Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde ohne Approbation (Heilpraktikererlaubnis). Sie leidet seit ihrem 14. Lebensjahr an einer Netzhautdegeneration (Retinopathia pigmentosa) und ist seit 2005 vollständig erblindet. Derzeit ist sie im Bereich der Gesundheitsvorsorge tätig und bietet u.a. Massagen, Aroma- und Atemtherapien an.
Im März 2007 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis und ließ sich zu der hierfür vorgesehenen behördlichen Überprüfung der heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (im Folgenden: Kenntnisüberprüfung) vormerken. Im März 2009 bestand sie den schriftlichen, im Mai 2009 den mündlichen Teil der Kenntnisüberprüfung.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 lehnte der Beklagte die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erblindung in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet sei. Auch eine begrenzte Erlaubnis mit der Beschränkung auf Tätigkeiten zur Heilung und Linderung von Krankheiten komme nicht in Betracht; denn nach § 1
Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes umfasse die Ausübung der Heilkunde auch die eigenverantwortliche Diagnosestellung. Abgesehen davon erforderten die Tätigkeiten des Heilens und Linderns ebenfalls eine genaue Inaugenscheinnahme des Patienten, um das Ergebnis der Behandlung beurteilen und Änderungen im Krankheitsverlauf wahrnehmen zu können.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 18. März 2010 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
Mit der Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrags hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, die Versagung der Heilpraktikererlaubnis verletze sie in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit und verstoße zudem gegen das Verbot, jemanden wegen seiner Behinderung zu benachteiligen. Weil sie die Sehfähigkeit erst später verloren habe, könne sie sich körperliche Untersuchungsbefunde, die ihr beschrieben würden, visuell vorstellen. Es gebe heilkundliche Betätigungsfelder, die ihr eine eigenverantwortliche Krankheitsdiagnose und Behandlung erlaubten. Es sei daher unverhältnismäßig, ihr die berufliche Tätigkeit als Heilpraktikerin gänzlich zu versagen.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 31. Mai 2011 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, den Erlaubnisantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Die Klägerin könne eine beschränkte Erlaubnis beanspruchen, die ihr die Heilkundeausübung gestatte, soweit sie dazu nicht einer eigenen optischen Wahrnehmung bedürfe. Sie müsse sich dafür allerdings einer ergänzenden Kenntnisüberprüfung unterziehen. Ohne Zweifel sei es zum Schutz der Volksgesundheit geboten, der Klägerin Heilkundetätigkeiten zu verwehren, die zu ihrer fachgemäßen Ausführung eine eigene Inaugenscheinnahme voraussetzten. Dafür genüge es aber, die Erlaubnis entsprechend inhaltlich zu beschränken. Nach
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG sei eine rechtliche Schlechterstellung von Behinderten nur zulässig, wenn zwingende Gründe vorlägen und die nachteiligen Auswirkungen unerlässlich seien, um behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung zu tragen. Die Klägerin sei in der Lage, eigenverantwortlich Heilkundetätigkeiten auszuüben. Das Tätigkeitsspektrum lasse sich nicht im Voraus abstrakt festlegen; dazu gehörten aber sicherlich alle Krankheitsbilder, die sich allein durch Tasten diagnostizieren und behandeln ließen; weitere Krankheitsbilder könnten im Einzelfall hinzukommen. Für diese Tätigkeitsfelder weise die Klägerin auch die erforderliche gesundheitliche Eignung auf. Nicht entgegenstehe, dass sie aufgrund ihrer Erblindung nicht in allen Fällen eigenständig in der Lage sein dürfte, eine Notfallsituation zu erkennen. Die eingeschränkte Fähigkeit zur Notfalldiagnose stelle nicht die gesundheitliche Eignung in Frage, sondern begründe lediglich gesteigerte Sorgfaltspflichten. Gleichwohl fehle es für eine Verpflichtung des Beklagten zur Erlaubniserteilung an der Spruchreife. Die Klägerin habe zwar die allgemeine Kenntnisüberprüfung bestanden, jedoch noch nicht unter Beweis gestellt, dass sie sich der blindheitsbedingten Grenzen ihrer Heilkundeausübung sowie der daraus folgenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen bewusst sei. Anhand der deshalb vorzunehmenden ergänzenden Überprüfung sei zu ermitteln, ob die Klägerin wisse, wann sie eine Krankheit allgemein oder nach den Umständen des Einzelfalls ohne eigenen optischen Eindruck diagnostizieren und behandeln könne. Des Weiteren sei zu überprüfen, ob sie eine potentielle Notfallsituation erkennen könne und zu meistern wisse.
Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Sprungrevision macht der Beklagte geltend, die auf die Erblindung der Klägerin zugeschnittene Teilerlaubnis sei von den Vorschriften des Heilpraktikergesetzes und der Durchführungsverordnung nicht gedeckt. Die Heilkundeausübung erfordere auch eine visuelle Befunderhebung, um Krankheitsbilder klar erkennen und etwaigen Notfällen gerecht werden zu können. Der Heilpraktiker müsse befähigt sein, auf seinem zugelassenen Fachgebiet alle Diagnosen stellen zu können. Einer Inaugenscheinnahme des Patienten bedürfe es zudem, um den Verlauf der Behandlung beurteilen zu können. Die Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis sei auch nicht im Lichte von
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG geboten. Die Ungleichbehandlung von sehenden und blinden Erlaubnisbewerbern sei gerechtfertigt, weil Blinden wegen ihrer Behinderung bestimmte Fähigkeiten fehlten, die eine unerlässliche Voraussetzung für die Erlaubniserteilung seien.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit vor, dass an die gesundheitliche Eignung zur Heilkundeausübung im Interesse des Patientenschutzes hohe Anforderungen zu stellen seien. Wenngleich diese bei den einzelnen Heilberufen unterschiedlich sein könnten, hätten alle gemeinsam, dass sich die Eignung jeweils umfassend auf die Befähigung zur Berufsausübung erstrecken müsse. Der Heilpraktiker müsse deshalb in der Lage sein, alle Tätigkeiten im Sinne der Heilkundeausübung nach dem Heilpraktikergesetz - gegebenenfalls begrenzt auf ein bestimmtes Fachgebiet - auszuüben.
II.
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Bescheidungsklage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Erblindung der Klägerin rechtfertigt nicht, ihr die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Heilpraktikerberufs abzusprechen. Sie kann daher eine Heilpraktikererlaubnis erlangen, sofern sie sich nach Maßgabe des angefochtenen Urteils einer ergänzenden Kenntnisüberprüfung unterzieht. Die vom Verwaltungsgericht angenommene inhaltliche Beschränkung der Erlaubnis verstößt allerdings gegen Bundesrecht; die Klägerin kann vielmehr eine unbeschränkte Erlaubnis beanspruchen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind § 1
Abs. 1 und § 2
Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz - HeilprG) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2001 (BGBl I
S. 2702), in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (DVO-HeilprG) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Dezember 2002 (BGBl I
S. 4456). Hiernach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt approbiert zu sein. Auf die Erlaubniserteilung besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein rechtsstaatlich unbedenklicher Versagungsgrund nach § 2
Abs. 1 DVO-HeilprG eingreift (stRspr,
vgl. Urteile vom 26. August 2009 -
BVerwG 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 (Rn. 9) und vom 21. Dezember 1995 -
BVerwG 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221 (224), jeweils
m.w.N.). Die Erlaubnis ist (unter anderem) zu versagen, wenn der Antragsteller in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist (§ 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG) oder wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde (§ 2
Abs. 1 Buchst. i DVO-HeilprG).
1. Die von der Klägerin beabsichtigte heilkundliche Tätigkeit ist erlaubnispflichtig.
Ausübung der Heilkunde im Sinne des Heilpraktikergesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird (§ 1
Abs. 2 HeilprG). Maßgeblich sind das Erfordernis ärztlicher oder heilkundlicher Fachkenntnisse und die Gefahr gesundheitlicher Schäden (
vgl. Urteil vom 26. August 2010 -
BVerwG 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker
Nr. 25 Rn. 18
m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin möchte nicht ausschließlich erlaubnisfreie Anwendungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge anbieten, sondern darüber hinaus eigenverantwortlich - das heißt ohne ärztliche Verordnung - heilkundliche Methoden zur Krankenbehandlung anwenden.
2. Der Klägerin ist die Erlaubnis nicht nach § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG zu versagen. Ihre Erblindung ist kein Umstand, der sie in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung der Heilkunde ungeeignet macht.
a) § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG stellt mit dem Erfordernis der gesundheitlichen Eignung auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten des Antragstellers ab und greift damit auf der Stufe einer subjektiven Berufswahlbeschränkung in die durch
Art. 12
Abs. 1
GG geschützte Berufsfreiheit ein. Ein solcher Eingriff ist nur zulässig, wenn er durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (stRspr,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 BvR 2186/06 - BVerfGE 119, 59 (80)
m.w.N.). Dem wird § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG gerecht. Die Regelung dient der Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit, die drohen, wenn jemand infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Beeinträchtigungen nicht zu einer fachgerechten Heilkundeausübung in der Lage ist. Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz die in § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG verlangte berufliche Eignungsanforderung nicht außer Verhältnis steht.
b) Die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Heilpraktikerberufs fehlt, wenn die auf einer Krankheit, Behinderung, Sucht oder vergleichbaren Umständen beruhenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen so erheblich sind, dass sie die körperliche und/oder geistige Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht nur vorübergehend in einer Weise schmälern, dass diesem eine ordnungsgemäße Ausübung der Heilkunde auf unabsehbare Zeit oder dauerhaft nicht möglich ist (
vgl. die amtliche Begründung zu § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG i.d.F. des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetz, BTDrucks 14/7420
S. 32 (zu
Art. 9
i.V.m. Art. 4)). Körperliche und geistige Fähigkeiten müssen in einem Maße vorhanden sein, das den Anforderungen des Berufsbilds entspricht und sie ausfüllt (
vgl. Urteil vom 28. April 2010 -
BVerwG 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 13).
Für den Heilpraktikerberuf besteht allerdings anders als für sonstige Heil- und Heilhilfsberufe kein gesetzlich fixiertes Berufsbild. Das Heilpraktikergesetz erfasst ein heilkundliches Berufsfeld, ohne nach Aus- und Vorbildung oder fest umrissenen Berufsbildern zu differenzieren (
BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 (193, 195)). Während etwa für den Beruf des Arztes, Psychologischen Psychotherapeuten, Physiotherapeuten oder Logopäden die Ausbildung gesetzlich geregelt ist und die Erteilung der Berufserlaubnis das Bestehen einer staatlichen Prüfung voraussetzt (
vgl. § 2
Abs. 1, § 3 der Bundesärzteordnung
i.V.m. der Approbationsordnung für Ärzte; § 1
Abs. 1, § 2
Abs. 1 des Psychotherapeutengesetz
i.V.m. der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten; § 1
Abs. 1, § 2
Abs. 1 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes
i.V.m. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten; § 1
Abs. 1, § 2
Abs. 1 des Gesetzes über den Beruf des Logopäden
i.V.m. der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Logopäden), ist für die berufliche Tätigkeit als Heilpraktiker weder eine bestimmte fachliche Ausbildung noch eine entsprechende fachliche Prüfung vorgeschrieben. Soweit nach § 2
Abs. 1 Buchst. i DVO-HeilprG eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers vorgesehen ist, zielt diese Überprüfung nicht auf den Nachweis einer Fachqualifikation oder eines bestimmten Ausbildungsstands, sondern dient der Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit im konkreten Einzelfall (Urteile vom 26. August 2009 a.a.O. Rn. 22, vom 21. Dezember 1995 a.a.O.
S. 227 f. und vom 10. Februar 1983 -
BVerwG 3 C 21.82 - BVerwGE 66, 367 (373)).
Angesichts der fehlenden Ausdifferenzierung des Heilpraktikerberufs und der großen Bandbreite ganz unterschiedlicher Tätigkeitsfelder würde die Berufswahlfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt, verlangte man für den Berufszugang, dass der Antragsteller gesundheitlich geeignet sein muss, sämtliche dem Heilpraktikergesetz unterfallenden Heilkundetätigkeiten auszuüben. Verbleiben Betätigungsfelder, deren berufliche Anforderungen der Betreffende trotz einer gesundheitlichen Einschränkung erfüllen kann, ist eine Aberkennung der beruflichen Eignung nicht gerechtfertigt. Gefahren für die Volksgesundheit, die dadurch entstehen können, dass der Betreffende sich der krankheits- oder behinderungsbedingten Grenzen seines Könnens nicht oder nicht hinreichend bewusst ist oder damit nicht verantwortungsbewusst umzugehen weiß, lässt sich hinreichend mit dem Versagungsgrund des § 2
Abs. 1 Buchst. i DVO-HeilprG begegnen.
c) Für dieses Normverständnis streitet zudem das Verbot der Benachteiligung Behinderter nach
Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG. Behinderung im Sinne der Vorschrift meint die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht (
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 -
1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288 (301); siehe dazu auch die Begriffsbestimmung in
§ 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes -
BGG). Die Verfassungsnorm untersagt, die Behinderung einer Person zum Anknüpfungspunkt für eine benachteiligende Ungleichbehandlung zu machen. Das Diskriminierungsverbot gilt zwar nicht einschränkungslos. Fehlen einer Person gerade infolge ihrer Behinderung bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten, die unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung eines Rechts sind, liegt in der Verweigerung dieses Rechts kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Eine rechtliche Schlechterstellung Behinderter ist danach aber nur zulässig, wenn zwingende Gründe dafür vorliegen (
BVerfG, Beschluss vom 19. Januar 1999 - 1 BvR 2161/94 - BVerfGE 99, 341 (357); Nichtannahmebeschluss vom 10. März 2004 -
2 BvR 577/01 - NJW 2004, 2150 (2151);
vgl. auch
§ 7 Abs. 2 BGG).
Diesen Maßgaben ist auch im Rahmen der gesundheitlichen Eignungsbeurteilung nach § 2
Abs. 1 Buchst. g DVO-HeilprG Rechnung zu tragen (
vgl. für die gesundheitliche Eignungsprüfung im Sinne des
Art. 33
Abs. 2
GG:
BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 - NVwZ 2009, 389). Deshalb darf jemand wegen einer Behinderung nur dann von der berufsmäßigen Heilkundeausübung nach dem Heilpraktikergesetz ausgeschlossen werden, wenn dies zum Schutze der Volksgesundheit unabweisbar ist.
d) Hiernach ist die Klägerin auf der Grundlage der das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 137
Abs. 2
VwGO) nicht als gesundheitlich ungeeignet zur Berufsausübung anzusehen. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass es ein beträchtliches Spektrum heilpraktischer Tätigkeiten gibt, die die Klägerin ungeachtet einer fehlenden eigenen visuellen Wahrnehmung eigenverantwortlich ausüben kann. Das Tätigkeitsspektrum erschöpft sich nicht allein in der Behandlung all jener Erkrankungen und Leiden, die sich durch manuelle Techniken diagnostizieren und therapieren lassen (siehe hierzu auch
LSG München, Urteil vom 26. März 2010 -
L 8 AL 117/06 ZVW - juris). Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin darüber hinaus als befähigt angesehen, von Fall zu Fall auch andere Krankheitsbilder zu behandeln. Gegen diese Tatsachenfeststellungen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern (
vgl. § 134
Abs. 2
VwGO).
3. Das angefochtene Urteil geht daher zu Recht davon aus, dass die Klägerin eine Heilpraktikererlaubnis erhalten kann, sofern sie sich einer ergänzenden Kenntnisüberprüfung unterzieht.
Die nach § 2
Abs. 1 Buchst. i DVO-HeilprG vorzunehmende Überprüfung dient der Ermittlung, ob mit der Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden, das heißt mit der konkret beabsichtigten Heilkundetätigkeit, eine Gefahr für Patienten verbunden wäre (Urteil vom 26. August 2009 a.a.O. Rn. 22). Daraus folgt, dass die Überprüfung auch etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers in den Blick zu nehmen hat, wenn sich eine hierdurch bedingte Patientengefährdung nicht von vornherein ausschließen lässt. Im Fall der Klägerin steht nicht in Frage, dass sie über die allgemein erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Heilkundeausübung verfügt. Den entsprechenden Nachweis hat sie durch das Bestehen der allgemeinen Kenntnisüberprüfung erbracht. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlt bislang aber ein vergleichbarer Nachweis darüber, ob sie die durch die Erblindung gezogenen Grenzen der Heilkundeausübung kennt und beachtet und ob sie sich der erhöhten Sorgfaltsanforderungen bewusst ist. Zum Schutz der Patienten ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die Klägerin in dem im angefochtenen Urteil dargelegten Umfang einer ergänzenden Kenntnisüberprüfung stellt.
4. Nicht im Einklang mit Bundesrecht steht allerdings die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Erlaubnis könne beschränkt erteilt werden. Die Beschränkung auf "Heilkundetätigkeiten, die die Klägerin ohne eigene visuelle Wahrnehmung eigenverantwortlich ausüben kann", stößt wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit auf unüberwindliche rechtsstaatliche Bedenken. Das verhilft der Revision freilich nicht zum Erfolg. Die Bescheidungsklage ist gleichwohl begründet, weil die Klägerin bei erfolgreicher ergänzender Kenntnisüberprüfung eine unbeschränkte Erlaubnis beanspruchen kann (§ 144
Abs. 4
VwGO).
Das Gebot hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit (§ 1
Abs. 1 VwVfG Bln
i.V.m. § 37
Abs. 1 VwVfG) verlangt, dass die mit dem Verwaltungsakt getroffene Regelung so vollständig und klar erkennbar ist, dass insbesondere der Adressat des Verwaltungsakts, aber auch die mit dem Vollzug befasste Behörde ihr Verhalten danach ausrichten können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die Bestimmtheit nach den Besonderheiten des zugrunde liegenden materiellen Rechts (stRspr,
vgl. z.B. Urteil vom 3. Dezember 2003 -
BVerwG 6 C 20.02 - BVerwGE 119, 282 (284)). Gemessen daran wird die in Rede stehende Erlaubnisbeschränkung dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Vor allem wegen der Abgrenzung von der strafbewehrten Heilkundeausübung (
vgl. § 5 HeilprG) muss die Reichweite der Erlaubnis für die Klägerin eindeutig sein. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Überwachungsaufgaben der Verwaltung, deren sachgerechte Wahrnehmung gleichfalls voraussetzt, dass der Umfang der erlaubten Tätigkeit klar erkennbar ist. Die in dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegte inhaltliche Beschränkung der Erlaubnis leistet das nicht. Es ist - wie das Verwaltungsgericht selbst einräumt - im Voraus nicht konkret bestimmbar, welche Tätigkeiten die Klägerin trotz ihrer Blindheit eigenverantwortlich ausüben kann, weil die Bandbreite der von ihr behandelbaren Krankheitsbilder nicht genau absehbar ist. Dazu kommt - wie gerade auch der Streitfall zeigt -, dass fachliche Differenzen darüber bestehen können, wann bei einer Heilkundetätigkeit eine eigene Inaugenscheinnahme verzichtbar ist. Die Grenzen der der Klägerin erlaubten Heilkundeausübung wären daher nicht fest umrissen, eine hinreichend sichere Abgrenzung der erlaubten von der nicht erlaubten Tätigkeit mithin nicht gewährleistet.
Das führt dazu, dass die Klägerin nach erfolgreicher ergänzender Kenntnisprüfung eine unbeschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen kann; denn die bei Beachtung des Bestimmtheitsgebots verbleibende Alternative, ihr eine Erlaubnis (vollständig) zu versagen, verbietet sich aus den dargelegten Gründen im Lichte von
Art. 12
Abs. 1
i.V.m. Art. 3
Abs. 3 Satz 2
GG. Die Erteilung einer umfassenden Erlaubnis begründet auch keine Gefahren für die Volksgesundheit. Die Klägerin geht mit ihrer Erblindung - auch gegenüber den Patienten - offen um und hat stets zum Ausdruck gebracht, dass sie die Heilkunde nur innerhalb der durch die Blindheit gezogenen Grenzen ausüben will. Zudem verleiht ihr die unbeschränkte Erlaubnis keineswegs die Befugnis zu Heilkundetätigkeiten, für die der Blick auf den Patienten unerlässlich ist und zu denen sie daher wegen ihrer Erblindung nicht befähigt ist. Dagegen stehen schon die drohenden strafrechtlichen (§§ 223, 229 StGB) und haftungsrechtlichen Konsequenzen, die eine solche Tätigkeit untersagen.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats zur sektoralen Beschränkung einer Heilpraktikererlaubnis (
vgl. Urteile vom 26. August 2009 a.a.O. und vom 21. Januar 1993 -
BVerwG 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356). Der Senat hat entschieden, dass eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nicht erforderlich ist, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Fachgebiet oder nur eine eindeutig umrissene Therapieform ausüben möchte. Daher ist es zulässig, eine Erlaubnis etwa beschränkt auf die Ausübung der Physiotherapie oder der Psychotherapie zu erteilen. Damit korrespondiert eine auf die sektorale Beschränkung zugeschnittene Kenntnisüberprüfung. Diese Erwägungen sind auf den Fall der Klägerin nicht übertragbar. Die Klägerin begehrt keine auf ein abgrenzbares Fachgebiet beschränkte Erlaubnis. Ihr geht es vielmehr um eine auf die blindheitsbedingte Schmälerung ihrer heilkundlichen Fähigkeiten zugeschnittene Heilpraktikererlaubnis. Ihr Tätigkeitsspektrum ist nicht sektoral, sondern individuell-funktional eingeschränkt. Entsprechend hat die Klägerin auch nicht das Erfordernis einer umfassenden Überprüfung ihrer heilkundlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Abrede gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 2
VwGO.