1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin ist Volljuristin und mit einem
GdB von 50 schwerbehindert. Mit ihrer Klage begehrt sie Schadensersatz wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung durch Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch.
Die am ...1980 in ... geborene Klägerin bestand am ... 1998 die Abiturprüfung mit einer Durchschnittsnote von 2,4. Von September 1998 bis Juni 2001 absolvierte sie eine Berufsausbildung ... In der Zeit von September 2001 bis April 2003 war sie beim ... in ... als ... und bei verschiedenen Unternehmen als Verkäuferin beschäftigt. Von Oktober 2003 bis September 2006 studierte sie an der ...Universität ... "Theater- und Medienwissenschaft" mit den Nebenfächern "Psychologie" und "Amerikanistik-Literaturwissenschaft".
Von Oktober 2006 bis September 2011 studierte sie an der ...Universität "Rechtswissenschaft". Am ... 2011 bestand sie die Erste Juristische Prüfung mit der Prüfungsgesamtnote "ausreichend (5,41)". Diese Gesamtnote setzte sich zusammen aus der Note für die Erste Juristische Staatsprüfung (5,16 Punkte) und der Note der juristischen Universitätsprüfung im Schwerpunktbereich "Kriminalwissenschaften" (6,00 Punkte). Vom 4. Oktober 2011 bis 20. November 2013 absolvierte sie ihr Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht ... Am ... 2013 bestand sie die Zweite Juristische Staatsprüfung mit der Prüfungsgesamtnote "ausreichend (4,50)".
In der Zeit vom 1. Mai 2014 bis 15. März 2015 war die Klägerin als Rechtsanwältin in der Kanzlei ... beschäftigt (Strafrecht, Zivilrecht). Seit dem 1. Dezember 2010 ist die Klägerin als freie Mitarbeiterin in der Kanzlei ... tätig (Zivilrecht, Verwaltungsrecht). In der Zeit vom 20. Mai 2015 bis 31. Dezember 2015 war die Klägerin befristet in der ... ... als Fachkraft (... ...) beschäftigt.
Darüber hinaus absolvierte die Klägerin im Zeitraum vom 26. Januar 2015 bis 17. April 2015 einen Fachanwaltslehrgang Arbeitsrecht und vom 20. April 2015 bis 19. Mai 2015 einen Fachanwaltslehrgang Steuerrecht.
Seit dem 1. Januar 2016 ist die Klägerin Beamtin der Bundesrepublik Deutschland und als Regierungsinspektorin (Sachbearbeiterin) im ... ... "..." beim ... ... ... ... ... in ... tätig.
Mit Bewerbungsschreiben vom 9. Februar 2016 bewarb sich die Klägerin als Juristin beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration unter Hinweis auf ihren
GdB von 50. In der Ausschreibung des Ministeriums wurde folgendes bekannt gegeben:
"Bitte beachten Sie, dass Einstellungen nur dann erfolgen, wenn im Geschäftsbereich freie Stellen zu besetzen sind, und unter Beachtung des Leistungsprinzips grundsätzlich nur Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt werden können, die zwei juristische Staatsexamina mit Prädikat, davon das Zweite mindestens im oberen Bereich der Note "befriedigend" vorweisen können."
Mit Schreiben vom 8. März 2016 teilte Ltd. MRin
Dr. ... der Klägerin mit, aufgrund des gegenwärtig bei Bewerbungen für eine Einstellung als Jurist bestehenden hohen Notenniveaus und des zu beachtenden Leistungsprinzips sehe der Beklagte insbesondere im Hinblick auf das von der Klägerin in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung erzielte Ergebnis - auch unter Berücksichtigung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft - leider keine Möglichkeit für eine künftige Einstellung. Der Beklagte bedaure, der Klägerin keine positive Auskunft erteilen zu können, die Schwerbehindertenvertretung des StMAS sei beteiligt worden. Dieses Schreiben wurde vor Auslauf der Schwerbehindertenvertretung im Haus zugeleitet mit der Bitte um Kenntnisnahme und gegebenenfalls Äußerung. Handschriftlich ist hier vermerkt "..." (Namenszeichen unleserlich).
Mit Schreiben vom 23. März 2016 machte die Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch geltend. Hierauf antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 31. März 2016, es könne dem Absageschreiben entnommen werden, dass die Schwerbehinderung der Klägerin berücksichtigt worden sei. Es fehle bereits die fachliche Eignung für eine Einstellung im Sinne des
§ 82 Satz 3 SGB IX. Die Schwerbehindertenvertretung habe dies im Vorfeld ebenso beurteilt.
Der Bevollmächtigte der Klägerin zeigte sich am 29. April 2016 an und forderte abermals die Zahlung einer Entschädigung.
Mit einem am 9. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. Juni 2016 ließ die Klägerin Klage erheben mit dem in der mündlichen Verhandlung dahingehend konkretisierten Antrag:
"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine in das Ermessen des Gerichtes gestellte angemessene Entschädigung zu bezahlen, die jedoch den Betrag in Höhe von ...
EUR nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 2.4.2016."
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Stellenausschreibung des Beklagten sei intransparent. Insbesondere die Verwendung des Wortes "grundsätzlich" lasse mehrdeutige Interpretationen zu. Somit sei nicht ersichtlich, bis zu welcher Note tatsächlich eine Einstellung erfolge. Darüber hinaus sei die an
Art. 33
Abs. 2
GG zu messende Auswahlentscheidung auf das Amt im statusrechtlichen Sinne bezogen und dürfe daher grundsätzlich nicht anhand der Anforderungen eines konkreten Dienstpostens erfolgen. Es sei somit unzulässig, aufgrund des Bewerbungsprofils Bewerber von vornherein aus dem Bewerbungsverfahren auszuschließen, sofern diese die statusrechtlichen Voraussetzungen erfüllten. Grundsätzlich müsse dem schwer behinderten Bewerber, dessen fachliche Eignung möglicherweise zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen sei, die Gelegenheit zur Vorstellung gegeben werden. Ein Jurist mit zweimal "ausreichend" in den Staatsexamina möge faktisch im Wettbewerb um die Stelle keine Chance haben, das Gesetz verpflichte den Arbeitgeber jedoch zur Einräumung eines Vorstellungsgesprächs. Von einem offensichtlichen Fehlen der fachlichen Eignung könne nicht ausgegangen werden, da die Klägerin die Befähigung zum Richteramt erworben habe.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 4. August 2016, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Die Stellenvergabe beim Beklagten folge dem verfassungsrechtlich garantierten Prinzip der Bestenauslese. Dementsprechend sei im Anforderungsprofil dargelegt worden, dass Voraussetzung für eine Einstellung zwei juristische Staatsexamina mit Prädikat seien, davon das Zweite mindestens im Bereich der Note befriedigend. Der Nachweis der fachlichen Eignung durch Erzielen einer bestimmten Gesamtnote im 1. und 2. Staatsexamen werde höchstrichterlich für zulässig erachtet (
BVerwG, U.v. 3.03.2011,
5 C 16.10, Rn. 22). Die Klägerin habe ein "Prädikatsexamen", welches ab 6,5 Punkten beginne, damit in beiden Prüfungen weit verfehlt. Auch die Voraussetzung "mindestens im oberen Bereich der Note befriedigend" erfülle sie ebenfalls nicht, hierfür hätte sie mindestens 7,75 Punkte erreichen müssen. Auch das Wort "grundsätzlich" ändere hieran nichts. In der Regel bedürfe es zweier Prädikatsexamen, im Ausnahmefall könne allerdings im 1. Examen ein "ausreichend" genügen; deshalb sei die Ausschreibung aber nicht intransparent geworden. Das Ministerium sei von den dargestellten Anforderungen bisher noch nicht abgewichen, in der Vergangenheit seien keine Juristen unterhalb der vorgegebenen Grenze von 7,75 Punkten in der Zweiten Prüfung eingestellt worden. Die jeweils schlechteste Note der Einstellung habe im Jahr 2011 8,89 Punkte, im Jahr 2012 8,48 Punkte, im Jahr 2013 8,52 Punkte, im Jahr 2014 8,05 Punkte und im Jahr 2015 8,28 Punkte betragen, im laufenden Jahr sei die Grenznote derzeit bei 7,76 Punkten. Diese Anforderung sei auch vor den am Ende genannten Kontaktdaten und damit als wesentlicher Bestandteil der Stellenausschreibung kommuniziert worden.
Einem eventuellen Entschädigungsanspruch stehe jedenfalls der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Zwischen der im Zweiten Examen tatsächlich erzielten Note von 4,5 Punkten und der für die Einstellung erklärtermaßen erforderlichen 7,75 Punkten bestehe ein krasses Missverhältnis, was die Ernsthaftigkeit einer Bewerbung infrage stelle (
BAG, U.v. 13.10.2011, Az.
8 AZR 608/10 unter II 8. a). Die Durchschnittsnote aller Prüfungsteilnehmer im Prüfungstermin 2013/14 habe bei 7,05 Punkten gelegen. Das von der Klägerin erreichte Ergebnis habe sie bei 569 platzierten Teilnehmern auf Platz 554 verwiesen. Mit einer Einstellung in den Bayerischen Staatsdienst habe in diesem Fall nicht ernsthaft gerechnet werden können. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass dem StMAS, in dessen Zuständigkeit die Teilhabe von Menschen mit Behinderung falle, die Diskriminierung schwerbehinderter Menschen fernliege. Das Ministerium übererfülle die gesetzliche Beschäftigungsquote für schwerbehinderte Menschen bei weitem und beschäftige auf allen Ebenen schwerbehinderte Menschen. Hierzu werde eine entsprechende Übersicht beigefügt. Aus dem beiliegenden Bewerbungsvorgang ergebe sich, dass eine ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erfolgt sei, diese habe der Nichtberücksichtigung der Bewerbung zugestimmt. Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches werde angemerkt, dass Einstellungen in der 4. Qualifikationsebene in der Regel in A 13 erfolgten und nicht direkt bei Gericht in R 1.
Der Bevollmächtigte der Klägerin replizierte mit Schriftsatz vom 21. September 2016. Die Examensnote sei nicht auf mangelndes Wissen und mangelnde Fähigkeiten zurückzuführen, stattdessen sei die Note behinderungsbedingt. Aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden hypoglykämiebedingten massiven Konzentrations- und Sehstörungen sei sie in den Klausuren und in der mündlichen Prüfung nicht in der Lage gewesen, ihre volle Leistungsfähigkeit abzurufen. Damit sei das Ergebnis der Zweiten Juristischen Staatsprüfung trotz Bestehens weit hinter ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen zurückgeblieben. Dass die Klägerin zu erheblich besseren Leistungen im juristischen Berufsfeld in der Lage sei, ergebe sich eindeutig aus den Stations- und Arbeitszeugnissen. Auch werde auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 21.07.2009, Az.
9 AZR 431/08) verwiesen, somit dringe der Beklagte auch nicht mit dem Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit durch. Die internen Regelungen zu den Examensergebnissen und zur Einstellungspraxis seien der Klägerin mangels Veröffentlichung nicht bekannt. Überdies änderten die nun bekannt gegebenen internen Regelungen nicht die Intransparenz der Stellenausschreibung. Im Übrigen hätte der Beklagte auf die Stationsnoten eingehen müssen.
Der Beklagte duplizierte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2016. Es wurde ausgeführt, dass der einstellenden Behörde innerhalb der Vorgaben des
Art. 33
Abs. 2
GG ein eigenes Ermessen zustehe, so könne beispielsweise das Erreichen einer bestimmten Punktzahl im Zweiten Examen vorausgesetzt werden. Denn durch diese Prüfung werde festgestellt, ob die Rechtsreferendare das Ziel der Ausbildung erreicht haben und ihnen deshalb nach ihren Kenntnissen, ihrem praktischen Geschick und dem Gesamtbild ihrer Persönlichkeit die Befähigung zum Richteramt und die Qualifikation für den Einstieg in der 4. Qualifikationsebene der Verwaltung zuzusprechen sei. Die Einladung sei entbehrlich gewesen, da die mindestens geforderte Note "im oberen Bereich befriedigend" weit verfehlt worden sei. Die Stations- und Arbeitszeugnisse könnten das Nichterreichen der festgelegten Noten nicht kompensieren. Es dürfte bekannt sein, dass Stationszeugnisse in der Regel viel besser ausfielen als die Ergebnisse des Zweiten Staatsexamens. Zudem sei bei den Stationszeugnissen ein direkter Vergleich mit den übrigen Referendaren nicht möglich. Die klägerischen Ausführungen zum Gesundheitszustand während der Ablegung der Prüfungen im Zweiten Staatsexamen seien für das vorliegende Verfahren ohne rechtliche Relevanz. Einwendungen gegen die Bewertung von Prüfungsleistungen seien innerhalb der in § 14 JAPO vorgesehenen Fristen geltend zu machen. Intransparent könne die Stellenausschreibung im Übrigen auch deshalb nicht sein, weil der Bevollmächtigte der Klägerin in der Klageschrift offensichtlich hierauf rekurriere.
Mit weiterem Schriftsatz vom 21. November 2016 vertiefte der Bevollmächtigte der Klägerin sein Vorbringen. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte die theoretische Fachanwaltsausbildung der Klägerin zur Fachanwältin Arbeitsrecht bisher mit keinem Wort erwähnt und somit auch folglich rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakte, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig.
I. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Klägerin begehrt die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot behinderter Menschen im Rahmen ihrer Bewerbung für eine vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration ausgeschriebene Stelle in der 4. QE. Sachlicher Anknüpfungspunkt ist daher das Stellenbesetzungsverfahren, für das gemäß § 54
Abs. 1 BeamtStG der Verwaltungsrecht Weg eröffnet ist. Diese Rechtswegzuweisung gilt umfassend und erfasst daher auch Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Einstellung (
vgl. etwa
BVerwG, U.v. 22.02.1996, Az. 2 C 12/94, BVerwGE 100, 280) sowie den vorliegend geltend gemachten Entschädigungsanspruch (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 22.06.2007, Az. 2 F 10596/07, NVwZ 2007, 1099; VGH Mannheim U.v. 4.08.2009, Az.
9 S 3330/08, BeckRS 2009, 37238, beck-online).
II. Das Verwaltungsgericht Ansbach ist örtlich zuständig, weil es sich um eine Streitigkeit handelt, die sich auf das Entstehen eines Beamtenverhältnisses bezieht, § 52
Nr. 4
S. 1
VwGO. In Ermangelung eines dienstlichen Wohnsitzes (in Bezug auf ein Beamtenverhältnis zum Beklagten) ist somit auf den Wohnsitz der Klägerin (...) abzustellen, der sich auch im Zuständigkeitsbereich der Behörde des Beklagten befindet.
III. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt. Die Klägerin durfte die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Damit wird dem Gericht über deren Höhe ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (
vgl. BR-Drs. 329/06,
S. 40, BT-Drs. 16/1780,
S. 38). Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zu oder hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist sogar ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Die Klägerin muss lediglich Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (
VG Karlsruhe, U. v. 08.02.2013, Az. 8 K 1153/12,
m.w.N.; großzügiger:
VG Sigmaringen U. v. 15.9.2015, Az. 7 K 4881/13, BeckRS 2016, 44005, beck-online: auch die Größenordnung muss nicht angegeben werden, dies wurde auch vom
BAG im U. v. 15.2.2005, Az.
9 AZR 635/03 nicht beanstandet; ebenso: Fabricius in Schlegel/Voelke, jurisPK-
SGB IX, § 81 Rn 55). Vorliegend wurde in der mündlichen Verhandlung der Antrag entsprechend konkretisiert.
IV. Der Klägerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere ist die Klage nicht rechtsmissbräuchlich. Dies könnte der Fall sein, wenn es der Klägerin offensichtlich nicht um eine Anstellung, sondern allein darum ginge, bei unkundigen öffentlichen Stellen Entschädigungen nach § 15
Abs. 2
AGG zu erlangen (auch als "
AGG-Hopping" bezeichnet). Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Allein die Vielzahl der von der Klägerin angestrengten Verfahren (insgesamt 6 Klageverfahren) sind dafür kein hinreichendes Indiz (
vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011, Az.
5 C 16/10;
BAG, U. v. 21.07.2009, Az.
9 AZR 431/08, Rn. 52, juris;
VG Freiburg U. v. 10.5.2011, Az.
5 K 989/10, BeckRS 2011, 50896, beck-online). Mit Rücksicht auf die Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes vor Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf ist an einen derartigen Anspruchsausschluss ein strenger Maßstab anzulegen. Dass sich eine Bewerberin oder ein Bewerber nach Abschluss der juristischen Ausbildung - wie hier - parallel bei mehreren Dienstherren um die Einstellung in den höheren Dienst bewirbt und zudem im Falle der Erfolglosigkeit der Bewerbungen im Hinblick auf eine jeweils unterlassene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch mehrere Entschädigungsklagen gegen verschiedene öffentliche Arbeitgeber erhebt, reicht für sich allein insoweit nicht aus (
BVerwG, U. v. 3.3.2011, Az. 5 C 16/10).
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht kein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung nach § 15
Abs. 2 Satz 1
AGG zu, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Beklagte hat die Klägerin nicht im Sinne von
§§ 7 i.V.m. 1 AGG wegen ihrer Behinderung benachteiligt.
Die Klägerin ist im Sinne von § 1
AGG behindert. Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1
AGG entspricht den gesetzlichen Definitionen in
§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) und
§ 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Ausgehend hiervon liegt bei der Klägerin eine Behinderung im Sinne des § 1
AGG vor, weil sie mit einem Grad von 50 schwerbehindert ist (§ 2
Abs. 2
SGB IX).
Die Klägerin wurde durch die Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Zwar ergibt sich aus § 82 Satz 2
SGB IX die grundsätzliche Verpflichtung des Beklagten als öffentlichem Arbeitgeber, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese vorgesehene Einladung stellt eine gesetzliche Besserstellung dar, die einem Nachteilsausgleich dienen soll (
BVerwG, U.v. 3.3.2011, Az. 5 C 16/10, Rn. 19, juris). Einer Einladung bedurfte es bei der Bewerbung der Klägerin jedoch wegen der Ausnahmeregelung des
§ 82 Satz 3 SGB IX nicht, weil ihr die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fehlte.
I. Die notwendige fachliche Eignung für die konkrete Stelle
i.S.d. § 82 Satz 3
SGB IX richtet sich nach einem Vergleich zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem Leistungsprofil der Klägerin als Bewerberin (
vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011, Az. 5 C 16/10, Rn. 20, juris). Mit der konkreten Stellenausschreibung wurde eine wirksame Beschränkung des Bewerberfeldes erreicht.
1. Mit der Anforderung "Prädikat" hat der Beklagte hinreichend transparent eine bestimmte Examensnote vorausgesetzt. In Bayern ist von diesem Prädikat auch der Notenbereich "befriedigend" umfasst, wie sich beispielsweise aus dem Bericht des Bayerischen Landesjustizprüfungsamtes für das Jahr 2015 (http: ...www.j...
pdf) ergibt (
vgl. dort
S. 4). Soweit im Ländervergleich die Bezeichnung "Prädikat" uneinheitlich verwendet wird, ergibt sich hieraus nichts anderes, nachdem zum einen deutlich ist, dass es um die Einstellung von Landesbeamten nach Bayerischem Beamtenrecht geht, und zum anderen die zusätzlich genannte Mindestanforderung (oberer Bereich der Note befriedigend) ins Leere liefe, würde man als Prädikatsexamen nur ein absolviertes Examen mit einer Prüfungsgesamtnote ab 9,00 Punkten ("vollbefriedigend") ansehen.
2. Aus der Einschränkung, es bedürfe nur "grundsätzlich" zweier Prädikatsexamina ergibt sich keine andere Würdigung, da jedenfalls die weitergehende Einschränkung eines Gesamtergebnisses in der Zweiten Juristischen Prüfung auf eine Note im "oberen Bereich befriedigend" greift. Ob und in welchem Umfang ein Anforderungsprofil eine wirksame Einengung des Bewerberfeldes bewirkt, muss grundsätzlich durch eine Auslegung entsprechend § 133
BGB am objektiven Empfängerhorizont der potentiellen Bewerber ermittelt werden (BayVGH, B. v. 15.09.2016, Az. 6
ZB 15.2114 mit Verweis auf
BVerwG, B. v. 20.06.2013, Az. 2
VR 1/13). Nachdem die Ausschreibung des Beklagten an Absolventen der Zweiten Juristischen Prüfung gerichtet war, ist nach Auffassung der Kammer nicht von einem erhöhten Erläuterungsbedarf auszugehen: Jedem Absolventen dieser Prüfung ist demnach zumutbar, unter Zugrundelegung der üblichen Auslegungsmethoden zu ermitteln, inwieweit eine Beschränkung erfolgt ist.
Unter einer "befriedigenden" Prüfungsleistung in der Zweiten Juristischen Prüfung ist nach § 4
Abs. 2 Satz 1 JAPO, § 2
Abs. 2 Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung, zuletzt geändert durch
Art. 209
Abs. 4, G v. 19.4.2006 I 866, eine ohne Auf- und Abrundung auf zwei Dezimalstellen ermittelte Gesamtnote von 6,50 bis 8,99 Punkten zu verstehen. Nach einer Auslegung des Wortlauts kann mit dem "oberen Bereich" danach nur ein Punktebereich zu verstehen sein, der sich in einem Bereich von 7,75 bis 8,99 Punkten befindet.
Aus der Aufzählung der verschiedenen Anforderungen ergibt sich unmittelbar, dass Abweichungen von den geforderten Noten allenfalls hinsichtlich des Prädikats in der Ersten Juristischen Prüfung möglich sein können, weil die Kombination mit einer Mindestanforderung in einem nochmals eingeschränkten Punktebereich ansonsten ins Leere liefe.
Durch die Kombination wurde auch keine Missverständlichkeit bewirkt, weil sich nach Auffassung der Kammer für jeden Absolventen der Zweiten Juristischen Prüfung ergeben muss, dass mit einer Examensnote von 4,50 Punkten die geforderten Anforderungen keinesfalls erreicht werden.
3. Eine Einschränkung des Bewerberkreises ist nicht unzulässig, der Beklagte durfte eine bestimmte Examensnote voraussetzen. Ein Anforderungsprofil muss jedenfalls diskriminierungsfrei und der zu besetzenden Stelle angemessen sein und eine an dem Prinzip der Bestenauslese entsprechende Auswahl- und Besetzungsentscheidung gewährleisten; bei einem rechtmäßigen Anforderungsprofil werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber an den aufgestellten Kriterien gemessen, um dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gerecht zu werden (
vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011, Az. 5 C 16/10, Rn. 21, juris).
a. Die Vorgabe einer Mindestnote in den Staatsexamina ist gemessen am Leistungsgrundsatz des
Art. 33
Abs. 2
GG zulässig, weil die Prüfungsnote als ausschließlich sachliches Kriterium geeignet ist, die fachliche Eignung zu beurteilen. Insbesondere beim Fehlen vorheriger praktisch erbrachter fachlicher Leistungen bietet diese Note eine diskriminierungsfreie fachliche Eignungsvoraussetzung. Auch wenn mit dem Bestehen der Zweiten Juristischen Prüfung als Abschluss- und Qualifikationsprüfung (§ 57
Abs. 1 JAPO) die Befähigung zum Richteramt erworben wird (§ 5
Abs. 1 DRiG), kann der Dienstherr ein Anforderungsprofil festlegen, welches nicht alle Volljuristen, sondern nur solche ab einer bestimmten Examensnote erfasst (
vgl. BVerwG, U. v. 3.3.2011, Az. 5 C 16/10, Rn. 21, juris, das erkennbar von der Möglichkeit der Festlegung von Mindestpunktzahlen oder erforderlichen Examensnoten ausgeht). Die Vorgabe eines Prädikatsexamens wird auch in der Rechtsprechung zum Arbeitsrecht für zulässig erachtet (
vgl. Hessisches
LAG, U. v. 29.04.2015, Az. 12 Sa 929/13, Rn. 29, juris;
LAG Köln, U. v. 23.01.2013, Az. 3 Sa 686/12, Rn. 45, juris; wohl auch
BAG, U. v. 13.10.2011, Az. 8 AZR 608/10, Rn. 28, juris; U. v. 21.07.2009, Az. 9 AZR 431/08, Rn. 26, juris;
LAG Niedersachsen, U. v. 3.04.2014, Az.
5 Sa 1272/13, Rn. 33 f., juris).
b. Bei der Beurteilung der fachlichen Leistung ist eine Berücksichtigung weiterer Faktoren, insbesondere von positiven Arbeits- und Stationszeugnissen, nicht geboten. Nach Auffassung der Kammer spricht demgegenüber sogar vieles für eine Unvereinbarkeit einer solchen Berücksichtigung mit dem Wettbewerbscharakter der Juristischen Prüfungen (
vgl. Art. 94
Abs. 2 Satz 1 BV, §§ 16
Abs. 1 Satz 2, 57
Abs. 2 JAPO). Gerade unter Berücksichtigung erheblicher Notenschwankungen im Bereich der Bewertung praktischer Stationsleistungen im juristischen Vorbereitungsdienst ist auch keine Vergleichbarkeit der erbrachten fachlichen Leistungen gegeben, da dieser Beurteilung bereits regelmäßig kein Leistungswettbewerb zugrunde liegt.
II. Die Klägerin erfüllt die vom Beklagten aufgestellten Voraussetzungen offensichtlich nicht, weil ihr Examensergebnis offensichtlich und weit die im Anforderungsprofil genannte Grenze unterschritt.
Die Klägerin verfehlte die erforderliche fachliche Mindestanforderung, hier jedenfalls das Ergebnis in der Zweiten Juristischen Prüfung (im oberen Bereich befriedigend) offensichtlich, nachdem ihr Ergebnis von 4,50 Punkten den oberen Bereich der Note "befriedigend" um mehr als 3 Punkte unterschreitet.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161
Abs. 1, 154
Abs. 1
VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a
Abs. 1
VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.