Die statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage im Hilfsantrag zu Unrecht stattgegeben, weil auch der Hilfsantrag unbegründet ist. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 23.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 nicht
i.S.d. § 54
Abs. 2
SGG beschwert, weil sich dieser als rechtmäßig erweist. Er hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom 10.04.2014 auf Kostenübernahme für Reparaturen des von ihm genutzten PKW Ford Tourneo Connect gemäß den Rechnungen vom 10.04.2014, 22.11.2013, 29.05.2013 und 13.12.2012.
1.) Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 23.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 (§ 95
SGG), mit welchem er die Übernahme der o.a. Reparaturkosten an dem PKW abgelehnt hat. Gegen die Ablehnung wendet sich der Kläger statthaft und auch sonst zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54
Abs. 1, 56
SGG).
2.) Die Klage ist jedoch unbegründet, weil dem Begehren bereits der Kenntnisgrundsatz des § 18
Abs. 1
SGB XII entgegensteht und der entsprechende Bedarf des Klägers bereits vor Kenntniserlangung durch den Beklagten gedeckt worden ist. Ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Kostenübernahme im Wege der Eingliederungshilfe vorgelegen haben, kann der Senat somit dahinstehen lassen.
a) Sozialhilfe ist - bis auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (s.
§ 44 SGB XII) - nach § 18
SGB XII antragsunabhängig zu gewähren, was einen im Grundsatz "niederschwelligen" Zugang zu den Hilfen des
SGB XII gewährleisten soll (
vgl. nur SächsLSG, Urt. vom 06.03.2013 -
L 8 SO 4/10 -, juris Rn. 23). Voraussetzung für das "Einsetzen" und damit den zeitlichen Beginn der Sozialhilfe ist aber, dass dem Leistungsträger positiv bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (s. näher unter b). Kenntnis in diesem Sinne hatte der Beklagte (oder auch ein sonstiger Leistungsträger
i.S.v. § 18
Abs. 2
SGB XII) bis zum Eingang des Antrages bei dem Rhein-Sieg-Kreis am 11.04.2014 oder - nach Weiterleitung durch diesen an den Beklagten - am 16.04.2014 jedoch nicht. Da die betreffenden Reparaturrechnungen bei jeweiliger Fälligkeit (= Bedarf) bereits - insoweit unstreitig - vorher beglichen worden sind, lag zu keinem Zeitpunkt ein durch den Sozialhilfeträger zu deckender Hilfebedarf des Klägers vor. Somit hat es in diesem Fall bei dem Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" sein Bewenden. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Beklagte in der Vergangenheit die Übernahme der Kosten des Umbaus des von den Eltern des Klägers erworbenen PKW bewilligt sowie diverse Reparaturkosten an dem PKW-Umbau übernommen hat. Hieraus ergibt sich entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts noch keine positive Kenntnis hinsichtlich der streitgegenständlichen Reparaturen an dem PKW
bzw. der hierfür entstandenen Kosten als den spezifischen Bedarf begründende Tatsachen. Gleiches gilt selbstredend auch für die sonstigen, dem Kläger von dem Beklagten sowie dem örtlichen Sozialhilfeträger gewährten laufenden Leistungen der Grundsicherung sowie der Eingliederungshilfe
bzw. Hilfe zur Pflege im Rahmen eines persönlichen Budgets (unter c).
b) Kenntnis
i.S.v. § 18
Abs. 1
SGB XII setzt die positive Kenntnis aller Tatsachen voraus, die den Leistungsträger in die Lage versetzen, die Leistung zu erbringen (Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, § 18 Rn. 12). Auf welche Weise und von wem er Kenntnis erhält, ist dabei unerheblich. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Behörde bereits Kenntnis der konkreten Höhe oder vom genauen Umfang der Leistung hat (
BSG, Urt. v. 02.02.2012 - B 8 SO 5/10 R -, juris Rn. 18). Für das Einsetzen der Sozialhilfe genügt es, wenn die Behörde Kenntnis vom Bedarfsfall als solchem hat, d.h. ihr erstens der Bedarf und zweitens die Hilfebedürftigkeit bekannt werden (
BSG, Urt. v. 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R -, juris Rn. 21). Andererseits ist § 18
SGB XII zugleich leistungsbegrenzend zu verstehen, d.h. ohne Kenntnis des Sozialhilfeträgers, anderer Leistungsträger oder sonstiger gesetzlich vorgesehener Stellen (s. § 16
Abs. 1
SGB I) sind Leistungen auch nicht rückwirkend zu gewähren (
BSG, Urt. v. 20.04.2016 - B 8 SO 5/15 R -, juris Rn. 11). Die Kenntnis muss sich daher stets auf den konkreten Einzelfall im Sinne eines "spezifischen Bedarfsfalls" (so ausdrücklich
BSG, a.a.O.) beziehen und wird nicht allein dadurch vermittelt, dass die Entstehung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs in bestimmten Situationen "üblich" ist (SächsLSG, Urt. v. 06.03.2013 - L 8 SO 4/10 -, juris Rn. 25). Auch die bloße Vermutung oder entfernte Möglichkeit eines Notfalles ist für das Einsetzen der Sozialhilfe nicht ausreichend (Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, § 18 Rn. 30).
Nach diesen Grundsätzen hat der Sozialhilfeträger etwa Kenntnis im Rechtssinn bei einem laufenden Leistungsfall auch bezogen auf das Ausmaß eines bereits bekannten Bedarfs, so dass
z.B. höhere Pflegeleistungen auch dann nachträglich zu erbringen sind, wenn eine Erhöhung des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit nicht gesondert mitgeteilt wird (s.
BSG, Urt. v. 02.02.2012 - B 8 SO 5/10 R -, juris Rn. 18); denn mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands und damit einer Erhöhung des Pflegebedarfs ist gewissermaßen immer zu rechnen. Dies gilt aber nicht, wenn eine gänzlich neue Bedarfssituation entstanden ist. Würde man dies anders sehen, würden dem Sozialhilfeträger ohne Anlass fortlaufend Ermittlungen hinsichtlich eventueller Änderungen "ins Blaue hinein" abverlangt. Allein die abstrakte Kenntnis des beklagten Sozialhilfeträgers von der Bedürftigkeit vermittelt folglich noch nicht die insoweit erforderliche Kenntnis vom konkreten Bedarfsfall (so
BSG, Urt. v. 20.04.2016 - B 8 SO 5/15 R -, juris Rn. 11). Zusammengefasst bedeutet dies, dass der Sozialhilfeträger einerseits nicht verpflichtet ist, die Notwendigkeit der Hilfe zu "erahnen" (
LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.11.2010 - L 1 SO 8/10 -, juris Rn. 27), es andererseits aber genügt, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine Notlage im Sinne des
SGB XII bestehen und die weiteren "Details" dann im Rahmen der Amtsermittlungspflicht des § 20
SGB X aufgeklärt werden (zum Vorstehenden auch Senat, Urt. v. 28.08.2014 - L 9 SO 28/14 -, juris Rn. 28).
c) Auf dieser rechtsmaßstäblichen Grundlage kann von einer positiven Kenntnis des Beklagten
i.S.d. § 18
Abs. 1
SGB XII von den streitgegenständlichen Reparaturkosten ab Fälligkeit der jeweiligen Rechnungen vom 10.04.2014, 22.11.2013, 29.05.2013 und 13.12.2012 vor Eingang des hierauf bezogenen Antrages bei dem Rhein-Sieg-Kreis am 11.04.2014 oder dessen Weiterleitung an den Beklagten am 16.04.2014 keine Rede sein, so dass der Bedarf mit der unstreitig vorherigen Begleichung der betreffenden Rechnungen durch die Mutter des Klägers bereits vor Kenntnis des Beklagten weggefallen ist und damit Leistungen der Sozialhilfe nicht mehr zu erbringen sind. Entgegen den allgemein gehaltenen Ausführungen des Sozialgerichts handelt es sich bei den streitigen Reparaturen an dem behindertengerecht umgebauten
Kfz um jeweils spezifische Bedarfsfälle der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe und damit jeweils einmalige
bzw. punktuelle Bedarfe. Dies unterscheidet diese Konstellation wesentlich von derjenigen eines laufenden Leistungsfalles, dem etwa die von dem Sozialgericht zitierte Entscheidung des
BSG bei der Hilfe zur Pflege hinsichtlich rückwirkender Erbringung höherer Pflegeleistungen zu Grunde lag. Bei einem spezifischen, punktuellen Bedarfsfall setzt positive Kenntnis durch den Sozialhilfeträger hingegen zwingend voraus, dass dieser vorab über die jeweils beabsichtigte Reparatur und - zumindest in den Grundzügen - über die mögliche Höhe der hierbei entstehenden Kosten informiert wird. Es ist keineswegs ausreichend, dass der Sozialhilfeträger - so wie hier - in der Vergangenheit bereits die Umbaukosten für den betreffenden PKW sowie Reparaturkosten an diesen Umbauten übernommen hat. Auch kommt es noch nicht einmal darauf an, ob es sich um frühere Reparaturen am
Kfz-Umbau oder an dem
Kfz selbst gehandelt hat. Denn auch hierbei hat es sich nicht um Bedarfe im Rahmen eines laufenden Leistungsfalls der Eingliederungshilfe, sondern wiederum punktuelle Bedarfe gehandelt. Alles andere würde bedeuten, dem Sozialhilfeträger geradezu hellseherische Fähigkeiten im Sinne einer dem Gesetz unbekannten "antizipierten" Kenntnis zu unterstellen, und zwar nach dem Motto: "Habe ich schon einmal Kenntnis von der Reparatur eines behindertengerecht umgebauten
Kfz gehabt, so umfasst meine Kenntnis auch alle weiteren - künftigen - Reparaturen". Dass eine solche Auffassung mit der vom
BSG in jüngster Zeit zu Recht hervorgehobenen leistungsbegrenzenden Funktion des § 18
SGB XII nicht in Einklang zu bringen ist, dürfte auf der Hand liegen. Daran ändert auch die von dem Sozialgericht hervorgehobene Überlegung - deren Verallgemeinerung schon zweifelhaft sein dürfte - nichts, dass Kraftfahrzeuge mit zunehmendem Alter immer reparaturanfälliger werden. Denn die Kenntnis vom Bedarf wird ja gerade nicht allein dadurch vermittelt, dass die Entstehung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs in bestimmten Situationen "üblich" ist (s.o.). Gerade der vorliegende Fall erweist sich als Musterbeispiel dafür, dass der Kenntnisgrundsatz des § 18
SGB XII ungeachtet des Theorems vom niedrigschwelligen Zugang zu Sozialhilfeleistungen nicht überstrapaziert oder gar ad absurdum geführt werden darf. Denn der Kläger hat den Beklagten mit der Einreichung von bis ins Jahr 2012 zurückreichenden und bereits beglichenen Rechnungen - objektiv betrachtet - letztlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Es wäre ihm - so wie auch in der Vergangenheit - durchaus zumutbar gewesen, den Beklagten vorab über neuerlich beabsichtigte Reparaturmaßnahmen an dem PKW zu informieren. Dass diese Reparaturen keinerlei Aufschub geduldet hätten, weil die Betriebssicherheit des Fahrzeuges angeblich nicht mehr gewährleistet gewesen sei, ist hingegen eine Behauptung "ins Blaue hinein", die im Übrigen am Erfordernis der (vorherigen) Kenntnis des Sozialhilfeträgers nichts zu ändern vermag. Eine Ausnahme kennt das Gesetz nur in den eng umgrenzten Fällen des § 25
SGB XII, die hier aber nicht vorliegen und bei einem Notfall nicht dem Hilfeberechtigten selbst, sondern nur dem Nothelfer einen Anspruch gewährt (s. auch
BSG, Urt. v. 20.04.2016 - B 8 SO 5/15 R -, juris Rn. 12). Sozialhilfe beruht mithin nicht auf dem Prinzip "Dulde und liquidiere", sondern dient der Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs, der hier aber nicht mehr vorgelegen hat.
Schließlich ergibt sich eine andere rechtliche Bewertung auch nicht daraus, dass der Kläger bei dem örtlichen Sozialhilfeträger im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des
SGB XII steht, eine Mobilitätsbeihilfe erhalten hat und insbesondere der Beklagte seit 2015 Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe für eine Assistenz im Rahmen eines persönlichen Budgets gewährt. Abgesehen davon, dass diese laufende Leistungsgewährung durch den Beklagten seit dem Jahr 2015 aufgrund eines Antrages des Klägers vom 22.10.2014 keine Kenntnis von einem Bedarfsfall in den Jahren 2012 bis einschließlich April 2014 vermitteln kann, vermengt der Kläger hier verschiedene Leistungen der Sozialhilfe, die nicht einfach durch eine "abstrakte" Kenntnis von einer immer wie gearteten Hilfebedürftigkeit überspielt und beliebig vermischt werden dürfen. Denn wie bereits ausgeführt reicht nicht irgendein Bedarf für das Vorliegen positiver Kenntnis des Sozialhilfeträgers
i.S.d. § 18
Abs. 1
SGB XII aus, sondern es muss sich um einen spezifischen, den jeweiligen Leistungen der Sozialhilfe (s. § 8
SGB XII) entsprechenden Bedarf handeln, soll der Kenntnisgrundsatz auch in seiner leistungsbegrenzenden Funktion überhaupt noch eine Bedeutung haben. Damit vermögen weder die Kenntnis von Grundsicherungsleistungen noch Assistenzleistungen (im Rahmen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe zur Pflege) eine solche von Reparaturen an einem behindertengerecht umgebauten
Kfz zu vermitteln. Mit dem vom Kläger geltend gemachten "Gesamtfallgrundsatz" ist hingegen etwas ganz anderes gemeint, nicht aber die von ihm hieraus abgeleitete "Gesamtkenntnis" von einem wie auch immer gearteten Bedarf.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.
4.) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG).