Urteil
Zuweisung an eine Förderschule nach Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Gericht:

VGH Hessen 7. Senat


Aktenzeichen:

7 B 2763/09


Urteil vom:

12.11.2009


Grundlage:

  • UNBehRÜbk Art 24 |
  • GG Art 25 |
  • GG Art 32 Abs 1 |
  • GG Art 59 Abs 2 S 1 |
  • GG Art 70 Abs 1

Leit- oder Orientierungssatz:

1. Die Vertragsbestimmungen in Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - BRK - besitzen derzeit keine innerstaatliche Geltung, soweit sie den Bereich des öffentlichen Schulwesens betreffen.

2. Das Vertragsgesetz des Bundes vom 21. Dezember 2008 hat für den Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Umsetzung der Bestimmungen in Art. 24 BRK in innerstaatliches Recht bewirkt, weil dem Bund insoweit die an die Gesetzgebungszuständigkeit anknüpfende Transformationskompetenz fehlt.

3. Eine gesonderte Umsetzung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Zielvorgaben in Art. 24 BRK ist vom hessischen Gesetzgeber bislang nicht vorgenommen worden und braucht jedenfalls bis zum 26. März 2011 auch nicht vorgenommen zu werden.

4. Die Bestimmungen in Art. 24 BRK erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit, da es ihnen an der hierfür erforderlichen Bestimmtheit fehlt. Es handelt sich in weiten Teilen um Programmsätze, wobei die Art und Weise sowie die Geschwindigkeit der Realisierung den Vertragsstaaten überlassen bleiben.

Rechtsweg:

VerwG Darmstadt Beschluss vom 21. September 2009 - 7 D 2765/09

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 21. September 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts - für beide Instanzen auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

A. Den Antrag der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen ihre Zuweisung zur xxx-Schule, einer Schule für praktisch Bildbare, hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Die mit Verfügung vom 16. April 2009 gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG ausgesprochene Zuweisung zu der vom Antragsgegner ausgewählten Förderschule erweist sich als offensichtlich rechtmäßig, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit eine angemessene sonderpädagogische Förderung der Antragstellerin nur an einer Schule für praktisch Bildbare möglich ist und auch keine Verpflichtung des Antragsgegners zur Aufnahme der Antragstellerin als Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf in eine Regelschule besteht.

1. Der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Auffassung, aufgrund der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Folgenden: BRK) durch die Bundesrepublik Deutschland sei ihre Zuweisung an eine Förderschule gemäß § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG rechtlich nicht mehr zulässig, vermag das Beschwerdegericht nicht zu folgen. Die von der Antragstellerin angeführten Regelungen des Übereinkommens führen nicht zur Rechtswidrigkeit der Verfügung des Antragsgegners.

a) Soweit die Antragstellerin in der Beschwerde in erster Linie auf Art. 24 BRK hinweist, teilt das Beschwerdegericht ihre Auffassung nicht, aus den darin enthaltenen Regelungen folge die Rechtswidrigkeit ihrer Zuweisung zur xxx-Schule.

aa) Eine Unvereinbarkeit der vom Antragsgegner angeordneten Zuweisung mit Art. 24 BRK folgt zunächst nicht daraus, dass die darin enthaltenen Regelungen als höherrangiges Bundesrecht den gesetzlichen Vorschriften in §§ 49 ff. HSchG vorgingen. Der Bund ist nämlich bei der innerstaatlichen Umsetzung von verbindlichen völkerrechtlichen Vertragsbestimmungen in Bundesrecht auf den Bereich seiner durch Art. 71 ff. GG zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz beschränkt. Dieser Gesetzgebungszuständigkeit unterfallen die in Art. 24 BRK enthaltenen Vertragsbestimmungen im Hinblick auf das öffentliche Schulwesen nicht.

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 13. Dezember 2006 beschlossen und von der Bundesrepublik Deutschland am 30. März 2007 unterzeichnet. Nachdem der Bundestag dem Übereinkommen mit Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II, 1419 ff.) zugestimmt hatte und das Übereinkommen vom Bundespräsidenten ratifiziert worden war, trat gemäß Art. 45 Abs. 2 BRK dieser völkerrechtliche Vertrag 30 Tage nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft, in Deutschland war dies am 26. März 2009. Mit dem Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 hat die Bundesrepublik Deutschland das völkerrechtliche Übereinkommen verbindlich übernommen. Es ist damit gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG wirksamer Bestandteil des Bundesrechts geworden, soweit dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die materiellen Regelungen zusteht.

Keine Umsetzung in nationales Recht ist demgegenüber durch das Vertragsgesetz für diejenigen Bestandteile des völkerrechtlichen Übereinkommens erfolgt, die nach Art. 70 Abs. 1 GG dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen (vgl. zur Umsetzung völkerrechtlicher Verträge: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz Bd. II, 5. Aufl. 2005, Art. 59 Rn. 42; Nettesheim in Maunz-Dürig, Grundgesetz Bd. IV, Stand: Mai 2009, Art. 32 Rn. 71). Denn Art. 32 Abs. 1 GG regelt nur die Verbandskompetenz für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, und Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sieht hierzu verfahrensrechtlich die Beteiligung des Bundesgesetzgebers vor. Für die Umsetzung des Völkervertragsrechts in innerstaatliches Recht gelten indes ausschließlich die Regelungen in Art. 70 ff. GG. Soweit eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder besteht, ist demgemäß dem Bund der gesetzgeberische Zugriff auf die betreffende Materie von Verfassungs wegen verwehrt (BVerfG, Urteil vom 26.03.1957 - 2 BvG 1/55 - zit. n. juris, Rn. 196 und 223; Uhle in Maunz-Dürig, a. a. O., Art. 70 Rn. 151).

Eine solche Rechtslage ist hier in Bezug auf die Bestimmungen in Art. 24 BRK gegeben, zumindest soweit sie Zielvorgaben für das öffentliche Schulwesen enthalten. In den hier maßgeblichen drei Absätzen dieser vertraglichen Regelung wird das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung anerkannt, und es werden als Zielvorstellungen bestimmte Rahmenbedingungen und Bildungsinhalte formuliert:

Art. 24 Abs. 1 BRK:

Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen …

Art. 24 Abs. 2 BRK:

Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden …;
b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;
c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;
d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung gewährt wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern;
e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

Art. 24 Abs. 3 BRK:

Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben …

Nach dem englischen Wortlaut des Übereinkommens, der - im Gegensatz zur deutschen Fassung - gemäß Art. 50 BRK verbindlich ist, wird eine "inklusive" (nicht wie in der deutschen Übersetzung "integrative") Pädagogik angestrebt. In der Soziologie weist der Begriff der inklusiven Pädagogik gewisse konzeptionelle Unterschiede zur integrativen Pädagogik auf und fordert die Schaffung einer Schule, die die Bildungs- und Erziehungsbedürfnisse aller Schüler befriedigt.

Damit enthalten die Regelungen in Art. 24 BRK Zielvorgaben, die der Kultushoheit der Bundesländer gemäß Art. 70 Abs. 1 GG zuzuordnen sind. Denn in Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 BRK werden Zielvorstellungen für die Ausgestaltung der öffentlichen Schulen und in Art. 24 Abs. 3 BRK Programme über Lerninhalte formuliert. Diese Materie ist jedoch Gegenstand der Regelungen in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder. Insbesondere sind die Landesgesetzgeber ausschließlich dazu berufen, die Art und Weise des Schulangebotes für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu regeln (in Hessen: §§ 49 ff. HSchG).

Art. 24 BRK ist somit insoweit nicht durch das vom Bundestag erlassene Vertragsgesetz vom 21. Dezember 2008 in innerstaatliches Recht umgesetzt worden.

bb) Eine gesonderte Umsetzung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Zielvorgaben in Art. 24 BRK ist vom hessischen Gesetzgeber bislang nicht vorgenommen worden. Ob der Antragsgegner zukünftig zu einer solchen Transformation des völkerrechtlichen Übereinkommens in hessisches Landesrecht verpflichtet ist, kann hier dahinstehen. Die Antragstellerin kann hieraus nämlich gegenwärtig nicht die Suspendierung ihrer Zuweisung zur xxx-Schule beanspruchen.

Obgleich sich die Bundesrepublik Deutschland völkervertraglich zur Umsetzung auch der Vereinbarungen in Art. 24 BRK verpflichtet hat, war eine Änderung der Regelungen in § 49 ff. HSchG zum sonderpädagogischen Förderbedarf durch den hessischen Gesetzgeber nicht - oder zumindest bislang nicht - zwingend geboten. Der Antragsgegner hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts infolgedessen nicht gegen den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhalten verstoßen.

Eine Verpflichtung der Bundesländer, im Bereich ihrer Gesetzgebungskompetenz einen vom Bund nach Art. 32 Abs. 1 und Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag durch Erlass entsprechender landesrechtlichen Normen verbindlich umzusetzen, kann dann angenommen werden, wenn die Länder vor der Ratifizierung beteiligt worden sind und sie verbindlich ihr Einverständnis erklärt haben. In diesem Fall besteht eine Obliegenheit der Länder, die vor Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages gegenüber dem Bund abgegebene Erklärung durch entsprechende landesrechtliche Gesetzesänderungen einzuhalten (Nettesheim in Maunz-Dürig, a. a. O., Art. 32 Rn. 71).

Hier liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das Land Hessen vor der Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bindend sein Einverständnis zu der am 30. März 2007 paraphierten Fassung des Vertrages erklärt hat.

Die Antragstellerin hat zu dieser Frage keine Tatsachen vorgetragen. Auch aus den dem Beschwerdegericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugänglichen allgemeinen Informationsquellen zur Entstehung des Vertragsgesetzes lassen sich - soweit erkennbar - solche Hinweise nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

Die Frage, ob das Land Hessen in ausreichender Weise sein Einverständnis zur Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erklärt hat, kann im vorliegenden Verfahren zudem letztlich offen gelassen werden. Selbst wenn der Antragsgegner eine solche Stellungnahme abgegeben haben sollte, läge jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Verletzung der Verpflichtung vor, den Inhalt des Übereinkommens durch Änderung des Hessischen Schulgesetzes in Landesrecht zu übernehmen. Eine Verletzung der Umsetzungspflicht kommt nämlich erst dann in Betracht, wenn dem Bundesland für die zu erlassenden Normen ein angemessener Zeitraum zur Verfügung gestanden hat und nach Ablauf des Zeitraumes keine Umsetzung erfolgt ist.

Hier ist zu berücksichtigen, dass das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 45 Abs. 2 BRK erst am 26. März 2009 in Kraft getreten ist. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Einhaltung der in dem Übereinkommen niedergelegten Programmsätze begründet. Von diesem Zeitpunkt an gerechnet steht der Bundesrepublik völkervertraglich ein angemessener Zeitraum zur Verfügung, die Länder zur Ratifizierung der in deren Gesetzgebungszuständigkeit fallenden Regelungen zu veranlassen.

Für die Frage, welcher Zeitraum dem Land Hessen bei einer möglicherweise bestehenden Verpflichtung zur Übernahme des Übereinkommens in das hessische Landesrecht eingeräumt werden muss, kann nach Auffassung des Beschwerdegerichts auf die Regelungen in Art. 35 Abs. 1 BRK zurückgegriffen werden. Dort ist vorgesehen, dass der Vertragsstaat innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens einen umfassenden Bericht über die getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Übereinkommen dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen über den Generalsekretär der Vereinten Nationen vorzulegen hat. Dies legt den Schluss nahe, dass nach dem Willen der Vertragsstaaten jedenfalls ein Zeitraum von zwei Jahren eröffnet ist, in dem die Verwirklichung der völkervertraglich vereinbarten Grundsätze in innerstaatlich anwendbares Recht zu erfolgen hat. Im Fall einer wirksamen Einverständniserklärung bestünde für das Land Hessen somit eine Verpflichtung, die Vertragsbestimmungen in Art. 24 BRK bis zum 26. März 2011 in Landesrecht umzusetzen und auszugestalten und damit eine völkerrechtliche Vertragsverletzung der Bundesrepublik zu verhindern. Bis zu diesem Zeitpunkt kann jedenfalls keine Vertragsverletzung angenommen werden, aus der die Antragstellerin gegenwärtig Ansprüche wegen einer unterbliebenen Umsetzung von Art. 24 BRK herleiten kann.

cc) Die Antragstellerin kann durch das Inkrafttreten des Übereinkommens auch nicht unmittelbar aus Art. 24 BRK die Rechtswidrigkeit ihrer Zuweisung zu einer Förderschule herleiten. Das Übereinkommen ist nach deutscher Verfassungslage als völkerrechtlicher Vertrag nicht geeignet, ohne Umsetzung die innerstaatliche Rechtslage zu gestalten. Bestandteil des Bundesrechts sind gemäß Art. 25 Satz 1 GG allein die allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Dazu zählt nicht das Völkervertragsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.1999 - 2 BvE 5/99 - BVerfGE 100, 266, 269).

dd) Einer innerstaatlichen Geltung der das öffentliche Schulwesen betreffenden Bestimmungen des Art. 24 BRK steht neben ihrer fehlenden Umsetzung in Landesrecht überdies entgegen, dass die Bestimmungen in Art. 24 BRK auch nicht die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendbarkeit erfüllen.

Die unmittelbare Anwendbarkeit einer Vertragsbestimmung ist zu bejahen, wenn sie alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um berechtigen oder verpflichten zu können. Die Vertragsbestimmung muss nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet sein, rechtliche Wirkungen auszulösen. Insbesondere ist eine unmittelbare Vollzugsfähigkeit einer Vertragsbestimmung (sog. "self-executing") nur gegeben, wenn sie zur Entfaltung rechtlicher Wirkungen hinreichend bestimmt ist. Dagegen fehlt eine unmittelbare Anwendbarkeit der Vertragsbestimmung, wenn diese zu ihrer Ausführung noch einer normativen Ausfüllung bedarf (BVerwG, Beschluss vom 05.10.2006 - 6 B 33.06 - zit. n. juris; Nettesheim in Maunz-Dürig, a. a. O., Art. 59 Rn. 180; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 4. Aufl. 2009, S. 159; vgl. zum Sozialpakt: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.10.2007 - 15 A 1596/07 - DVBl. 2007, 1442 ff.).

Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit einer Vertragsbestimmung ist durch Auslegung der materiellen Regelungen zu klären. In der Praxis der internationalen Gerichte haben sich Regeln für die Auslegung herausgebildet, die in Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (im Folgenden: WVÜ) kodifiziert worden sind (BGBl. 1985 II. S. 926). Nach der allgemeinen Vorgabe in Art. 31 Abs. 1 WVÜ ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Maßgeblich ist also zunächst der Wortsinn der betreffenden Vertragsbestimmung. Hierbei ist der systematische Zusammenhang mit anderen Begriffen von Bedeutung und das Vertragsziel zu berücksichtigen (Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 139 ff.; Geiger, a. a. O., S. 100 ff.).

Bei der Auslegung der maßgeblichen englischen Fassung von Art. 24 BRK nach den genannten Grundsätzen ergibt sich, dass den Anforderungen an eine unmittelbar anwendbare Rechtsnorm nicht genügt ist. Es fehlt insbesondere den hier maßgeblichen Bestimmungen in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 2 Satz 1 b) BRK an der erforderlichen Bestimmtheit für den innerstaatlichen Vollzug. Daher kann der völkerrechtlichen Vereinbarung kein generelles Verbot der Zuweisung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Förderschulen entnommen werden.

Für eine hinreichende Bestimmtheit der genannten Vertragsabrede wäre insbesondere erforderlich, dass die gewählten Formulierungen in zumutbarer Weise erkennen lassen, ob das zu gewährleistende inklusive Bildungssystem (inclusive education system) und der sicher zu stellende Zugang zu einem inklusiven Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen (inclusive primary and secondary education) voraussetzungslos gilt, oder ob hierfür näher zu bezeichnende tatbestandliche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Den Anforderungen an eine solche hinreichende Bestimmtheit genügt Art. 24 BRK nicht. Die Regelungen sprechen selbst keine entsprechenden Verpflichtungen aus. Die in Art. 24 Abs. 1 bis 5 BRK gewählten Begriffe wie "recognize" (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BRK : "anerkennen"), "shall ensure" (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BRK: "gewährleisten" und Art. 24 Abs. 2 und 5 BRK: "stellen sicher "), "shall enable" (Art. 24 Abs. 3 BRK: "ermöglichen") und "shall take appropriate measures" (Art. 24 Abs. 4 BRK: "treffen geeignete Maßnahmen") sind von ihrem Wortlaut her lediglich auf ein vereinbartes Ziel ausgerichtet, ohne eine bestimmte Art und Weise der Zielerreichung festzulegen. Das in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 b) BRK genannte inklusive Bildungssystem steht im Kontext dieser fünf Absätze und ist dahin zu verstehen, dass es der Handlungsfreiheit der Vertragsstaaten überlassen bleibt, welche geeigneten Maßnahmen sie ergreifen, um die genannten Ziele zu erreichen. Damit erweisen sich die Vertragsbestimmungen in Art. 24 BRK für eine unmittelbare Anwendung auf die zu entscheidenden Lebenssachverhalte als zu unbestimmt.

Bestätigt wird dieses Ergebnis der Auslegung nach dem Wortlaut insbesondere durch die Vereinbarungen in Art. 4 Abs. 2 BRK. Diese im allgemeinen Teil des Übereinkommens getroffenen Vertragsbestimmungen sind bei einer systematischen Auslegung des Art. 24 BRK ebenfalls zu berücksichtigen.
In Art. 4 BRK sind die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsstaaten ("General obligations") festgehalten. Nach Art. 4 Abs. 2 BRK verpflichtet sich hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte jeder Vertragsstaat, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen, unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind ("With regard to economic, social and cultural rights, each State Party undertakes to take measures to the maximum of its available resources and, when needed, within the framework of international cooperation, with a view of achieving progressively the full realization of these rights …"). Zu den letztgenannten Verpflichtungen zählen diejenigen, die verbindliche Regelungen enthalten. Die wirtschaftlichen sozialen und kulturellen Rechte werden nach Art. 4 Abs. 2 BRK hingegen unter den Vorbehalt der verfügbaren Mittel der Vertragsstaaten gestellt.

Weiterhin wird die Verwirklichung dieser Rechte in Art. 4 Abs. 2 BRK auf eine mittelfristige Entwicklung angelegt. Das Ziel einer fortschreitenden Realisierung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Verwirklichung der im Übereinkommen formulierten Rechte nicht innerhalb kürzester Zeit erreicht werden kann.

Die Berücksichtigung der in Art. 4 BRK genannten allgemeinen Verpflichtungen bei der Ermittlung des Regelungsgehaltes von Art. 24 BRK macht deutlich, dass sich hieraus keine unbedingte völkervertragliche Verpflichtung zu einer sofortigen und ausnahmslosen inklusiven Beschulung aller Schüler mit Behinderungen ergibt. Vielmehr zeichnen sich die in Art. 24 BRK niedergelegten Vereinbarungen dadurch aus, dass sie proklamationsartig soziale Ziele aufstellen, die es durch die von den Vertragsstaaten zu ergreifenden Maßnahmen zu erreichen gilt, nicht aber dadurch, dass in Form von Rechtsregelungen für bestimmte Lebenssachverhalte bestimmte Rechtsfolgen unmittelbar, zwingend und sofort ab Inkrafttreten des Vertrages eintreten sollen (so im Ergebnis auch VG Freiburg, Urteil vom 25.03.2009 - 2 K 1638/08 - zit. nach juris; vgl. zu den Gesichtspunkten bei Auslegung des Sozialpakts: OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Schließlich zeigen auch die Regelungen in Art. 31, 33 und 35 BRK, dass das von den Vertragsstaaten vereinbarte Ziel der Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht auf eine unmittelbare Anwendbarkeit im innerstaatlichen Bereich angelegt ist.

Gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BRK verpflichten sich die Vertragsstaaten nämlich zur Sammlung geeigneter Informationen, die ihnen ermöglichen, politische Konzepte zur Durchführung dieses Übereinkommens auszuarbeiten und umzusetzen (in der maßgeblichen englischen Fassung: "enable them to formulate and implement polices to give effect on the present Convention"). Zur innerstaatlichen Durchführung und Überwachung ist in Art. 33 Abs. 2 Satz 1 BRK vorgesehen, dass die Vertragsstaaten eine Struktur nach Maßgabe ihres Rechts und Verwaltungssystems unterhalten, stärken, bestimmen oder schaffen für die Förderung, den Schutz und die Überwachung der Durchführung dieses Übereinkommens (" ... shall, in accordance with their legal and administrative systems, maintain, strengthen, designate or establish … a framework … to promote, protect and monitor implementation of the present Convention). Nach Art. 35 Abs. 1 BRK legt jeder Vertragsstaat nach zwei Jahren einen umfassenden Bericht über die Maßnahmen vor, die er zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus dem Übereinkommen getroffen hat ("a comprehensive report on measures taken to give effects to its obligations under the present Convention").

Diese genannten Vereinbarungen zeigen ebenfalls, dass das Übereinkommen grundsätzlich nicht auf unmittelbare Anwendbarkeit angelegt ist. Die Durchsetzung der mit dem Vertrag eingegangenen völkervertraglichen Vereinbarungen ist dem in Art. 35 ff. BRK niedergelegten Berichtssystem und den ggf. zu ergreifenden völkerrechtlichen Reaktionsmaßnahmen auf ein völkerrechtswidriges Verhalten eines Vertragsstaates vorbehalten (vgl. zum Sozialpakt: OVG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Somit käme der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Aufnahme in eine Regelschule ohne Widerspruchsrecht des staatlichen Schulamtes erst dann in Betracht, wenn der hessische Gesetzgeber die in §§ 49 ff. HSchG enthaltenen Regelungen zur Förderung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ändert und damit die politischen Programmsätze des Art. 24 BRK in unmittelbar anwendbare Regelungen umgestaltet.

ee) Schließlich würden die Vertragsbestimmungen in Art. 24 Abs. 1 und 2 BRK selbst im Fall ihrer Umwandlung in innerstaatliches Recht durch ein textgleiches Transformationsgesetz des Landesgesetzgebers Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch kein subjektives Recht auf einen inklusiven Unterricht an den öffentlichen Schulen vermitteln können.

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enthält - abgesehen von den als ausdrückliche Verpflichtungen formulierten Vertragsbestimmungen - in weiten Teilen die Einigung der Vertragsstaaten auf politische Programmsätze zur Verbesserung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Art und Weise der Realisierung der formulierten Ziele und das Tempo bei ihrer Verwirklichung bleibt den Vertragsstaaten selbst überlassen. Damit kommt dem Übereinkommen allein die Aufgabe zu, die Vertragsstaaten politisch auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen mit Behinderungen festzulegen. Vor diesem Hintergrund kann ein übereinstimmender Wille der Vertragsstaaten, konkrete rechtliche Handlungs- und Verhaltenspflichten zu begründen, dem Übereinkommen nicht entnommen werden. Hierzu wäre erforderlich, dass ein solcher Bindungswille eindeutig im Vertragstext zum Ausdruck kommt (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 07.07.1975 - 1 BvR 274/72 - zit. n. juris). Dies ist hinsichtlich der in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 2 Satz 1 b) BRK niedergelegten Vereinbarungen nicht der Fall.

Lediglich ergänzend weist das Beschwerdegericht darauf hin, dass der Mangel eines Willens zur Begründung einer Verpflichtung, alle Schüler ausnahmslos und sofort in Schulen mit einem inklusiven Bildungskonzept zu unterrichten, bei der Bundesrepublik Deutschland in den Anlagen zum Gesetzentwurf für das Vertragsgesetz zum Ausdruck kommt . Dort heißt es in der beigefügten Denkschrift (BR-Drucksache 760/08 vom 17.10.2008, S. 48) zu Art. 4 BRK, dass das Übereinkommen keine subjektiven Ansprüche begründe. Diese ergäben sich erst aufgrund innerstaatlicher Regelungen.

b) Die Rüge der Antragstellerin, ihre Zuweisung an die xxx-Schule sei zumindest im Hinblick auf Art. 5 BRK rechtswidrig, führt ebenfalls nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde.

Die allgemeinen Regelungen zur Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung in Art. 5 BRK sind zunächst ebenso wenig wie die Bestimmungen in Art. 24 BRK für den Bereich des öffentlichen Schulwesens in Landesrecht transformiert worden. Ungeachtet der mangels Transformation fehlenden innerstaatlichen Geltung enthält Art. 5 Abs. 2 BRK anders als Art. 24 BRK allerdings prinzipiell unmittelbar anwendbare Regelungen.

Dort heißt es nämlich, dass die Vertragsstaaten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung verbieten ("States Parties shall prohibit all discrimination on the basis of disability") und Menschen mit Behinderung gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen, garantieren ("… and guarantee to persons with disabilities equal and effective legal protection against discrimination on all grounds"). Der Wortlaut dieser Formulierung zeigt, dass diese Regelungen ausnahmslos gelten sollen.

Das in Art. 5 Abs. 2 BRK niedergelegte allgemeine Verbot von Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund ihrer Behinderung verleiht zwar im Grundsatz auch eine subjektive Rechtsposition. Die Zuweisung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an eine Förderschule ist indes nicht zwingend eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung im Sinne von Art. 2 BRK ("discrimination on the basis of disability") und verstößt damit auch nicht gegen das betreffende allgemeine Diskriminierungsverbot. Vielmehr kann eine solche Zuweisung - je nach Lage des Einzelfalles - eine besondere Maßnahme darstellen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich ist und nach Art . 5 Abs. 4 BRK nicht als Diskriminierung im Sinne des Überreinkommens gilt ("Specific measures which are necessary to accelerate or achieve de facto equality of persons with disabilities shall not be considered discrimination under the terms of the present Convention.").

Zudem enthalten die Vertragsbestimmungen in Art. 24 BRK hinsichtlich des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zu den öffentlichen allgemeinen Bildungseinrichtungen nach Auffassung des Beschwerdegerichts Sonderregelungen, die für diesen Bereich einen Rückgriff auf etwaige Anspruchsgrundlagen im allgemeinen Teil des Übereinkommens nicht zulassen. Die Ausgestaltung des öffentlichen Bildungssystems wird nach Ablauf des den Vertragsstaaten eingeräumten Zeitraums für die Ausarbeitung der erforderlichen Normen und Verwaltungsstrukturen daher ausschließlich an diesen spezielleren Vertragsbestimmungen zu messen sein. Die in dem Übereinkommen zum Ausdruck kommende Systematik zwischen den spezielleren Bestimmungen in Art. 6 ff. BRK einerseits und den allgemeinen Bestimmungen in der Präambel und den Art. 1 bis 5 BRK andererseits würde ausgeblendet, wenn entsprechend der Auffassung der Antragstellerin allen Schülern mit Behinderungen ein subjektives Recht aus Art. 5 Abs. 2 BRK auf Aufnahme in ein inklusives Schulsystem zuerkannt würde, ohne zu berücksichtigen, dass den Vertragsstaaten ein eigenverantwortlich wahrzunehmender Spielraum in der innerstaatlichen Ausgestaltung von Art. 24 BRK eingeräumt worden ist.

2. Des Weiteren vermag das Beschwerdegericht in der Zuweisung der Antragstellerin zur xxx-Schule nicht den von der Antragstellerin gerügten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu erkennen.

a) Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Hieraus folgt ein absolutes Differenzierungsverbot in Bezug auf eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Sie eröffnet dem Betroffenen ein subjektives Abwehrrecht gegen eine verbotene Schlechterstellung oder gegen einen Ausschluss von Entfaltungsmöglichkeiten.

Die Zuweisung eines Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an eine Förderschule verstößt jedoch nicht in jedem Fall gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Vielmehr ist das Differenzierungsverbot beachtet, wenn die Schulbehörde alle besonderen Umstände des Einzelfalles und die beteiligten Interessen hinreichend abgewogen hat und wenn der Ausschluss von der Regelschule hinreichend kompensiert wird durch auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahmen. Hierzu hat die Schulbehörde die nach Lage des Falles gegebene Art und Schwere der Behinderung zu würdigen und die Gründe anzugeben, die die Einschätzung rechtfertigen, dass die Erziehung und Unterrichtung des Schülers mit Behinderung am Besten in einer Förderschule gewährleistet erscheint (BVerfG, Beschluss vom 08.10.1997 - 1 BvR 9/97 - BVerfGE 96, 288 ff.).

Die Einhaltung dieser Maßstäbe hat die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht hinreichend in Zweifel gezogen. Der Einwand in der Beschwerdebegründung, der Antragsgegner habe sich mit dem Gesichtspunkt ihres Kindeswohls nicht auseinander gesetzt, trifft nicht zu.

Der Antragsgegner hat in seiner Verfügung vom 16. April 2009 auf die Ausführungen in dem beigelegten sonderpädagogischen Gutachten der Förderschullehrerin Y... vom 17. März 2009 Bezug genommen und in seinem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2009 die dort genannten entscheidungserheblichen Gesichtspunkte noch einmal ausdrücklich wiedergegeben. Hiernach leidet die Antragstellerin an einer deutlichen globalen Entwicklungsstörung, die mit erheblichen Defiziten in nahezu allen Wahrnehmungsbereichen einhergeht und einen Förderbedarf im Sinne einer Schule für praktisch Bildbare begründet. Im Hinblick auf diese eingeschränkten Fähigkeiten der Antragstellerin wird in dem Gutachten die Prognose getroffen, dass eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht nur mit intensiver pädagogischer Betreuung in einer überschaubaren Lerngruppe möglich sein wird. Diese erforderlichen Rahmenbedingungen können - wie im Widerspruchsbescheid nachvollziehbar dargelegt wird - der Antragstellerin bei einer integrativen Unterrichtung in einer erheblich größeren Klasse einer Regelschule nicht zur Verfügung gestellt werden. Die Klassengröße in der xxx-Schule beträgt nach den Ausführungen des Antragsgegners im erstinstanzlichen Verfahren nur acht Schüler. Die von ihm in seinem Schriftsatz vom 31. August 2009 im Einzelnen dargelegten Unterrichtsinhalte - wie insbesondere Wahrnehmungsförderung und Kommunikationsförderung - lassen erkennen, dass der Ausschluss der Antragstellerin von der Regelschule mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die auf ihre Behinderungen bezogenen Förderungsmaßnahmen in der xxx-Schule kompensiert werden.

b) Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht im Hinblick auf die von der Antragstellerin in der Beschwerde geforderte völkerrechtsfreundliche Auslegung des Differenzierungsverbotes in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG.

Das Grundgesetz bindet durch das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip die Träger öffentlicher Verwaltung und die deutschen Gerichte gemäß Art. 59 Abs. 2 GG an das Völkervertragsrecht und gemäß Art. 25 GG an das Völkergewohnheitsrecht. Damit ist das Grundgesetz völkerrechtsfreundlich und darf regelmäßig nicht so ausgelegt werden, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland entsteht (BVerfG, Beschluss vom 19.09.2006 - 2 BvR 2115/01 - und Beschluss vom 01.03.2004 - 2 BvR 1570/03 - beide zit. n. juris; Geiger, a. a. O., S. 171).

Die von der Antragstellerin angesprochene Konfliktlage zwischen dem Grundgesetz und dem Völkerrecht ist vorliegend auch gar nicht gegeben. Aus den obigen Ausführungen zur Bedeutung des Vertragsgesetzes vom 21. Dezember 2008 ergibt sich, dass die Bundesrepublik Deutschland sich zwar völkervertraglich verpflichtet hat, die Bestimmungen in Art. 24 BRK in die deutsche Rechtsordnung zu übernehmen und auf ihre Anwendbarkeit durch konkretisierende Normen in den Schulgesetzen der Länder hinzuwirken. Dabei ist der Bundesrepublik Deutschland jedoch ein Gestaltungsspielraum eröffnet, wie sie unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel nach und nach (Art. 4 Abs. 2 BRK) ein inklusives Schulsystem verwirklicht. Einer Verpflichtung, jedem einzelnen Schüler mit Behinderung einen Platz an einer Regelschule zur Verfügung zu stellen, ergibt sich aus der völkervertraglichen Vertragsbestimmung nicht. Daher besteht auch keine Veranlassung, Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zur Vermeidung eines Konfliktes der Bundesrepublik Deutschland mit völkervertraglichen Pflichten in diesem Sinne auszulegen.

c) Eine mangelnde völkerrechtsfreundliche Auslegung von § 54 Abs. 4 HSchG hat die Antragstellerin nicht gerügt. Unabhängig hiervon verstoßen die Auslegung und Anwendung der Regelungen zum sonderpädagogischen Förderbedarf im Hessischen Schulgesetz aus den oben genannten Gründen auch nicht gegen das Gebot, bei der Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik einzubeziehen.

3. Die für die Zuweisung an die Förderschule nach § 54 Abs. 4 Satz 1 HSchG erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sind in der Beschwerde nicht weiter angegriffen worden.

B. Die Antragstellerin hat keinen weiteren Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Feststellung ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in der Verfügung des Antragsgegners vom 16. April 2009 gestellt. Hierzu verweist das Beschwerdegericht auf seine Ausführungen im vorangegangen Beschluss vom 30. Oktober 2009 (7 D 2765/09) im Beschwerdeverfahren der Antragstellerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Eilverfahren.

Die Antragstellerin hat nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Die vom Verwaltungsgericht erfolgte Festsetzung wird gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen abgeändert. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 2.500 EUR festgesetzt. Hierbei geht das Beschwerdegericht von dem Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 EUR aus, der im Hinblick auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Referenznummer:

R/R3244


Informationsstand: 22.07.2010