Die nach § 54
Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässigen Leistungsklagen sind begründet.
Die Zahlungsansprüche ergeben sich aus den Bestimmungen des zwischen den Landesinnungsverbänden Nordrhein und Westfalen- Lippe für das Augenoptiker-Handwerk einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen andererseits gemäß § 127
Abs. 1
SGB V geschlossenen Vertrages vom 07.07.1994 (im Folgenden: Vertrag)
i.V.m. § 33
Abs. 1, 2 und 4
SGB V in der bis 31.12. 2003 geltenden Fassung. Voraussetzung der Zahlungsansprüche der Kläger sind Ansprüche der Versicherten auf Versorgung mit Sehhilfen (§ 1 des Vertrages), vertragsärztliche Verordnungen oder Berechtigungsscheine für jeden der Versicherten (§ 5
Abs. 1 des Vertrages), eine Leistung der Optiker, die den Verordnungen
bzw. Berechtigungsscheinen entsprechen (§ 5
Abs. 2 des Vertrages) und eine Rechnungslegung gemäß §§ 7, 8 des Vertrages. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beklagte hat die von den Klägern eingereichten Verordnungsunterlagen und Rechnungen geprüft und erklärt, dass in sämtlichen Fällen eine Mitgliedschaft der betroffenen Versicherten zu ihr bestanden hat und die Forderungen der Kläger der Höhe nach unstrittig sind. Es liegen für alle Versicherten vertragsärztliche Verordnungen oder Berechtigungsscheine vor, die den Anforderungen des § 33
Abs. 4
SGB V - sowohl in der bis 31.12.2003 als auch in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung (Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien) - genügen. Die Leistung der Klägerin (Lieferung der Sehhilfen) - entsprach den Verordnungen
bzw. Berechtigungsscheinen, und demgemäß erfolgte auch die Rechnungslegung.
Grundlage der Leistung der Kläger gegenüber den Versicherten und der daraus im tenorierten Umfang folgenden Leistungspflicht der Beklagten gegenüber den Versicherten
bzw. den Klägern sind die Ansprüche der betroffenen Versicherten auf Versorgung mit Sehhilfen nach Maßgabe des bis 31.12.2003 geltenden Rechts. Die Tatsache, dass die Sehhilfen erst im Januar 2004 von den Klägern an die Versicherten abgegeben worden sind, führt nicht zu einem Ausschluss der Versorgungsansprüche der Versicherten nach Maßgabe des § 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung. Durch Artikel 1
Nr. 20 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 - BGBl. I
S. 2190 - wurde der Leistungsanspruch bei der Versorgung mit Sehhilfen ab dem 01.01.2004 auf Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie auf schwer sehbeeinträchtigte Versicherte begrenzt.
Für die Beantwortung der Frage, ob vorliegend das bis 2003 oder das ab 2004 geltende Recht Anwendung findet, ist die Betrachtung der verschiedenen Leistungsbeziehungen hilfreich. Zu unterscheiden sind die Leistungsbeziehungen der Versicherten zur Krankenkasse, der Versicherten zu den Leistungserbringern und der Leistungserbringer zur Krankenkasse.
Grundsätzlich erhalten die Versicherten die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistung (§ 2
Abs. 2 Satz 1
SGB V). Da die Krankenkassen jedoch die Leistungen (ärztliche, zahnärztliche oder Kranken-Behandlung, Arznei-, Heil-, Hilfsmittel u.a. m. -
vgl. § 27
Abs. 1 Satz 2
SGB V) nicht selbst erbringen können, schalten sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtung Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Apotheker, Optiker u.a.m.) ein und schließen mit dies Goebelssen Verträge (§ 1
Abs. 2 Satz 2
i.V.m. dem Vierten Kapitel des
SGB V). Bestehen - wie bei Sehhilfen - Festbeträge oder vertraglich vereinbarte Preise, so erfüllt die Krankenkasse ihre (Sach-) Leistungspflicht gegenüber den Versicherten mit der Übernahme des Festpreises. Diesen rechnet sie für die Versicherten unmittelbar mit dem Augenoptiker nach Maßgabe der §§ 7, 8 des Vertrages ab; die Augenoptiker fordern von den Versicherten lediglich noch die gegebenenfalls über die Festpreise hinausgehenden Kosten für die Sehhilfen. Zwar waren die Ansprüche der Kläger gegenüber den betroffenen Versicherten und der Versicherten gegenüber der Beklagten erst mit der Abgabe der Sehhilfen - im Januar 2004 - fällig. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber den Versicherten und sukzessive den Klägern nach dem ab 01.01.2004 geltenden Recht bestimmt. Welches Leistungsrecht im vorliegenden Fall anzuwenden ist, richtet sich danach, zu welchem Zeitpunkt die betroffenen Versicherten durchsetzbare Einzelansprüche auf "Versorgung mit Sehhilfen" erworben haben. Dies war in allen hier streitbefangenen Fällen im Dezember 2003.
Allerdings ergeben sich aus den Vorschriften des Dritten Kapitels des
SGB V - hier: §§ 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 3, 33
SGB V - in der Regel noch keine konkreten Einzelansprüche. Dort wird den Versicherten lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht auf
z.B. "Versorgung mit Hilfsmitteln" in Aussicht gestellt. Positiv verdichtet sich das gesetzliche Rahmenrecht erst dann zum durchsetzbaren Einzelanspruch, wenn der - an Stelle der Krankenkasse kraft gesetzlichen Auftrags handelnde - Leistungserbringer festgelegt hat, welche Sach- oder Dienstleistungen zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit notwendig sind (ständige Rechtsprechung -
vgl. BSG Urteil vom 16.09.1997 - 1 RK 28/95 = BSGE 81, 54 = SozR 3 - 2500 § 35
Nr. 4 = NZS 1998, 331 = NJW 1999, 1805
m.w.N.). Insofern erfüllen der behandelnde Arzt und der Augenoptiker nicht nur die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse; vielmehr begründen und konkretisieren sie sie auch (
vgl. BSG a.a.O.).
In den streitbefangenen Fällen haben alle betroffenen Versicherten im Jahre 2003 eine augenärztliche Verordnung oder einen Berechtigungsschein zur Versorgung mit Sehhilfen erhalten. Die Ausstellung der Verordnungen und Berechtigunsscheine erfolgte auf der Grundlage des bis 31.12.2003 geltenden Rechts - sowohl des
SGB V als auch der gemäß § 92
Abs. 1 Satz 2
Nr. 6
SGB V ergangenen Hilfsmittelrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Des Weiteren haben alle betroffenen Versicherten die Verordnungen
bzw. Berechtigungsscheine noch im Jahre 2003 bei den Klägern abgegeben; sie haben auf der Grundlage der Verordnungen und Berechtigungsscheine - gegebenenfalls nach erforderlichen Augenvermessung - Sehhilfen ausgesucht und diese bei den Klägern verbindlich bestellt. Damit hatte sich das Rahmenrecht der Versicherten zur durchsetzbaren Einzelansprüchen verdichtet. Da zu diesem Zeitpunkt weder das GMG noch die neuen Hilfsmittelrichtlinien galten - beide traten erst ab 01.01.2004 in Kraft -, gründen die Ansprüche der Versicherten auf dem bis 31.12.2003 geltenden Recht. Haben aber die Versicherten noch im Dezember 2003 durchsetzbare Einzelansprüche auf eine Versorgung mit Sehhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erworben, sind diese nicht dadurch untergegangen, dass die Sehhilfen erst im Januar 2004 ausgeliefert wurden und sich zwischenzeitlich das Hilfsmittelrecht ab 01.01.2004 geändert hatte. Der Auslieferungszeitpunkt bestimmt lediglich, ab wann die Kläger von der Beklagten den Festzuschuss und (
ggf.) von den Versicherten die darüber hinaus gehenden Kosten für die Sehhilfen verlangen konnten. Die Abwicklung der Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber der Beklagten hat aber, da sie noch im Jahre 2003 durchsetzbar erworben worden sind, nach dem bis 31.12.2003 geltenden Recht zu erfolgen; dies gilt dementsprechend für die Abrechnung dieser ( Festpreis-) Ansprüche zwischen den Klägern und der Beklagten entsprechend den Bestimmungen des Vertrages.
Bereits aus dem Vertrag ergibt sich, dass die Auslieferung nicht unbedingt Voraussetzung des Zahlungsanspruchs der Augenoptiker gegenüber der Krankenkasse ist. Gemäß § 7
Abs. 2 des Vertrages werden nicht mehr verwendbare Gläser, die infolge des Ablebens des Patienten nicht mehr abgegeben werden können oder die 3 Monate nach Abgabe der Verordnung nicht abgeholt worden sind, ohne dass dies vom Augenoptiker zu vertreten ist, zum Festpreis
bzw. Vertragspreis abgerechnet. Der Zahlungsanspruch des Augenoptikers entsteht in diesen Fällen also unabhängig von der Auslieferung der Sehhilfe. Wären die hergestellten Sehhilfen von den betroffenen Versicherten also überhaupt nicht abgeholt worden und hätten die Kläger dies nicht zu vertreten gehabt, so wäre ihr Zahlungsanspruch allein deshalb begründet. Die Rechtslage kann nach Auffassung der Kammer nicht anders sein, wenn die betroffenen Versicherten die Sehhilfe zwar abholen, zwischenzeitlich aber eine Rechtsänderung eingetreten ist (ebenso: SG Dortmund, Urteil vom 15.06.2005 - S 13 KR 284/04).
Dies verdeutlicht auch ein anderes - fiktives - Beispiel: Die Sehhilfe wurde im Dezember 2003 verordnet und beim Augenoptiker bestellt; Optiker und Versicherter vereinbarten eine Auslieferung am 28. Dezember; an diesem Tag waren die Gläser auch vom Lieferanten beim Augenoptiker eingetroffen; als der Versicherte jedoch die Brille am 28. 12. abholen will, erfährt er, dass der Augenoptiker erkrankt ist und die Sehhilfe erst im neuen Jahr 2004 anpassen und ausliefern kann. Dass in einem solchen Fall der Versicherte seinen nach altem Recht erworbenen und im Jahre 2003 erfüllbaren Anspruch in Folge der Rechtsänderung ab 01.01.2004 nicht dadurch verlieren kann, dass die Abgabe aus Gründen, die in der Person des Augenoptikers liegen, erst im Jahre 2004 erfolgen kann, erscheint offensichtlich. Gerade dies aber wäre die Konsequenz der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung.
Soweit die Spitzenverbände der Krankenkassen in der gemeinsamen Erklärung vom 25.11.2003 und im gemeinsamem Rundschreiben vom 26.11.2003, das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in der Pressemitteilung vom 19.12.2003, das Bundesversicherungsamt im Rundschreiben an alle bundesunmittelbaren Kassen vom 16.01.2004 und dem folgend die Beklagte die Auffassung vertreten, dass für die Anwendung der geänderten gesetzlichen Regelung ab 01.01.2004 der Tag der Leistungserbringung, der Tag, an dem die Sehhilfe -
ggf. nach erfolgter Anpassung - an den Versicherten abgegeben wird, maßgeblich ist, nicht aber der Zeitpunkt der Verordnung, findet dies im Gesetz keine Stütze. Im Gegenteil: Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass das neue ab 01.01.2004 geltende Hilfsmittelrecht in Bezug auf Sehhilfe auch für bereits in 2003 durch Verordnung und Bestellung begonnene Fälle einer Versorgung Anwendung finden sollte, wenn die Sehhilfe in 2004 ausgeliefert würde, so hätte es - insbesondere nach den Erfahrungen vergangener Jahre (Stichwort: "Blüm-Bauch") - nahe gelegen, dies im Gesetz festzuschreiben. Dies gilt umso mehr, als im Hinblick auf die widersprechenden Meinungen der Krankenkassen-Spitzenverbände, einzelner Krankenkassen und der Optikerverbände zur Maßgeblichkeit alten oder neuen Rechts für die Abwicklung dieser Fälle Klärungsbedarf bestanden hat. Da der Gesetzgeber insofern nichts geregelt hat, bestimmen sich die Ansprüche der betroffenen Versicherten und ihm folgend die Ansprüche der Kläger nach dem bis 31.12.2003 geltenden Recht, da die Ansprüche in 2003 konkretisiert worden sind.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 20.11.2001 (B 1 KR 31/99 R = SozR 3 - 2500 § 19
Nr. 3 = SozSich 2002, 394 = Die Leistungen Beilage 2003, 5 = USK 2001-114). Dort ging es um die Frage, welche Krankenkasse bei einem Kassenwechsel seitens des Versicherten leistungspflichtig ist. Die Ausführungen des
BSG hierzu sind auf den Fall einer Rechtsänderung zu Ungunsten der Versicherten nach Beginn der Versorgung nicht übertragbar. Zudem hat das
BSG in dieser Entscheidung auch abweichende Fallgestaltungen angesprochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
Abs. 1
SGG i.V.m. §§ 154
Abs. 1, 161
Abs. 1, 162
Abs. 1
VwGO.
Rechtsweg:
nachfolgend
LSG NRW - L 16 KR 194/05