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Urteil
Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Einstellung in ein Beamtenverhältnis

Gericht:

VG Mainz 4. Kammer


Aktenzeichen:

4 K 1036/20


Urteil vom:

28.01.2022


Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 2.417,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (18. August 2020) zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes Rheinland-Pfalz

Tatbestand:

Die 1984 geborene Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 vorliegt, begehrt mit ihrer Klage eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Zum 1. November 2020 schrieb die Beklagte mehrere Stellen für Bürosachbearbeiter/Bürosachbearbeiterinnen aus. Gemäß der Stellenbeschreibung bot die Beklagte die Einstellung in ein Beamtenverhältnis des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes bei Vorliegen aller Voraussetzungen an. Als Bildungsvoraussetzungen wurden ein Realschulabschluss oder alternativ ein Hauptabschluss in Verbindung mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung genannt. Unter "Sonstige Voraussetzungen" heißt es wie folgt:

"Laufbahnbefähigung für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst oder Abschluss einer Berufsausbildung als Verwaltungsfachangestellte/-r (Bund) oder alternativ Abschluss einer für die Laufbahn förderlichen Berufsausbildung als

- Verwaltungsfachangestellte/-r (Kommune und Land)
- Rechtsanwalts- und/oder Notarfachangestellte/-r
- Steuerfachangestellte/-r
- Justizfachangestellte/-r
- Fachangestellte/-r für Arbeitsmarktdienstleistungen (bis 2012: Fachanstellte/-r für Arbeitsförderung)
- Sozialversicherungsfachangestellte/-r
- Kauffrau/Kaufmann (alle Fachrichtungen, mindestens dreijährige Ausbildung)

und den Nachweis einer in Art und Wertigkeit des mittleren nichttechnischen Dienstes vergleichbaren hauptberuflichen Tätigkeit von mindestens einem Jahr und sechs Monaten Dauer."

Auf diese Ausschreibung hin bewarb sich die Klägerin, die über die Fachhochschulreife im Fachbereich Wirtschaft und Verwaltung sowie über eine dreijährige Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie verfügt, bei der Beklagten. In ihrem beigefügten Lebenslauf wies sie auf ihre Schwerbehinderung hin. Unter Berufserfahrung führte sie Folgendes aus:

"08/2002-06/2005

Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie (anerkannte kaufmännische Ausbildung), XXX, X

12/2007-08/2012

Service Professional für Gepäckermittlung, XXX, X

09/2012-03/2013

Organisationskraft für den Forschungsschwerpunkt Transnationale (gemeint ist "translationale", Anm. des Gerichts) Neurowissenschaften, Universitätsmedizin der XXX

07/2013-09/2015

Professional Office, XXX,X

09/2015 - bis heute

Service Professional für Gepäckermittlung, XXX,X"

Mit Schreiben vom 18. März 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Bewerbung im laufenden Auswahlverfahren nicht weiter berücksichtigt werden könne, da sie die erforderliche berufliche Qualifikation nicht nachweisen könne. Die
Bewerbung werde daher abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin an die Beklagte und rügte, der schwerbehinderten Klägerin sei ohne die gemäß § 165 Satz 3 SBG IX vorgeschriebene Einladung zum Vorstellungsgespräch mitgeteilt worden, dass ihre Bewerbung nicht weiter berücksichtigt werde. Im Hinblick darauf wurde die Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 AGG in angemessener Höhe, mindestens jedoch in Höhe von 6.778,32 EUR geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 wies die Beklagte den geltend gemachten Anspruch zurück. Sie führte aus, dass eine Verpflichtung nach § 165 Satz 3 SGB IX nicht vorliege. Denn eine förderliche Berufsausbildung im Sinne der Ausschreibung liege bei dem Ausbildungsberuf der Fachfrau für Systemgastronomie nicht vor. Es handele sich dabei auch nicht um einen kaufmännischen Beruf. Ausweislich der Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe vom 13. Februar 1998 könne im Ausbildungsrahmenplan kein relevanter Anteil erkannt werden, der eine kaufmännische Ausrichtung des Berufes unterstützen könne. Die laufende Nummer 10 (Büroorganisation und -kommunikation) sei ein Aufgabengebiet, das alle Ausbildungen mit einem Büroanteil betreffe (also auch kaufmännische) und dessen Ausprägung - zehn Wochen innerhalb der dreijährigen Ausbildung - für die Anerkennung einer Förderlichkeit bei Weitem nicht ausreichen könne. Die kaufmännische Ausbildung innerhalb der Berufsgruppe der Berufe im Gastgewerbe sei die Hotelkauffrau.

Die Klägerin hat daraufhin am 18. August 2020 Klage beim Arbeitsgericht Köln erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit im Hinblick darauf, dass eine vorbeamtenrechtliche Streitigkeit vorliege, an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen, das den Rechtsstreit wiederum an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Mainz verwiesen hat.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin Folgendes vor: Sie habe einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG wegen einer nichtgerechtfertigten Benachteiligung aufgrund einer Behinderung. Die Beklagte habe sie wegen ihrer Behinderung unmittelbar im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Diese unmittelbare Benachteiligung sei auch nicht gerechtfertigt gewesen. Ihre Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie stelle eine kaufmännische Ausbildung dar, wie der Ausbildungsberater der IHK X auf ihre entsprechende Anfrage mit E-Mail vom 15. Juli 2020 bestätigt habe.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt Folgendes vor: Für sie habe keine Verpflichtung bestanden, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da ihr offensichtlich die fachliche Eignung gefehlt habe. Der Ausbildungsberuf der Fachfrau für Systemgastronomie könne nicht unter die Gruppe der kaufmännischen Berufe subsumiert werden. Eine förderliche Berufsausbildung als Einstellungsvoraussetzung liege unter anderem bei einer dreijährigen Ausbildung mit Abschluss als Kauffrau/Kaufmann aller Fachrichtungen vor. Eine abgeschlossene Berufsausbildung mit kaufmännischen Anteilen genüge daher nicht. Alle Berufe im Gastgewerbe enthielten kaufmännische Anteile. Dieser Begriff sei daher kein Indikator für Breite und Tiefe von ausgeübten Tätigkeiten oder vermittelten Ausbildungsinhalten. Darum sei das Qualifikationserfordernis auch eine Berufsausbildung mit Abschluss als Kauffrau oder Kaufmann. Die Klägerin habe jedoch eine Ausbildung als Fachfrau für Systemgastronomie abgeschlossen. Diese Ausbildung werde in der Aufstellung der Bundesagentur für Arbeit zu den Berufsabschlüssen Kaufmann/Kauffrau nicht aufgeführt. Nicht nur die Bewerbung der Klägerin, sondern auch entsprechende Bewerbungen von Systemgastronomie-/Restaurant-/ und Hotelfachleuten seien ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch abgelehnt worden. Was den Ausbildungsrahmenplan für die Ausbildung im Gastgewerbe betreffe, so sei die
Berufsausbildung Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie 1998 neu eingeführt worden. Dabei habe man sich dagegen entschieden, eine Ausbildung Kaufmann/Kauffrau für Systemgastronomie einzuführen. Stattdessen sei die Ausbildung Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie eingeführt worden. Die von der Klägerin angeführten "kaufmännischen" Ausbildungsinhalte würden als Standardberufsbildpositionen in allen Berufen des Gastgewerbes vermittelt. Diese stellten grundlegende Ausbildungsinhalte dar, die jedoch nicht die Ausbildung Kaufmann/Kauffrau charakterisierten. In der Ausbildung
Hotelkaufmann/Hotelkauffrau würden im Rahmen der besonderen beruflichen Fachbildung 100 Stunden im Lernfeld "kaufmännische Steuerung und Kontrolle" unterrichtet. Der Schwerpunkt der beruflichen Fachbildung für den Beruf Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie liege mit 120 Unterrichtsstunden jedoch im Lernfeld "Systemorganisation". Eine Vergleichbarkeit mit dem
Berufsabschluss Hotelkaufmann/Hotelkauffrau liege daher nicht vor. Da die Klägerin nicht über eine förderliche Berufsausbildung verfüge, die beruflichen Qualifikationserfordernisse jedoch kumulativ vorliegen müssten, sei eine zwingende Einstellungsvoraussetzung offensichtlich nicht gegeben. Eine Prüfung der Vergleichbarkeit ihrer ausgeübten hauptberuflichen Tätigkeiten nach Art und Wertigkeit mit der des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes sei daher laufbahnrechtlich nicht mehr maßgeblich.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Leistungsklage zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin vor Erhebung der Klage kein Vorverfahren durchgeführt hat. Zwar ist gem. § 126 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz vor allen Klagen aus dem Beamtenverhältnis - dazu gehört auch die vorliegende Streitigkeit vorbeamtenrechtlicher Art - ein Vorverfahren durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein solches jedoch dann entbehrlich, wenn sich die Beklagte - wie hier - rügelos auf die Klage sachlich eingelassen hat und die sich einlassende Behörde auch für den Erlass des Widerspruchsbescheides zuständig wäre (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23/12 -, juris). Auch Letzteres ist hier der Fall, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2021 auf entsprechende Anfrage des Gerichts mitgeteilt hat.

Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG hat.

Zunächst ist festzustellen, dass die Beteiligten dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unterfallen. Als Bewerberin für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis im Verwaltungsdienst der Beklagten gilt die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG als Beschäftigte im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als möglicher (künftiger) Dienstherr ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG).

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG eine Benachteiligung verboten ist, gehört die Behinderung der Klägerin. Sie wurde hier dadurch benachteiligt, dass sie unter Verletzung des § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Die Nichterfüllung der aus § 165 Satz 3 SGB IX folgenden Verpflichtung stellt eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16.10 -, juris). Die Beklagte kann sich auch nicht auf § 165 Satz 4 SGB IX berufen. Danach ist eine Einladung zum Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Dies ist hier nicht der Fall.

Mit dem Begriff "offensichtlich fehlt" hat der Gesetzgeber hohe Anforderungen aufgestellt (vgl. Brose, BeckOK Sozialrecht, Stand 1. Juli 2021, Rn. 10 zu § 165 SGB IX). Das Fehlen der fachlichen Eignung muss aufgrund der eingereichten Bewerbungsunterlagen evident sein, es muss unzweifelhaft sein, dass der Bewerber nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (vgl.
BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, juris). Die Feststellung der offensichtlichen Nichteignung setzt einen Vergleich von Anforderungsprofil und Leistungsprofil des Bewerbers voraus. Die Beklagte geht davon aus, dass die fachliche Eignung der Klägerin deshalb offensichtlich fehlt, weil ihre Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie keine für die Laufbahn förderliche Berufsausbildung darstelle. Die Berufsausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie sei keine Berufsausbildung als Kauffrau/Kaufmann. Es ist zwar zutreffend, dass die Berufsbezeichnung der Klägerin nicht auf Kauffrau lautet. Vor dem Hintergrund des gesetzlichen Offensichtlichkeitserfordernisses im Hinblick auf die fachliche Nichteignung kann es aber nicht auf diesen formalen Aspekt ankommen. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung der Klägerin als kaufmännische Ausbildung - so die Angabe der Klägerin in ihrem Lebenslauf - angesehen werden kann. Vorliegend hat sowohl die IHK X (vgl. E-Mail vom 22. Juli 2020, Blatt 13 Rs. der Gerichtsakte) wie auch die IHK X (auf telefonische Anfrage des Gerichts) die Ausbildung "Fachfrau für Systemgastronomie" als kaufmännische Ausbildung bewertet. Schon allein vor diesem Hintergrund kann der Klägerin die fachliche Eignung nicht offensichtlich abgesprochen werden, auch wenn im BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit bei einer Recherche mit dem Schlagwort "Kaufmann" der Fachmann für Systemgastronomie nicht genannt wird. Hinzu kommt, dass in einem anderen Ausbildungsportal (AUBI-plus.de) unter "Kaufmännische Berufe in Hotel und Gastronomie" als weiterer Ausbildungsberuf in diesem Bereich der Fachmann für Systemgastronomie genannt wird. Auch die Anbieter der Ausbildung "Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie" bezeichnen die Ausbildung als kaufmännische Ausbildung. So wirbt XXX mit der Frage "Du suchst eine kaufmännische Ausbildung ohne langweiligen Bürojob?". Ein weiterer Ausbildungsanbieter auf diesem Gebiet - XXX - bietet die Ausbildung Fachfrau/Fachmann für Systemgastronomie ebenfalls als kaufmännische Ausbildung an. Auch XXX teilt auf seiner Website unter Ausbildungsstellen mit, dass die Ausbildung zum Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie eine kaufmännische Ausbildung sei. Letztlich ist auch unstreitig, dass die Ausbildung Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie gemäß der Verordnung über die Berufsausbildung im Gastgewerbe vom 13. Februar 1998 kaufmännische Inhalte aufweist (vgl. insbesondere Marketing, Umgang mit Gästen, Beratung und Verkauf, Personalwesen, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Leistungserstellung, lfd.Nrn. 2 bis 5 in Teil VI des Ausbildungsrahmenplans für die Berufsausbildung im Gastgewerbe, Anlage zu § 9). Nach alledem kann es nicht von der Hand gewiesen werden, dass es sich bei der Ausbildung der Klägerin - wie in ihrem Lebenslauf ausgewiesen - um eine kaufmännische Ausbildung handelt mit der Folge, dass ihr die fachliche Eignung jedenfalls nicht offensichtlich fehlt.

Die offensichtliche fachliche Ungeeignetheit ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Einstellungsvoraussetzung "Nachweis einer in Art und Wertigkeit des mittleren nichttechnischen Dienstes vergleichbaren hauptberuflichen Tätigkeit von mindestens einem Jahr und sechs Monaten Dauer". Insoweit kann die Klägerin auf die in ihrem Lebenslauf angegebene Tätigkeit als Professional Office bei der XXX von Juli 2013 bis September 2015 verweisen (vgl. insoweit auch die Tätigkeitsbeschreibung Professional Office, aus der im Übrigen unter "Anforderungen" hervorgeht, dass eine berufliche Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation, Bürokaufmann erforderlich ist, Bl. 103 ff. der Gerichtsakte). Die Beklagte scheint auch selbst nicht mehr davon auszugehen, dass hinsichtlich
der geforderten hauptberuflichen Tätigkeit eine offensichtliche fachliche Ungeeignetheit vorliegt. Sie hatte ursprünglich lediglich auf die Tätigkeit als Service Professional für Gepäckermittlung abgestellt. Sollte die Klägerin entsprechende Nachweise hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Professional Office bei ihrer Bewerbung noch nicht beigefügt haben, führt dies jedenfalls ebenfalls nicht zur offensichtlichen fachlichen Ungeeignetheit, da diese Nachweise immer noch nachgereicht werden können (vgl. auch Greiner, in Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, § 165 Rn.12).

Nach alledem hätte die schwerbehinderte Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen.

In dem Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Einladung zum Vorstellungsgespräch ist auch der für den Entschädigungsanspruch erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Schwerbehinderung der Klägerin und ihrer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren anzunehmen. Eine pflichtwidrig unterlassene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch hat nämlich eine Indizwirkung im Sinne des § 22 AGG (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 3. März 2011, a.a.O.). Die Beklagte hat die Kausalitätsvermutung nicht widerlegt. Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dabei können für den nach § 22 AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Letzteres folgt aus dem insoweit abschließenden Charakter des § 165 Satz 4 SGB IX (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2011, a.a.O.).

Dass die danach indizierte Benachteiligung der Klägerin auf Umständen beruht, die weder einen Bezug zu ihrer Schwerbehinderung aufweisen noch ihre fachliche Eignung berühren, hat die Beklagte nicht dargetan. Soweit sie vorträgt, dass sie nicht nur die Bewerbung der Klägerin, sondern auch entsprechende Bewerbungen von Systemgastronomie-/Restaurant-/ und Hotelfachleuten ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch abgelehnt habe, ist dies nicht geeignet, die Indizwirkung im Hinblick auf die Kausalität zu entkräften. Denn auch dieses Argument berührt letztlich wiederum die Frage der fachlichen Eignung, die aber - wie bereits ausgeführt - in § 165 Satz 4 SGB IX abschließend geregelt ist. Die Vermutung der Benachteiligung der Klägerin ist damit nicht widerlegt.

Auch das Fristerfordernis des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist eingehalten. Danach muss der Entschädigungsanspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung schriftlich geltend gemacht werden. Dies ist hier der Fall. Das Ablehnungsschreiben der Beklagten datiert vom 18. März 2020, der Entschädigungsanspruch wurde mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Mai 2020 geltend gemacht.

Was die Höhe der Entschädigung betrifft, ist diese nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG begrenzt. Nach dieser Vorschrift darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Einschränkung hier nicht gilt. Auch die Klägerin geht offensichtlich davon aus. Innerhalb des danach geltenden Rahmens von drei Bruttomonatsgehältern richtet sich die Festsetzung der angemessenen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls, wobei etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und Beweggrund ihres Handelns sowie der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung zu berücksichtigen sind (vgl. BAG, Urteil vom 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 -, juris). In "Regelfällen" einer Benachteiligung kann als Orientierungsgröße ein Monatsverdienst als "Regelentschädigung" herangezogen werden (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 27. Juni 2013 - 1 Bf 108/12 -, juris Rn. 54, m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sieht das Gericht als Entschädigung ein Bruttomonatsgehalt der zu besetzenden Stelle in der Stufe 1 als angemessen an. Es gibt hier keinen Anlass, von der "Regelentschädigung" abzuweichen. Es handelt sich - soweit für das Gericht ersichtlich - um einen erstmaligen Verstoß. Auch ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie offensichtlich der Auffassung war, dass gemäß dem Anforderungsprofil unbedingt eine Berufsausbildung zu einem Beruf mit der Berufsbezeichnung Kaufmann/Kauffrau erforderlich war. Da der monatliche Bruttoarbeitsverdienst im Zeitpunkt der Klageerhebung in der Besoldungsgruppe A6 2.417,74 EUR betrug, war dieser Betrag der Klägerin als Entschädigung zuzusprechen.

Die Verzinsung des Anspruchs von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an findet ihre Grundlage in §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in entsprechender Anwendung. Die Klage wurde am 18. August 2020 beim Arbeitsgericht Köln erhoben, wodurch Rechtshängigkeit eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/R9408


Informationsstand: 08.06.2022