Urteil
Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mangels zur Verfügung stehenden gesundheitlich geeigneten Dienstposten im gesamten Geschäftsbereich des Dienstherrn

Gericht:

OVG Nordrhein-Westfalen 6. Senat


Aktenzeichen:

6 A 1364/14


Urteil vom:

04.11.2015


Leitsatz:

1. Ein Beamter ist nur dann als dienstunfähig im Sinne des § 26 BeamtStG in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, wenn im gesamten Geschäftsbereich des Dienstherrn kein Dienstposten zur Verfügung steht, der für ihn gesundheitlich geeignet ist.

2. § 26 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 BeamtStG begründet die Pflicht des Dienstherrn, in seinem gesamten Geschäftsbereich nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit für den bezogen auf dessen Beschäftigungsbehörde dienstunfähigen Beamten zu suchen und schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche die Vorgaben der Vorschrift beachtet hat (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, juris). Aus der mangelnden Mitwirkung des Beamten folgen keine Einschränkungen der Suchpflicht.

Rechtsweg:

VG Köln, Urteil vom 16.03.2013 - 19 K 3046/13

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Bescheid der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen vom 16. April 2013 wird aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1975 geborene, mittlerweile 40-jährige Klägerin trat 1994 in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen ein und absolvierte eine Ausbildung im mittleren Dienst der Finanzverwaltung. Nach bestandener Laufbahnprüfung im August 1996 war sie seit Dezember 1996 an ihrer jetzigen Dienststelle, dem Finanzamt C. H. , beschäftigt. Im Anschluss an die im Jahr 2007 bestandene Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst war sie zunächst in wechselnden Einsatzgebieten tätig. Ab Dezember 2008 war sie für die Steuerfestsetzung von natürlichen Personen mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit in einem Veranlagungsbezirk zuständig. Zuletzt wurde sie am 27. April 2009 zur Steuerinspektorin (Besoldungsgruppe A 9) befördert.

Die Klägerin war in den Jahren 2010 bis 2011 unter anderem vom 25. Januar bis zum 26. Februar 2010 sowie vom 11. bis zum 22. Juli 2011, im Jahr 2012 an 184 Arbeitstagen und im Jahr 2013 an 83 Arbeitstagen dienstunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 28. März 2012 entband sie der Leiter des Finanzamtes C. H. wegen Dienstunfähigkeit von den Dienstgeschäften. Bereits mit Anschreiben an das Gesundheitsamt vom 24. Oktober 2011 hatte er ein Verfahren zur Überprüfung der Dienstfähigkeit der Klägerin eingeleitet. Dabei hatte er darauf verwiesen, dass sie seit Beginn ihres Einsatzes den Arbeitsanforderungen ihres Arbeitsbereiches nicht gerecht werde. Darüber hinaus sei es am 25. Januar 2010 zu einem Vorfall gekommen, in dessen Verlauf sie akustische Halluzinationen und die Befürchtung eines gegen sie gerichteten Mordkomplotts von Kollegenseite geschildert habe. Nach einer Wiedereingliederung unter psychiatrischer Begleitung habe sich an ihrer Überforderung auch nach einem Zuständigkeitswechsel nichts geändert. Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten sei wenig verständnisvoll. Auf Kritik reagiere sie eher aggressiv.

Der von der Amtsärztin hinzugezogene Facharzt für Psychiatrie X. E. kam in seinem Gutachten vom 15. Februar 2012 zu folgendem Ergebnis:

"Aus psychiatrischer Sicht ist diagnostisch von einer Persönlichkeit mit emotional instabilen und paranoiden Anteilen auszugehen. Es kommt zu erheblichen Einschränkungen der Beziehungsfähigkeit, sodass Publikumsverkehr nicht möglich ist. Bei fehlender Krankheitseinsicht, wie es bei Persönlichkeitsstörungen in der Regel der Fall ist, ist eine therapeutische Zugänglichkeit kaum möglich. Offenbar hat es mindestens eine psychotische Episode zumindest mit wahnhaften Verkennungen gegeben, sodass unter diesem Eindruck zeitweise eine psychiatrisch medikamentöse Behandlung durchgeführt wurde. Die erheblichen Beziehungsstörungen schränken die Dienstfähigkeit insbesondere im Bereich des kollegialen Miteinanders ein. Offenbar wird nach Mitteilung des Dienstherrn auch die erforderte Leistung nicht gebracht, sodass vermutet werden kann, dass durch die am Arbeitsplatz entstehenden Anpassungsstörungen an die kollegiale Gemeinschaft, es zu kognitiven Einschränkungen kommt, die zu einer Leistungsminderung führen. Hinweise dazu bot das hier auffällige sehr schnelle Denk- und Sprachtempo, dem kaum zu folgen war, ohne dass sich allerdings inhaltliche Auffälligkeiten ergaben.

Aus psychiatrischer Sicht besteht daher eine Einschränkung der Dienstfähigkeit hinsichtlich der Fähigkeit mit Publikum, aber auch Kollegen umzugehen, sodass es sich empfehlen würde, eine Arbeit vorzusehen, in der möglichst wenig Berührungspunkte mit Dritten auftreten und wobei Arbeitstempo und Arbeitsmenge ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen entsprechen. Insofern kann die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für ihre Laufbahn aus psychiatrischer Sicht derzeit verneint werden und die oben genannten arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen wären geeignet, um eine weitere Gefährdung der Gesundheit zu vermindern. Bei fehlender Krankheitseinsicht ist derzeit keine psychotherapeutische oder pharmakologische Therapie möglich, sodass mit einem Andauern des gegenwärtigen Gesundheitszustandes gerechnet werden muss."

Auf der Grundlage dieses fachärztlichen Zusatzgutachtens und der am 20. Januar 2012 durchgeführten eigenen Untersuchung der Klägerin kam die Amtsärztin Dr. T. in ihrem Gutachten vom 28. Februar 2012 zu dem Ergebnis, die Klägerin sei wegen einer Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage, in dem jetzigen Aufgabenbereich uneingeschränkt Dienst zu verrichten. Mit einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate sei nicht zu rechnen. Die Wiederherstellung innerhalb eines längeren Zeitraumes erscheine nicht wahrscheinlich. Die Beamtin werde für auf Dauer nicht mehr in der Lage gehalten, die Dienstpflichten im derzeit ausgeübten Aufgabenbereich uneingeschränkt zu erfüllen. Im Falle der vorzeitigen Zurruhesetzung werde eine Nachuntersuchung vor Ablauf von drei Jahren für nicht zweckmäßig gehalten. Der Beamtin sei eine Tätigkeit zu empfehlen, in der möglichst wenig Berührungspunkte mit Dritten aufträten und das Arbeitstempo und die Arbeitsmenge ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen entsprechen sollten. Die Amtsärztin ergänzte ihre Ausführungen mit Schreiben vom 30. März 2012 dahin, dass für die bisherige Tätigkeit der Klägerin aus medizinischer Sicht von Dienstunfähigkeit auszugehen sei und eine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit zu einer Gefährdung ihrer Gesundheit führe.

Unter dem 5. April 2012 ersuchte der Leiter des Finanzamts C. H. die Oberfinanzdirektion S. um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin in den Ruhestand vorbehaltlich der ergebnislosen Prüfung einer anderweitigen Verwendung. Mit Anschreiben vom 10. April 2012 beteiligte er den örtlichen Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte. Sowohl Personalrat als auch Schwerbehindertenvertretung sahen sich angesichts der noch laufenden Prüfung einer anderweitigen Verwendung zu einer Stellungnahme nicht in der Lage.

Unter dem 30. April 2012 bat der Leiter des Finanzamtes C. H. das Landesamt für Personaleinsatzmanagement NRW zu prüfen, ob die Klägerin angesichts ihres Gesundheitszustandes in einem anderen Ressort noch eingesetzt werden könne. Zu einem ersten Gespräch mit dem Landesamt erschien die Klägerin am 11. Juli 2012 in Begleitung ihres damaligen Prozessbevollmächtigten. Sie verwies darauf, dass sie weiterhin in der Finanzverwaltung tätig sein wolle. Die für eine Durchführung des Projektes "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" notwendige Vereinbarung unterzeichnete die Klägerin nicht. Laut Vermerk vom 14. Dezember 2012 fand am 6. Dezember 2012 ein weiteres Gespräch zwischen dem Landesamt und dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin statt. Die Klägerin selbst nahm daran nicht teil. Mit Bericht vom 10. Januar 2013 teilte das Finanzministerium NRW, in dessen Verantwortung das Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" zwischenzeitlich übergegangen war, mit, dass die ausgeprägte Fokussierung der Klägerin auf eine Tätigkeit in der Finanzverwaltung auch mit Blick auf den gesundheitlichen Zustand keine aktive Unterstützung des Vermittlungsprozesses erwarten lasse. Das Projektteam habe verschiedene Anfragen zu einer anderweitigen Verwendung an die in Frage kommenden Dienststellen gerichtet. Dies sei jedoch erfolglos geblieben. Hinsichtlich einer in Betracht kommenden Stelle habe die Stadt M. Interesse gezeigt. Eine Vermittlung sei jedoch an der fehlenden Reaktion der Klägerin auf das Ersuchen um ihre Einwilligung zur Einsichtnahme in ihre Personalakte gescheitert. Auf eine vom Projektteam übermittelte Stellenausschreibung des Universitätsklinikums B. habe sie nicht reagiert. Abschließend habe das Projektteam die im Land zu besetzenden Stellen (A 9 BBesO) nochmals im Hinblick auf ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit abgeglichen. Die Stellen seien jedoch ausschließlich für Tarifbeschäftigte vorgesehen oder aber derart spezifisch ausgerichtet, dass eine Qualifizierung nicht in Betracht komme. Eine Vermittlung der Klägerin werde daher nicht für möglich erachtet.

Mit am 5. Februar 2013 zugestellten Schreiben hörte der Leiter des Finanzamtes C. H. die Klägerin zu der beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand an. Zugleich gab er ihr Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Schreibens. Am 26. Februar 2013 teilten die jetzigen Prozessbevollmächtigten die Mandatsübernahme mit und baten um Akteneinsicht. Am 15. März 2013 ersuchten sie um ein Abwarten mit der Entscheidung, weil die Klägerin nochmals das Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" angehen wolle.

Nach Zustimmung des örtlichen und des Bezirkspersonalrats und Beteiligung der örtlichen Schwerbehindertenvertretung sowie der Gleichstellungsbeauftragten versetzte die Oberfinanzdirektion S. (heute: Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen, im Folgenden: Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen) mit Bescheid vom 16. April 2013 die Klägerin mit Ablauf des 30. April 2013 in den Ruhestand. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei wegen ihrer Erkrankung seit längerer Zeit dienstunfähig. Nach dem amtsärztlichen Zeugnis vom 28. Februar 2012 könne mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit vorerst nicht gerechnet werden. Die Prüfung einer anderweitigen Verwendung im Rahmen des Projekts "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" sei erfolglos verlaufen.

Die Klägerin hat am 14. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, es fehle bereits eine die Versetzung in den Ruhestand rechtfertigende Dienstunfähigkeit. Sowohl aus dem Gutachten von Dr. E. als auch dem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich lediglich eine Einschränkung der Dienstfähigkeit. Sie sei nunmehr bereit, das Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" anzugehen. Das habe sie dem Finanzamt schon vor Erlass der streitbefangenen Verfügung signalisiert. Das beklagte Land habe gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht verstoßen, indem es über ihre Bereitschaft zur Mitarbeit hinweg gegangen sei und sie in den Ruhestand versetzt habe. Sie leide nicht an einer Persönlichkeitsstörung. Vielmehr habe ihre Erkrankung mit dem unangemessenen dienstlichen Umgang mit ihr zu tun. So habe man zunächst keinerlei Rücksicht auf ihre polymorphe Lichtallergie genommen.


Die Klägerin hat beantragt,

den streitbefangenen Zurruhesetzungsbescheid aufzuheben.


Das beklagte Land hat unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des angefochtenen Bescheides beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend hat es ausgeführt, eine andere Verwendungsmöglichkeit für die Klägerin habe es nicht gegeben. Die in dem psychiatrischen Gutachten festgestellten Einschränkungen in der Dienstfähigkeit schlössen eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung aus. Die Klägerin habe die Vereinbarung zur Aufnahme eines individuellen Vermittlungsversuchs durch das Projektteam "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" bis heute nicht unterschrieben, für weitere Vermittlungsversuche bestünden deshalb keine Erfolgsaussichten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Mai 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfähig im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gewesen. Sie habe innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate krankheitsbedingt keinen Dienst geleistet. Es habe auch keine Aussicht bestanden, dass innerhalb von weiteren sechs Monaten ihre Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt sei. Die Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG habe nicht bestanden. Es sei angesichts des Krankheitsbildes der Klägerin schlüssig und nachvollziehbar, dass innerhalb der Finanzverwaltung kein adäquater Dienstposten für die Klägerin zu finden sei. Eine Vermittlung eines Dienstpostens außerhalb der Finanzverwaltung sei an der fehlenden Mitwirkung der Klägerin gescheitert. Insoweit sei ihre Bekräftigung, sie wolle sich dem Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" nochmals zuwenden, unerheblich. Diese sei erst nach Ablauf der Anhörung erfolgt. Sie stehe zudem im Widerspruch zu ihrer Angabe, sich weiterhin für dienstfähig in der Finanzverwaltung zu halten.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 23. März 2015 zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor:

Es könne bereits nicht von ihrer Dienstunfähigkeit ausgegangen werden. Insoweit sei sowohl in dem amtsärztlichen Gutachten als auch im fachpsychiatrischen Zusatzgutachten ausschließlich von einer Einschränkung in der Dienstfähigkeit die Rede, soweit es den Umgang mit Kollegen und Dritten betreffe. Zudem sei ein Sachverständigengutachten zur Frage ihrer Dienstfähigkeit einzuholen.

Darüber hinaus habe eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit für sie bestanden. Ihr hätte die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, das Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" nochmals zu durchlaufen. Dies habe sie auch mit dem Finanzamt C. H. bereits telefonisch vorbesprochen, nachdem sie durch ihre neuen Prozessbevollmächtigten ausführlich beraten worden sei. Die anderweitige Entscheidung der Oberfinanzdirektion verstoße gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.


Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen vom 16. April 2013 aufzuheben.


Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.


Es trägt vor:

Zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand sei die Klägerin dienstunfähig gewesen. Eine Verwendung innerhalb der Finanzverwaltung sei nicht mehr möglich gewesen.

Die Klägerin sei seit ihrem Aufstieg in den gehobenen Dienst den an sie gestellten dienstlichen Anforderungen nicht gerecht geworden. Später habe sie massive Beeinträchtigungen ihrer psychischen Gesundheit gezeigt. In Gesprächen über ihr Leistungsbild und ihr Verhalten im Dienst habe sie wenig verständnisvoll, vielmehr eher aggressiv reagiert. Sowohl im amtsärztlichen Gutachten als auch im fachpsychiatrischen Zusatzgutachten sei eine Persönlichkeitsstörung festgestellt worden, die einen Publikumsverkehr nicht mehr erlaube und erhebliche Einschränkungen im kollegialen Umgang zur Folge habe. Könnten diese Einschränkungen bei einem anderweitigen Einsatz nicht berücksichtigt werden, sei von einer Dienstunfähigkeit auszugehen.

Entgegen ihrer Ansicht gebe es keinen anderweitigen geeigneten Arbeitsplatz für sie in der Finanzverwaltung. Diese zeichne sich durch ein vernetztes, effizientes Arbeiten aus, das schon aus den Gesichtspunkten der Bürgerfreundlichkeit und Transparenz ein hohes Maß an sozialen Fähigkeiten erfordere. Die Ansprüche an ein effizientes Arbeiten stiegen in der Finanzverwaltung kontinuierlich. Die von der Klägerin angeführte Tätigkeit als Betriebsprüferin im Außendienst beinhalte entgegen ihrer Einschätzung besondere Anforderungen an den Umgang mit Steuerbürgern und deren rechtlichen Beratern. Beamte müssten dabei in hohem Maße fähig sein, Konflikte zu bewältigen. Darüber hinaus erfordere diese Tätigkeit ebenfalls die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen innerhalb der Finanzverwaltung.

Das Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" sei mit ausführlicher Begründung unter dem 10. Januar 2013 beendet worden, weil eine Vermittlung der Klägerin unter anderem aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht möglich gewesen sei. Sie habe ihre Mitwirkung an diesem Projekt verweigert. Eine gleichwohl durchgeführte Prüfung der Vermittelbarkeit anhand der offenen Stellen sei ergebnislos verlaufen.

Die nach Ablauf der Anhörungsfrist eingegangene Ankündigung der Klägerin, das Projekt nochmals anzugehen, begründe keinen Anspruch auf erneute Vermittlungsbemühungen. Das Projekt sei unter Mitwirkung der damaligen Prozessbevollmächtigten abgeschlossen worden. Zudem bestünden Zweifel daran, dass sie ernsthaft bereit gewesen sei, an einer nochmaligen Vermittlung teilzunehmen.

Schließlich stelle sich die Frage, ob angesichts der ärztlichen Diagnosen überhaupt eine Suchpflicht des Dienstherrn bestanden habe. Aufgrund der Erkrankung der Klägerin habe es keine für sie geeignete Stelle in der öffentlichen Verwaltung gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes (acht Hefte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Sie ist zulässig, auch wenn die Klägerin in der Berufungsbegründung ausschließlich auf ihre Zulassungsbegründung verwiesen und keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt hat. Mit dem gesonderten Schriftsatz zur Begründung ihrer Berufung hat sie hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie das Berufungsverfahren nach der Zulassung durchführen möchte. Darüber hinaus sind mit Blick auf die Zulassungsbegründung und den Gegenstand des Verfahrens auch Ziel und Umfang der Urteilsanfechtung ausreichend erkennbar.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Oktober 2009 - 2 B 51.09 -, juris, Rn. 4, und vom 10. März 2011 - 2 B 37.10 -, juris, Rn. 11.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen über die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand vom 16. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt sie dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Klägerin kann aufgrund der ungenügenden Prüfung einer anderweitigen Verwendung nicht als dienstunfähig gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG in Verbindung mit § 34 LBG NRW in den Ruhestand versetzt werden.

Für die Rechtmäßigkeit einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an,

vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68.11 -, juris, Rn. 11.

Dies ist im Streitfall die Entscheidung über die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand am 16. April 2013. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen nicht vor. Die Klägerin war zwar dienstunfähig im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG (dazu unter I.). Das beklagte Land hat jedoch die umfassende Prüfung einer anderweitigen Verwendung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 BeamtStG nur unvollständig durchgeführt (dazu unter II.). Desgleichen fehlt eine Prüfung der Verwendung in einer geringerwertigen Tätigkeit nach § 26 Abs. 3 BeamtStG (dazu unter III.).

I. Nach der Legaldefinition des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ist ein Beamter auf Lebenszeit dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Dieser Grundtatbestand wird in dem darauffolgenden Satz um eine Beweiserleichterung ergänzt. Danach kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist von sechs Monaten (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 3 LBG) die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Trotz Verwendung des Wortes "kann" räumt die Vorschrift kein Handlungsermessen in dem Sinne ein, dass trotz bejahter Dienstunfähigkeit noch von einer Zurruhesetzung abgesehen werden könnte.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 2015 - 6 A 371/12 -, juris, Rn. 106, und Beschluss vom 28. Juli 2014 - 6 A 1311/13 -, juris, Rn. 13 f., m.w.N.

Das beklagte Land hat aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 28. Februar 2012 in der Ergänzung vom 30. März 2012 und des fachpsychiatrischen Zusatzgutachtens 15. Februar 2012 ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klägerin zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten als Steuerinspektorin,

vgl. zur Maßgeblichkeit des Amtes im abstraktfunktionellen Sinn: BVerwG, Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A 5.10 -, juris Rn. 2; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2009 - 6 A 3712/06 -, juris, Rn. 44.

dauernd unfähig ist. Bei der Beschäftigungsbehörde der Klägerin, dem Finanzamt C. H. , steht kein Dienstposten zur Verfügung, der dem statusrechtlichen Amt der Klägerin zugeordnet und für sie gesundheitlich geeignet ist.

Nach den ärztlichen Gutachten ist die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung dauerhaft nicht mehr in der Lage, mit Drittkontakten, sei es Publikum oder Kollegen, umzugehen. Gleichfalls erfordert ihre Erkrankung, Arbeitstempo und Arbeitsmenge dem tatsächlichen Leistungsvermögen entsprechend auszurichten. Die ärztlichen Einschätzungen ergeben sich aus den festgestellten Beziehungsstörungen der Klägerin, die sich aus dem diagnostizierten Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung mit sensitiv paranoiden Anteilen ergeben. Diese Diagnose, die der Facharzt für Psychiatrie E. in seinem Gutachten vom 15. Februar 2012 aufgrund eigener Untersuchung und der seitens der Beschäftigungsbehörde geschilderten Erfahrungen mit der Klägerin getroffen hat, ist in sich schlüssig. Die Amtsärztin kommt unter Würdigung und in inhaltlicher Übereinstimmung dieses Gutachtens mit ihren eigenen Feststellungen in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2012 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Persönlichkeitsstörung vorliege. Diese führe dazu, dass die Klägerin derzeit, innerhalb von sechs Monaten und auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, in dem jetzigen Aufgabenbereich uneingeschränkt Dienst zu verrichten. Vielmehr wird sie für auf Dauer nicht mehr in der Lage gehalten, die Dienstpflichten im derzeit ausgeübten Aufgabenbereich uneingeschränkt zu erfüllen. In der ergänzenden Stellungnahme vom 30. März 2012 erläutert die Amtsärztin, dass für die bisherige Tätigkeit aus medizinischer Sicht von Dienstunfähigkeit auszugehen sei.

Der daraus seitens des beklagten Landes gezogene Schluss auf die Dienstunfähigkeit der Klägerin in Bezug auf ihr Amt als Steuerinspektorin weist keinen Rechtsfehler auf. Bereits in ihrem Anschreiben an das Gesundheitsamt vom 24. Oktober 2011 hat die Beschäftigungsbehörde darauf verwiesen, dass neben der Klägerin 23 weitere Mitarbeiter/innen mit gleicher Qualifikation die Tätigkeit ausüben. Diese Art der Tätigkeit erfordert nach der nicht zu beanstandenden Einschätzung des Dienstherrn eine sehr strukturierte, gewichtende Arbeitsweise. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben sei die Fähigkeit, dauerhaft auch unter Zeitdruck nachhaltige Entscheidungen treffen zu können, von zentraler Bedeutung. Insgesamt führten diese Anforderungen zu einer vergleichsweise hohen psychischen Belastung. In der Klageerwiderung vom 15. Januar 2014 und nochmals in der Berufungserwiderung vom 23. April 2015 hat das beklagte Land plausibel erläutert, dass die ärztlicherseits empfohlene Stelle in einer Verwaltung nicht existiert, in der die zahlreichen Einzelschritte im Bereich der Steuerfestsetzung und -erhebung auf verschiedene Stellen aufgeteilt sind, die effizient und vernetzt zusammenarbeiten müssen. Insoweit verweist es auf die Anforderungsmerkmale des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen (www.fm.nrw.de) für eine Bewerbung im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung, die unter anderem Teamfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft als Einstellungsvoraussetzungen benennen. Soweit die Klägerin sich für eine Tätigkeit als Betriebsprüferin als geeignet ansieht, verkennt sie die Anforderungen an eine derartige Außendiensttätigkeit. Diese hat das beklagte Land nachvollziehbar mit einer hohen Konfliktfähigkeit im Umgang mit Steuerbürgern und ihren rechtlichen Beratern sowie effizienter kollegialer Zusammenarbeit beschrieben.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der aus den ärztlichen Stellungnahmen gewonnene Eindruck über die Dienstfähigkeit der Klägerin unzutreffend sein könnte. Es ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht nochmals ein Sachverständigengutachten zu ihrer Dienstfähigkeit einzuholen. Zwar unterliegt die Beurteilung der Dienstfähigkeit schon mit Blick auf die gerichtliche Amtsermittlungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) der inhaltlich nicht eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Eines weiteren Gutachtens bedarf es jedoch nur dann, wenn ein bereits vorliegendes Gutachten nicht den ihm obliegenden Zweck erfüllen kann, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts notwendige Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die für die Entscheidung notwendige Überzeugungsbildung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Entscheidungsfindung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 B 80.10 -, juris, Rn. 7.

Derartige Mängel der vorliegenden Gutachten hat die Klägerin weder aufgezeigt, noch lassen sie sich den Akten entnehmen.

II. Das beklagte Land ist jedoch der sich aus § 26 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 BeamtStG ergebenden umfassenden Prüfpflicht nach einer anderweitigen Verwendung der Klägerin nur unvollständig nachgekommen.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Dies ist nach § 26 Abs. 2 BeamtStG der Fall, wenn dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

Dass im Streitfall die im Regelfall ("soll") durchzuführende Suche nach einer anderweitigen Verwendung ausnahmsweise unterbleiben konnte, ist nicht erkennbar. Insbesondere war das beklagte Land seiner Suchpflicht nicht enthoben. Die Suchpflicht entfällt, wenn feststeht, dass der Beamte krankheitsbedingt voraussichtlich keinerlei Dienst mehr leisten kann oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten sind.

Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 B 97.13 -, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 1 A 2111/13 -, juris, Rn. 12.

Anhaltspunkte dafür ergeben sich indes weder aus dem fachpsychiatrischen Gutachten noch aus den amtsärztlichen Stellungnahmen. Vielmehr wird der Klägerin ärztlich ein prinzipiell nicht eingeschränktes Leistungsvermögen, wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen, bescheinigt. Da bislang keine entsprechenden Arbeitsversuche stattgefunden haben, ist nichts dafür erkennbar, dass sie auch unter den genannten Voraussetzungen den dienstlichen Anforderungen nicht mehr entsprechen oder es bei Wiederaufnahme der Tätigkeit zu erheblichen Fehlzeiten kommen werde.

Für die Ausgestaltung der in § 26 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 BeamtStG festgelegten Suchpflicht hat das Bundesverwaltungsgericht genaue Vorgaben aufgestellt, um gesetzlich nicht vorgesehenen Zweckmäßigkeitserwägungen des Dienstherrn vorzubeugen. In seinem Urteil vom 19. März 2015,

- 2 C 37.13 -, juris, Rn. 17 ff.,

heißt es:

"Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Dies folgt aus dem Wortlaut des Satzes 2 des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F., der die Übertragung eines neuen Amts für zulässig erklärt, wenn es zum Bereich desselben Dienstherrn gehört. Für diesen Umfang der Suchpflicht spricht auch, dass den Beamten zur Vermeidung der Frühpensionierung nach Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayBG a.F. auch der Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung zur Pflicht gemacht werden kann.

Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Der Senat hält für diese vorausschauende Suche nach frei werdenden und/oder neu zu besetzenden Dienstposten einen Zeitraum von sechs Monaten für angemessen. Die Zeitspanne entspricht dem in Art. 56 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F. (entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeitraum von weiteren sechs Monaten. Dagegen begründet Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. keine Verpflichtung anderer Behörden, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08- BVerwGE 133, 297 Rn. 29).

Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, dass diese Beschreibung den Anspruch des Beamten auf Personaldatenschutz wahrt (§ 50 BeamtStG, Art. 60a Abs. 2 Satz 3 und Art. 100a BayBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1998, GVBl S. 702). Deshalb darf die Kurzbeschreibung keine Mitteilung persönlicher Daten des Beamten enthalten, die nach dem geschilderten Zweck der Suchanfrage nicht erforderlich sind. Regelmäßig genügt es, die konkreten Leistungseinschränkungen mitzuteilen. Eine Offenbarung der Diagnose oder gar von detaillierten Krankheitsbefunden ist für den Zweck der Suchanfrage als Konkretisierung des gesetzlichen Grundsatzes "Weiterverwendung vor Versorgung" weder erforderlich noch unter datenschutzrechtlichen Aspekten zulässig.

Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 (108 f.)).

Diesen Anforderungen genügt die hier zu beurteilende ressortübergreifende Suchanfrage nicht. ... Die Setzung einer Verschweigensfrist, derzufolge die suchende Behörde von einer Fehlanzeige ausgeht, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist Rückmeldungen vorliegen, lässt sich indes nicht mit dem gesetzlichen "Grundsatz der Weiterverwendung vor Versorgung" in Einklang bringen. Denn die Einräumung einer bloßen Verschweigensfrist setzt nicht den erforderlichen Impuls für die angefragten Behörden, hinreichend ernsthaft und nachdrücklich nach einer anderweitig möglichen Verwendung des dienstunfähigen Beamten Ausschau zu halten. Die Möglichkeit, durch schlichtes Verschweigen auf eine Suchanfrage zu reagieren, eröffnet die Möglichkeit, den gesetzlichen Grundsatz der "Weiterverwendung vor Versorgung" zu unterlaufen.

In welcher Form die Verwaltung der Suchpflicht nachkommt, sei es - wie vorliegend - durch schriftliche Anfragen oder aber durch E-Mail-Abfragen oder auf andere Weise, bleibt ihrer Organisationsgewalt überlassen. Ebenso bedarf es für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung des dienstunfähigen Beamten nur dann einer Nachfrage, wenn die Suchanfrage von einer angefragten Behörde unbeantwortet bleibt (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2012 - 2 A 5.10- IÖD 2012, 122 (123))."

Der erkennende Senat hat sich bereits mit Urteil vom 2. Juli 2009,

- 6 A 3712/06 -, a. a. O.,

der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Umfang und Nachweis der Suchpflicht des Dienstherrn,

vgl. Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 73.08 -, juris,

angeschlossen. Auch den im zitierten Urteil vom 19. März 2015 weiter konkretisierten Anforderungen folgt der Senat zur Wahrung der Rechtseinheit.

Die danach geltenden Anforderungen hat das beklagte Land im Streitfall auch unter Einschaltung des Projekts "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" nicht erfüllt.

Dabei ist es entgegen seiner Ansicht unerheblich, dass die Klägerin im Rahmen des Projektes nicht mitgewirkt hat. Die Suchpflicht ist allein dem Dienstherrn übertragen. Mit § 26 BeamtStG bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Prüfung der Möglichkeit einer Weiterverwendung ausschließlich Aufgabe des Dienstherrn ist. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhalt für eine Mitwirkungspflicht des betroffenen Beamten bei der Suche nach einer geeigneten Weiterverwendungsmöglichkeit. Das ist bereits dadurch bedingt, dass es um Vorgänge im Verantwortungsbereich des Dienstherrn geht,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, a. a. O., Rn. 20,

in die der Beamte in der Regel keinen Einblick hat und auf die er keinen Einfluss nehmen kann. Überdies zeigt § 26 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG, dass Entscheidungen über die Weiterverwendung eines dienstunfähigen Beamten sogar gegen seinen Willen getroffen werden können. Nach dieser Vorschrift ist die Übertragung eines neuen Amtes in bestimmten Fällen unter den dort geregelten Voraussetzungen nicht von der Zustimmung des Beamten abhängig. Mitwirkungspflichten des Beamten stellt § 26 BeamtStG lediglich für die Zeit nach erfolgreicher Suche des Dienstherrn auf. § 26 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG verpflichtet den Beamten, an gegebenenfalls erforderlichen Qualifikationsmaßnahmen für eine Weiterverwendung teilzunehmen. Dass der Gesetzgeber dennoch die Suche von einer Mitwirkung des Beamten abhängig machen wollte, lässt sich dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf nicht entnehmen. Vielmehr wird in dessen Begründung - ohne eine Mitwirkungspflicht des Beamten auszusprechen - allein auf die verbindliche Regelung der Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung vor der Zulässigkeit einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verwiesen. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicher gestellt werden, dass der Ruhestand bei Dienstunfähigkeit immer nur die "ultima ratio" sein kann.

Vgl. Begründung zu § 27 "Dienstunfähigkeit", Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) vom 12. Januar 2007, BT-Drs. 16/4027, S. 28, 29.

Ebenso wenig sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Abhängigkeit der Suche von einer Mitwirkung des Beamten. Der in dieser Norm festgeschriebene Grundsatz der "Weiterverwendung vor Versorgung" würde nicht nur dann unterlaufen, wenn dem Dienstherrn unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eine Entscheidung über eine Verwendung zustünde,

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 -, a. a. O., Rn. 15,

sondern auch, wenn seine Verpflichtung von etwaigen - gegebenenfalls auch noch von ihm festzulegenden - Mitwirkungspflichten des betroffenen Beamten abhinge.

Das beklagte Land hat ausweislich der vorgelegten Unterlagen des Projekts "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung" folgende Vermittlungsbemühungen unternommen: Anschreiben an die Städte C. H. , M. , Bonn, Köln, den Landesbetrieb Straßenbau, den Landesbetrieb Mess- und Eichwesen, den Landesbetrieb Wald und Holz, das Landesarbeitsgericht, das Oberlandesgericht Köln und die Bezirksregierung Köln unter Beifügung eines Personalbogens der Klägerin - ohne Mitteilung der gesundheitlichen Einschränkungen -. Antworten sind von der Stadt Köln und dem Landesbetrieb Wald und Holz ausgeblieben. Die Stadt M. hat unter dem 30. Juli 2012 Interesse an einer Vermittlung gezeigt. Die übrigen Antworten sind negativ ausgefallen. Zudem hat es die aktuellen Stellenausschreibungen von Mitte August bis Ende November 2012 in Bezug auf eine mögliche Vermittlung der Klägerin gesichtet. Von einer Stellenausschreibung des Universitätsklinikums B. hat es die Klägerin informiert und gleichzeitig ein Anschreiben an das Klinikum gerichtet, welches jedoch negativ beantwortet worden ist. Eine Vermittlung an die Stadt M. konnte nicht weiter betrieben werden, weil die Klägerin auf die Bitte um ihr Einverständnis mit der Übersendung ihrer Personalakte an die Stadt M. nicht reagiert hat. Mit Abschlusserklärung vom 6. Dezember 2012 und Abschlussbericht an die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen vom 10. Januar 2013 wurde mitgeteilt, dass eine Vermittlung nicht habe erfolgen können.

Mit den aufgezählten Vermittlungsbemühungen ist das beklagte Land seiner Suchverpflichtung nicht hinreichend nachgekommen. Bereits die Anstrengungen zur Vermittlung der Klägerin genügen den oben genannten Anforderungen nicht. In den Anschreiben an die unterschiedlichen Behörden fehlt schon eine Kurzbeschreibung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Demgemäß konnten die angeschriebenen Stellen nicht prüfen, ob ein gesundheitlich angemessener Dienstposten vorhanden oder aber absehbar besetzbar ist. Darüber hinaus hat das beklagte Land auf ausgebliebene Antworten nicht mit einer nochmaligen Nachfrage reagiert. Ebenso ist eine Nachfrage hinsichtlich der unter Verweis auf die fehlenden Laufbahnvoraussetzungen der Klägerin erfolgten Absage der Bezirksregierung Köln unterblieben.

Dessen ungeachtet mangelt es aufgrund der gesetzlich nicht vorgesehenen, allerdings wohl im vermuteten Interesse der Klägerin erfolgten Einschränkung der Suche auf die Regionen Köln, Bonn, M. und C. H. an einer Erstreckung der Suche auf den gesamten Bereich des Dienstherrn. Schon angesichts der aus §§ 2 ff. des Gesetzes über die Organisation der Landesverwaltung (LOG NRW) ersichtlichen Vielzahl der Dienststellen der Landesverwaltung hätten Anfragen an weitaus mehr Dienststellen gerichtet werden müssen als tatsächlich geschehen (unter anderem Ministerien, alle Bezirksregierungen). Entsprechende, konkrete Anfragen waren angesichts der Sichtung der freien Stellen im Newsletter nicht entbehrlich. Die Verpflichtung des beklagten Landes erstreckt sich nicht nur auf die freien, besetzbaren Stellen, die anhand von Stellenausschreibungen abgefragt werden können. Sie bezieht sich auch auf diejenigen Stellen, die innerhalb der nächsten sechs Monate frei werden. Derartige Stellen müssen nicht bereits von Stellenausschreibungen erfasst sein.

Der Klägerin kann hinsichtlich einer Einschränkung der Suche ein treuwidriges Verhalten nicht vorgehalten werden. Dass sie auf einer geographisch eingeengten Suche bestanden habe, lässt sich den Unterlagen nicht entnehmen. Die Rahmenbedingungen im Projekt "Vorfahrt für Weiterbeschäftigung", in denen ein Wunsch der Klägerin nach einer Tätigkeit möglichst in der Region Köln, M. , C. H. und gegebenenfalls Bonn erwähnt wird, hat sie nicht unterzeichnet. Dass das beklagte Land diesen Wunsch als verbindlich angesehen hat, ist im Übrigen auszuschließen. Denn es hat ihn mit dem Angebot einer Tätigkeit am Universitätsklinikum B. die Region weit überschritten. Auch hat das Projektteam die im (gesamten) Land zu besetzenden Stellen im Hinblick auf die gesundheitliche Leistungsfähigkeit der Klägerin abgeglichen.

III. Des Weiteren fehlt eine Prüfung der Verwendung der Klägerin in einer geringerwertigen Tätigkeit nach § 26 Abs. 3 BeamtStG. Nach dieser Vorschrift kann zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand der Beamtin unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

Die Prüfung dieser Vorschrift musste sich aus Sicht des beklagten Landes bereits deshalb aufdrängen, weil es selbst von der Unmöglichkeit einer anderweitigen Verwendung im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 BeamtStG ausgegangen ist. Sie ist jedoch (tatsächlich) ausgeblieben. Erfolglos bleibt auch insoweit der pauschale Einwand des beklagten Landes, eine Suchpflicht habe deshalb nicht bestanden, weil es aufgrund der Erkrankung der Klägerin keine für sie geeignete Stelle in der öffentlichen Verwaltung gegeben habe. Die Feststellung von derart weitreichenden gesundheitlichen Einschränkungen lässt sich, wie bereits ausgeführt, den ärztlichen Gutachten nicht entnehmen. Überdies spricht die Tatsache, dass die Klägerin vor ihrer Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst ihrer Tätigkeit im mittleren Dienst beanstandungsfrei nachgekommen ist, dafür, dass eine vorzeitige Zurruhesetzung durch eine geringerwertige Tätigkeit hätte vermieden werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 BRRG nicht gegeben sind.

Referenznummer:

R/R7439


Informationsstand: 05.12.2017