Die auf grundsätzliche Bedeutung (§ 132
Abs. 2
Nr. 1
VwGO) und einen Verfahrensfehler (§ 132
Abs. 2
Nr. 3
VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er ist gemäß
§ 2 Abs. 3 SGB IX einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Er wendet sich gegen seine auf Dienstunfähigkeit gestützte Versetzung in den Ruhestand. Während das Verwaltungsgericht der Klage wegen fehlender Anhörung der Schwerbehindertenvertretung stattgegeben hat, hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Zurruhesetzung nach § 77
Abs. 1
i.V.m. § 107
Abs. 1
LBG a.F. als rechtmäßig angesehen. Einer Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach
§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX habe es nicht bedurft, weil der Kläger den Beklagten im Verwaltungsverfahren weder von dem Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen noch von der Gleichstellung unterrichtet habe. Er habe vielmehr erstmals im gerichtlichen Verfahren auf den Gleichstellungsbescheid hingewiesen.
2. a) Die Beschwerde sieht als grundsätzlich bedeutsam die Frage an,
ob eine Mitteilungspflicht des Beamten über einen Gleichstellungsantrag nach § 2
Abs. 2
SGB IX besteht, wenn dieser Umstand dem Dienstherrn aufgrund einer Mitteilung der zuständigen Behörde bekannt ist.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132
Abs. 2
Nr. 1
VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (stRspr,
vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 -
BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 (91) = Buchholz 310 § 132
VwGO Nr. 18). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist oder sich anhand der bisherigen Rechtsprechung unter Zuhilfenahme des Gesetzestextes ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantworten lässt. Sie sind aber auch dann nicht erfüllt, wenn es auf die Frage nicht entscheidungserheblich ankäme. So verhält es sich hier.
Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ausgeführt, es habe keiner Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bedurft, da der Kläger den Beklagten im Verwaltungsverfahren nicht von seinem Antrag auf Gleichstellung
bzw. von der erfolgten Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen (§ 2
Abs. 3
SGB IX) in Kenntnis gesetzt, sondern erstmals im gerichtlichen Verfahren auf den Gleichstellungsbescheid hingewiesen habe. Nach der Rechtsprechung des Senats wird der mit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bezweckte Schutz der Schwerbehinderten und diesen gleichgestellter Menschen nicht von Amts wegen gewährt. Vielmehr ist aus dem Erfordernis eines Antrages für die Feststellung einer Behinderung und die Ausstellung eines Ausweises über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ebenso wie für die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen (
vgl. § 68 Abs. 2 Satz 1,
§ 69 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 SGB IX) zu schließen, dass der gesetzliche Schutz nicht ohne weiteres eintritt, sondern von dem schwerbehinderten Menschen in Anspruch genommen werden muss. Die allein dem Betroffenen zuerkannte Befugnis, das Feststellungsverfahren in Gang zu setzen, dient dem Schutz seines Persönlichkeitsrechts, das den Status als Schwerbehinderter oder einem Schwerbehinderten Gleichgestellter umfasst. Dem Schutzbedürftigen, der den ihm zustehenden Schutz - aus welchen Gründen auch immer - nicht in Anspruch nehmen will, ist aus diesem Grund der Schutz nicht aus Fürsorgegründen "aufzudrängen" (Urteil vom 15. Dezember 1988 -
BVerwG 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 (86 f.) = Buchholz 436.61
Nr. 18
SchwbG Nr. 2
m.w.N.). Eine Maßnahme, die vom Dienstherrn in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten diesem gegenüber getroffen wird, ist daher nicht wegen einer unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung rechtswidrig, wenn der Beamte es unterlassen hat, den Dienstherrn von der Schwerbehinderung in Kenntnis zu setzen (
vgl. Urteil vom 17. September 1981 -
BVerwG 2 C 4.79 - Buchholz 232 § 32
Nr. 29
S. 5
ff., Beschlüsse vom 22. August 1990 -
BVerwG 2 B 15.90 - Buchholz 436.61 § 50
SchwbG Nr. 3.
S. 3 f. und vom 17. August 1998 -
BVerwG 2 B 61.98 - juris Rn. 12 zu den insoweit im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften des seinerzeit geltenden
SchwbG).
Dies gilt nicht erst nach erfolgter Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen, sondern bereits während eines laufenden Antragsverfahrens. Der Beamte muss den Dienstherrn von dem laufenden Antragsverfahren unterrichten, wenn er den mit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bezweckten Schutz in Anspruch nehmen will (Beschlüsse vom 22. August 1990 und vom 17. August 1998 jeweils a.a.O.). Für diese Fallgruppe besteht die Möglichkeit der vorsorglichen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung auf Antrag des Betroffenen, der der Vorbehalt immanent ist, dass das Verfahren vor der zuständigen Stelle zu einer Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft
bzw. zu einer Gleichstellung führt (
vgl. für die Anhörung der Hauptfürsorgestelle, dem heutigen Integrationsamt: Urteil vom 15. Dezember 1988 a.a.O.
S. 94).
Auch der Verweis der Beschwerde auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2010 -
6 A 4435/06 - (ZBR 2010, 316
ff. = juris Rn. 39 f.) führt zu keinem anderen Ergebnis (
vgl. § 127
Nr. 1 BRRG). Dieses hat ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats angenommen, dass der Beamte den Dienstherrn von der Antragstellung in Kenntnis setzen muss, will er eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erreichen.
Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass das Schreiben der Bundesagentur für Arbeit an den Beklagten die Mitteilung des Klägers, dass er sich auf die Rechte eines mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Menschen berufen wolle, nicht ersetzt habe, weil es den Willen des Klägers zu einer entsprechenden Unterrichtung des Beklagten nicht habe erkennen lassen. Wenn der mit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bezweckte Schutz der Schwerbehinderten und diesen gleichgestellter Menschen nicht von Amts wegen gewährt wird, sondern in Anspruch genommen werden muss, dann kann einer Information einer dritten Behörde über ein laufendes Antragsverfahren nur dann die Wirkung einer Mitteilung des Beamten selbst zukommen, wenn die Übersendung erkennbar auf die Initiative des Beamten zurückzuführen ist.
Das Berufungsgericht hat das behördliche Schreiben ausgelegt und dies dem Schreiben nicht entnehmen können. Zum einen sei der Beklagte in dem Schreiben lediglich um Informationen zur Arbeitsplatzsituation des Klägers gebeten und damit gleichsam nur beiläufig über den Gleichstellungsantrag informiert worden. Zum anderen seien der Verfahrensstand und das Ergebnis des Gleichstellungsantrags noch völlig offen gewesen; der Kläger hätte den Antrag noch zurücknehmen oder der Antrag hätte abgelehnt werden können. Auch sei dem Schreiben nicht zu entnehmen gewesen, dass er der Unterrichtung des Beklagten über den vom Kläger gestellten Gleichstellungsantrag gedient habe oder im Auftrag des Klägers habe ergehen sollen. Zudem lasse sich ihm nicht entnehmen, ob der Kläger den gesetzlichen Schutz habe in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gemäß § 137
Abs. 2
VwGO gebunden, da die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen worden sind.
b) Mangels Unterrichtung des Beklagten über den Gleichstellungsantrag durch den Kläger oder auf erkennbaren Wunsch des Klägers kommt es auf die anschließenden Fragen der Beschwerde,
ob der Dienstherr die Schwerbehindertenvertretung von einer bevorstehenden Zurruhesetzung unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung (vorsorglich) anzuhören habe, obwohl über den Antrag auf Gleichstellung des Beamten noch nicht entschieden worden sei, sofern der Beamte der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht ausdrücklich widerspreche,
und
ob der Dienstherr bei Kenntnis von dem Antrag auf Gleichstellung die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach
§ 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX getroffenen Entscheidung auszusetzen habe, bis über den Antrag entschieden worden sei, sofern der Beamte der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht ausdrücklich widerspreche,
nicht mehr entscheidungserheblich an. Sie lassen sich zudem ebenfalls problemlos anhand der bisherigen Rechtsprechung des Senats und der einschlägigen Gesetzestexte beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf: Wie bereits ausgeführt, hat der Dienstherr, sobald ihn der Beamte über seine Antragstellung unterrichtet, vorsorglich die Schwerbehindertenvertretung anzuhören. Ansonsten besteht eine solche Pflicht des Dienstherrn nicht. Sie besteht auch dann nicht, wenn der Dienstherr lediglich von einer dritten Stelle oder Person von einer entsprechenden Antragstellung erfährt, ohne dass diese zum Ausdruck bringt, dass sie diese Information auf Wunsch des Beamten übermittelt.
3. Die Beschwerde sieht schließlich einen Verfahrensfehler nach § 132
Abs. 2
Nr. 3
VwGO darin, dass das Berufungsgericht den Kläger mit seinen Einwendungen zur unterbliebenen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung zu Unrecht für präkludiert erachtet habe. Damit habe es in verfahrensfehlerhafter Weise seinen Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von
Art. 103
Abs. 1
GG, § 108
Abs. 2
VwGO verletzt. Weder
§ 95 SGB IX noch die Verwaltungsgerichtsordnung noch entsprechende beamtenrechtliche Verfahrensvorschriften enthielten eine Verpflichtung, Einwendungen bereits im Verwaltungsverfahren zu erheben. Unmittelbar nach der positiven Bescheidung seines Gleichstellungsantrages habe er den Beklagten hierüber in Kenntnis gesetzt. Deshalb habe der entsprechende Sachvortrag erst im Klageverfahren erfolgen können. Der Gleichstellungsbescheid wirke auf den Zeitpunkt der Antragstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX zurück.
Mit diesen Ausführungen rügt die Beschwerde im Gewand einer Verfahrensrüge die - zutreffende - Anwendung des materiellen Rechts durch das Berufungsgericht. Während des laufenden Antragsverfahrens auf Gleichstellung mit behinderten Menschen ist die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung davon abhängig, dass der Beamte den Dienstherrn hiervon in Kenntnis setzt. Dies stellt keine Präklusion dar, sondern macht die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung materiellrechtlich von einem entsprechenden Willensakt des Beamten abhängig. Dass der Gleichstellungsbescheid auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirkt, ändert hieran nichts. Der Gleichstellungsbescheid ist ein konstitutiver Verwaltungsakt, dem kraft Gesetzes rückwirkende Kraft ab dem Tag des Antragseingangs zukommt (
vgl. § 68
Abs. 2
S. 2
SGB IX). Damit hat die Gleichstellung - rückwirkend - Auswirkungen auf die materiellrechtliche Stellung des Beamten. Die Gleichstellung kann aber nicht rückwirkend die im laufenden Verwaltungsverfahren erforderliche Information des Dienstherrn durch den Beamten nachholen oder ersetzen. Denn selbst in den Fällen, in denen der Beamte bereits als Schwerbehinderter anerkannt oder mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, ist die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung von einer entsprechenden Information des Dienstherrn abhängig (
vgl. Urteil vom 17. September 1981 a.a.O., Beschlüsse vom 22. August 1990 a.a.O. und vom 17. August 1998 a.a.O.).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 2
VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47
Abs. 1 und 3 und § 52
Abs. 5 Satz 1
Nr. 1 GKG.