessen des Gerichts liegt.
Dabei wird es in der Regel pflichtgemäßem Ermessen entsprechen, den Rechtsstreit dann nicht auszusetzen, wenn das Arbeitsgericht nach dem von ihm zugrundezulegenden Normen (§ 626 BGB, § 1 KSchG u.a.) die Kündigung für unwirksam erachtet; in diesem Fall besteht nicht die Gefahr widerstreitender Entscheidungen, da die Hauptfürsorge auf anderer Rechtsgrundlage als das Arbeitsgericht entscheidet. Hält das Arbeitsgericht jedoch aus kündigungsrechtlichen Gründen die Klage abweisungsreif, kann dieser Entscheidung durch die Feststellungen der Verwaltungsbehörde die Grundlage entzogen werden. Der Bestand der Entscheidung hängt insoweit von der Rechtswirksamkeit des Zustimmungsbescheides der Hauptfürsorgestelle ab (vgl. LAG Frankfurt, 15.03.90 - 2 Ta 41/90 - LAGE Nr. 2 zu § 15 SchwBG 1986; LAG Köln 17.03.1992 - 10 Ta 4/92 - LAGE Nr.
24 zu § 148 ZPO).

Letztlich hat das Arbeitsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung auch zu Recht darauf hingewiesen, daß den Parteien durch die Aussetzung keine Nachteile entstehen. Der Kläger, dessen Klage das Arbeitsgericht anscheinend für abweisungsreif hält, wird durch die Aussetzung nicht beschwert. Auch die Beklagte hat daraus keine Nachteile zu besorgen, da die Entscheidung des Gerichts ohnehin abhängig ist von der rechtskräftigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war mit der sich aus § 97 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 78 ArbGG).

Referenznummer:

KARE512980339


Informationsstand: 05.10.1998