I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. August 2016 - 56 Ca 17220/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten darum, ob die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für F.,
S., F. und J., verpflichtet ist, der Klägerin eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen ihrer Schwerbehinderung, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft zu zahlen.
Die Klägerin ist am .....1964 geboren. Der Grad ihrer Behinderung beträgt 80. Sie verfügt über eine Ausbildung als "Facharbeiter für Schreibtechnik". Sie schloss diesen zweijährigen Ausbildungsgang im Juli 1983 in Leipzig ab.
Die Beklagte schrieb auf ihrer Internetseite eine Stelle als Bürosachbearbeiterin/Bürosachbearbeiter für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus. In der Ausschreibung heißt es auszugsweise:
"Sie verfügen über
• eine abgeschlossene Ausbildung als Fachangestellte/r für Bürokommunikation, Verwaltungsangestellte/r, Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation oder Angestelltenlehrgang,
..."
Die beschriebenen Ausbildungen erfordern eine dreijährige Ausbildung bis auf den Angestelltenlehrgang. Dieser dauert zwei Jahre. Er wird nur von denjenigen Personen absolviert, die bereits in der Verwaltung tätig sind und aufgrund ihrer bisherigen Leistungen von den Dienststellen vorgeschlagen und aufgrund eines Auswahlverfahrens hierfür ausgewählt werden.
Die Klägerin bewarb sich rechtzeitig auf die ausgeschriebene Stelle, verwies dabei auf ihre langjährige Berufstätigkeit mit umfassenden Erfahrungen im Bereich der Büroorganisation, erklärte anhand ihres Lebenslaufes, warum sie auch aufgrund ihrer Umschulung zur Kauffrau im Einzelhandel und ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin und Komplementärin eines (kleinen) Unternehmens, als Filialleiterin eines Copy-Shops und als stellvertretende Geschäftsführerin eines weiteren Unternehmens in der Lage sei, alle Anforderungen des Stellenanforderungsprofils zu erfüllen und belegte dies mit entsprechenden Zeugnissen und sonstigen Unterlagen. In dem Schreiben wies die Klägerin auf ihre Schwerbehinderung, im Lebenslauf auf ihr Alter und in den Unterlagen auf den Ausbildungslehrgang "Facharbeiter für Schreibtechnik" hin.
Die Beklagte unterrichtete vor der Ausschreibung nicht die Bundesagentur für Arbeit von der Vakanz der Stelle gemäß
§ 83 Satz 1 SGB IX, lud die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und informierte weder den bei ihr bestehenden Personalrat noch die bei ihr bestehende Schwerbehindertenvertretung von der Bewerbung der Klägerin, sondern sagte ihr am 12.10.2015 mit der Begründung ab, dass sich das Auswahlgremium für andere Bewerberinnen und Bewerber entschieden hätte.
Die Klägerin hat mir ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 11.12.2015 eingegangenen Klage eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern der entsprechenden Vergütung der ausgeschriebenen Stelle (unstreitig insgesamt 7.210,38
EUR) für gerechtfertigt gehalten, da die Beklagte die Klägerin wegen ihrer Behinderung, ihres Alters und ihrer Herkunft aus den neuen Bundesländern diskriminiert habe. Der Ausbildungsgang "Facharbeiter für Schreibtechnik" sei dem Ausbildungsgang "Fachangestellte/r für Bürokommunikation"
bzw. "Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation" vergleichbar, was auch von der Bundesagentur für Arbeit so eingeschätzt werde. Diese verweist in ihrer Tätigkeitsbeschreibung von Facharbeitern/Facharbeiterinnen für Schreibtechnik darauf, dass vergleichbare Berufe der Bundesrepublik Deutschland etwa die Kauffrau
bzw. der Kaufmann für Bürokommunikation
bzw. die Fachangestellte und der Fachangestellte für Bürokommunikation sei (
vgl. die Anlage 6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.04.2016, Bl. 62 d. A.).
Die Beklagte bestreitet eine Diskriminierung der Klägerin. Diese habe keinen der in der Stellenausschreibung geforderten Abschlüsse vorweisen können. Der Ausbildungsgang "Facharbeiter für Schreibtechnik" sei nicht vergleichbar mit den geforderten Abschlüssen. Sie habe von den über 400 Bewerberinnen und Bewerber nur diejenigen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, die über die geforderten Abschlüsse und die sonstigen geforderten Qualifikationen verfügten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach
§ 15 Abs. 2 AGG habe. Die fehlende Einladung der Klägerin zu dem Bewerbungsgespräch entgegen
§ 82 Satz 2 SGB IX begründe entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Vermutung, dass sie wegen ihrer Behinderung diskriminiert worden sei, da die Einladung nach § 82 Satz 3
SGB IX wegen der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung der Klägerin nach dem Anforderungsprofil nicht erforderlich gewesen sei. Für die Frage, ob dem Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehle, sei im öffentlichen Dienst auf die veröffentlichte Stellenbeschreibung abzustellen, denn mit dem veröffentlichten Anforderungsprofil bestimme der öffentliche Arbeitgeber den Umfang seiner verfahrensrechtlichen Verpflichtungen nach § 82 Satz 2 und 3
SGB IX. Für die Dauer des Auswahlverfahrens bleibe der Arbeitgeber an das in der veröffentlichten Stellenbeschreibung bekanntgegebene Anforderungsprofil gebunden.
Vorliegend habe die Beklagte als Anforderung eine abgeschlossene Ausbildung als Fachangestellte/r für Bürokommunikation, Verwaltungsfachangestellte/r, Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation oder Angestelltenlehrgang als Qualifikation in der Stellenbeschreibung gefordert und damit eine Ausbildung gefordert, über die die Klägerin unstreitig nicht verfügte. Ungeachtet dessen, ob die Klägerin aufgrund ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit für die Stelle ansonsten geeignet wäre, erfülle sie damit nicht das Anforderungsprofil, an das die Beklagte nach dem Vorgenannten gebunden gewesen sei. Die Beklagte habe auch nicht etwa, wie ansonsten häufig in Stellenausschreibungen des öffentlichen Dienstes, eine vergleichbare Ausbildung ausreichen lassen, sondern das Anforderungsprofil abschließend in der Stellenausschreibung benannt.
Sei der öffentliche Arbeitgeber an das Anforderungsprofil der veröffentlichten Stellenbeschreibung gebunden, so könne dahinstehen, ob die Festlegung des Anforderungsprofils für die Anforderung der zu besetzenden Stelle erforderlich und sachlich nachvollziehbar sei, denn der Schwerbehinderte müsse auch dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, solange die in dem Stellenprofil bestimmte fachliche Eignungsvoraussetzung ihrerseits diskriminierungsfrei festgelegt worden sei. Dass das Anforderungsprofil Schwerbehinderte diskriminiere, sei weder ersichtlich noch werde es von der Klägerin behauptet.
Auch diskriminiere das Anforderungsprofil die Klägerin weder aufgrund ihres Alters noch aufgrund ihrer Herkunft, wobei bereits streitig sei, ob die Herkunft aus den ostdeutschen Ländern geeignet sei, eine Diskriminierung wegen der Herkunft zu begründen. Die Unterscheidung knüpfe an die erlangte Ausbildung und nicht an das Alter oder die Herkunft an. Auch sei die Klägerin weder wegen ihres Alters noch wegen ihrer Herkunft gehindert, über eine der Stellenausschreibung entsprechende Ausbildung zu verfügen.
Schließlich unterschieden sich die Ausbildungen und damit auch die erlangten Qualifikationen bereits aufgrund ihrer unterschiedlichen Länge. Die Ausbildungsdauer der Fachkraft für Schreibtechnik betrage lediglich zwei Jahre, während die von der Beklagten geforderten Ausbildungen drei Jahre benötigten.
Dahingestellt bleiben könne, ob die von der Klägerin behauptete fehlende Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats und die fehlende Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit erfolgt sei. Zwar sei die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit entsprechend
§ 22 AGG geeignet, eine Vermutung der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung zu begründen. Jedoch sei eine derartige Vermutung dadurch widerlegt, dass die Beklagte sich nach Vorgenanntem mit dem Stellenprofil selbst gebunden hätte.
Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.08.2016 (Bl. 111 bis 120 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 20.10.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.11.2016 im Original eingegangene und am 17.01.2017 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.01.2017 per Fax begründete Berufung der Klägerin.
Sie meint in ihrer Berufungsbegründung und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2017, dass das Arbeitsgericht die in der Rechtsprechung des
BAG (insbesondere in den Entscheidungen vom 12.09.2006 -
9 AZR 807/05 - und 11.08.2016 -
8 AZR 375/15 -) entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung der Stellenausschreibung eines öffentlichen Arbeitgebers verkannt habe. Danach verbiete es sich, dass Inhaber von gleichwertigen oder höherwertigen Abschlüssen allein aus formalen Gründen ohne Überprüfung der tatsächlichen Qualifikation von vornherein aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen würden. Die von der Klägerin absolvierte Ausbildung als "Facharbeiter für Schreibtechnik" sei nicht nur gleichwertig, wie die zuständige Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 17.01.2017 über die Feststellung der Gleichwertigkeit einer Prüfung gemäß
Art. 37 des Einigungsvertrages bezüglich der Abschlussprüfung als Kauffrau für Bürokommunikation festgestellt habe (
vgl. dazu den Bescheid in Kopie Bl. 162 d. A.), die Klägerin habe auch sonst alle Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllt, wovon auch das Arbeitsgericht ausgegangen sei. Es verbliebe daher bei der Vermutung der Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung der Klägerin aufgrund der unstreitigen Verletzung der
§§ 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 1 (Einschaltung der Agentur für Arbeit); § 81
Abs. 1 Satz 4 (Unterrichtung von Schwerbehindertenvertretung und Personalrat) und
§ 82 Satz 2 SGB IX (Einladung zu einem Vorstellungsgespräch). Da die Klägerin wegen der in Leipzig 1983 erworbenen Qualifikation nicht berücksichtigt worden sei, werde sie auch mittelbar wegen ihres Alters und ihrer Herkunft diskriminiert.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.08.2016 - 56 Ca 17220/15 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wegen Diskriminierung, mindestens jedoch in Höhe von 600,01
EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht Berlin habe zutreffend festgestellt, dass die Beklagte an ihr einmal aufgestelltes und vorliegend diskriminierungsfrei formuliertes Anforderungsprofil gebunden war und die Klägerin allein deshalb - da sie dieses bereits nicht erfüllte - mangels fachlicher Eignung ausschied. Die Facharbeiterin für Schreibtechnik und die Fachangestellte
bzw. Kauffrau für Bürokommunikation seien nach der von der Klägerin vorgelegten Bewertung der Bundesagentur für Arbeit auch nicht gleichwertig, sondern nur vergleichbar. Diese Vergleichbarkeit beziehe sich auf die Berufsbilder, nicht auf die Ausbildung. Dass die Ausbildungen sich in zeitlicher und in inhaltlicher Hinsicht unterschieden, wüsste die Beklagte auch aus eigner Erfahrung, da sie auch Facharbeiterinnen für Schreibtechnik beschäftige, deren Ausbildung sie allerdings für den hier in Rede stehenden Posten nicht für ausreichend
bzw. nicht für passend halte.
Selbst wenn man annehme, dass die Klägerin durch den in der zweiten Instanz eingereichten Bescheid vom 17.01.2017 das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung erfüllte, könne dies eine Diskriminierung nachträglich nicht begründen, da dieser Bescheid zum Zeitpunkt der Bewerbung nicht vorgelegen habe.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 17.01.2017 (Bl. 154
ff. d. A.) und der Beklagten vom 22.02.2017 (Bl. 167
ff. d. A.) sowie vom 02.03.2017 (Bl. 183
ff. d. A.) verwiesen.
I. Die gemäß §§ 8
Abs. 2; 64
Abs. 1,
Abs. 2 b,
Abs. 6; 66
Abs. 1 Satz 1 und Satz 5
ArbGG; §§ 519; 520
Abs. 1 und
Abs. 3
ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.
II. In der Sache ist die Berufung der Klägerin jedoch nicht begründet. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dem Arbeitsgericht Berlin, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69
Abs. 2
ArbGG ab und weist nur wegen des Vortrags in der Berufungsbegründung und der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2017 auf Folgendes unter Bezugnahme auf die auch von der Klägerin zitierte Entscheidung des
BAG vom 11.08.2016 - 8 AZR 375/15 - zitiert nach juris = NZA 2017, 43
ff. hin:
1. Der persönliche Anwendungsbereich des
AGG ist zwar eröffnet. Die Klägerin ist als Bewerberin für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigte im Sinne des
AGG im Sinne von
§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG, die Beklagte ist Arbeitgeberin im Sinne von § 6
Abs. 2 Satz 1
AGG. Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt gemäß § 15
Abs. 4
AGG und § 61 b
Abs. 1
ArbGG.
2. Die Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, der Klägerin eine Entschädigung nach
§ 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit
§ 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit
§ 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie
§ 82 Satz 2 SGB IX zu zahlen. Denn die Klägerin ist nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt worden.
a) Das Benachteiligungsverbot des § 7
Abs. 1
AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung "wegen" eines in
§ 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1
AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund im Sinne von § 1
AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder "Triebfeder" des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund im Sinne von § 1
AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt. Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (
vgl. BAG 11.08.2016
a. a. O., Rz. 22 m. w. N.).
b) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierung sieht
§ 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22
AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Die Verletzung der in
§ 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (
vgl. BAG, 11.08.2016,
a. a. O. m. w. N. aus der Rechtsprechung in Rz. 25).
c) Nach diesen Grundsätzen wurde die Klägerin im Auswahlverfahren nicht wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt. Die Beklagte musste die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen, die (weiteren) Indizien der Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung sind wegen der Auswahl nach dem Anforderungsprofil widerlegt.
aa) Die Beklagte war davon befreit, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dabei ist davon auszugehen, dass zur fachlichen Bewertung der Bewerberin auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen ist.
Zur Beurteilung der fachlichen Eignung des/der Bewerbers/Bewerberin ist auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen. Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner - der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3
SGB IX. Bei der Erstellung des Anforderungsprofils ist der öffentliche Arbeitgeber an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden. Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen (
vgl. nur
BAG 11.08.2016,
a. a. O., Rz. 35 m. w. N. aus der Rechtsprechung).
"Offensichtlich" fachlich nicht geeignet ist, wer "unzweifelhaft" insoweit nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können. Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 82 Satz 2
SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen. Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln. Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (
vgl. nur
BAG 11.08.2016,
a. a. O.; Rz. 36 und 37 m. w. N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen musste die Beklagte die Klägerin nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Denn die Klägerin erfüllte mit ihrer Qualifikation "Facharbeiter für Schreibtechnik" nicht die durch das Anforderungsprofil zulässig aufgestellten fachlichen Kriterien. Die Klägerin hatte nach ihren Bewerbungsunterlagen keinen Abschluss als Kauffrau oder Fachangestellte für Bürokommunikation oder die anderen in der Ausschreibung genannten Ausbildungsgänge. Zu diesem Zeitpunkt war der Abschluss als "Facharbeiter für Schreibtechnik" auch nicht vergleichbar mit dem Abschluss als Fachangestellte für Bürokommunikation oder Kauffrau für Bürokommunikation. Die von der Bundesagentur für Arbeit insoweit herausgegebenen Erklärungen beziehen sich auf die Berufsbilder in der Bundesrepublik Deutschland, die sich für jemanden ergeben, der eine Ausbildung als "Facharbeiter für Schreibtechnik" in der DDR erworben hat. Die Bundesagentur weist in der von der Klägerin selbst eingereichten Anlage 6 zum Schriftsatz vom 29.04.2016, Bl. 82 d. A., darauf hin, dass diese Zuordnung auch auf berufskundlichen Untersuchungen beruhten und dass rechtliche Konsequenzen "hinsichtlich der Gleichstellung des Ausgangsberufs mit den hier genannten Berufen der Bundesrepublik Deutschland sich nicht daraus ableiten lassen."
Hätte die Klägerin bereits in ihrer Bewerbung über den Bescheid vom 17.01.2017 verfügt und diesen bei der Bewerbung auch eingereicht, wäre nach der Auffassung der Kammer trotz der unterschiedlichen Ausbildungslängen von zwei
bzw. drei Jahren und der unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Ausbildungsgänge die Beklagte an die rechtliche Gleichstellung nach
Art. 37
Abs. 1 Satz 2 Einigungsvertrag gebunden gewesen und hätte daher die Klägerin zu einem Gespräch einladen müssen. Da zum damaligen Zeitpunkt ein derartiger Bescheid noch gar nicht vorlag, konnte die Beklagte jedoch auch nicht von der Gleichwertigkeit ausgehen.
cc) Wegen der Herausnahme der Bewerberinnen und Bewerber, die nicht dem Anforderungsprofil entsprachen, ist auch das Indiz der Benachteiligung der Klägerin durch die Nichtinformation von Schwerbehindertenvertretung und Personalrat als auch die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit widerlegt.
d) Endlich entfällt deswegen auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters oder der ethnischen Herkunft, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob das Tatbestandsmerkmal der ethnischen Herkunft nach § 1
AGG sich auch auf eine Person beziehen kann, die in den neuen Bundesländern ihren Abschluss gemacht hat (
vgl. dazu nur Arbeitsgericht Stuttgart 15.04.2010 - 17 Ca 8907/09 - NZA-RR 2010, 344 f.). Wie das Arbeitsgericht Berlin auch insoweit zutreffend ausgeführt hat, hätte die Klägerin über die entsprechenden dem Anforderungsprofil adäquaten Ausbildungsgänge trotz ihres Alters und ihrer Herkunft verfügen können, was sich schon alleine daraus ergibt, dass die Klägerin sich zur Kauffrau für den Einzelhandel umschulen ließ.
III. Die Berufung der Klägerin war daher gemäß § 97
Abs. 1
ZPO auf ihre Kosten bei einem Streitwert von 7.210,38
EUR zurückzuweisen.
IV. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Die Kammer hat die Rechtsgrundsätze der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung auf den Einzelfall angewendet.