Die Revisionen der Klägerin gegen die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 23. Januar 2018 werden zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Revisionsverfahren.
Die Klägerin wendet sich gegen die Fälligstellung von Zwangsgeldern sowie die Androhung weiterer Zwangsgelder wegen Nichtbeachtung bauaufsichtlicher Rückbauanordnungen.
Am 2. April 2015 erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin als Eigentümerin eines Grundstücks zwei bauordnungsrechtliche Rückbau- und Wiederherstellungsverfügungen. Zur Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen setzte sie der Klägerin jeweils eine Frist von einem Monat nach Bestandskraft der Entscheidung und drohte für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an.
Beide Bescheide enthielten eine Rechtsmittelbelehrung folgenden Wortlauts:
"Gegen diese Entscheidung ist der Widerspruch gegeben, der innerhalb eines Monats bei der Stadt Rottenburg am Neckar mit Sitz in 72108 Rottenburg am Neckar schriftlich oder zur Niederschrift erhoben werden kann."
Die Bescheide gingen der Klägerin im April 2015 zu. Über ihre im Januar 2016 erhobenen Widersprüche ist noch nicht entschieden.
Im Juli 2015 stellte die Beklagte fest, dass die Verpflichtungen aus den Anordnungen von der Klägerin nicht erfüllt worden waren. Sie stellte daher mit den beiden streitgegenständlichen Bescheiden die angedrohten Zwangsgelder fällig und drohte weitere Zwangsgelder an. Die hiergegen eingelegten Widersprüche blieben erfolglos.
Auf die von der Klägerin erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht die Bescheide aufgehoben. Die den Vollstreckungsbescheiden zugrunde liegenden Grundverfügungen vom 2. April 2015 seien nicht unanfechtbar geworden, denn die Rechtsmittelbelehrung in den Bescheiden sei unrichtig gewesen. Es fehle der nach § 58
Abs. 1
VwGO erforderliche Hinweis auf den Beginn der Widerspruchsfrist. Die folglich gemäß § 58
Abs. 2
VwGO geltende Jahresfrist sei gewahrt.
Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Urteile geändert und die Klagen abgewiesen. Die den Grundverfügungen beigefügten Rechtsmittelbelehrungen seien nicht unrichtig gewesen. § 58
Abs. 1
VwGO verlange nur die Angabe der maßgeblichen Rechtsbehelfsfrist, nicht aber eine Belehrung über den Fristbeginn.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof jeweils zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass die Rechtsmittelbelehrungen unrichtig gewesen seien, denn diese hätten zwingend auch eine Belehrung über den Beginn der Widerspruchsfrist enthalten müssen. Ohne einen solchen Hinweis könne eine Rechtsmittelbelehrung irreführend sein. § 58
VwGO beruhe auf dem Gedanken, dass niemand aus Rechtsunkenntnis eines Rechtsbehelfs verlustig gehen solle. Ohne Hinweis auf den Beginn der Rechtsmittelfrist aber habe die (rechtsunkundige) Klägerin nicht erkennen können, wann die Rechtsbehelfsfrist für sie zu laufen beginne.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Verfahren
BVerwG 4 C 2.18 und 4 C 3.18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die zulässigen Revisionen sind unbegründet. Die Berufungsurteile stehen mit Bundesrecht im Einklang.
1. Die den Bescheiden vom 2. April 2015 beigefügten Rechtsmittelbelehrungen genügen den Anforderungen des § 58
Abs. 1
VwGO. Die Angabe des Beginns der einzuhaltenden Frist ist nicht gefordert.
Nach § 58
Abs. 1
VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Der Senat stimmt mit dem Berufungsgericht darin überein, dass sich weder dem Wortlaut noch dem systematischen Zusammenhang noch der Entstehungsgeschichte des § 58
Abs. 1
VwGO eine eindeutige Antwort darauf entnehmen lässt, ob die Belehrung über die einzuhaltende Frist auch einen Hinweis auf deren Beginn enthalten muss. Immerhin kann festgestellt werden, dass im Wortlaut der Norm ein solcher Hinweis nicht angelegt ist und der Senat § 58
Abs. 1
VwGO bisher restriktiv ausgelegt hat (
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1976 - 4 C 74.74 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 31). Auch der Begriff der Frist führt zu keinem anderen Ergebnis, denn nach dem Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuches, auf den nach § 57
Abs. 2
VwGO i.V.m. § 222
Abs. 1
ZPO abzustellen ist, bestimmt eine Frist einen abgegrenzten, bestimmten oder jedenfalls bestimmbaren Zeitraum (
vgl. bereits RG, Urteil vom 8. Juni 1928 - III 426/27 - RGZ 120, 355 (362)). Das sind in der Verwaltungsgerichtsordnung Wochen (
z.B. § 60
Abs. 2 Satz 1
VwGO), Monate (
z.B. § 70
Abs. 1, § 74
Abs. 1, § 124a
Abs. 2 Satz 1,
Abs. 3 Satz 1
VwGO etc.) oder ein Jahr (
z.B. § 60
Abs. 3
VwGO). Ein Erfordernis, zumindest das für den Fristbeginn maßgebliche Ereignis zu benennen, lässt sich hieraus nicht ableiten.
Das bedarf indessen keiner Vertiefung, denn jedenfalls nach Sinn und Zweck des § 58
VwGO ist eine Belehrung über den Fristbeginn nicht erforderlich. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass niemand aus Rechtsunkenntnis eines Rechtsbehelfs verlustig gehen soll (Kopp/Schenke,
VwGO, 24. Aufl. 2018, § 58 Rn. 1). Mit Blick auf die Belehrung über die einzuhaltende Frist bedeutet das, dass durch die Rechtsbehelfsbelehrung die Versäumung der für den Rechtsbehelf maßgeblichen Frist verhindert werden soll. Dem Beteiligten soll vor Augen geführt werden, dass er einerseits zwar nicht sofort gegen eine ihn belastende Entscheidung vorgehen muss, dass er aber andererseits auch nicht unbegrenzt Zeit für einen Rechtsbehelf hat (
BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 23.08 - BVerwGE 134, 41 Rn. 14). Damit ist eine Warnfunktion verbunden. Der Belehrte soll auf den drohenden Rechtsverlust bei Fristablauf aufmerksam gemacht und veranlasst werden, sich alsbald Rechtsrat einzuholen oder sich anders über die konkreten Fristanforderungen des Rechtsbehelfs zu informieren (
vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 180).
§ 58
VwGO bezweckt demgegenüber nicht, eine Rechtsmittelbelehrung zu sanktionieren, die dem Beteiligten die konkrete Fristberechnung nicht bereits aus sich heraus ermöglicht. Im Hinblick auf die in Betracht kommenden unterschiedlichen fristauslösenden Ereignisse (Bekanntgabe oder Zustellung) und Modalitäten (etwa Übermittlung durch die Post, § 41
Abs. 2 VwVfG; öffentliche Bekanntgabe, § 41
Abs. 4 VwVfG; Zustellung durch die Post oder mittels Empfangsbekenntnis, §§ 3
ff. VwZG) ist eine konkrete Belehrung über den Fristbeginn in der Regel gar nicht möglich und wäre im Übrigen fehleranfällig. Durch einen nur allgemein gehaltenen Hinweis auf die in Betracht kommenden fristauslösenden Ereignisse wäre für den rechtsunkundigen Adressaten des Verwaltungsakts nichts gewonnen. Der Senat hält deshalb an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass § 58
Abs. 1
VwGO auch in Bezug auf die einzuhaltende Frist eng auszulegen ist und eine Rechtsmittelbelehrung, die - wie hier - keinen Hinweis auf den Beginn der einzuhaltenden Frist beinhaltet, nicht allein deshalb gegen § 58
Abs. 1
VwGO verstößt. Hiervon ist das Bundesverwaltungsgericht auch schon in der Vergangenheit ausgegangen, wenngleich seine diesbezüglichen Ausführungen entweder nicht zu § 58
VwGO ergangen sind (
BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1961 - 7 C 20.61 - NJW 1962, 1218 zu §§ 32, 39 Hess.VGG) oder jedenfalls nicht entscheidungstragend waren (
vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juni 1983 - 6 C 162.82 - Buchholz 310 § 60
VwGO Nr. 132 und vom 5. Juli 1985 - 8 C 92.83 - NVwZ 1985, 900; Beschlüsse vom 12. Januar 1970 - 6 C 47.69 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 19, vom 16. November 1973 - 7 B 58.73 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 25, vom 28. November 1975 - 7 B 151.75 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 30, vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - NJW 1991, 508 (509) und vom 5. Mai 1999 - 8 B 16.99 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 73).
Die Klägerin hält dem entgegen, dass ohne einen Hinweis auf den Beginn der einzuhaltenden Frist eine Rechtsmittelbelehrung irreführend sein könne, denn in diesem Fall könne der Betroffene nicht erkennen, wann die Rechtsbehelfsfrist für ihn zu laufen beginne; es drohe der Verlust des Rechtsbehelfs. Dem folgt der Senat nicht. Eine Rechtsmittelbelehrung muss, um § 58
Abs. 1
VwGO zu genügen, nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen und muss dem Beteiligten nicht jede eigene Überlegung ersparen (
BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1972 - 4 C 40.70 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 23 und vom 27. Februar 1976 - 4 C 74.74 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 31
S. 7 f.). Auch ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Rechtsmittelbelehrung, die keinen Hinweis auf den Beginn der einzuhaltenden Frist enthält, irreführend, d.h. geeignet sein soll, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig und in der richtigen Form einzulegen (
vgl. hierzu etwa
BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 2.01 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 83
S. 16
m.w.N.; Beschluss vom 31. August 2015 - 2 B 61.14 - Buchholz 310 § 58
VwGO Nr. 92 Rn. 8). Soweit die Klägerin schließlich auf das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. August 2013 zu neuen Mustern für die Belehrung über Rechtsbehelfe nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und darauf verweist, dass dort auch die Angabe des Beginns der Rechtsbehelfsfrist ("ab Bekanntgabe") enthalten sei, ist darauf zu antworten, dass diese Belehrungsmuster vor dem Hintergrund der vom Senat vorgenommenen verbindlichen Normauslegung (
vgl. dazu
BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 Rn. 45) über das von § 58
Abs. 1
VwGO Geforderte hinausgehen.
2. Für den Senat bestand keine Vorlagepflicht nach § 2
Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RSprEinhG).
Nach dieser Vorschrift entscheidet der Gemeinsame Senat, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will. Die Rechtsfrage muss sich auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind. Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein. Eine
i.S.v. § 2
Abs. 1 RSprEinhG erhebliche Abweichung liegt nur vor, wenn es für die eine wie für die andere Entscheidung auf den Punkt, in dem die Meinungen auseinandergehen, tragend ankommt (
BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 25.75 - Buchholz 445.4 § 31 WHG
Nr. 4; BFH, Urteil vom 21. Februar 1991 - V R 11/91 - juris Rn. 32). An letztgenannter Voraussetzung fehlt es hier.
Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteile vom 18. Juli 1986 - III R 216/81 - BFH/NV 1987, 12, vom 29. März 1990 - V R 19/85 - juris, vom 7. März 2006 - XR 18/05 - BFHE 212, 407, vom 26. Mai 2010 - VIII B 228/09 - BFH/NV 2010, 2080 und vom 16. Mai 2013 - III R 63/10 - BFH/NV 2014, 12 jeweils zu § 55 FGO; Beschluss vom 30. August 1995 - V B 72/95 - BFH/NV 1996, 106; ferner Urteil vom 20. Februar 2001 - IX R 48/98 - NVwZ 2001, 960 = juris Rn. 8 zu § 356
AO 1977 und Beschluss vom 28. April 2015 - VI R 65/13 - BFH/NV 2015, 1074 = juris Rn. 15 zu § 356
AO) und das Bundessozialgericht (
BSG, Urteile vom 6. Dezember 1996 - 13 RJ 19/96 - BSGE 79, 293 zu § 66
SGG und vom 9. April 2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288 zu § 85
Abs. 3 Satz 4
SGG) hatten sich zwar wiederholt mit den Anforderungen an Rechtsmittelbelehrungen nach Vorschriften in ihren Verfahrensordnungen zu befassen, die mit § 58
VwGO vergleichbar sind. In keinem Fall handelte es sich jedoch um vergleichbare Rechtsbehelfsbelehrungen; gegenständlich waren vielmehr stets solche Belehrungen, die einen irgendwie gearteten Hinweis auf den Beginn der Rechtsbehelfsfrist enthielten. Die Rechtsfrage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist, weil sie keinen Hinweis auf den Beginn der Rechtsmittelfrist enthält, war in keinem dieser Verfahren entscheidungserheblich; die Ausführungen zum Erfordernis der Angabe des fristauslösenden Ereignisses stellen sich daher durchgängig als obiter dicta dar.
Gleiches gilt für die Beschlüsse des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 2014 - EnVR 22/13 (NVwZ-RR 2014, 449) und EnVR 24/13 (EnWZ 2014, 315) -; in diesen Entscheidungen ging es zudem um den hier nicht gegebenen Fall einer Rechtsbehelfsbelehrung bei öffentlicher Bekanntgabe.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO.