Urteil
Richtlinie RL 2000/78/EG: Entlassung eines Arbeitnehmers, der selbst keine Behinderung hat, dessen Kind aber behindert ist

Gericht:

EuGH


Aktenzeichen:

C-303/06


Urteil vom:

17.07.2008


In der Rechtssache C-303/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Employment Tribunal London South (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 6. Juli 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juli 2006, in dem Verfahren

S. Coleman

gegen

Attridge Law,
Steve Law

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

....

folgendes Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Coleman, Klägerin des Ausgangsverfahrens, und Attridge Law, einer Anwaltskanzlei, sowie einem Partner dieser Kanzlei, Herrn Steve Law, (im Folgenden gemeinsam: ehemaliger Arbeitgeber), wegen ihrer, wie Frau Coleman vorträgt, erzwungenen Kündigung.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a sind dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, der nicht selbst behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und ist nachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt eine solche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78.

2. Die Richtlinie 2000/78 und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 sind dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Verbot der Belästigung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Wird nachgewiesen, dass ein unerwünschtes Verhalten, das eine Belästigung darstellt und dem ein Arbeitnehmer ausgesetzt ist, der nicht selbst behindert ist, im Zusammenhang mit der Behinderung seines Kindes steht, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt ein solches Verhalten gegen das Verbot der Belästigung in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen:

Frau Coleman arbeitete ab Januar 2001 als Anwaltssekretärin für ihren ehemaligen Arbeitgeber.

Im Jahr 2002 gebar sie einen Sohn, der an apnoischen Anfällen und an angeborener Laryngomalazie und Bronchomalazie leidet. Der Zustand ihres Sohnes erfordert eine spezialisierte und besondere Pflege. Die für ihn erforderliche Pflege wird im Wesentlichen von der Klägerin des Ausgangsverfahrens geleistet.

Am 4. März 2005 stimmte sie einer freiwilligen Entlassung ("voluntary redundancy") zu, wodurch der Vertrag mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber beendet wurde.

Am 30. August 2005 reichte sie beim Employment Tribunal London South eine Klage ein, mit der sie vorbringt, wegen der Tatsache, dass sie Hauptbetreuerin eines behinderten Kindes sei, Opfer einer erzwungenen sozialwidrigen Kündigung ( "constructive unfair dismissal") gewesen zu sein und eine weniger günstige Behandlung als die anderen Arbeitnehmer erfahren zu haben. Durch diese Behandlung sei sie gezwungen gewesen, ihr Arbeitsverhältnis mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber zu beenden.

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der maßgebliche Sachverhalt des Ausgangsverfahrens noch nicht vollständig ermittelt wurde, da sich die Vorlagefragen nur als Vorfragen stellten. Das vorlegende Gericht setzte die Entscheidung über den Teil der Klage aus, der die Entlassung von Frau Coleman betrifft, am 17. Februar 2006 führte es aber eine vorbereitende Anhörung über den Klagegrund der Diskriminierung durch.

Bei diesem Gericht stellt sich die Vorfrage, ob sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens auf die Bestimmungen des nationalen Rechts, insbesondere diejenigen zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78, stützen kann, um gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber geltend zu machen, dass sie wegen einer Benachteiligung im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes diskriminiert worden sei.

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Klage von Frau Coleman beim vorlegenden Gericht nach nationalem Recht nicht stattgegeben werden könnte, wenn die Auslegung der Richtlinie 2000/78 durch den Gerichtshof der Auslegung widersprechen sollte, die von Frau Coleman befürwortet wird.

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich weiter, dass nach dem Recht des Vereinigten Königreichs das angerufene Gericht bei einer vorbereitenden Anhörung über eine Rechtsfrage davon ausgeht, dass sich der Sachverhalt wie vom Kläger dargestellt ereignet hat. Im Ausgangsverfahren wird von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

- Als Frau Coleman aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkam, weigerte sich ihr ehemaliger Arbeitgeber, sie an ihren früheren Arbeitsplatz zurückkehren zu lassen; die Eltern nicht behinderter Kinder hätten unter diesen Umständen auf ihre frühere Stelle zurückkehren dürfen.

- Er lehnte es auch ab, ihr die gleichen flexiblen Arbeitszeiten und die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewähren wie ihren Kollegen, die keine behinderten Kinder haben.

- Frau Coleman wurde als "faul" bezeichnet, wenn sie freinehmen wollte, um ihr Kind zu betreuen, während Eltern nicht behinderter Kinder diese Möglichkeit gewährt wurde.

- Die offizielle Beschwerde, die sie gegen ihre schlechte Behandlung einreichte, wurde nicht sachgemäß behandelt, und sie sah sich gezwungen, sie zurückzuziehen.

- Es gab unangemessene und verletzende Bemerkungen sowohl in Bezug auf sie selbst als auch in Bezug auf ihr Kind. Es wurden keine solchen Bemerkungen gemacht, wenn andere Arbeitnehmer freinehmen oder eine gewisse Flexibilität beantragen mussten, um sich um ihre nicht behinderten Kinder zu kümmern.

- Da sie gelegentlich wegen Problemen im Zusammenhang mit dem Zustand ihres Kindes zu spät kam, wurde ihr gesagt, dass sie entlassen werde, wenn sie erneut zu spät komme. Eine solche Drohung wurde gegenüber anderen Arbeitnehmern mit nicht behinderten Kindern, die aus den gleichen Gründen zu spät kamen, nicht ausgesprochen.

Da das Employment Tribunal London South der Ansicht ist, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwirft, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Schützt die Richtlinie 2000/78 im Rahmen des Verbots der Diskriminierung wegen einer Behinderung nur Menschen vor unmittelbarer Diskriminierung und Belästigungen, die selbst eine Behinderung haben?

2. Falls die erste Frage verneint wird, schützt die Richtlinie 2000/78 auch Arbeitnehmer, die zwar nicht selbst eine Behinderung haben, aber wegen ihrer Beziehung zu einem Menschen mit Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfahren oder belästigt werden?

3. Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer weniger günstig behandelt, als er andere Arbeitnehmer behandelt oder behandeln würde, und feststeht, dass der Grund für die Behandlung des Arbeitnehmers darin liegt, dass dieser einen Sohn mit Behinderung hat, den er betreut, stellt diese Behandlung dann eine unmittelbare Diskriminierung dar, die den durch die Richtlinie 2000/78 festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt?

4. Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer belästigt und feststeht, dass der Grund für die Behandlung des Arbeitnehmers darin liegt, dass er einen Sohn mit Behinderung hat, den er betreut, stellt diese Belästigung dann eine Verletzung des durch die Richtlinie 2000/78 festgelegten Grundsatzes der Gleichbehandlung dar?

Hinweis:

Die Richtlinie 2000/78/EG finden Sie im Internet unter:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=140620079...

Fachbeiträge zum Thema finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2011/A_1...
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/b/2011/B12...

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

EUR-Lex Der Zugang zum EU-Recht
Curia - Gerichtshof der Europäischen Union

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Coleman, Klägerin des Ausgangsverfahrens, und Attridge Law, einer Anwaltskanzlei, sowie einem Partner dieser Kanzlei, Herrn Steve Law, (im Folgenden gemeinsam: ehemaliger Arbeitgeber), wegen ihrer, wie Frau Coleman vorträgt, erzwungenen Kündigung.

Rechtlicher Rahmen:


Gemeinschaftsrecht:

Die Richtlinie 2000/78 wurde auf der Grundlage von Art. 13 EG erlassen. Ihre Erwägungsgründe 6, 11, 16, 17, 20, 27, 31 und 37 lauten:

"(6) In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer wird anerkannt, wie wichtig die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung und geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung sind.

...

(11) Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.

...

(16) Maßnahmen, die darauf abstellen, den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen, spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Diskriminierungen wegen einer Behinderung.

(17) Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.

...

(20) Es sollten geeignete Maßnahmen vorgesehen werden, d. h. wirksame und praktikable Maßnahmen, um den Arbeitsplatz der Behinderung entsprechend einzurichten, z. B. durch eine entsprechende Gestaltung der Räumlichkeiten oder eine Anpassung des Arbeitsgeräts, des Arbeitsrhythmus, der Aufgabenverteilung oder des Angebots an Ausbildungs- und Einarbeitungsmaßnahmen.

...

(27) Der Rat hat in seiner Empfehlung 86/379/EWG vom 24. Juli 1986 [ABl. L 225, S. 43] zur Beschäftigung von Behinderten in der Gemeinschaft einen Orientierungsrahmen festgelegt, der Beispiele für positive Aktionen für die Beschäftigung und Berufsbildung von Menschen mit Behinderung anführt; in seiner Entschließung vom 17. Juni 1999 betreffend gleiche Beschäftigungschancen für behinderte Menschen [ABl. C 186, S. 3] hat er bekräftigt, dass es wichtig ist, insbesondere der Einstellung, der Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses sowie der beruflichen Bildung und dem lebensbegleitenden Lernen von Menschen mit Behinderung besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

...

(31) Eine Änderung der Regeln für die Beweislast ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist. Allerdings obliegt es dem Beklagten nicht, nachzuweisen, dass der Kläger einer bestimmten Religion angehört, eine bestimmte Weltanschauung hat, eine bestimmte Behinderung aufweist, ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte sexuelle Ausrichtung hat.

...

(37) Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 5 des EG-Vertrags kann das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in der Gemeinschaft bezüglich der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden und kann daher wegen des Umfangs und der Wirkung der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden. Im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach jenem Artikel geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus."

Art. 1 der Richtlinie 2000/78 lautet: "Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten."

Art. 2 ("Der Begriff 'Diskriminierung'") Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

"(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet 'Gleichbehandlungsgrundsatz', dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder

ii) der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den in Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenden Nachteile zu beseitigen.

(3) Unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem der Gründe nach Artikel 1 in Zusammenhang stehen und bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind Belästigungen, die als Diskriminierung im Sinne von Absatz 1 gelten. In diesem Zusammenhang können die Mitgliedstaaten den Begriff 'Belästigung' im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten definieren.

..."

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

"Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

...

c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

..."

Art. 5 ("Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung") dieser Richtlinie sieht vor:

"Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. ..."

Art. 7 ("Positive und spezifische Maßnahmen") der Richtlinie 2000/78 lautet:

"(1) Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.

(2) Im Falle von Menschen mit Behinderung steht der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten entgegen, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch steht er Maßnahmen entgegen, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern."

Art. 10 ("Beweislast") der Richtlinie bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.

Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt."

Nach Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie spätestens zum 2. Dezember 2003 nachzukommen. In Abs. 2 dieses Artikels heißt es jedoch:

"Um besonderen Bedingungen Rechnung zu tragen, können die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls eine Zusatzfrist von drei Jahren ab dem 2. Dezember 2003, d. h. insgesamt sechs Jahre, in Anspruch nehmen, um die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung umzusetzen. In diesem Fall setzen sie die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. Ein Mitgliedstaat, der die Inanspruchnahme dieser Zusatzfrist beschließt, erstattet der Kommission jährlich Bericht über die von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen des Alters und einer Behinderung und über die Fortschritte, die bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt werden konnten. Die Kommission erstattet dem Rat jährlich Bericht."

Da das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland eine solche Zusatzfrist für die Umsetzung der Richtlinie beantragt hatte, lief die Umsetzungsfrist für diesen Mitgliedstaat erst am 2. Dezember 2006 ab.

Nationales Recht:

Das Gesetz von 1995 über Diskriminierung wegen einer Behinderung (Disability Discrimination Act 1995) (im Folgenden: DDA) soll im Wesentlichen bewirken, dass Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Behinderung, insbesondere im Zusammenhang mit der Beschäftigung, rechtswidrig sind.

Bei der Umsetzung der Richtlinie 2000/78 in die Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs wurde der zweite Teil des DDA, in dem Fragen der Beschäftigung geregelt sind, durch das Gesetz von 2003 zur Änderung des Gesetzes von 1995 über Diskriminierung wegen einer Behinderung (Disability Discrimination Act 1995 [Amendment] Regulations 2003), das am 1. Oktober 2004 in Kraft getreten ist, geändert.

Nach Section 3 A (1) DDA in der Fassung des Gesetzes von 2003 (im Folgenden: DDA 2003)

"... wird eine Person mit Behinderung diskriminiert, wenn jemand

a) sie aus einem Grund, der mit ihrer Behinderung im Zusammenhang steht, weniger günstig behandelt als er andere Personen, für die dieser Grund nicht gilt oder gelten würde, behandelt oder behandeln würde, und

b) er nicht beweisen kann, dass diese Behandlung gerechtfertigt ist".

Nach Section 3 A (4) DDA 2003 kann die Behandlung einer Person mit Behinderung auf keinen Fall gerechtfertigt sein, wenn sie einer unmittelbaren Diskriminierung im Sinne von Section 3 A (5) gleichkommt, die lautet:

"Eine Person mit Behinderung wird unmittelbar diskriminiert, wenn jemand diese Person wegen ihrer Behinderung weniger günstig behandelt, als er eine Person behandelt oder behandeln würde, die diese bestimmte Behinderung nicht hat und die die gleichen oder nicht merklich verschiedenen Eigenschaften, einschließlich der Fähigkeiten, hat wie die Person mit Behinderung."

Der Begriff der Belästigung wird in Section 3 B DDA 2003 wie folgt definiert:

"1. ... eine Person mit Behinderung wird belästigt, wenn jemand sich ihr gegenüber aus einem Grund, der mit ihrer Behinderung im Zusammenhang steht, auf eine unerwünschte Weise verhält und damit bezweckt oder bewirkt,

a) die Würde der Person mit Behinderung zu verletzen oder
b) ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen.

2. Ein Verhalten hat die in Abs. 1 Buchst. a und b genannte Wirkung, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände und insbesondere der Empfindungen der Person mit Behinderung vernünftigerweise von einer solchen Wirkung auszugehen ist."

Nach Section 4 (2)(d) DDA 2003 ist es einem Arbeitgeber verboten, eine bei ihm beschäftigte Person mit Behinderung durch Entlassung oder Zufügung irgendeines anderen Schadens zu diskriminieren.

Nach Section 4 (3)(a) und (b) DDA 2003 ist es einem als solcher handelnden Arbeitgeber auch verboten, eine behinderte Person, die bei ihm beschäftigt ist oder sich bei ihm beworben hat, zu belästigen.

Zur Zulässigkeit:

Die niederländische Regierung ist zwar der Ansicht, dass den Fragen des vorlegenden Gerichts ein echter Rechtsstreit zugrunde liege, stellt jedoch die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens wegen des Umstands in Frage, dass noch nicht der gesamte Sachverhalt der Rechtssache ermittelt ist, da es sich um Vorfragen im Rahmen einer vorbereitenden Anhörung handelt. Sie trägt vor, bei einer solchen vorbereitenden Anhörung gehe das nationale Gericht davon aus, dass sich der Sachverhalt so ereignet habe, wie er von der Klägerin dargestellt worden sei.

Insoweit ist daran zu erinnern, dass Art. 234 EG den Rahmen für eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof schafft, die auf einer Verteilung der Aufgaben zwischen ihnen beruht. Aus Art. 234 Abs. 2 EG geht klar hervor, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, darüber zu entscheiden, in welchem Verfahrensstadium es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof richten soll (vgl. Urteile vom 10. März 1981, Irish Creamery Milk Suppliers Association u. a., 36/80 und 71/80, Slg. 1981, 735, Randnr. 5, und vom 30. März 2000, JämO, C-236/98, Slg. 2000, I-2189, Randnr. 30).

Im Ausgangsverfahren hat das vorlegende Gericht festgestellt, dass Frau Coleman, sollte die Auslegung der Richtlinie 2000/ 78 durch den Gerichtshof nicht mit der von ihr befürworteten Auslegung übereinstimmen, in der Sache nicht obsiegen könnte. Das vorlegende Gericht hat somit, wie es nach den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs erlaubt ist, entschieden, die Frage zu prüfen, ob diese Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie auf die Entlassung eines Arbeitnehmers in einer Situation wie der von Frau Coleman anzuwenden ist, bevor es ermittelt, ob diese tatsächlich benachteiligt oder belästigt worden ist. Deshalb wurden die Vorlagefragen unter der Annahme gestellt, dass sich der Sachverhalt so ereignet hat, wie er in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist.

Wenn der Gerichtshof somit mit einem Ersuchen um Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst ist, das nicht offensichtlich ohne Bezug zur Realität oder zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist, und wenn er über die erforderlichen Angaben verfügt, um eine sachdienliche Antwort auf die ihm gestellten Fragen zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78 auf diesen Rechtsstreit zu geben, muss er darauf antworten; er braucht nicht selbst den angenommenen Sachverhalt zu prüfen, auf den sich das vorlegende Gericht gestützt hat; die Annahme wird vom vorlegenden Gerichts später nachzuprüfen sein, falls sich dies als erforderlich erweisen sollte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 1993, Enderby, C-127/92, Slg. 1993, I- 5535, Randnr. 12).

Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher als zulässig anzusehen.

Zu den Vorlagefragen:

Zum ersten Teil der ersten Frage sowie zur zweiten und zur dritten Frage:

Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2000/78 und insbesondere die Art. 1 und 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a dahin auszulegen sind, dass sie eine unmittelbare Diskriminierung wegen einer Behinderung nur gegenüber einem Arbeitnehmer, der selbst behindert ist, verbieten oder ob der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung auch für einen Arbeitnehmer gelten, der nicht selbst behindert ist, der aber, wie im Ausgangsverfahren, wegen einer Behinderung seines Kindes benachteiligt wird, für das er selbst im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, die dessen Zustand erfordert.

Nach Art. 1 der Richtlinie 2000/78 ist deren Zweck die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf.

Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie definiert den Gleichbehandlungsgrundsatz dahin, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 genannten Gründe, somit einschließlich der Behinderung, geben darf.

Gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person u. a. wegen einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gilt die Richtlinie 2000/78 im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts.

Somit ergibt sich aus diesen Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 nicht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, den sie gewährleisten soll, auf Personen beschränkt ist, die selbst eine Behinderung im Sinne der Richtlinie haben. Ihr Zweck ist vielmehr, in Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung aus Gründen einer Behinderung zu bekämpfen. Der in diesem Bereich in der Richtlinie 2000/78 verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz gilt nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern in Bezug auf die in ihrem Art. 1 genannten Gründe. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Art. 13 EG untermauert, der die Rechtsgrundlage der Richtlinie 2000/78 ist und in dem der Gemeinschaft die Zuständigkeit übertragen wird, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen u. a. aus Gründen einer Behinderung zu bekämpfen.

Zwar enthält die Richtlinie 2000/78 eine Reihe von Bestimmungen, die, wie sich aus deren Wortlaut selbst ergibt, nur für Behinderte gelten. So bestimmt ihr Art. 5, dass angemessene Vorkehrungen zu treffen sind, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten.

Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie sieht auch vor, dass im Falle von Menschen mit Behinderung der Gleichbehandlungsgrundsatz weder dem Recht der Mitgliedstaaten, Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz beizubehalten oder zu erlassen, noch Maßnahmen entgegensteht, mit denen Bestimmungen oder Vorkehrungen eingeführt oder beibehalten werden sollen, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese Eingliederung fördern.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die griechische, die italienische und die niederländische Regierung sind der Ansicht, dass im Licht sowohl der in den beiden vorausgehenden Randnummern genannten Vorschriften als auch der Erwägungsgründe 16, 17 und 27 der Richtlinie 2000/78 das in dieser vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung nicht dahin ausgelegt werden könne, dass es auch eine Situation wie die der Klägerin des Ausgangsverfahrens erfasse, da diese nicht selbst behindert sei. Auf die Bestimmungen dieser Richtlinie könnten sich nur Personen berufen, die in einer Situation, die mit der anderer Personen vergleichbar sei, wegen spezifischer, ihnen eigener Merkmale weniger günstig behandelt oder benachteiligt würden.

Dass sich die in den Randnrn. 39 und 40 des vorliegenden Urteils erwähnten Bestimmungen spezifisch auf Menschen mit einer Behinderung beziehen, folgt aus dem Umstand, dass es sich entweder um Bestimmungen handelt, die eine positive Diskriminierung zugunsten der behinderten Person selbst betreffen, oder um spezifische Maßnahmen, die ohne Bedeutung wären oder die sich als unverhältnismäßig erweisen könnten, wenn sie nicht auf Menschen mit Behinderung beschränkt wären. Wie sich aus den Erwägungsgründen 16 und 20 dieser Richtlinie ergibt, handelt es sich um Maßnahmen, mit denen den Bedürfnissen behinderter Menschen bei der Arbeit Rechnung getragen und der Arbeitsplatz der Behinderung dieser Menschen entsprechend ausgestaltet werden soll. Mit solchen Maßnahmen soll somit speziell die Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben ermöglicht und gefördert werden, und deshalb können sie nur diese Menschen sowie die Pflichten betreffen, die ihren Arbeitgebern und gegebenenfalls den Mitgliedstaaten ihnen gegenüber obliegen.

Somit kann aus der Tatsache, dass die Richtlinie 2000/78 Bestimmungen enthält, mit denen speziell den Bedürfnissen behinderter Menschen Rechnung getragen werden soll, nicht der Schluss gezogen werden, dass der dort verankerte Gleichbehandlungsgrundsatz restriktiv auszulegen ist, d. h. in dem Sinn, dass er nur unmittelbare Diskriminierungen wegen der Behinderung verbietet und ausschließlich Menschen mit Behinderung selbst betrifft. Zudem bezieht sich der sechste Erwägungsgrund dieser Richtlinie, indem er auf die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer hinweist, sowohl auf die Bekämpfung jeder Art von Diskriminierung als auch auf die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung zu treffen.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die italienische und die niederländische Regierung tragen weiter vor, dass sich eine restriktive Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/78 aus dem Urteil vom 11. Juli 2006, Chacón Navas (C-13/05, Slg. 2006, I-6467), ergebe. Nach Ansicht der italienischen Regierung hat der Gerichtshof in diesem Urteil den Begriff Behinderung und seine Erheblichkeit im Arbeitsverhältnis restriktiv ausgelegt.

Im Urteil Chacón Navas hat der Gerichtshof den Begriff Behinderung definiert und in den Randnrn. 51 und 52 dieses Urteils ausgeführt, dass das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung bei Entlassungen nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78 einer Entlassung wegen einer Behinderung entgegensteht, die unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Aufgaben ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist. Aus einer solchen Auslegung ergibt sich jedoch nicht, dass der in Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie definierte Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie nicht auf eine Situation, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, anwendbar sein können, wenn eine Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgte, für das er selbst im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, die dessen Zustand erfordert.

Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 56 des Urteils Chacón Navas ausgeführt, dass der Geltungsbereich der Richtlinie im Hinblick auf Art. 13 EG nicht über die Diskriminierungen wegen der in Art. 1 dieser Richtlinie abschließend aufgezählten Gründe hinaus ausgedehnt werden darf, so dass eine Person, die von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit entlassen wurde, nicht in den von der Richtlinie 2000/78 geschaffenen allgemeinen Rahmen fällt, er hat jedoch nicht entschieden, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz und der sachliche Geltungsbereich dieser Richtlinie hinsichtlich dieser Gründe restriktiv ausgelegt werden müssen.

Wie sich aus den Randnrn. 34 und 38 des vorliegenden Urteils ergibt, verfolgt die Richtlinie 2000/78 das Ziel, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe zu schaffen, zu denen u. a. die Behinderung zählt, und dies im Hinblick auf die Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in den Mitgliedstaaten. Aus dem 37. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt sich, dass es auch ihr Ziel ist, gleiche Ausgangsbedingungen in der Gemeinschaft bezüglich der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen.

Wie Frau Coleman, die litauische und die schwedische Regierung sowie die Kommission geltend machen, würden diese Ziele und die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gefährdet, wenn ein Arbeitnehmer in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens sich nicht auf das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie berufen könnte, wenn nachgewiesen wurde, dass er wegen der Behinderung seines Kindes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahren hat, als ein anderer Arbeitnehmer erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht selbst behindert ist.

Insoweit ergibt sich aus dem elften Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auch der Ansicht war, dass Diskriminierungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten Ziele, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigung, unterminieren können.

Zwar ist in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die Person, die unmittelbar diskriminiert wurde, nicht selbst behindert, doch ist nach Ansicht von Frau Coleman der Grund für die weniger günstige Behandlung, der sie ausgesetzt gewesen sei, sehr wohl eine Behinderung. Wie sich aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils ergibt, gilt die Richtlinie 2000/78, die darauf gerichtet ist, im Bereich Beschäftigung und Beruf jede Form der Diskriminierung wegen einer Behinderung zu bekämpfen, nicht für eine bestimmte Kategorie von Personen, sondern in Bezug auf die in ihrem Art. 1 genannten Gründe.

Wird festgestellt, dass ein Arbeitnehmer in einer Situation, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, wegen einer Behinderung unmittelbar diskriminiert wird, könnte eine Auslegung der Richtlinie, nach der ihre Anwendung auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind, dieser Richtlinie einen großen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit nehmen und den Schutz, den sie gewährleisten soll, mindern.

Was die für eine Situation wie im Ausgangsverfahren geltende Beweislast anbelangt, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Gemäß Abs. 2 dieses Artikels lässt dessen Abs. 1 das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.

Im Ausgangsverfahren ist es somit Sache von Frau Coleman, gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer nach dieser Richtlinie verbotenen unmittelbaren Diskriminierung wegen einer Behinderung vermuten lassen.

Nach dieser Bestimmung der Richtlinie 2000/78 und deren 31. Erwägungsgrund ist eine Änderung der Regeln für die Beweislast geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Sollte Frau Coleman Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung vermuten ließen, würde die tatsächliche Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes somit verlangen, dass die Beweislast bei den Beklagten des Ausgangsverfahrens liegt, die beweisen müssten, dass dieser Grundsatz nicht verletzt worden ist.

In diesem Zusammenhang könnten die Beklagten des Ausgangsverfahrens das Vorliegen eines solchen Verstoßes bestreiten, indem sie mit allen rechtlich vorgesehenen Mitteln beweisen, dass die Behandlung des Arbeitnehmers durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die mit einer Diskriminierung wegen einer Behinderung und der Beziehung dieses Arbeitnehmers zu einem Menschen mit Behinderung nichts zu tun haben.

Nach alledem ist auf den ersten Teil der ersten Frage sowie auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/78 und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a dahin auszulegen sind, dass das dort vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, der nicht selbst behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als ein anderer Arbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und ist nachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindes erfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt eine solche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78.


Zum zweiten Teil der ersten Frage und zur vierten Frage:

Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2000/78 und insbesondere die Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 dahin auszulegen sind, dass sie eine Belästigung, die mit einer Behinderung in Zusammenhang steht, nur gegenüber einem Arbeitnehmer verbieten, der selbst behindert ist, oder ob das Verbot der Belästigung auch für einen Arbeitnehmer gilt, der nicht selbst behindert ist, der aber, wie im Ausgangsverfahren, Opfer eines unerwünschten Verhaltens ist, das eine Belästigung darstellt, die mit der Behinderung seines Kindes in Zusammenhang steht, für das er selbst im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, die dessen Zustand erfordert.

Da die Belästigung nach Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 als eine Form der Diskriminierung im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels angesehen wird, sind diese Richtlinie und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 aus den gleichen Gründen, wie sie in den Randnrn. 34 bis 51 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, dahin auszulegen, dass sie sich nicht darauf beschränken, eine Belästigung gegenüber Personen zu verbieten, die selbst behindert sind.

Wird nachgewiesen, dass das unerwünschte Verhalten, das eine Belästigung gegenüber einem Arbeitnehmer darstellt, der nicht selbst behindert ist, im Zusammenhang mit der Behinderung seines Kindes steht, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt ein solches Verhalten gegen den in der Richtlinie 2000/78 verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz und insbesondere gegen das Belästigungsverbot nach Art. 2 Abs. 3 dieser Richtlinie.

Insoweit ist jedoch daran zu erinnern, dass nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78 die Mitgliedstaaten den Begriff Belästigung im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten definieren können.

Was die Beweislast in einer Situation, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, anbelangt, gelten für die Belästigung, die als eine Form der Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 angesehen wird, die gleichen Regeln, wie sie in den Randnrn. 52 bis 55 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind.

Folglich ist, wie sich auch aus Randnr. 54 des vorliegenden Urteils ergibt, gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und ihrem 31. Erwägungsgrund eine Änderung der Regeln für die Beweislast geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Sollte Frau Coleman Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer Belästigung vermuten lassen, würde die tatsächliche Umsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes somit verlangen, dass die Beweislast bei den Beklagten des Ausgangsverfahrens liegt, die beweisen müssten, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles keine Belästigung stattgefunden hat.

Nach alledem ist auf den zweiten Teil der ersten Frage und auf die vierte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2000/78 und insbesondere ihre Art. 1 und 2 Abs. 1 und 3 dahin auszulegen sind, dass das dort vorgesehene Verbot der Belästigung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Wird nachgewiesen, dass ein unerwünschtes Verhalten, das eine Belästigung darstellt und dem ein Arbeitnehmer ausgesetzt ist, der nicht selbst behindert ist, im Zusammenhang mit der Behinderung seines Kindes steht, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt ein solches Verhalten gegen das Verbot der Belästigung in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78.

Kosten:

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Referenznummer:

R/R5038


Informationsstand: 14.08.2008