Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 6. September 2005 ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben und den Klägern die geltend gemachten Zahlungsansprüche zugesprochen.
Die Beklagte hat rechtswidrig die Zahlung der Festbeträge für Sehhilfen für die Versorgung der im Einzelnen benannten Versicherten verweigert. Ein entsprechender Anspruch der Kläger ergibt sich aus
§§ 127 Abs. 1,
33 Abs. 1 und 2 in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung (
a. F.),
36 SGB V i. V. m. § 7
Abs. 1 des Vertrages sowie der Anlage 4a zu dem Vertrag. Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat und zwischen den Parteien auch unstreitig ist, liegen die sonstigen Voraussetzungen, wie medizinische Notwendigkeit, Verordnung
etc., vor; die sich aus § 7
Abs. 1 des Vertrages ergebenden Vergütungsansprüche sind auch bereits mit der verbindlichen Bestellung der Sehhilfen durch die Versicherten im Jahre 2003 entstanden. Dass die Zahlung von Festbeträgen zum 01.01.2004 bei erwachsenen Versicherten, die nicht in besonderer Weise in ihrem Sehvermögen beeinträchtigt sind, entfallen ist, steht dem Vergütungsanspruch der Kläger nicht entgegen; denn die ab dem 01.01.2004 geltende Fassung des § 33
Abs. 1 und 2
SGB V ist nicht maßgeblich. Danach besteht ein Anspruch für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, auf Sehhilfen nur noch, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Unstreitig sind diese Voraussetzungen bei den von der Klägern versorgten Versicherten nicht gegeben. Zu Gunsten der Kläger ist für das Entstehen des Anspruchs jedoch auf § 33
Abs. 1 und 2
SGB V a. F. abzustellen. Nach dieser bis zum 31.12.2003 geltenden Regelung hatten Versicherte
u. a. Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen. Da für Sehhilfen ein Festbetrag gemäß § 36
SGB V festgesetzt war, hatte die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages zu tragen. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen unstreitig vor. Es bestehen auch keine Bedenken gegen deren Anwendbarkeit auf die streitbefangenen Fälle.
Insbesondere steht nicht entgegen, dass die Auslieferung der Sehhilfen erst im Januar 2004, also nach Änderung des § 33
SGB V, erfolgte. Auf welchen Zeitpunkt für das Entstehen der Ansprüche der Kläger auf die Vergütung und damit auf welche Fassung des § 33
SGB V abzustellen ist, leitet sich aus dem Anspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse auf Kostentragung bis zur Höhe des Festbetrage ab; denn an diesen Anspruch knüpft § 7
Abs. 1 des Vertrages
i. V. m. Anlage 4a an. Dabei vermag der Eintritt des sogenannten Versicherungsfalles (
BSG SozR 3-2500 § 19
Nr. 3 m. w. N.), also des Zeitpunktes, zu dem die behandlungsbedürftige Erkrankung - hier die Sehschwäche - auftritt, mangels Konkretisierung auf bestimmte Sachleistungen nicht bereits die Krankenkasse zur Kostentragung bis zur Höhe des Festbetrages zu verpflichten; denn der Anspruch des Versicherten aus
§ 27 Abs. 1 SGB V auf Krankenbehandlung, der nach
Abs. 1
S. 1
Nr. 3 auch die Versorgung mit Hilfsmitteln - hier Sehhilfen - umfasst, stellt lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht (
BSG SozR 3-2500 § 135
Nr. 4; SozR 3-2500 § 39
Nr. 5; SozR 3-2500 § 19
Nr. 3) dar, das der Konkretisierung bedarf, bevor der Versicherte daraus ein Recht ableiten kann, von seiner Krankenkasse ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Nach Auffassung des Senates ist der anspruchsbegründende Leistungsfall (
BSG,
a. a. O.), die Versorgung des Versicherten mit einer Sehhilfe, jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst mit der tatsächlichen Lieferung des Hilfsmittels eingetreten. Zwar könnte der Begriff der "Versorgung" in §§ 27
Abs. 1
Nr. 3, 33
Abs. 1
S. 1,
Abs. 2
SGB V für eine solche Auslegung sprechen. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Gesetzgeber offensichtlich zwi-schen "Versorgung" und "durchgeführter Versorgung" unterscheidet. So knüpfte die Zuschusspflicht der Kassen bis zum Zeitpunkt der - zum 01.01.1999 in Kraft getretenen - Änderung in allen davor geltenden Fassungen des
§ 30 Abs. 1 S. 1 SGB V an eine "durchgeführte Versorgung" mit Zahnersatz an. Die Leistungspflicht der Krankenkassen war in diesen Fällen nach dem Gesetzeswortlaut erst dann erfüllt und der Anspruch auf Bezuschussung erst dann entstanden, wenn die Behandlung abschließend durchgeführt war (
BSG a. a. O.; siehe auch zur Verordnung und Auslieferung orthopädischer Schuhe:
BSG SozR 2200 § 182b
Nr. 32). Voraussetzung für eine solche Betrachtungsweise ist jedoch, wie das
BSG im Zusammenhang mit der vergleichbaren Problematik der Zuständigkeit von Krankenkassen nach einem Kassenwechsel, die ebenfalls an den Eintritt des Leistungsfalls anknüpft, betont hat (
BSG SozR-3 2500 § 19
Nr. 3), dass sich auch abrechnungstechnisch die Teilakte, die Bestandteil der Gesamtversorgung des Versicherten sind, trennen lassen. So hat das
BSG eine Leistungspflicht der neuen Krankenkasse als gegeben erachtet, wenn ein Kassenwechsel zwischen kieferorthopädischem Behandlungsplan und Eingliederung des Zahnersatzes erfolgte (
BSG a. a. O.). Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass eine abrechnungstechnische Trennung zwischen den beiden Behandlungsabschnitten erfolgen könne. Dass durch den Behandlungsplan bereits eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens des Versicherten eingetreten war, hat das
BSG in diesem Zusammenhang als nicht ausschlaggebend bewertet, obwohl durch den Behandlungsplan neben der medizinischen Notwendigkeit der Behandlungswunsch der Versicherten und die Behandlungsbereitschaft des (Zahn-) Arztes dokumentiert werden. Gerade abrechnungstechnisch aber unterscheidet sich der Anspruch der Versicherten auf Kostentragung bis zur Höhe des Festbetrages bei Sehhilfen von der Eingliederung von Zahnersatz. Dem Augenoptiker bietet sich auf der Grundlage des Vertrages keine Möglichkeit, den für die Festlegung des konkreten Auftragsinhalts erforderlichen erheblichen Aufwand gesondert abzurechnen. Dieser fließt vielmehr in den Abgabepreis der Brille und damit auch in den Festbetrag mit ein. Aus Sicht des Senates stellt sich die "gestreckte Versorgung" (Verordnung oder Ersatzbescheinigung - Auftrag - Anpassung - Übergabe) der Versicherten mit Sehhilfen auch inhaltlich so dar, dass alle für die Erstellung der Sehhilfen erforderlichen Daten bereits bei der verbindlichen Auftragserteilung durch den Versicherten festgelegt werden, es danach nur noch der Umsetzung durch Fertigung der Sehhilfen bedarf, zumal die Beklagte auf eine Genehmigung im Einzelfall verzichtet hat. Wie die Kläger zu Recht einwenden, kommt der Anpassung der Sehhilfe im Rahmen der Auslieferung keine tragende Bedeutung zu. Mängel bei der Umsetzung des vom Versicherten erteilten Auftrages sind dem Bereich der Haftung zuzuordnen, nicht aber der Erstellung des Produktes. Stellt sich aber, wie hier, die begonnene "Behandlung" mit Rücksicht auf die Art der Abrechnung als Einheit dar, so hat das
BSG in den Fällen des Kassenwechsels keine Bedenken gehabt, eine fortlaufende Zuständigkeit der alten Kasse bis zum endgültigen Abschluss der Behandlung anzunehmen (
BSG SozR 3-2500 § 19
Nr. 4). Der Senat hält die Argumentation für übertragbar auf den vorliegenden Fall. Dem trägt letztlich auch § 7
Abs. 2 des Vertrages Rechnung, der den Augenoptikern in bestimmten Fällen eine Vergütung zuspricht, obwohl eine Auslieferung der Sehhilfen an den Versicherten gar nicht stattfindet.
Für die oben dargelegte Auffassung spricht das weitere, aus Sicht des Senates überzeugende Argument, auf das das Sozialgericht Hildesheim (Urteil vom 03.05.2005, Az.:
S 20 KR 105/04, www.sozialgerichtsbarkeit.de) hingewiesen hat: Bis zum 31.12.2003 konnten die zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Augenärzte auf der Grundlage des § 33
SGB V a. F. Sehhilfen rechtswirksam verordnen und ihre Leistung gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung liquidieren. Wenn der Gesetzgeber die Verordnung von Sehhilfen bis zu dem Stichtag zugelassen hat, so muss dies im Rahmen der hier vorliegenden "gestreckten Versorgung" auch bezüglich der Umsetzung der Versorgung gelten. Ansonsten wäre es nur konsequent, wenn auch der Augenarzt die Leistung, die er vor dem Jahreswechsel erbracht hat, nicht mehr abrechnen könnte. Im Übrigen spricht gegen die Auffassung der Beklagten, dass es für alle Beteiligten - Augenärzte, Versicherte, Augenoptiker - überhaupt nicht voraussehbar war, welche Leistung noch unter den Voraussetzungen der alten Gesetzeslage erbracht werden könnten, wenn es maßgeblich auf die Auslieferung der Sehhilfen ankommen würde. Der Ansturm der Versicherten, die bis zum Jahresende 2003 von den Vorzügen der alten Gesetzeslage profitieren wollten, führte nach eigener Kenntnis des Senates dazu, dass nicht nur die Augenoptiker die erteilten Aufträge nicht in der üblichen Bearbeitungszeit erledigen konnten, sondern auch die optische Industrie weitaus längere Zeiträume für die Herstellung der Gläser benötigte. Für die Versicherten war es daher keineswegs, wie die Beklagte glaubt, absehbar, bis wann eine in Auftrag gegebene Sehhilfe zur Abholung bereitstehen würde. Sogar in den Fällen, in denen der Versicherte noch aus seiner Sicht alles unter der Geltung des alten Gesetzes Notwendige getan hat um die Sehhilfe zu erhalten, würde er den ihm im Grunde nach rechtlich zustehenden Kassenzuschuss dann nicht erhalten. Im Übrigen würde es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Versicherten, die mit im Lager vorrätigen Standardgläser zu versorgen sind, im Verhältnis zu Versicherten, die auf Gläser in zeitaufwändiger Sonderfertigung zurückgreifen müssen, kommen. Aus der Gesetzesentstehung, insbesondere den Materialien zum GMG (BT-Drucksache 15/1525) ist aber eine derartige Beschneidung der Ansprüche der Versicherten, die im Hinblick auf die Lieferschwierigkeiten der optischen Industrie faktisch bereits im Dezember 2003 eingesetzt hätten, ab dem 1. Januar 2004 nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber hätte - wie in der Vergangenheit beispielsweise in § 30
Abs. 1
S. 1
SGB V in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung - ohne Weiteres entsprechende gesetzliche Klarstellungen treffen können, die unmittelbar auf den Vertrag durchgeschlagen wären (
BSG SozR 3-110
Art. 14
Nr. 41 zur Höhe des Anspruch von Augenoptikern auf Vergütung für die Aufarbeitung von Brillengestellen), wenn er eine der Auffassung der Beklagten entsprechende Anwendung des § 33
Abs. 1 und 2
SGB V n. F. hätte sicherstellen und eine exzessive Inanspruchnahme von Leistungen im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung ("Blüm-Bauch"-Problematik), insbesondere kurz vor dem Stichtag, hätte verhindern wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)
i. V. m. §§ 154
Abs. 1, 161
Abs. 1, 162
Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO).
Der Senat hat die Revision gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.