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Urteil
Schwerbehinderung - öffentlicher Dienst - unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch - Entschädigungsanspruch - Nichterfüllung des Anforderungsprofils

Gericht:

LAG Mainz


Aktenzeichen:

6 Sa 465/14


Urteil vom:

10.02.2015


Grundlage:

Leitsatz:

1. Nach § 82 Satz 2 SGB IX besteht grundsätzlich die Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX entfällt diese Pflicht ausnahmsweise, wenn dem schwerbehinderten Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt.

2. Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung hat, beurteilt sich nach den Ausbildungs- und Prüfungsvoraussetzungen für die zu besetzende Stelle und den einzelnen Aufgabengebieten. Diese Erfordernisse werden von den in der Stellenausschreibung geforderten Qualifikationsmerkmalen konkretisiert. Der öffentliche Arbeitgeber hat bei der Bestimmung eines Anforderungsprofils für eine zu vergebende Stelle Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hierbei steht ihm ein von der Verfassung gewährter Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt, soweit das Prinzip der Bestenauslese für die zu besetzende Stelle gewährleistet ist.

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Thema finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/user_upload/RehaRecht/Dis...

Rechtsweg:

ArbG Koblenz Urteil vom 10.02.2015 - 10 Ca 473/14

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26. Juni 2014 - 10 Ca 473/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte eine Entschädigung zahlen muss, weil sie den schwerbehinderten Kläger im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.

Der 1970 geborene Kläger, dem ein Grad der Behinderung von 70 zuerkannt ist, hat 1995 an der Fachhochschule für Bibliothekswesen, F am M, den Abschluss eines Diplom-Bibliothekars (FH) erworben und die Laufbahnprüfung für den Gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken abgelegt. 1999 hat er die Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät II der Humboldt-Universität zu B in den Prüfungsfächern Germanistische Linguistik und Anglistik/Amerikanistik erfolgreich absolviert. Am 10. Juli 2008 hat der Kläger an der Hochschule D im Fachbereich Media im Studiengang Information Science & Engineering/ Informationswissenschaft mit dem Vertiefungsschwerpunkt Bibliothekswissenschaft mit Erfolg die Masterprüfung mit dem Abschluss Master of Engineering abgelegt. Seine Masterarbeit hat der Kläger über das Thema Implementierung neuer E-Learning-Angebote am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung unter Nutzung des LOTSE-Konzepts geschrieben. Neben einer seit August 2009 selbstständig ausgeübten Tätigkeit im Korrektorat und als Übersetzer war der Kläger vom 01. Juli 2010 bis 31. Juli 2012 mit einem Stundenumfang von ca. 10 Stunden im Monat für den Evangelischen Kirchenkreis B im Evangelischen Stadtkantorat B in verschiedenen Tätigkeitsfeldern beschäftigt, ua. mit der Signaturenvergabe, der Katalogisierung und der Benutzung des Bestandes der dortigen Noten- und Fachbibliothek.

Die Beklagte schrieb am 11. Oktober 2013 für das in K ansässige C., Dienstort B-L, befristet auf zwei Jahre die mit Vergütungsgruppe IIa BAT (entspricht Entgeltgruppe E13 TVöD) bewertete Stelle einer Benutzungsreferentin/ eines Benutzungsreferenten für das Referat St B3 aus, das zuständig ist für die Bestandsvermittlung von Bibliotheksgut einschließlich der Benutzungsangelegenheiten, die Organisation des Bibliothekslesesaals, der Orts- und Fernleihe und der Zeitschriftenstelle, für die Bestandsrevision, die Bestandserhaltung, einschließlich Magazindienst, Verfilmung und Konversionsmaßnahmen sowie Unterbringungsfragen für Bibliotheksgut. Ausweislich der Stellenausschreibung obliegt der/dem gesuchten Referentin/ Referenten die Dienst- und Fachaufsicht über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats, sowie die zielorientierte Planung, Steuerung und Koordinierung der einzelnen Aufgabenbereiche einschließlich des Personal- und Ressourceneinsatzes. Die Aufgaben und die diesbezüglichen Anforderungen beschreibt die Ausschreibung wie folgt:

"Aufgaben:

- Koordinierung der Bibliotheksbenutzung für die Bibliotheksbestände in B-L, darunter Benutzung und Ausleihe von Bibliotheksgut, Recherchen, wissenschaftliche Auskünfte

- Benutzerbetreuung und -beratung, Entwicklung von Serviceleistungen für Benutzer, der Gewährleistung im Internet (Personalisierungsfunktionen) mit Hilfe des Bibliotheksprogramms (ALEPH)

- Erarbeitung und Gewährleistung von wissenschaftlich methodischen Grundlagen für die Aufgabenerledigung, darunter Integration von konventionellen Arbeitsprozessen in die IT-Umgebung (ALEPH)

- Bereitstellung von Hilfsmitteln für die Nutzung von Bibliotheksgut und der Nutzung des Online-Katalogs

- Entwicklung, Konzeptionen und Planung zur Bestandserhaltung und Lagerung von Bibliotheksgut mit Hilfe des Bibliotheksprogamms (ALEPH)


Anforderungen:

- Abgeschlossenes Hochschulstudium und Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst

- Fähigkeit zur strategischen und konzeptionellen Planung und zur Organisation bibliothekarischer Arbeitsprozesse

- Spezialkenntnisse der Benutzungsorganisation sowie vom Bibliotheks- und Benutzungsrecht und der bereichsspezifischen Forschungsdiskussion

- Kenntnisse in der Anwendung/Entwicklung fachbezogener Bibliothekssoftware

- Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere Englisch

- Intellektuelle Kompetenz (Auffassungsgabe, kreatives Denken, Problemlösefähigkeit etc.)

- Besonderes hohes Maß an Motivation und Engagement

- Besondere Fähigkeit zur Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern"

Der Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle mit Schreiben vom 11. Oktober 2013. Neben der Darstellung seiner Qualifikation wies der Kläger aus personalrechtlichen Gründen auf die bestehende Anerkennung als Schwerbehinderter hin. Wegen der genauen Formulierung des Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 6 d. A. verwiesen. Der Bewerbung beigefügt waren in der Anlage das Diplom des Klägers der Fachhochschule für Bibliothekswesen, das Zeugnis der H-Universität zu B betreffend die Magisterprüfung an der Philosophischen Fakultät II, die Promotionsurkunde des Klägers, das Masterzeugnis der Hochschule D im Studiengang Informationswissenschaft mit dem Schwerpunkt "Bibliothekswissenschaft", ein Zeugnis des Evangelischen Kirchenkreises B, ein Lebenslauf vom 11. Oktober 2013, sowie weitere Nachweise über Praktika, Tätigkeiten als studentischer Mitarbeiter, Lehrtätigkeiten und sonstige Tätigkeiten. Wegen des gesamten Inhalts der Anlagen im Einzelnen wird auf Bl. 14 bis 32 d. A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 teilte das C. dem Kläger mit, dass er nicht für die Stellenbesetzung ausgewählt worden sei.

Der Kläger hat - unter gleichzeitiger außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 31. Januar 2014 - am 03. Februar 2014 beim Arbeitsgericht Koblenz Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses erhoben. Die Klage wurde der Beklagten am 06. Februar 2014 zugestellt.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe ihn unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und schulde ihm eine Entschädigung in Höhe von drei Gehältern BAT IIa in Altersstufe 43. Sie habe ihn entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und ihn damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen, obwohl er die Anforderungen der Stellenanzeige erfüllt habe. Die hierdurch begründete Vermutung seiner unangemessenen Benachteiligung als Schwerbehinderter habe die Beklagte nicht entkräftet. Für den höheren Bibliotheksdienst qualifiziere ihn das akkreditierte Masterstudium in den Fächern "Bibliotheks- und Informationswissenschaft" einschließlich seiner Masterarbeit zum Themenkomplex "Teaching Library". Damit erfülle er die Voraussetzung eines mit Master abgeschlossenen Hochschulstudiums oder eines gleichwertigen Abschlusses iSd. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 2 Buchstabe a BLV, nachdem die Kultusministerkonferenz und die Innenministerkonferenz bereits 2002 und 2007 beschlossen hätten, die Masterabschlüsse der Universitäten und die akkreditierten Masterabschlüsse von Fachhochschulen als allgemeine Zugangsvoraussetzung für den Einstig in eine Beamtenlaufbahn des höheren Dienstes anzuerkennen. Die formale Beschränkung der Anforderungskriterien auf die "Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken" widerspreche der Bundeslaufbahnverordnung.


Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 12.214,65 Euro liegen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2014 zu zahlen.


Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, sie habe den Kläger nicht unangemessen wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt; seine Nichteinladung habe allein darauf beruht, dass er das ausgeschriebene Anforderungsprofil nicht erfüllt habe. Auf die Ausschreibung seien 27 Bewerbungen eingegangen, neben dem Kläger hätten zwei weitere Bewerber auf ihre Schwerbehinderung hingewiesen, von denen einer zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, weil er anders als der Kläger, der nur eine Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken abgelegt habe, die Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken besessen habe. Der Kläger habe bereits nicht dargetan, dass er über die erforderliche Vorbildung verfüge, insbesondere nicht, dass sein Abschluss als "Master of Engineering" an der Fachhochschule D in einem akkreditierten Studiengang erworben worden sei. Darüber hinaus habe der Kläger nach Abschluss des Masterstudiums nicht für mindestens zwei Jahre und sechs Monate eine Tätigkeit ausgeübt, die nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit eines Beamten/einer Beamtin derselben Laufbahn entsprechen würde. Die Qualifizierung für die zu besetzende Stelle im höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes habe dieser in seiner Kompetenz geregelt. Eine Benachteiligung von Absolventen liege nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, eine Benachteiligung des Klägers sei nicht zu vermuten, da er seine Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken nicht habe darlegen können und daher die in der Stellenbeschreibung formulierten Anforderungen nicht erfüllt habe. Es könne dahinstehen, ob der mit der Masterprüfung abgeschlossene Studiengang des Klägers akkreditiert sei und damit den Zugang zum höheren Dienst eröffne, denn es fehle dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen an der nach der Masterprüfung über zwei Jahre und sechs Monate hinweg ausgeübten hauptberuflichen Tätigkeit, die ihrerseits geeignet und notwendig sei, die Befähigung für die Laufbahn im höheren Bibliotheksdienst zu vermitteln; insbesondere die Tätigkeit des Klägers im Evangelischen Stadtkantorat von Juli 2010 bis 31. Juli 2012 habe den zeitlichen Umfang nicht erreicht und sei auch keine hauptberufliche Tätigkeit gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf Bl. 69 bis 72 d. A. verwiesen.

Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 11. Juli 2014 zugestellte Urteil mit am 08. August 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. August 2014 Berufung eingelegt und diese mit am 09. September 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 05. September 2014 begründet.

Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 05. September 2014 und seines Schriftsatzes vom 20. Januar 2015, hinsichtlich deren Inhaltes auf Bl. 96 ff. d. A. und 154 ff. d. A. ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich geltend, das Arbeitsgericht habe die Anforderungen für eine Einladung zum Vorstellungsgespräch durch einen öffentlichen Arbeitgeber zu hoch angesetzt, da diese nur bei offensichtlicher Nichteignung unterbleiben könne. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht vom Fehlen der in der Stellenbeschreibung geforderten Laufbahnbefähigung ausgegangen. Wie diese nachgewiesen werden solle, habe die im Übrigen keine Beamten- sondern eine Angestelltenstelle betreffende Ausschreibung nicht näher bezeichnet. Wegen der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom 07. Dezember 2007 und der Kultusministerkonferenz der Länder vom 20. September 2007 genügten auch Masterabschlüsse auch von Fachhochschulen für den Zugang zum höheren Dienst, ohne dass zusätzlich eine praktische Berufsausübung notwendig sei. Jedenfalls offensichtlich fehle ihm die Laufbahnbefähigung für den - veraltet: - höheren Bibliotheksdienst an Wissenschaftlichen Bibliotheken (jetzt: sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienst) angesichts seines Masterabschlusses in einem akkreditieren Studiengang nicht. Auch könne das Bibliotheksreferendariat mit einer abschließenden Laufbahnprüfung größtenteils nicht mehr abgeleistet werden. Eine Eingrenzung des Bewerberkreises auf eine Handvoll Bibliotheksreferendare des Bundes pro Jahr benachteilige Masterabschluss-Absolventen unangemessen. Zudem habe die Beklagte nicht nachvollziehbar vorgetragen, welche konkreten arbeitsplatzbezogenen Fähigkeiten und Kenntnisse für die ausgeschriebene Stelle benötigt würden, die ihm nicht im Rahmen seines Studiums vermittelt worden sein sollten. Die zuletzt im Berufungsverfahren von der Beklagten angeführten Argumente stellten lediglich bibliothekarische Trivialitäten als Besonderheiten der Stelle dar, legten nicht dar, warum er solche Kenntnisse nicht durch den Masterabschluss oder die Laufbahnprüfung für den gehobenen Bibliotheksdienst nachweisen könne oder fänden sich nicht in der Stellenausschreibung, wie beispielsweise die Berufserfahrung.


Der Kläger beantragt,

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26. Juni 2014 - 10 Ca 473/14 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 12.214,65 Euro liegen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Februar 2014 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwide-rungsschrift vom 28. Oktober 2014 (Bl. 117 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 17. Dezember 2014 (Bl. 141 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich wie folgt:

Der Kläger habe offensichtlich nicht die sich aus der Stellenbeschreibung ergebende notwendige fachliche Eignung für die Stelle besessen, da sein Studiengang weder über einen akkreditierten Abschluss verfüge, noch eine hauptberufliche Tätigkeit von mindestens zwei Jahren und sechs Monaten nach Erwerb der Bildungsvoraussetzung ausgeübt worden sei, die nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit eines Beamten oder einer Beamtin derselben Laufbahn entspreche. Sie sei im Rahmen ihrer Organisationsarbeit grundsätzlich frei, für zu besetzende Stellen ein Anforderungsprofil aufzustellen. Anhaltspunkte für eine Überschreitung ihrer Gestaltungsfreiheit durch Zugrundelegung sachfremder Erwägungen habe der Kläger weder dargetan, noch lägen sie vor. Die Bibliothek des Bundesarchivs, in die verschiedenartige Bibliotheken und einzelne Bestände aufgenommen worden seien (ua. ein sehr hoher Anteil an einmaliger grauer Literatur aus den Parteien und Organisationen der DDR und den ehemaligen Ostblockländern 1993 im Zuge der deutschen Vereinigung) sei mit einer gewachsenen Bibliothek nicht zu vergleichen, verursache angesichts ihres näher dargestellten Umfangs einen erhöhten Aufwand und setze daher umfassende Kenntnisse der Bibliotheksverwaltung, deren Ziel, der Organisation und Struktur sowie der verschiedenen Benutzungsdienste und des Benutzungsrechtes und des Wachstums der Bestände im Hinblick auf die konservatorisch richtige und zugleich benutzungsorientierte Aufstellung und langfristige Raum- und Kapazitätsplanung voraus. Vor diesem Hintergrund (und wegen einer zügigeren Einarbeitung) seien die Anforderungen an das Führungspersonal überdurchschnittlich hoch, weshalb die Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst gefordert worden sei, da die Laufbahnverordnungen für die theoretische Ausbildung einen festen Kanon relevanter Fächer, die Vermittlung bibliotheksrelevanter rechtlicher Bestimmungen, im Bereich Bestandserhaltung und Bestandsschutz vorsähen. Zudem sei für die Stelle praktisches Erfahrungswissen hinsichtlich des Managements wissenschaftlicher Bibliotheken (Organisation von Geschäftsgängen und Arbeitsprozessen, Personalführung, Verwaltungshandeln und Öffentlichkeitsarbeit) erforderlich, das sich nur im Rahmen einer längeren Ausbildung erwerben lasse, während derer die Absolventen über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum in einer Bibliothek mit Aufgaben des höheren Bibliotheksdienstes vertraut gemacht und in den Dienstbetrieb integriert worden seien. Dies gewährleiste die enge Verzahnung von Theorie und Praxis des zweijährigen Vorbereitungsdienstes für den höheren Bibliotheksdienst, während ein viersemestriger Masterstudiengang die Möglichkeit einer individuellen Spezialisierung eröffne, jedoch auf den Anspruch einer möglichst umfassenden bibliothekswissenschaftlichen Ausbildung verzichte und Recht, Bestandserhaltung und -schutz nicht zum zwingenden Ausbildungsbestandteil mache und nur ein mindestens 18-wöchiges Praktikum vorsehe.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschriften vom 25. November 2014 und 10. Februar 2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstaben b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 11. Juli 2014 mit am 08. August 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. August 2014 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 05. September 2014, bei Gericht eingegangen am 09. September 2014, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass dem Kläger bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf die geltend gemachte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX zusteht.

1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber "Beschäftigter" iSd. AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Für den Bewerberbegriff kommt es dabei nicht auf die objektive Eignung an; die objektive Eignung eines Bewerbers spielt vielmehr bei der Frage eine Rolle, ob eine "vergleichbare Situation" iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 17 mwN, zitiert nach juris).

2. Die Beklagte ist angesichts der Stellenausschreibung vom 11. Oktober 2013 als "Arbeitgeberin" iSd § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG passiv legitimiert. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber derjenige, der "Personen nach Absatz 1" des § 6 AGG "beschäftigt". Arbeitgeber ist auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 18, 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23, jeweils zitiert nach juris).

3. Der Kläger hat seinen Anspruch auch fristgerecht geltend gemacht. Nach Erhalt des Ablehnungsschreibens vom 19. Dezember 2013 hat er seine Forderung mit Schreiben vom 31. Januar 2014 schriftlich außergerichtlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht und am 03. Februar 2014 die der Beklagten alsbald zugestellte Klage auf Entschädigung erhoben. Damit hat er sowohl die Zwei-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG, als auch die Drei-Monatsfrist des § 61 b Abs. 1 ArbGG eingehalten.

4. Der Entschädigungsanspruch setzt - was § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht ausdrücklich klar stellt, sich jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG ergibt - einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG voraus (BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 33, 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn 28, jeweils zitiert nach juris). Die Beklagte hat nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen.

4.1. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes - zu denen auch eine Behinderung zählt - benachteiligen. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine Benachteiligung kann in der Versagung einer Chance liegen (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 51, zitiert nach juris). Ein Behinderter hat Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens (BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 35, aaO, 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 44 mwN, zitiert nach juris).

4.2. Eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung ist nicht gegeben. Der Kläger hat zwar im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung erfahren als der später eingestellte Bewerber, da seine Bewerbung abgelehnt wurde, ohne dass er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Die ungünstigere Behandlung des Klägers erfolgte jedoch in keiner vergleichbaren Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, da der Kläger das von der Beklagten in der Stellenausschreibung in zulässiger Art und Weise geforderte Anforderungsprofil nicht erfüllt hat.

a) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37, aaO). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist also keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der "vergleichbaren Situation" iSd. § 3 Abs. 1 AGG (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 26; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 35, jeweils zitiert nach juris).

aa) Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden darf. Durch das Stellen von Anforderungen an den Bewerber, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 27, 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, aaO).

Die objektive Eignung ist zu trennen von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und verbotenem Merkmal eine Rolle spielt (BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55, zitiert nach juris). Allerdings bedürfen auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten können, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünscht, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung sind (BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39, aaO).


bb) Diese Grundsätze gelten allerdings bei der Besetzung von Stellen öffentlicher Arbeitgeber nur eingeschränkt. Während der private Arbeitgeber im Rahmen der oben dargelegten Grundsätze frei ist, welche Anforderungen er in seiner Stellenausschreibung an Bewerber stellt und ob er dann bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, hat der öffentliche Arbeitgeber Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Hiernach besteht nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter in diesem Sinne sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die mit Arbeitern und Angestellten besetzt werden. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen (sog. Bestenauslese), zum anderen trägt er dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in der Regelung - hier der Stellenausschreibung - genannten Auswahlkriterien (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch; BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 40, mwN, aaO).

(1) Die in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Gesichtspunkte der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung sind die allein maßgeblichen Kriterien für die Bewerberauswahl; andere Kriterien sind nicht zulässig. Allerdings bestimmt Art. 33 Abs. 2 GG nicht, auf welchen Bezugspunkt sich diese Kriterien beziehen. Dies folgt erst aus dem Anforderungsprofil, welches als Funktionsbeschreibung des Dienstpostens objektiv die Kriterien bestimmt, die der künftige Stelleninhaber erfüllen muss (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 41, aaO).

(2) Über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten entscheidet grundsätzlich der Dienstherr nach seinen organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Es obliegt daher auch seinem organisatorischen Ermessen, wie er einen Dienstposten zuschneiden will und welche Anforderungen demgemäß der Bewerberauswahl zugrunde zu legen sind. Erst aus diesem Zuschnitt des zu vergebenden Amtes oder Dienstpostens werden daher die Anforderungen bestimmt, an denen konkurrierende Bewerber zu messen sind (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 42, aaO).

(3) Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 - Rn. 18, zitiert nach juris). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 21, zitiert nach juris). Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 22 aaO; vgl. insgesamt: BAG, 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 30, aaO).

(4) Dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes steht bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG und damit auch bei der Festlegung des Anforderungsprofils und der Eignungsmerkmale ein von der Verfassung gewährter Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegt. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit ergeben sich aus den Wertentscheidungen in anderen Verfassungsnormen. Dieser Spielraum des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes besteht allerdings nur insoweit, als das Prinzip der "Bestenauslese” für die zu besetzende Stelle gewährleistet werden soll, also die Merkmale der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Auswahlentscheidung zugrunde gelegt werden. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss deshalb im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein (BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 45, aaO, 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 33, zitiert nach juris). Zumindest im Konkurrentenklageverfahren obliegt es dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, sachlich nachvollziehbar darzulegen, dass seine Festlegung des Anforderungsprofils den Anforderungen der zu besetzenden Stelle entspricht und den gestellten Anforderungen keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen (BAG 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 16, zitiert nach juris).

b) Gemessen hieran liegt eine vergleichbare Situation iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht vor. Die Beklagte hat den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der streitigen Anforderung der Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst für die ausgeschriebene Stelle nicht überschritten. Der Kläger erfüllt diesen Teil des Anforderungsprofils nicht.

aa) Die Beklagte hat den ihr als öffentlicher Arbeitgeberin zustehenden Beurteilungsspielraum gewahrt, indem sie für die ausgeschriebene Stelle eines Benutzungsreferenten/ einer Benutzungsreferentin für das Referat StB 3 im C. die Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken zum Bestandteil des Anforderungsprofils erhoben hat. Die Gestaltung des Anforderungsprofils gewährleistet unter Berücksichtigung der Bedarfe für die zu besetzende Stelle sachlich nachvollziehbar, dass damit der Auswahlentscheidung die Merkmale der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zugrunde gelegt werden.

(1) Die Beklagte hat ausweislich der Stellenausschreibung vom 11. Oktober 2013 für die ausgeschriebene Stelle neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium die zwischen den Parteien streitige Anforderung der Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst verlangt. Ungeachtet der Tatsache, dass die ursprüngliche (allgemeine) Bezeichnung der Laufbahn als "Bibliotheksdienst" (nach Anlage 1 (zu § 34) der BLV idF. der Bekanntmachung vom 02. Juli 2002 (BGBl. I S. 2359, 2671)) nunmehr die Bezeichnung "Höherer sprach- und kulturwissenschaftlicher Dienst" trägt (Anlage 4 (zu § 51) der BLV idF. der Bekanntmachung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 284, 314)), hat die Beklagte damit Bezug genommen auf § 7 BLV.

Nach § 7 Nr. 1 BLV erlangen Bewerber die Laufbahnbefähigung durch erfolgreichen Abschluss eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes (hier: Höherer Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes; Anlage 2 (zu § 10 Abs. 1) BLV idF. der Bekanntmachung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 284, 312)) oder eines Aufstiegsverfahrens des Bundes. Entgegen der vom Kläger im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung umfasst die Stellenbeschreibung jedoch auch die Möglichkeit der Anerkennung der Laufbahnbefähigung nach § 7 Nr. 2 a) BLV, die gegeben ist, wenn die für die entsprechende Laufbahn vorgeschriebene Vorbildung außerhalb eines Vorbereitungsdienstes oder eines Aufstiegsverfahrens des Bundes erworben wurde. Die weiter in § 7 Nr. 2 b) BLV geregelte Anerkennungsmöglichkeit kommt vorliegend wegen des unstreitigen Vorhandenseins von das Anforderungsprofil erfüllenden Bewerbern und nicht ersichtlichem dienstlichem Interesse gemäß § 22 Abs. 1 BLV nicht in Betracht und war daher nicht entscheidungserheblich.

Die Anerkennung der Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes nach § 7 Nr. 2 a) BLV setzt gemäß § 21 Abs. 1 BLV ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder einen gleichwertigen Abschluss und eine hauptberufliche Tätigkeit von mindestens zwei Jahren und sechs Monaten voraus, die geeignet ist, die Befähigung für die entsprechende Laufbahn zu vermitteln. Gemäß § 19 Abs. 3 BLV muss die hauptberufliche Tätigkeit nach Erwerb der Bildungsvoraussetzungen ausgeübt worden sein und nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit einer Beamtin oder eines Beamten derselben Laufbahn entsprechen, wobei ermäßigte und regelmäßige Arbeitszeiten gleich zu behandeln sind, soweit nicht zwingende sachliche Gründe entgegenstehen (§ 19 Abs. 4 BLV).

(2) Das Referat St B3, für das die Beklagte einen Bibliotheksreferenten gesucht hat, ist zuständig für die Bestandsvermittlung, die Organisation des Lesesaals, die Orts- und Fernleihe, die Bestandsrevision und die Bestandserhaltung des Bundesarchivs als umfangreicher Bibliothek des Bundes. Dem Referenten der zu besetzenden Stelle obliegt die Dienst- und Fachaufsicht über die Referatsmitarbeiter, sowie die zielorientierte Planung, Steuerung und Koordinierung der einzelnen Aufgabenbereiche einschließlich des Personal- und Ressourceneinsatzes.

(3) Die Beklagte hat sich zur Begründung des von ihr durch das Erfordernis der Laufbahnbefähigung gewählten Anforderungsprofils nicht lediglich unzureichend auf die der Eingruppierung der für das C. ausgeschriebenen Referentenstelle berufen (vgl. BAG 06. Mai 2014 - 9 AZR 724/12 - Rn. 16, zitiert nach juris). Sie hat sich vielmehr unter Darlegung der einzelnen anfallenden Tätigkeiten darauf gestützt, dass es sich bei der zu besetzenden Position um eine gehobene Funktion mit sowohl wissenschaftlichen Aufgaben, als auch Personalverantwortung im Bereich des Bundesarchivs als wissenschaftlicher Bibliothek des Bundes handelt. Diese Aufgaben bieten sachliche Gründe, vom Stelleninhaber, auch wenn er im Angestelltenverhältnis tätig wird, die Voraussetzung einer einschlägigen Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst zu verlangen, ohne dass sachfremde Erwägungen für die Entscheidung ersichtlich wären.

(3.1.) Der zur Erlangung der einschlägigen Laufbahnbefähigung nach § 7 Nr. 1 LBV erforderliche fachspezifische Vorbereitungsdienst des Höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes gewährleistet - ähnlich dem Aufstiegsverfahren - durch seine Ausgestaltung eine spezifische Ausbildung bezüglich der in wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes anfallenden Arbeiten. Dies ergibt sich für den Vorbereitungsdienst aus § 2 LAGhDBiblV, wonach der zweijährige Vorbereitungsdienst dazu befähigen soll, die Aufgaben der Laufbahn des höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes in allen Arbeitsbereichen des Bibliothekswesens wahrzunehmen und neben dem Fachwissen insbesondere auch für das zur Aufgabenwahrnehmung erforderliche Verständnis für kulturelle, rechtliche, politische, wirtschaftliche, technische und sozial Fragen vermittelt. Hierbei umfasst der praktische Anteil der Ausbildung ein großes Praktikum (I) von zehn Monaten und ein kleines Praktikum (II) von zwei Monaten. Die praktische Ausbildung betrifft neben Bestandsaufbau, Bestandserschließung, Benutzungs-, Informations- und Beratungsdienst, Einsatz der Informationstechnik, Bibliotheksbau und technische Einrichtungen insbesondere auch Organisation, allgemeine Verwaltung und Leitungsaufgaben (§ 15 Abs. 2 LAGhDBiblV). In den Praktika erwerben die Referendarinnen und Referendare gemäß § 14 Abs. 1 und 2 LAGhDBiblV berufliche Kenntnisse und Erfahrungen, sowie Fähigkeiten und Kenntnisse, die zur selbstständigen Erfüllung der Aufgaben der Laufbahn erforderlich sind und sollen hierzu einzelne typische Geschäftsvorgänge selbstständig bearbeiten. Der Erwerb der Laufbahnbefähigung nach § 7 Nr. 1 BLV gewährleistet durch die Verbindung von theoretischer und praktischer Ausbildung den Bestand einer gewissen beruflichen Erfahrung, die den Bewerber mit Laufbahnbefähigung für die von Anbeginn mit Personalverantwortung einhergehende gehobene Position der ausgeschriebenen Referentenstelle besser qualifiziert als dies ohne Laufbahnbefähigung nach § 7 Nr. 1 BLV der Fall wäre. Vor dem Hintergrund dieser engen Verzahnung von Theorie und Praxis bestehen nach Auffassung der Berufungskammer keinerlei Bedenken, die Laufbahnbefähigung nach § 7 Nr. 1 BLV zur Anforderung für die ausgeschriebene Stelle zu erheben, da der Vorbereitungsdienst bzw. ein Aufstiegsverfahren geeignet ist, die im öffentlichen Dienst auch bei der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Besetzung von Stellen erforderliche Bestenauslese unter Berücksichtigung der Merkmale der Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu gewährleisten.

(2.2.) Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass auch ohne Vorbereitungsdienst oder Aufstiegsverfahren eine Qualifikation für die streitige Position mit Personalverantwortung und akademischem Zuschnitt denkbar ist. Dem hat die Beklagte jedoch Rechnung getragen, indem der Verweis auf die erforderliche Laufbahnbefähigung auch § 7 Nr. 2 a) BLV iVm. § 21 Abs. 1 BLV umfasst, nach dem die verlangte Voraussetzung durch ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder einen gleichwertigen Abschluss und eine sich anschließende hauptberufliche Tätigkeit von mindestens zwei Jahren und sechs Monaten in einem vergleichbaren Gebiet erlangt werden kann. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte den Bewerberkreis gerade nicht auf Referendare mit Vorbereitungsdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes (oder der Länder) und Bewerber mit Aufstiegsverfahren iSd. § 7 Nr. 1 BLV eingeschränkt; es kann daher dahinstehen, ob eine derartige Einschränkung angesichts der nach Ansicht des Klägers geringen Anzahl denkbarer Absolventen zu einer nach Art. 33 Abs. 2 GG unzulässigen Benachteiligung von Bewerbern ohne Referendariat oder Aufstiegsverfahren geführt hätte. Wie ein Referendariat oder ein Aufstiegsverfahren gewährleistet regelmäßig auch ein akademischer Abschluss wie ein Master oder ein vergleichbarer Abschluss verbunden mit einer nachgehenden entsprechenden Berufserfahrung in einer nach Fachrichtung und Schwierigkeit der Tätigkeit einer Beamtin oder eines Beamten derselben Laufbahn entsprechenden Tätigkeit ein vergleichbares Erfahrungswissen in Theorie und Praxis zugleich, die den entsprechenden Bewerber in besonderem Maße befähigt erscheinen lassen, gerade angesichts der Tatsache, dass der zeitliche Anteil praktischer Ausbildungszeiten in Masterstudiengängen - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - weder den Umfang der Praktika im Referendariat, noch den Umfang der außerhalb des Referendariats erforderlichen Berufserfahrung nach § 7 Nr. 1 a BLV iVm. § 21 Abs. 1 BLV erreicht.

(bb) Der Kläger, der unstreitig weder einen Vorbereitungsdienst, noch ein Aufstiegsverfahren iSd. § 7 Nr. 1 BLV absolviert hat, besitzt die von der Beklagten in zulässiger Weise zur Anforderung für die ausgeschriebene Stelle erhobene Laufbahnbefähigung für den höheren Bibliotheksdienst an wissenschaftlichen Bibliotheken des Bundes (Höherer sprach- und kulturwissenschaftlicher Dienst) auch nicht iSd. § 7 Nr. 2 a BLV iVm. §§ 21 Abs. 1, 19 Abs. 3, 4 BLV.

(1) Zwar hat der Kläger sich zu Recht darauf berufen, dass er durch den im Jahr 2008 im Studiengang Information Science & Engineering/ Informationswissenschaft mit dem Vertiefungsschwerpunkt Bibliothekswissenschaft erworbenen Master (Master of Engineering) einen Abschluss iSd. § 21 Abs. 1 Satz 1 BLV aufweist. Der Umstand, dass der Masterabschluss an einer Fachhochschule absolviert worden ist, steht dem nicht entgegen, da der nur allgemein ein "Hochschulstudium" fordernder Wortlaut des § 21 Abs. 1 BLV eine Beschränkung auf Universitäten nicht enthält; die laufbahnrechtlichen Bestimmungen legen somit einen weiten, auch Fachhochschulen erfassenden Hochschulbegriff zugrunde, wie er auch in § 1 HRG verwendet wird (vgl. Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 5 BBG, BTDrucks 16/7076 S. 104) (vgl. BVerwG 31. Dezember 2012 - 2 C 71/10 - Rn. 24, zitiert nach juris). Es kann dahinstehen, ob entgegen der Ansicht der Beklagten der Studiengang des Klägers mit der Maßgabe akkreditiert war, dass der erfolgreiche Abschluss des Studiengangs den Zugang zum höheren öffentlichen Dienst eröffnet und ob es eines solchen Akkreditierungszusatzes für die Feststellung der Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst auf der Grundlage von an Fachhochschulen erworbenen Masterabschlüssen trotz eines im Wortlaut des § 8 BLV fehlenden Anhalts hierfür bedarf oder nicht (vgl. BVerwG 31. Dezember 2012 - 2 C 71/10 - Rn. 24 mwN, aaO; vgl. auch Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und Kultusminister der Länder "Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes durch Masterabschluss an Fachhochschulen" vom 20. September und 07. Dezember 2007).

(2) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der von der Beklagten geforderten Laufbahnbefähigung jedenfalls deshalb nicht, weil er keine hauptberufliche Tätigkeit von mindestens zwei Jahren und sechs Monaten nach Erwerb des von ihm angeführten einschlägigen Masterabschlusses in 2008 nachweisen kann, die geeignet ist, die Befähigung für die einschlägige Laufbahn zu vermitteln (§§ 21 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 3 BLV). Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Beschäftigung des Klägers beim Evangelischen Stadt- und Kreiskantorat B im Zeitraum vom 01. Juli 2010 bis 31. Juli 2012 mit zehn Stunden im Monat, die neben bibliotheksspezifischen Aufgaben zudem einen Anteil an redaktionellen Veröffentlichungsarbeiten aufwies, nach den Darlegungen des Klägers weder zeitlich, noch inhaltlich die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BLV erforderliche Berufserfahrung darstellen kann. Die Berufungskammer macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter B II (Bl. 71 f. d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 1 ArbGG). Weitere Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren hierzu erfolgten nicht. Soweit er sich zweitinstanzlich erneut darauf berufen hat, nach der Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und Kultusminister der Länder "Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes durch Masterabschluss an Fachhochschulen" vom 20. September und 07. Dezember 2007 eröffne der Masterabschluss an Fachhochschulen den Zugang zu Laufbahnen des höheren Dienstes, übersieht der Kläger, dass die bloße Zugangseröffnung nicht mit der Erfüllung sämtlicher Laufbahnvoraussetzungen für den höheren Dienst gleichzusetzen ist, sondern lediglich sicherstellt, dass auch ein an einer Fachhochschule erworbener Masterabschluss die Möglichkeit bietet, die Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst zu erwerben.

4.3. Da der Kläger aus den dargelegten Gründen das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle mangels Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken nicht erfüllt, war die Beklagte wegen der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle nicht verpflichtet, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, § 82 Satz 3 SGB IX. Weil die Beklagte somit nicht gegen die grundsätzlich gemäß § 82 Satz 2 SGB IX bestehende Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, verstoßen hat, begründet die Nichteinladung des Klägers auch keine Vermutung für seine unzulässige Benachteiligung wegen seiner Behinderung (§ 22 AGG) (vgl. BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 -, Rn. 51, 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 24, jeweils zitiert nach juris). Soweit der Kläger im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, ihm habe jedenfalls nicht offensichtlich die Eignung gefehlt, vermochte dies die Berufungskammer nicht zu überzeugen. Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung hat, beurteilt sich nach den Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen für die zu besetzende Stelle und den einzelnen Aufgabengebieten (BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 24, 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 45 und 48, zitiert nach juris). Diese Erfordernisse werden von den in der Stellenausschreibung geforderten Qualifikationsmerkmalen konkretisiert (BAG 07. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 51, aaO). Demnach bestand eine Einladungspflicht für die Beklagte nicht.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

Referenznummer:

R/R7021


Informationsstand: 07.07.2016