Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz:
Die Richtlinie wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I
S. 1897, im Folgenden:
AGG) umgesetzt.
Der mit "Ziel des Gesetzes" überschriebene
§ 1 AGG lautet:
"Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."
§ 15
AGG ("Entschädigung und Schadensersatz") lautet:
"(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7
Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund."
Das Bürgerliche Gesetzbuch:
Nach § 195 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden:
BGB) beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre.
§ 611a
BGB in seiner bis 17. August 2006, dem Datum des Inkrafttretens des
AGG, geltenden Fassung bestimmte:
"(1) Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ... nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. ...
(2) Verstößt der Arbeitgeber gegen das in Absatz 1 geregelte Benachteiligungsverbot bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, so kann der hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen ...
(4) Ein Anspruch nach [Abs.] 2 ... muss innerhalb einer Frist, die mit Zugang der Ablehnung der Bewerbung beginnt, schriftlich geltend gemacht werden. Die Länge der Frist bemisst sich nach einer für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlussfrist; sie beträgt mindestens zwei Monate. Ist eine solche Frist für das angestrebte Arbeitsverhältnis nicht bestimmt, so beträgt die Frist sechs Monate. ..."
Das Arbeitsgerichtsgesetz:
Nach § 61b Arbeitsgerichtsgesetz vom 2. Juli 1979 (BGBl. 1979 I,
S. 853, im Folgenden:
ArbGG) muss "eine Klage auf Entschädigung nach § 15 [AGG] innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden".
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage:
Frau B. bewarb sich am 16. November 2007 im Alter von 41 Jahren auf eine Stellenanzeige, die Deutsche Büro Service in einer Zeitung geschaltet hatte. Die Stellenanzeige hatte folgenden Wortlaut:
"Wir suchen für unser junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen. Du telefonierst gern? Dann bist du genau richtig bei uns. Wir geben Dir die Möglichkeit sogar damit Geld zu verdienen. Du bist zwischen 18-35 Jahre alt und verfügst über gute Deutschkenntnisse und suchst eine Vollzeitaufgabe? ..."
Am 19. November 2007 wurde Frau B. telefonisch mitgeteilt, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden sei. Diese Absage wurde mit Schreiben vom 21. November 2007 bestätigt, dem zufolge alle Stellen besetzt seien. Es stellte sich jedoch heraus, dass zwei Personen im Alter von 20 und 22 Jahren am 19. November 2007 eingestellt worden waren.
Deutsche Büro Service veröffentlichte ähnliche Stellenanzeigen am 22. November 2007 sowie am 9. April, 3. September und 10. September 2008. In allen diesen Anzeigen tauchten die Begriffe "junges Team" und "zwischen 18 und 35 Jahre alt" auf.
Am 29. Januar 2008 erhob Frau B. beim Arbeitsgericht Hamburg Klage auf Entschädigung für die Benachteiligung, die sie erlitten zu haben behauptet.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2008 wies das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung ab, dass Frau B. ihren Anspruch nicht innerhalb der in § 15
Abs. 4
AGG festgelegten Frist gegenüber Deutsche Büro Service geltend gemacht habe.
Frau B. legte beim Landesarbeitsgericht Hamburg Berufung ein. Diesem zufolge steht fest, dass Frau B. die Frist des
§ 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten hat.
Das vorlegende Gericht fragt sich, ob § 15
Abs. 4
AGG mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität im Einklang steht, da es im Arbeitsrecht außerhalb von Tarifverträgen keine Ausschlussfristen, sondern nur allgemeine Verjährungsfristen wie die des § 195
BGB gebe und die Frist des § 15
Abs. 4
AGG zu kurz sei, als dass ein Stellenbewerber seine Ansprüche geltend machen könne.
Die Frist des § 15
Abs. 4
AGG sei außerdem kürzer als die, die § 611a
BGB in seiner bis 17. August 2006 geltenden Fassung bei geschlechtsbezogener Benachteiligung vorgesehen habe. Die neuen Rechtsvorschriften seien daher ein Rückschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.
Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht Hamburg das bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Verstößt eine nationale Gesetzgebung, nach der (außerhalb von kollektivrechtlichen Regelungen) zur schriftlichen Geltendmachung eines Schadens- und/oder Entschädigungsanspruches wegen Diskriminierung bei der Einstellung eine Frist von zwei Monaten nach Empfang der Ablehnung - oder im Wege der Auslegung: nach Kenntnis der Diskriminierung - gilt, gegen Primärrecht der
EG (Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes) und/oder das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, Richtlinie 2000/78, wenn für gleichwertige Ansprüche nach nationalem Recht dreijährige Verjährungsfristen gelten, und/oder das Verschlechterungsverbot gemäß
Art. 8 dieser Richtlinie, wenn eine frühere nationale Vorschrift bei der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine längere Ausschlussfrist vorsah?
Zur Vorlagefrage:
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Vorschrift wie § 15
Abs. 4
AGG, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Forderung gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten nach dem Zugang der Ablehnung der Einstellung
bzw. - einer anderen Auslegung zufolge - nach Kenntniserlangung von der Diskriminierung geltend machen muss, eine ordnungsgemäße Umsetzung der
Art. 8 und 9 der Richtlinie darstellt.
Es möchte speziell wissen, ob diese Vorschrift zum einen - insbesondere in Anbetracht anderer nationaler Rechtsvorschriften, nach denen für möglicherweise vergleichbare Ansprüche längere Fristen gelten - die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität und zum anderen - in Anbetracht einer früheren nationalen Rechtsvorschrift, die eine längere Ausschlussfrist bei geschlechtsbezogener Diskriminierung vorsah - das Verbot der Absenkung des Schutzniveaus beachtet.
Zu den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität:
Art. 9 der Richtlinie bestimmt zum einen, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können, und zum anderen, dass diese Verpflichtungen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend diesen Grundsatz unberührt lassen. Hieraus ergibt sich, dass die Frage der Fristen für die Einleitung von Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Richtlinie vom Unionsrecht nicht geregelt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Grundsatz der Effektivität) (
vgl. insbesondere Urteile vom 13. März 2007, Unibet, C-432/05, Slg. 2007, I-2271, Randnr. 43, vom 7. Juni 2007, van der Weerd
u. a., C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. Februar 2008, Kempter, C-2/06, Slg. 2008, I-411, Randnr. 57).
Die Wahrung des Grundsatzes der Äquivalenz setzt voraus, dass die streitige Regelung in gleicher Weise für Klagen gilt, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Klagen einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (
vgl. Urteile vom 1. Dezember 1998, Levez, C-326/96, Slg. 1998, I-7835, Randnr. 41, vom 16. Mai 2000, Preston
u. a., C-78/98, Slg. 2000, I-3201, Randnr. 55, sowie vom 29. Oktober 2009, Pontin, C-63/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).
Dieser Grundsatz darf jedoch nicht so verstanden werden, dass er einen Mitgliedstaat verpflichtet, die günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Klagen zu erstrecken, die, wie im Ausgangsverfahren, im Bereich des Arbeitsrechts erhoben werden (
vgl. in diesem Sinne Urteile Levez, Randnr. 42 und Pontin, Randnr. 45).
Um festzustellen, ob der Grundsatz der Äquivalenz im Ausgangsverfahren gewahrt ist, hat das nationale Gericht, das allein eine unmittelbare Kenntnis der Verfahrensmodalitäten für Klagen im Bereich des Arbeitsrechts besitzt, sowohl den Gegenstand als auch die wesentlichen Merkmale der als vergleichbar dargestellten Klagen des innerstaatlichen Rechts zu prüfen (
vgl. Urteile Levez, Randnr. 43, Preston
u. a., Randnr. 56, sowie Pontin, Randnr. 45).
Zudem ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift weniger günstig ist als die für vergleichbare Klagen des innerstaatlichen Rechts geltende, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen (
vgl. Urteile Levez, Randnr. 44, Preston
u. a., Randnr. 61, sowie Pontin, Randnr. 46).
Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ist die Möglichkeit, für Vermögens- und Nichtvermögensschäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität entstanden sind, entschädigt zu werden, mit dem
AGG geschaffen worden; es gab daher vor dem Erlass dieses Gesetzes im eigentlichen Sinne keine entsprechenden Verfahren.
Dem vorlegenden Gericht zufolge gelten im Arbeitsrecht außerhalb von Tarifverträgen keine Ausschlussfristen, sondern nur die allgemeinen Verjährungsfristen. Es weist jedoch darauf hin, dass das Arbeitsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 10. Dezember 2008 Situationen dargestellt habe, in denen Arbeitnehmer gehalten seien, ihre Rechte innerhalb kurzer Fristen geltend zu machen. Dies sei bei Kündigungsschutzklagen der Fall, die innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden müssten. Eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrags müsse ebenfalls innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende dieses Vertrags erhoben werden. Schließlich fänden sich in Tarifverträgen häufig Ausschlussfristen, wonach Ansprüche verfielen, wenn sie nicht innerhalb kurzer Fristen geltend gemacht würden.
Dem vorlegenden Gericht zufolge sah § 611a
BGB in seiner bis zum Inkrafttreten des
AGG geltenden Fassung eine Mindestfrist von zwei Monaten für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung vor, sofern für die Geltendmachung anderer Schadensersatzansprüche aus dem angestrebten Arbeitsverhältnis eine Ausschlussfrist vorgesehen war. Mangels einer solchen Ausschlussfrist betrug die im Rahmen des § 611a
BGB geltende Frist sechs Monate.
Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich, dass die Frist des § 15
Abs. 4
AGG nur die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber betrifft. Die deutsche Regierung hat darauf hingewiesen, dass diese Frist mit der des § 61b
ArbGG verknüpft werden müsse. Nur wenn der Arbeitgeber den gemäß § 15
Abs. 4
AGG geltend gemachten Anspruch nicht erfüllt habe, gelte für die Person, die sich benachteiligt sehe, eine mit der schriftlichen Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber beginnende Frist von drei Monaten für die Anrufung des Arbeitsgerichts. Die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber könne durch Erhebung einer Klage ersetzt werden, sofern die Klageerhebung und die Zustellung der Klageschrift an den Arbeitgeber innerhalb der Frist des § 15
Abs. 4
AGG erfolgten.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Vorschrift wie § 15
Abs. 4
AGG, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, einen Anspruch auf Entschädigung für Vermögens- und Nichtvermögensschäden innerhalb von zwei Monaten gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, geltend machen muss, weniger günstiger ist als Vorschriften für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts. Gleichwohl muss das nationale Gericht prüfen, ob es sich bei den vom Arbeitsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2008 genannten Verfahrensfristen um vergleichbare Fristen handelt. Sollte sich herausstellen, dass eine oder mehrere der in der Vorlageentscheidung genannten Klagearten oder auch andere Klagearten, die im Verfahren vor dem Gerichtshof nicht erwähnt worden sind, einer Entschädigungsklage, die infolge einer Diskriminierung erhoben wird, vergleichbar sind, wird das vorlegende Gericht ferner zu prüfen haben, ob die erstgenannten Klagearten günstigere Verfahrensmodalitäten aufweisen (
vgl. entsprechend Urteil Pontin, Randnr. 56). Das nationale Gericht muss ferner prüfen, ob die von der deutschen Regierung vorgeschlagene Auslegung der Verknüpfung der Frist des § 15
Abs. 4
AGG mit der des § 61b
ArbGG zutreffend ist.
Hinsichtlich der Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie
z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (
vgl. Urteile vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck, C-312/93, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 14, Unibet, Randnr. 54, vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones, C-40/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39, und Pontin, Randnr. 47).
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist (
vgl. Urteile vom 10. Juli 1997, Palmisani, C-261/95, Slg. 1997, I-4025, Randnr. 28, Preston
u. a., Randnr. 33, vom 24. September 2002, Grundig Italiana, C-255/00, Slg. 2002, I-8003, Randnr. 34, sowie Kempter, Randnr. 58). Denn derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (
vgl. Urteile Grundig Italiana, Randnr. 34, Kempter, Randnr. 58, und Pontin, Randnr. 48). Mit diesem Vorbehalt ist es den Mitgliedstaaten unbenommen, mehr oder weniger lange Fristen vorzusehen (
vgl. Urteil vom 17. Juni 2004, Recheio - Cash & Carry, C-30/02, Slg. 2004, I-6051, Randnr. 20). Der Gerichtshof hat zu Ausschlussfristen außerdem entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (
vgl. Urteil Pontin, Randnr. 48).
Es ist daher zu prüfen, ob die Frist des § 15
Abs. 4
AGG - sowohl hinsichtlich ihrer Länge als auch hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Beginns - den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügt.
§ 15
Abs. 4
AGG sieht eine Frist von zwei Monaten für die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber vor. Wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, soll der Arbeitgeber von den geltend gemachten Ansprüchen zeitnah Kenntnis erhalten und in Anbetracht der im
AGG vorgesehenen Beweisregeln nicht gezwungen sein, Dokumente über das Einstellungsverfahren unverhältnismäßig lange aufzubewahren.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Festlegung dieser Frist auf zwei Monate die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte.
Hinsichtlich des Beginns der Frist für die Rechtsverfolgung ergibt sich aus § 15
Abs. 4
AGG, dass "[d] ie Frist ... im Falle einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung [beginnt]". In einer derartigen Situation kann ein Arbeitnehmer innerhalb der mit der Ablehnung seiner Bewerbung beginnenden Frist von zwei Monaten,
u. a. wegen des Verhaltens des Arbeitgebers, möglicherweise nicht erkennen, dass und in welchem Umfang er diskriminiert wurde, so dass ihm die in der Richtlinie vorgesehene Rechtsverfolgung unmöglich ist (
vgl. in diesem Sinne Urteil Levez, Randnr. 31).
Sowohl aus der Vorlageentscheidung als auch aus den Erklärungen der deutschen Regierung geht jedoch hervor, dass die in § 15
Abs. 4
AGG vorgesehene Frist bei einer teleologischen Auslegung dieser Vorschrift nicht zwangsläufig mit dem Zugang der Ablehnung, sondern mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt. Unter diesen Umständen ist die genannte Vorschrift nicht geeignet, die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren.
In Anbetracht dieser Erwägungen ist auf den ersten Teil der Frage zu antworten, dass das Primärrecht der Union und
Art. 9 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern
- zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts,
- zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind.
Zum Grundsatz des Verbots einer Absenkung des Schutzniveaus:
Nach
Art. 8 der Richtlinie darf deren Umsetzung keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen benutzt werden.
In Bezug auf die Richtlinie 1999/70/
EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (
ABl. L 175,
S. 43) und zu Paragraf 8
Nr. 3 der Rahmenvereinbarung, wonach die Umsetzung der Rahmenvereinbarung den Mitgliedstaaten nicht als Rechtfertigung für die Senkung des allgemeinen Niveaus des zuvor nach innerstaatlichem Recht garantierten Arbeitnehmerschutzes in dem von der Vereinbarung erfassten Bereich dienen kann, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Senkung des den Arbeitnehmern im Bereich der befristeten Arbeitsverträge garantierten Schutzes nicht als solche durch die Rahmenvereinbarung verboten ist, sondern von dem Verbot gemäß deren Paragraf 8
Nr. 3 nur erfasst wird, wenn sie zum einen mit der "Umsetzung" der Rahmenvereinbarung zusammenhängt und zum anderen das "allgemeine Niveau des [S]chutzes" befristet beschäftigter Arbeitnehmer betrifft (
vgl. Urteil vom 23. April 2009, Angelidaki
u. a., C-378/07 bis C-380/07, Slg. 2009, I-3071, Randnr. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Da jedenfalls
Art. 1 der Richtlinie das Geschlecht nicht als Diskriminierungsgrund nennt, kann eine eventuelle Absenkung des Niveaus des Schutzes gegen eine auf diesem Grund beruhende Diskriminierung nicht als in die von der Richtlinie geregelten Bereiche fallend angesehen werden.
Demzufolge fällt die Länge der Frist für die Geltendmachung einer Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung, wie sie in § 611a
BGB in seiner Fassung vor Inkrafttreten des
AGG vorgesehen war, nicht unter den Begriff "Schutzniveau in Bezug auf Diskriminierungen" im Sinne von
Art. 8
Abs. 2 der Richtlinie.
In Anbetracht dieser Erwägungen ist auf den zweiten Teil der Frage zu antworten, dass
Art. 8 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, in deren Folge eine frühere Regelung geändert worden ist, die eine Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs bei geschlechtsbezogener Diskriminierung vorsah.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.