I. Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Gebärdensprachdolmetschers für die Beschulung der Antragstellerin an der Volksschule A-Stadt.
Die 2004 geborene Antragstellerin ist gehörloses Kind gehörloser Eltern, die das von den behandelnden Ärzten empfohlene CI-Implantat für ihre Tochter ablehnen. Die Antragstellerin kommuniziert in deutscher Gebärdensprache (
DGS), die auch ihre Muttersprache ist. Sie ist zu 100 % schwerbehindert (Merkzeichen G, H, RF, Gl). Seit dem 12.11.2007 besuchte sie die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) A-Stadt des Förderzentrums A. - Förderschwerpunkt Hören. Dieses empfahl im Gutachten vom 14.03.2011 zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes die Einschulung im September 2011 an einem Förderzentrum mit Schwerpunkt Hören in die Sprachlerngruppe III in A ... Die Antragstellerin sei in ihrer Kommunikation auf Gebärden angewiesen und könne nicht lautsprachlich kommunizieren. Der sonderpädagogische Förderbedarf (intensive Sprachförderung, Förderung der Gebärdensprache und Lautsprache, Wissensvermittlung in Gebärdensprache, Hörerziehung, Förderung der Gesamtentwicklung mit Schwerpunkt im sozial-emotionalen Bereich) könne an einer allgemeinen Schule auch mit Unterstützung nicht hinreichend erfüllt werden.
Am 06.05.2011 beantragten die Eltern der Antragstellerin beim Antragsgegner die Kostenübernahme für einen Gebärdensprachdolmetscher zur Beschulung im gemeinsamen Unterricht an der Regelschule in A-Stadt. Die dortige Schulleitung teilte am 24.05.2011 mit, dass die Antragstellerin unter der Voraussetzung eines ständigen Dolmetschers die Ganztagsklasse besuchen könne. Am 27.05.2011 meldete sich beim Antragsgegner die Gebärdensprachdolmetscherin Frau K., die von den Eltern beauftragt wurde, einen Gebärdensprachdolmetscher für die Regelschule zu suchen. Dies könne aus ihrer Sicht nicht befürwortet werden, da dieser nur übersetzen, aber keinerlei Unterstützung beim Schulalltag geben könne. Auch wäre das Kind in einer Regelklasse mit über 25 Schülern weit weniger gefördert als in einer Förderschule mit 8 bis 10 Kindern pro Klasse. Mit Schreiben vom 09.06.2011 teilte das Förderzentrum A. mit, dass bestätigt werde, dass die Antragstellerin gehörlos und in ihrer Kommunikation vollständig auf die Gebärdensprache angewiesen sei. Deshalb benötige sie an der Regelschule durchgehend einen Gebärdensprachdolmetscher für die gesamte Unterrichtszeit. Im Rahmen der Anhörung vom 22.06.2011 zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags wegen der unverhältnismäßigen Mehrkosten äußerten sich die Eltern der Antragstellerin am 27.06.2011 und verwiesen auf eine ehrenamtliche Elternberaterin, Frau K..Diese führte aus, dass die Antragstellerin außer der Sprache keinen Förderbedarf und daher einen Anspruch auf die Regelbeschulung habe. Das Lernniveau der Förderschule entspreche nicht dem Niveau einer Regelschule, zumal nicht durchgängig in
DGS unterrichtet werde. Der Besuch der Förderschule würde die Antragstellerin unterfordern und sei unzumutbar. Den Anspruch auf einen Gebärdensprachdolmetscher hätten mittlerweile zahlreiche Gerichte bestätigt. Das Staatliche Schulamt im Landkreis A-Stadt teilte unter dem 06.07.2011 mit, dass die Antragstellerin bei Unterstützung mit einem Gebärdensprachdolmetscher eine 1. Klasse mit 18 Kindern besuchen könne. Am 26.07.2011 teilte die Schulleitung des Förderzentrums mit, dass ein Fahrdienst nach A-Stadt bestehe, wobei die einfache Fahrt zwischen 1,25 und 1,5 Stunden dauere. Es würden derzeit insgesamt 4 Schüler befördert.
Mit Bescheid vom 29.07.2011 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers unter Hinweis auf die unverhältnismäßigen Mehrkosten von
ca. 1.319,12
EUR wöchentlich
bzw. 263,82
EUR schultäglich gegenüber der kostenfreien Beschulung an der Förderschule in A. ab. Die Belastung durch die Fahrzeit werde gesehen, sei aber nicht unzumutbar. Das Interesse an einem möglichst kurzen Schulweg vermöge nicht das Erfordernis des wirtschaftlichen und sparsamen Einsatzes von Steuergeldern zu überwiegen. Gegen den Bescheid vom 29.07.2011 erhob die Antragstellerin am 17.08.2011 Widerspruch, über den noch nicht entschieden wurde.
Ebenfalls am 17.08.2011 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Augsburg (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten eines im Schulunterricht der Antragstellerin an der Volksschule in A-Stadt übertragenden Gebärdensprachdolmetschers im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe ab 13.09.2011 zu übernehmen. Sie habe keinerlei Defizite außer der Gehörlosigkeit und wolle aus diesem Grund die Schulausbildung erhalten, die ihren geistigen Fähigkeiten entspreche und sie nicht unterfordere. Das Niveau der Förderschule liege deutlich unter dem der Regelschule, weswegen erst nach 10 Jahren ein Hauptschulabschluss möglich sei. Die Antragstellerin habe dagegen aufgrund der ihr bisher zuteil gewordenen intensiven Förderung einen Wissens- und Sprachstand, der durchaus mit dem nicht behinderter Kinder vergleichbar sei. Auch sei sie im Förderzentrum, wo kein durchgängiger Unterricht in Gebärdensprache stattfinde, von großen Teilen des Unterrichts ausgeschlossen. Insoweit sei die Wissensvermittlung in der Schule nicht mit dem Besuch des Kindergartens zu vergleichen. Auf die Anerkennung der deutschen Gebärdensprache in Deutschland als eigenständige Sprache werde hingewiesen. Alle erforderlichen schulischen Bestätigungen seien eingeholt worden. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich auch aus der anstehenden Einschulung, zumal es der Antragstellerin nicht möglich sei, aus eigenen Mitteln die Kosten des Gebärdendolmetschers vorzustrecken. Durch eine Einschulung in der Förderschule würden Tatsachen geschaffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Der lange Schulweg von 3 Stunden täglich zum Förderzentrum sei für eine Sechsjährige unzumutbar, wenn als Alternative die Regelschule im vertrauten Umfeld in 2 Minuten fußläufig erreichbar und gewährleistet sei, dass sie mit ihren Schulkameraden noch außerschulische Freizeitgestaltung ausüben könne.
Der Antragsgegner hat darauf erwidert, dass zwar die beantragte Hilfe geeignet sei, der Antragstellerin den Besuch einer Regelschule im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen, nicht aber erforderlich sei, da die Antragstellerin am Förderzentrum für Hörgeschädigte in der gleichen Zeit die gleichen schulischen Ergebnisse und Erfolge erzielen könnte. Der Vortrag zum Unterricht am Förderzentrum A. entspreche in weiten Teilen nicht den Tatsachen; insbesondere sei es dort auch möglich, die Grundschule in 4 Jahren zu durchlaufen.
Mit Schreiben vom 12.09.2011 hat die Antragstellerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass es am Förderzentrum keinen Englischunterricht gebe, sie selbst unbedingt auf die Regelschule gehen und mit den ihr bekannten Nachbarskindern und Freunden lernen wolle. Sie könne bereits gut schreiben und auch lesen und habe mindestens dieselben Kenntnisse wie hörende Kinder in ihrem Alter. Dagegen habe die Hörförderung durch Hörgeräte bisher kaum Resultate erbracht. Auch für die Regelschule sei der Umgang mit Gehörlosen ein Gewinn. Im Förderzentrum sei nach Kenntnis der Eltern dagegen bislang kein einziges Kind auf das Gymnasium übergetreten und nur sehr wenige auf die Realschule. Sie hat auf Beispiele erfolgreicher Integration in Hamburg und in München verwiesen und Unterlagen über die grundsätzlichen Unterschiede zwischen lautsprachbegleitenden Gebärden (
LBG) und
DGS sowie einen Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.11.2010 übersandt. Ferner hat sie auf ein Interview mit Frau
Dr. von der Leyen zu
Art. 24 der UN-Konvention und dessen Umsetzung für Hörgeschädigte/Gehörlose verwiesen.
Auf Nachfrage des SG hat das Förderzentrum A. mit Schreiben vom 16.09.2011 das Gutachten zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und Empfehlungen des Förderorts vom 14.03.2011 vorgelegt. Darin wird im Ergebnis die Einschulung an einem Förderzentrum mit Förderschwerpunkt Hören in die Sprachlerngruppe III dringend empfohlen. Die Antragstellerin könne nicht aktiv am Unterricht der allgemeinen Schule teilnehmen. Ihr sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich Hören, Sprechen und Sprache könne an der allgemeinen Schule auch mit unterstützenden Maßnahmen nicht erfüllt werden. Darüber hinaus wurden die vom SG gestellten Fragen zur Förderung der Schüler in der Sprachlerngruppe III im Schreiben des Förderzentrums vom 16.09.2011 beantwortet (
vgl. Bl. 123 SG-Akte).
Das SG hat Telefongespräche mit dem Förderzentrum, der Schulleiterin der Volksschule A-Stadt und der Schulrätin beim Staatlichen Schulamt A-Stadt geführt. Mit Schreiben vom 19.09.2011 hat die Antragstellerin noch Unterlagen über die Ausbildung nach dem Lehrplan der Bayerischen Förderzentren übersandt.
Mit Beschluss vom 27. September 2011 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In der umfangreichen Begründung hat das SG dargelegt, dass kein glaubhaft gemachter Anordnungsanspruch nach § 86 b
Abs.2
S. 2
SGG vorliege.
Nach
§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhielten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht seien, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht bestehe, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden könne. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehöre insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53
Abs. 3 Satz 2
SGB XII). Nach
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII seien Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht; die Bestimmung über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleibe unberührt.
Die von der Antragstellerin beanspruchte Hilfe durch Übernahme der Kosten eines Gebärdendolmetschers für den Besuch der Grundschule in A-Stadt sei als Maßnahme zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von
§ 12 Nr. 1 EinglHV i.V.m. § 60 SGB XII nicht erforderlich und geeignet, weil nach den im Eilverfahren zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten diese Beschulung keine angemessene Beschulung der Antragstellerin darstelle, die geeignet sei, den festgestellten Förderbedarf zu decken.
Zwar sei die Geeignetheit der Beschulung an der Grundschule durch den Antragsgegner selbst bisher nicht infrage gestellt worden; weil dieser die Ablehnung der Kosten ausschließlich auf die damit verbundenen Mehrkosten gestützt habe, was vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Rechts auf inklusive Beschulung jedenfalls bei gleicher Geeignetheit wohl kein zulässiger Versagungsgrund gewesen wäre. Tatsächlich habe sich aber nach Überprüfung durch das Gericht herausgestellt, dass die Geeignetheit im Sinne einer dem Förderbedarf der Antragstellerin entsprechenden Beschulung bisher von keiner Stelle, insbesondere von der Schulbehörde selbst nicht geprüft worden sei. Vorliegend stehe zwar fest, dass die Antragstellerin die Grundschule in A-Stadt im Rahmen der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht besuche, wobei aber seit 01.08.2011 folgende Regelungen zu beachten seien:
Grundlage für die Beschulung der Antragstellerin an der Regelschule sei keine Zuweisungsentscheidung der Schulbehörde, da diese nach der seit 01.08.2011 geltenden Fassung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) grundsätzlich nicht mehr ausgesprochen werde, sondern ausschließlich die Entscheidung ihrer Eltern, sie an dieser Schule anzumelden. Gemäß
Art. 41
Abs. 1 BayEUG, gültig ab 01.08.2011, erfüllen Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf ihre Schulpflicht durch den Besuch der allgemeinen Schule oder der Förderschule. Die Erziehungsberechtigten entscheiden, an welchem der im Einzelfall rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden schulischen Lernorte ihr Kind unterrichtet werden soll. Nur wenn im Einzelfall der individuelle sonderpädagogische Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch unter Berücksichtigung des Gedankens der sozialen Teilhabe nach Ausschöpfung der an der Schule vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten sowie der Möglichkeit des Besuchs einer Schule mit dem Schulprofil "Inklusion" nicht hinreichend gedeckt werden kann und die Schülerin oder der Schüler dadurch in der Entwicklung gefährdet ist oder er oder sie die Rechte von Mitgliedern der Schulgemeinschaft erheblich beeinträchtigt, besucht die Schülerin oder der Schüler die geeignete Förderschule (
Art. 41
Abs. 5 BayEUG). Nur in diesem Fall und wenn eine einvernehmliche Aufnahme nicht zu Stande kommt, entscheidet noch die Schulaufsichtsbehörde über den schulischen Lernort (
Art. 41
Abs. 6 Bay. EUG).
Zwar bedürfte die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit pädagogischem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Sehen, Hören sowie körperlicher und motorischer Entwicklung in die allgemeine Schule noch der Zustimmung des Schulaufwandsträgers; diese kann aber nur bei erheblichen Mehraufwendungen (für den Schulaufwandsträger) verweigert werden (
Art. 30 a
Abs. 4 BayEUG). Hierbei gehe es insbesondere um Fahrtkosten oder erforderliche Umbauten. Das Gesetz enthielte weitere Regelungen über die Zusammenarbeit von Förderschulen und allgemeinen Schulen insbesondere durch Kooperationsklassen, Partnerklassen und die mobilen sonderpädagogischen Dienste (MSD). Daneben könnten sich Schülerinnen und Schüler in ihrem Sozial- oder Jugendhilfebedarf durch Schulbegleiterinnen oder Schulbegleiter nach Maßgabe der hierfür geltenden Bestimmungen unterstützen lassen (
Art. 30 a
Abs. 8 BayEUG).
Nach Auffassung des SG bedeute dies zunächst, dass die Eltern der Antragstellerin ihr Wahlrecht gemäß
Art. 41
Abs. 1 Satz 3 BayEUG zu Gunsten der Regelschule ausgeübt haben. Diese Schule stehe der Antragstellerin rechtlich und tatsächlich als schulischer Lernort zur Verfügung. Auch der Schulaufwandsträger habe der Aufnahme zugestimmt, wobei auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aufnahme der Antragstellerin in die Regelschule vorliegend mit Mehraufwendungen für diesen verbunden wäre. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Ausnahmefall des
Art. 41
Abs. 5 BayEUG vorliegen würde.
Allerdings ergebe sich hieraus nicht zwingend auch die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers, die Beschulung an der Regelschule im Rahmen der Eingliederungshilfe zu unterstützen; vielmehr seien die Voraussetzungen für die bei einer inklusiven Beschulung erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen unabhängig nach den hierfür geltenden Vorschriften zu prüfen (
Art. 30 a
Abs. 8 BayEUG). Insofern sei die Rechtslage nicht mehr mit derjenigen zu vergleichen, die den von der Antragstellerin zitierten Gerichtsentscheidungen zugrunde lag, weil die Schulbehörde nach früherem Recht geprüft habe, ob und inwieweit die jeweiligen Beschulungsmöglichkeiten auch den geistigen und körperlichen Fähigkeiten des einzelnen Kindes entsprechen. Diese Prüfung finde nach BayEUG in der Fassung ab 01.08.2011 nicht mehr statt und sei der Schulbehörde, abgesehen von extremen Fällen einer Kindeswohlgefährdung, sogar ausdrücklich verwehrt.
Auch aus
Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderten - sog. UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) - vom 13.12.2005
i.V.m. dem Ratifizierungsgesetz des Bundes vom 21.12.2008 (BGBl. II
S. 1419) lasse sich weder ein unmittelbarer Anspruch noch eine Aussage zur richtigen Beschulung der Antragstellerin herleiten.
Der Bayer. Landesgesetzgeber habe mit dem zum 01.08.2011 in Kraft getretenen Änderungen des BayEUG ein mehrgleisiges System geschaffen, in dem einerseits die Förderzentren erhalten bleiben sollen, andererseits die Inklusion, insbesondere durch Schule mit dem Schulprofil "Inklusion" sowie spezielle Kooperationsklassen, also insbesondere durch eine Kooperation zwischen Förderschulen und Regelschulen, daneben auch durch Einzelintegration erweitert und ausgebaut werden solle. Denn es solle sichergestellt werden, dass durch die inklusive Beschulung von Menschen mit Behinderungen die Förderqualität nicht absinke. Der Landesgesetzgeber verstehe daher die Umsetzung der
UN-
BRK als einen längerfristigen Prozess, bei dessen Umsetzung Freistaat und Kommunen in besonderer Weise gefordert seien. (Eckpunktepapier des Landtags vom 22.04.2010 (Drs. 16/4619).
Dass es sich insbesondere bei der Integration hörgeschädigter und gehörloser Kinder in den Regelschulen um einen Prozess handele, der zwar angestoßen, aber noch nicht abgeschlossen sei, ergebe sich auch aus den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen. Auch der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. als Interessenvertretung der Gehörlosen und anderen Menschen mit Hörbehinderung in Deutschland habe in seiner Stellungnahme im Rahmen der 44. Bundesdirektorenkonferenz "Inklusive Bildung und Erziehung für Kinder und Jugendliche mit Hörschädigung" vom 29.05.2011 bis 01.06.2011 in Berlin empfohlen, die Förderschulen als Wurzeln der Gemeinschaft weitgehend zu erhalten und inkludierbar zu machen, wozu neben Weiterbildung auch ein konsequent bilingualer Ansatz gehöre. Daneben werde auch der Einsatz beziehungsweise die Einstellung gehörloser und anderer hörbehinderter Lehrkräfte an inklusiven Regelschulen und die inklusive Beschulung von mehreren Kindern mit Hörbehinderung in einer Klasse gefordert, um so eine positive soziale und psychische Entwicklung zu gewährleisten und die sprachliche und kulturelle Identität dieser Schüler zu fördern (www.gehoerlosen-bund.de).
In Bayern bestehe derzeit eine Situation, in der die Beschulung gehörloser und hörgeschädigter Kinder im Regelfall noch an den Förderzentren erfolge. Daneben gebe es weiterführende Schulen (Bayerische Landesschule für Gehörlose mit Realschule oder das Gisela Gymnasium als inklusive Regelschule in München). Es bestehe also noch keine Erfahrung mit der Beschulung gehörloser Kinder an Regelgrundschulen, was für den Sozialhilfeträger
bzw. vorliegend das Gericht eine gewisse Schwierigkeit darstelle. Neben den Interessen der Antragstellerin sei dabei sozialhilferechtlich auch zu berücksichtigen, dass der Sozialhilfeträger, wenn er Mittel in dieser Größenordnung aufwende, auch dem Steuerzahler gegenüber verpflichtet sei, diese Mittel zweckentsprechend im Sinne einer Erreichung der Eingliederungsziele einzusetzen. Die Kammer habe sich daher bei dieser Entscheidung zum einen an den umfangreichen Gutachten der Förderschule orientiert und zum anderen an Stellungnahmen der Gehörlosenverbände, die neben politischen Stellungnahmen auch konkrete fachliche Aussagen zu den Anforderungen an eine (inklusive) Beschulung gehörloser Kinder enthalten.
Die Überzeugung der Kammer, dass derzeit jedenfalls die Beschulung der Antragstellerin an der Regelgrundschule unter den derzeit gegebenen Bedingungen noch keine der Beschulung an der Förderschule vergleichbare und in gleicher Weise geeignete und damit angemessene Beschulung darstellt, werde wie folgt begründet:
Zwar bestehe im Falle der Antragstellerin kein Zweifel daran, dass sie aufgrund ihrer Entwicklung und Begabung den inhaltlichen Anforderungen einer Regelgrundschule folgen könne. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Förderzentrums, wonach die Antragstellerin ein sehr gutes altersentsprechendes Sprachverständnis in Gebärdensprache habe und auch Sätze in lautsprachebegleitenden Gebärden verstehe. Der kognitive Entwicklungsstand liege insgesamt im überdurchschnittlichen Bereich. Auch habe nach telefonischer Rückfrage bei der Schulleiterin am 27.09.2011 der Unterricht bisher problemlos stattgefunden. Andererseits habe sich das Förderzentrum in seinem Gutachten zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und Empfehlung des Förderorts vom 14.03.2011 eindringlich gegen eine Beschulung an der Regelschule ausgesprochen. Die Antragstellerin könne nicht aktiv am Unterricht der allgemeinen Schule teilnehmen. Die erforderliche spezielle Förderung könne nur an einem Förderzentrum mit Förderschwerpunkt Hören bekommen. Auch unter Berücksichtigung einer gewissen Voreingenommenheit dahingehend, dass die Schulen ein Eigeninteresse an ihrem Erhalt und auch am Erhalt ihrer Schüler habe, seien diese Bedenken auch im Eilverfahren nicht ausreichend ausgeräumt.
So ergeben sich aus dem Gutachten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin am Förderzentrum isoliert wäre, weil sie dem Unterricht nicht folgen kann, zumal dort insgesamt 31 gehörlose Kinder unterrichtet würden, die gezielt in einer Gruppe zusammengefasst und gefördert würden. Auch wenn sich aus dem Gutachten ein kognitiver Entwicklungsstand im überdurchschnittlichen Bereich ergebe, sei eine Unterforderung nicht zu befürchten, da nach Auskunft der Schule der Stand der Wissensvermittlung an der Förderschule dem einer Regelgrundschule mit vergleichbaren Übertrittsmöglichkeiten auch an weiterführende Schulen entspreche. Auch ergebe sich aus dem Gutachten, dass ein Resthörvermögen bei Geräuschen und ein Förderbedarf, der über das reine Übersetzen hinausgeht, vorhanden sei, so im Bereich der Sprech- und Sprachübungen und vor allem im sozial-emotionalen Bereich. Die Kammer gehe daher zunächst davon aus, dass die Beschulung am Förderzentrum jedenfalls eine angemessene Beschulung der Antragstellerin darstelle. Die Bedenken, die diesbezüglich vorgetragen worden seien, konnten nach Rückfrage bei der Schule in wesentlichen Teilen nicht bestätigt werden, so die Aussagen zum fehlenden Unterricht im Fall Englisch oder zur fehlenden Übertrittsmöglichkeit an weiterführende Schulen. Gleiches gelte für den Einwand der "Isolation" an der Förderschule. Es werde eingeräumt, dass die Fahrzeit von A-Stadt nach A. für ein sechsjähriges Kind sicher an der Grenze des Zumutbaren liege. Dafür bestünden aber an der Grundschule in A-Stadt keinerlei Fördermöglichkeiten. Die Antragstellerin könne zwar mit Hilfe der Dolmetscherin dem Unterricht folgen. Allerdings bestehe dort keinerlei Erfahrung im Umgang mit gehörlosen Kindern. Sowohl Schulleitung als auch Schulamt hätten von vornherein Bedenken geäußert, die aber bezüglich der Entscheidung über die Beschulung aus den oben genannten Gründen gegenüber der Entscheidung der Eltern zurückzutreten hatten.
Wenn Probleme auftauchten gebe es nur den mobilen sonderpädagogischen Dienst im Umfang von höchstens 1 Stunde wöchentlich als Ansprechpartner, der insgesamt für 250 hörgeschädigte Kinder an Regelschulen in Schwaben zuständig sei. Die Antragstellerin könne dort nicht die im Gutachten vom 14.03.2011 festgestellte Förderung erhalten und sie wäre als einziges gehörloses Kind an der Schule in der Kommunikation mit Gleichaltrigen deutlich eingeschränkt.
In diesem Zusammenhang werde auf Aussagen in den fachlichen Stellungnahmen hingewiesen, die teilweise von der Antragstellerin übersandt, teilweise der Seite des Deutschen Gehörlosen-Bundes entnommen worden seien und die ausnahmslos davon ausgingen, dass Inklusion und angemessene Beschulung gehörloser Kinder an Regelschulen mehr bedeute, als den Unterrichtsstoff zu übersetzen (Positionspapier Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten- Selbsthilfe und Fachverbände e.V. , Deutscher Gehörlosen Bund): Konkret gingen die öffentlich verfügbaren Stellungnahmen der großen Verbände für eine erfolgreiche Inklusion und Integration von zwei Grundvoraussetzungen aus. Zum einen müsse dem Kind die Bildung und Beibehaltung eines möglichst breiten Spektrums an Kommunikationsmöglichkeiten erst einmal ermöglicht werden. Zum anderen sei aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung und Erfahrung der Umwelt und zur Bildung einer eigenen Identität der regelmäßige Kontakt mit hörgeschädigten und gehörlosen Kindern unerlässlich, weswegen von diesen Verbänden in ihren Stellungnahmen im Ergebnis die Integration einzelner gehörloser Kinder in einer Regelklasse auch nicht befürwortet werde. Schließlich betonten alle Stellungnahmen die große Bedeutung des Aufbaus von Kompetenzen bei Lehrern sowie die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von Regelschulen und Förderzentren. All diese Voraussetzungen seien bei einer Beschulung der Antragstellerin an der Grundschule in A-Stadt zweifellos nicht gegeben. Insbesondere wäre die Antragstellerin dauerhaft und ausschließlich auf die reine Gebärdensprache angewiesen, ohne dass sie noch die Möglichkeit hätte, andere Kommunikationsformen ergänzend zu lernen. Die Unterstützung durch den MSD Dienst im Umfang von bestenfalls 1 Stunde wöchentlich dürfte angesichts der völlig fehlenden Erfahrung der Schule mit gehörlosen Schülern ebenfalls nicht als ausreichend angesehen werden. Und nicht zuletzt hänge die Beschulung dort mangels Bestehen einer Zusammenarbeit mit dem Förderzentrum noch vom Engagement einzelner Lehrer ab. Alle Beteiligten sehen die Beschulung im Moment als Versuch an.
Es erscheine zwar nicht ausgeschlossen, dass in einem Hauptsacheverfahren eine gutachtliche Stellungnahme zum Ergebnis kommen könne, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten und ihrer individuellen Situation an der Schule in A-Stadt hinreichend Förderung für ihre weitere Entwicklung erfahre. Bis dahin sehe die Kammer aber auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für diese Möglichkeit, sondern vielmehr die Gefahr, dass die Antragstellerin dort gerade nicht die erforderliche Förderung erhalte. Vor diesem Hintergrund sei auch die grundsätzliche Eilbedürftigkeit aufgrund des bereits begonnenen Schuljahres nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der von den Eltern vorab und auf eigenes Risiko gegen die ausdrückliche Empfehlung des Förderzentrums getroffene Entscheidung zur Einschulung der Antragstellerin in der Regelschule. Der Antragstellerin stehe nach wie vor ein Platz an der Förderschule zur Verfügung und es ist nicht zu befürchten, dass eine Beschulung an der Regelschule zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich wäre. Es ist daher auch nicht erkennbar, dass der Antragstellerin unzumutbare und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machende Nachteile entstehen, wenn sie bis zu einer abschließenden Klärung des Förderbedarfs die Förderschule besuche. Der Antragsgegner könne daher auch nicht vorläufig verpflichtet werden, die mit dieser Beschulung verbundenen Kosten für den Gebärdendolmetscher zu übernehmen.
Gegen den am 30.09.2011 zugestellten Beschluss des SG vom 27. September 2011 hat die Antragstellerin am 7. Oktober 2011 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (
LSG) erhoben und im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Zur weiteren Begründung hat die Antragstellerin Schreiben der Klassenlehrerin B. B. vom 26.09.2011 und 17.10.2011, der Gebärdensprachdolmetscherin M. G. vom 27.09.2011 und 17.10.2011, ein Email des staatlichen Schulamtes LRA A-Stadt vom 24.10.2011 über eine Hospitation des Schulrates in der Klasse der Antragstellerin und eine Stellungnahme des Deutschen Gehörlosen Bundes e. V. vom 12.10.2011 vorgelegt. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass der bisherige Schulbesuch der Antragstellerin an der Regelschule von allen Beteiligten als positiv bewertet wird.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des SG Augburg vom 27. September 2011 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten eines im Schulunterricht der Antragstellerin an der Volksschule in A-Stadt übertragenden Gebärdensprachdolmetschers im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem
SGB XII zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verweist auf seinen Bescheid vom 29.07.2011 und den Beschluss des SG vom 27. September 2011. Bei einem Besuch der Förderschule in A. entstünden dem Antragsgegner nur dann Kosten, wenn die Antragstellerin die dortige Tagesstätte oder das stationäre Kinderheim in A. besuchen würde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Das Bayer.
LSG ist zur Entscheidung über die Beschwerde in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig (§§ 86 b
Abs. 4, 172
Abs. 1, 3
Nr. 1
SGG).
Die unter Beachtung der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, ist zulässig, aber unbegründet, weil das SG eine vorläufige Regelung zu Recht abgelehnt hat.
Nach § 86b
Abs. 2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Verfahrens-
bzw. Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund); grundsätzlich müssen die überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache für den Spruchkörper "glaubhaft" vorliegen. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs der Hauptsache und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung sind in diesem Sinne "glaubhaft" zu machen (§ 86b
Abs. 2 Satz 4
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2
ZPO). Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (
Art. 19 Grundgesetz) sind dabei die insoweit zu stellenden Anforderungen mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz zu modifizieren (
vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen (Beschluss des BVerfGE vom 12.05.2005, BvR 569/05, NVwZ 2005, 927
m.w.N.). Das Existenzminimum (Art 1
Abs. 1
iVm Art 20
Abs. 1
GG) iS der Rechtsprechung des
BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. ist im vorliegenden Fall nicht gefährdet Auch sonstige grundrechtsrelevante Rechtsgüter (Art 2 , "3
Abs. 3
S. 2", 7, 12
GG) sind bei der Ablehnung einer Anordnung nicht maßgeblich beeinträchtigt. Der Schulbesuch der Antragstellerin als solcher ist nicht gefährdet. Alternativ ist eine Beschulung in einem Förderzentrum Hören in A. wohl angemessen und möglich.
Es fehlt, wie das SG zu Recht angenommen hat, an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs für die beantragte Form der Eingliederung. Allerdings hält der Senat die Frage, ob die Beschulung der Antragstellerin in der Grundschule A-Stadt eine angemessene Schulbildung i.
S. § 54
Abs. 1
Nr. 1
SGB XII ist, anders als das SG derzeit anhand der vorliegenden Unterlagen für nicht beurteilbar. Hierzu wird im Rahmen des noch offenen Widerspruchsverfahrens oder spätestens des sich hieran anschließenden erstinstanzlichen Klageverfahrens ein Gutachten einzuholen sein. Dieses hat den konkreten Förderbedarf der Antragstellerin und die Frage zu klären, ob dieser Förderbedarf bei einer Beschulung in der Grundschule A-Stadt und bei einer Beschulung im Förderzentrum Hören in A. angemessen gedeckt ist. Daran anschließend wird zu klären sein, inwieweit sich für den Fall der Beurteilung der Beschulung in der Regelschule als angemessene Schulbildung aus dem sog. Mehrkostenvorbehalt des § 9
Abs. 2
S. 3
SGB XII eine Einschränkung ergibt. Auch wenn der objektive Teil der Prüfung ergeben sollte, dass die entstehenden Kosten über den üblichen Kostenrahmen hinausgehen, ist weiter zu prüfen, ob sie nach den "Besonderheiten des Einzelfalles" trotzdem noch nicht als unverhältnismäßig anzusehen sind. Dabei ist insbesondere entscheidend ob dem Leistungsberechtigten zur Abdeckung seines anzuerkennenden Bedarfes andere, angemessene Hilfemöglichkeiten angeboten werden können (Hohm in Schellhorn/ Schellhorn/Hohm
SGB XII, 18. Auflage, § 9 Rn. 26).
Nach § 53
Abs. 1 Satz 1
SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von
§ 2 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53
Abs. 3 Satz 1
SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53
Abs. 3 Satz 2
SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe sind insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (§ 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGB XII). Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, den behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern (
vgl. § 60
SGB XII iVm § 12 EinglHV).
Unter angemessener Schulbildung ist alles zu verstehen, was der Erreichung des Ziels, der Integration in die Gesellschaft, dient. Wie auch sonst in der Sozialhilfe ist Einstehensgrund für den Träger der Sozialhilfe die Deckung eines "notwendigen Bedarfs". Bedarf und Angemessenheit sind zwei aufeinanderbezogene Größen, gelegentlich ist auch von Eignung und Notwendigkeit die Rede (
vgl. Münder,
SGB XII, 8. Auflage 2008, Rn. 25 zu § 9). Zu klären ist, auf welcher Zeitschiene der Integrationserfolg gemessen werden soll. Nach der gesetzgeberischen Wertung geht es bei den Teilhabeleistungen am Leben in der Gesellschaft nach den §§ 53 ff
SGB XII um den Erfolg der langfristigen Eingliederung in der Gesellschaft und damit hier um die Prognose, auf welchem Schullaufbahnweg die Integration der gehörlosen Antragstellerin langfristig gelingen kann. Damit scheidet eine Orientierung an dem kurzfristigen Ziel der Integration in das soziale Umfeld der Regelschule aus.
Wie schon das SG hat auch der erkennende Senat nicht unerhebliche Zweifel daran, dass das erforderliche, Erfolg versprechende Integrationsziel bei einer Beschulung der Antragstellerin in der Regelschule erreicht wird. Damit fehlt ein Ausmaß der Überzeugung des Senats nach den §§ 128
Abs. 1, 142
Abs. 1
SGG im Sinne der Glaubhaftmachung. Glaubhaftmachung bedeutet, dass das Gericht die Wahrheit der behaupteten Tatsache für überwiegend wahrscheinlich halten muss und hierauf seine freie, richterliche Überzeugung stützt. Gemessen am Bildungsziel der maßgeblichen Unterrichtsgesetze verlangt Inklusion eine differenzierte Infrastruktur, die beispielsweise dem Lehrplan zum Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation für die bayerische Grundschuldstufe entsprechen sollte. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des Förderzentrums Hören A., das die Situation der Antragstellerin aufgrund der schulvorbereitenden Maßnahmen seit November 2007 gut einzuschätzen vermag. Dies ergibt sich aber insbesondere auch aus der Diskussion um die von der Antragstellerin selbst zur Argumentation herangezogene sog. Behindertenrechtskonvention (Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006). Die dort programmatisch verankerte Inklusion hat auch in Deutschland einen Prozess der Umsetzung in Gang gebracht. Die Konvention ist als Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. 2008 II,
S. 1419
ff., in das nationale Recht eingeführt worden. Damit verpflichtet sich Deutschland gegenüber der internationalen Gemeinschaft, aber auch gegenüber den in Deutschland lebenden Menschen lediglich, die Bestimmungen der Konvention einzuhalten und umzusetzen (
Artikel 4 der Konvention, Allgemeine Verpflichtungen).
Dies wird besonders deutlich durch die Stellungnahme der Monitoring-Stelle (31.03.2011) Eckpunkte zur Verwirklichung eines inklusiven Bildungssystems (Primarstufe und Sekundarstufen I und II), Empfehlungen an die Länder, die Kultusministerkonferenz (KMK) und den Bund. Dort ist ausgeführt, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten der Konvention, im Bundesdurchschnitt mehr als vier Fünftel der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen, die der Staat sonderpädagogisch fördern möchte, nicht allgemeine Bildungseinrichtungen besuchten, sondern Sondereinrichtungen (Sonderschule oder Förderschule) - teilweise auch gegen ihren Willen oder gegen den Willen der Eltern. Die zahlenmäßige Exklusionsquote von Menschen mit Behinderungen in Primar- und Sekundarstufe variiert je nach Bundesland zwischen 58 Prozent und 93 Prozent.
Dies zeigt auf den Fall der Antragstellerin bezogen, dass eine entsprechende Infrastruktur für die inklusive Beschulung fehlt. Das zeigt auch ein Entwurf der Konferenz der Kultusministerien für Empfehlungen zur inklusiven Bildung mit dem Titel "Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Schulen", der bis zum 31.03.2011 öffentlich zur Stellungnahme aufgefordert hat. (www.kmk.org/fileadmin/
pdf/Bildung/AllgBildung/Anhoerungstext-Entwurf-2010-12-03-205-AK.
pdf). Dort sind beispielsweise hohe Anforderungen an das Personal im inklusiven Unterricht gestellt (Ziffer.
IV). Gleichzeitig ist ausgesagt, dass bereits verabschiedete Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zu den einzelnen Schwerpunkten sonderpädagogischer Förderung weiterhin ergänzend gelten, u.a. zum Förderschwerpunkt "Hören" vom 10.05.1996.
Gemessen an diesen qualifizierten Anforderungen und den bisher dargelegten Umständen zur Beschulung in der Regelschule hat der erkennende Senat für die vorgenommene Einschulung nicht die notwendige Überzeugung nach § 128
Abs. 1
SGG im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon, dass der sozialhilferechtlichen Eingliederungsbedarfs der Antragstellerin hinreichend gedeckt wird. Insoweit wird ergänzend nach § 142
Abs. 2
S. 3
SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen, wonach unter den derzeit gegebenen Bedingungen noch keine der Beschulung an der Förderschule vergleichbare und in gleicher Weise geeignete Beschulung an der involvierten Regelschule gegeben ist.
So kann nach den Ausführungen des Förderzentrums (Gutachten vom 14.03.2011, Stellungnahme zu den Möglichkeiten und Grenzen der sprachlichen Förderung im Förderzentrum vom 16.09.2011) der sonderpädagogische Förderbedarf im Bereich Hören, Sprechen und Sprache an der allgemeinen Schule auch mit unterstützenden Maßnahmen nicht erfüllt werden. Dort bestehen keinerlei Erfahrungen im Umgang mit gehörlosen Kindern. Zur Abhilfe bei Problemen, im Umgang mit der Schriftsprache oder im psychosozialen Bereich, steht lediglich der mobilen sonderpädagogische Dienst im Umfang von höchstens einer Stunde wöchentlich als Ansprechpartner zur Verfügung. Es ist auch nicht absehbar, wie die Antragstellerin als einziges gehörloses Kind an der Schule vertrauliche Beziehungen zu anderen Kindern aufbauen soll. An der Grundschule wäre die Antragstellerin dauerhaft und ausschließlich auf die reine Gebärdensprache angewiesen, ohne dass sie noch die Möglichkeit hätte, andere Kommunikationsformen ergänzend zu lernen. Und nicht zuletzt hängt die zurzeit vorgenommene Beschulung mangels Bestehen einer Zusammenarbeit mit dem Förderzentrum noch vom Engagement einzelner Lehrer ab, ohne dass sichergestellt wäre, dass die Antragstellerin auch bei einem Lehrerwechsel weiter dort beschult werden könnte.
Demgegenüber bietet die Förderschule zahlreiche Vorteile, wie zum Beispiel kleine Klassen, kindgemäße Hör- und Sprechanlagen, Unterrichtung durch ausgebildete Lehrkräfte, kindgemäße Form der Sprechfehlerkorrektur Modellierungstechniken, Einüben von Sprachstrategien, Visualisierung des Unterrichts und regelmäßige Betreuung durch einen Hörgeräteakustiker. Daran, dass das Förderzentrum A., Förderschwerpunkt Hören, grundsätzlich eine angemessene Schulbildung für gehörlose und gehörgeschädigte Kinder bietet und an dem Integrationsziel "Teilhabe am Leben in der Gesellschaft" ausgerichtet ist, bestehen keine Zweifel.
Die Problematik dieser Übergangssituation wird auch deutlich durch die ab 01.08.2011 geltende gesetzliche Neuregelung durch
Art. 30 b des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG, Inklusive Schule). Danach können Schulen mit Zustimmung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde und der beteiligten Schulaufwandsträger das Schulprofil, Inklusion entwickeln. In Schulen mit dem Schulprofil, Inklusion werden Lehrkräfte der Förderschule in das Kollegium der allgemeinen Schule eingebunden und unterliegen den Weisungen der Schulleiterin oder des Schulleiters. Die Lehrkräfte der allgemeinen Schule gestalten in Abstimmung mit den Lehrkräften für Sonderpädagogik und gegebenenfalls weiteren Fachkräften die Formen des gemeinsamen Lernens. Die Lehrkräfte für Sonderpädagogik beraten die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler sowie die Erziehungsberechtigten und diagnostizieren den sonderpädagogischen Förderbedarf. Sie fördern Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und unterrichten in Klassen mit Schülerinnen und Schülern ohne und mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Der fachliche Austausch zwischen allgemeiner Schule und Förderschule ist zu gewährleisten. Eine derartige Struktur ist hinsichtlich der Regelschule, in der sich die Antragstellerin zurzeit befindet, nicht glaubhaft gemacht.
Bei dieser Sachlage ist eine Beachtung des Wunschrechts nach dem in § 9
SGB XII niedergelegten Grundsatz der Individualisierung nicht geboten. Denn nur bedarfsdeckende Wünsche sind angemessen. Damit gelangt man derzeit auch nicht zu den von der Antragsgegnerin angestrengten Überlegungen des so genannten Mehrkostenvorbehalts des § 9
Abs. 2
S. 3
SGB XII. Nachdem die Antragstellerin bestreitet, dass die Beschulung im Förderzentrum A. für sie eine angemessene Schulbildung bietet, hat das noch einzuholende Gutachten sowohl zum individuellen Förderbedarf der Antragstellerin als auch zur Frage der Geeignetheit beider zur Auswahl stehender Schularten Stellung zu nehmen.
Der Annahme eines fehlenden Anordnungsanspruches widerspricht auch nicht die von der Antragstellerin angeführte Rechtsprechung. Der Beschluss des SG Frankfurt (vom 13.10.2010 -
S 30 SO 229/10 ER) ist inzwischen, wie auch schon vom SG angeführt, vom Hessisches Landessozialgericht bestätigt worden (Beschluss vom 14.03.2011, Az.: L 7 SO 209/10 B ER). Dieses zieht aus dem Fehlen eines " sonderpädagogischen Förderbedarfs" bei Vorliegen eines besonderen Förderbedarfs im Bereich Hören und im ausgeübten Wunsch des Besuchs einer privaten allgemein bildenden Schule die Schlussfolgerung, dass der Träger der Sozialhilfe an diese Entscheidung gebunden sei. Bei dieser Entscheidung fehlt aber die Prüfung, ob die vorgenommene Einschulung angemessen im oben aufgeführten Sinne ist. Im Übrigen wird dieser Entscheidung des hessischen Landessozialgerichts nicht uneingeschränkt zugestimmt. So kann nach dem Beschluss des
OVG Lüneburg vom 16.09.2010 (Az.:
2 ME 278/10) die Zuweisung eines behinderten Schülers mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung an eine wohnortnähere Regelgrundschule zurzeit nicht mit dem Hinweis auf
Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen -
BRK - (UNBehRÜbk) verlangt werden. Im Übrigen besteht hinsichtlich der Kostenübernahme keine Bindung des Trägers der Sozialhilfe an die Zuweisungsentscheidung des Schulträgers (siehe dazu auch unten). Diese ist ohnehin, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nur mehr in Ausnahmefällen zwingend nach einem vorausgehenden Abstimmungsverfahren (
Art. 41
Abs. 3 bis 5 BayEUG) möglich. Die Nichtbefolgung der elterlichen Entscheidung ist letztlich nur mehr möglich, wenn die Schülerin oder der Schüler in der Entwicklung gefährdet ist oder sie oder er die Rechte von Mitgliedern der Schulgemeinschaft erheblich beeinträchtigt. Die frühere Rechtslage ist insoweit überholt, dass die Schulbehörde ein schulrechtliches Bestimmungsrecht hat, welches nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2005 -
BVerwG 5 C 20.04 - (BVerwGE 123, 316) auch die Sozialhilfebehörde bindet (
vgl. dazu auch die Fortführung in der Entscheidung zum "integrativen Mehrwert" vom 26.10.2007, Az.: 5 C 35/06).
Nach jetziger Rechtslage kann die Schulauswahl durch die Eltern (
vgl. Art 41
Abs.1
S. 3 BayEUG: "die Erziehungsberechtigten entscheiden, an welchem der im Einzelfall rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden schulischen Lernorte ihr Kind unterrichtet werden soll") die gesetzlichen Voraussetzungen der Eingliederungshilfe nicht ersetzen. Weder ist dies in Schulgesetzen normiert, noch entspricht dies dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (§§ 31, 40
SGB I). Die Voraussetzungen für die bei einer inklusiven Beschulung erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen sind vielmehr unabhängig nach den hierfür geltenden Vorschriften zu prüfen. Nach
Art. 30 a
Abs. 8 BayEUG können die Schülerinnen und Schüler sich in ihrem sozial- oder jugendhilferechtlichen Hilfebedarf durch Schulbegleiterinnen oder Schulbegleiter nach Maßgabe der hierfür geltenden Bestimmungen unterstützen lassen.
Art. 30 a
Abs. 4 BayEUG bestimmt schließlich, dass die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Sehen, Hören sowie körperliche und motorische Entwicklung in die allgemeine Schule der Zustimmung des Schulaufwandsträgers bedarf. Diese kann allerdings bei erheblichen Mehraufwendungen verweigert werden. Insoweit spräche eine zwingende Verbindung zwischen Schulzuweisung und Kostenträgerschaft eher gegen die hier beabsichtige Inklusion, sofern die Schule den Dolmetschereinsatz tragen müsste. Andererseits ergibt sich aus
Art. 30 a
Abs. 8 BayEUG eindeutig, dass die sozialhilferechtliche Entscheidung über den Hilfebedarf für einen Schulbegleiter (d.h. hier des Gebärdensprachdolmetschers) unabhängig von den Wertungen des BayEUG nach den zu beachtenden sozialhilferechtlichen Bestimmungen zu treffen ist.
Angesichts der fehlenden Überzeugung des Senats von einem hinreichend glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch bleibt der Beschwerde der Erfolg versagt. Zwar stehen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch in einem wechselseitig bedingten Verhältnis. Es ist eine Wechselbezüglichkeit zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Sinne der Herstellung einer Gewichtungsrelation beachten; hierbei sind insbesondere die hypothetischen Folgen bei Versagung bzw Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu berücksichtigen (Krodel, online-Kommentar zu § 86b
SGG Rdnr. 75a).
Hier liegt aber keine Überzeugung vom Vorliegen eines derart gewichtigen Anordnungsgrundes vor, dass der Beschwerde unter diesem Aspekt stattzugeben wäre. Zum selben Ergebnis würde man auch bei einer anzustrebenden Güterabwägung gelangen (zum Meinungsstreit
vgl. Rn 29a zu § 86b
SGG, 8. Aufl. Meyer-Ladewig, wonach bei offenem Ausgang eine umfassende Interessenabwägung erforderlich sei
bzw. Krodel, online-Kommentar zu § 86b
SGG Rdnr. 68a, wonach sich eine Eilentscheidung in Vornahmesachen, die sich nur auf eine Interessenabwägung stützt, verbietet).
Fest steht lediglich, dass die Finanzierung der Dolmetscherkosten durch die Antragstellerin bis zum Abschluss der Hauptsache nicht möglich sein wird. Es ist aber nicht ersichtlich, welche gravierenden Nachteile der Antragstellerin drohen, wenn sie die Förderschule besucht, in deren Einrichtung sie schon Schul- vorbereitende Erfahrungen (SVE) gesammelt hat. Die Förderschule ist nach wie vor bereit, die Antragstellerin aufzunehmen und muss dies auch tun. Nach
Art. 41
Abs. 1
S. 2 BayEUG kann die Förderschule besucht werden, sofern die Schülerin oder der Schüler einer besonderen sonderpädagogischen Förderung bedarf, was von dieser bereits festgestellt worden ist. Die Aufnahme an der Förderschule setzt zwar die Erstellung eines sonderpädagogischen Gutachtens voraus (
Art. 41
Abs. 4
S. 2 BayEUG). Ein solches liegt aber bereits vor und empfiehlt die Einschulung in der Förderschule.
Es ist bei einem Erfolg in der Hauptsache auch nicht zu befürchten, dass eine Beschulung an der Regelschule zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich wäre. Ebenso wenig ist zu befürchten, dass bis dahin ein vom Standard der Förderschule abweichender Bildungsrückschritt eintreten würde. Auch wird die Antragstellerin nicht ihre bisher in der deutschen Gebärdensprache erworbenen Fähigkeiten verlieren, nachdem dies in ihrer Familie die Umgangssprache ist. Auch die Fahrzeiten sind kein gravierender Einschnitt mit Lebensführung der Antragstellerin, da sie allen übrigen Besuchern der Förderschule ebenso zugemutet werden. Gegenüber der Beschulung in der Förderschule kann bei einem möglichen Erfolg in der Hauptsache lediglich eine gewisse Verzögerung im beabsichtigen Bildungsfortschritt der Antragstellerin erfolgen, der aber schwer zu prognostizieren ist. Die Tatsache, dass die Antragstellerin seit dem 13.09.2011 die Regelschule erfolgreich absolviert hat und nunmehr aus dem Klassenverband herausgerissen wird, kann ebenfalls nicht zu einem anderen Abwägungsergebnis führen. Der Antragstellerin war dieses "Risiko" durchaus bekannt, als sie den Schulbesuch in der Regelschule ohne eine entsprechende Kostenzusage des Antragsgegners antrat.
Der Beschluss des SG erging daher im Ergebnis zu Recht. Die Beschwerde ist daher war mit der Kostenfolge des § 193
SGG (analog) zurückzuweisen.
Prozesskostenhilfe (PKH) ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde nicht zu bewilligen. Nach § 73 a
Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) in Verbindung mit § 114
Abs. 1 der Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Abzustellen ist hier auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und hier speziell auf das Beschwerdeverfahren. Anders mag die Beurteilung im Hauptsacheverfahren sein (
vgl. beispielsweise Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 19.07.2011, Az.: L 15
VG 5/11 B PKH, wenn das Gericht auf dem Weg zu seinem Ergebnis schwierige rechtliche Probleme zu bewältigen hat). Dies ist hier bei der Beurteilung der Glaubhaftmachung nicht der Fall.