II.
1. Die von dem Beteiligten zu 1) eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.
1.1 Die Beschwerde ist statthaft. Gemäß § 48
Abs. 1
ArbGG i. V. m. 17a
Abs. 2 GVG hat das Arbeitsgericht zu prüfen, ob ein Rechtsstreit zutreffend als Urteilsverfahren nach § 2
ArbGG oder als Beschlussverfahren nach § 2a
ArbGG anhängig gemacht wurde. Soweit es hierüber eine Entscheidung trifft, wie vorliegend auf die Rüge der Beteiligten zu 2), war
gem. §§ 48
Abs. 1
ArbGG, 17a
Abs. 3 Satz 2 GVG vorab von Amts wegen zu entscheiden. Die sofortige Beschwerde ist das statthafte Rechtsmittel (§ 48
Abs. 1, § 17a
Abs. 4 Satz 3 GVG) gegen diese Entscheidung.
1.2 Gegen den am 30.12.2019 (
vgl. EB Bl. 66 d. A.) zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) rechtzeitig eingehend bei Gericht am 13.01.2020 (Schriftsatz per Fax, Bl. 70 d. A.) Beschwerde erhoben. (§§ 80
Abs. 3, 48
Abs. 1
ArbGG, 17 a
Abs. 4
S. 3 GVG, 78
Abs. 1
ArbGG, 567, 569
ZPO).
2. Die zulässige Beschwerde erweist sich hinsichtlich des Antrages der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen (Beteiligter zu 1)) als begründet. Das Beschlussverfahren ist die zutreffende Verfahrensart.
2.1 Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hinsichtlich der Verfahrensart für Streitigkeiten zwischen der Schwerbehindertenvertretung und dem Arbeitgeber über eine dem Mitglied der Schwerbehindertenvertretung erteilte Abmahnung ist nicht vorhanden. Die durch das Arbeitsrechtsbeschleunigungsgesetz vom 30.03.2000 (BGBl. I 2000, 333) eingeführte Regelung
gem. § 2a
Abs. 1
Nr. 3a
ArbGG hat die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren nur auf die
§§ 94,
95 SGB IX geregelten Tatbestände (nunmehr
§§ 177,
178 und
222 SGB IX) bezogen, jedenfalls nicht ausdrücklich auf weitere Regelungssachverhalte des
SGB IX. Das
BAG hat dazu entschieden, dass neben den ausdrücklich in der Norm genannten Streitigkeiten über die Wahl und die Amtszeit (§ 177
SGB IX) und die Aufgaben (§ 178
SGB IX) der Schwerbehindertenvertretung sowie die Mitwirkung durch Werkstatträte (§ 222
SGB IX) solche Streitigkeiten im Beschlussverfahren zu führen seien, die Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretungen betreffen, die in der Organstellung des Gremiums ihre Grundlage haben, § 2a
Abs. 1
Nr. 3a
ArbGG zudem stets entsprechend anwendbar sei, wenn um Normen im Schwerbehindertenvertretungsrecht gestritten werde, die kollektiven Charakter haben (
BAG 22. März 2012 -
7 AZB 51/11 - Rn. 5, juris;
BAG 15. Juni 2017 -
7 AZB 56/16 -, Rn. 20, juris). Dies gelte unabhängig davon, ob die Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb der Privatwirtschaft oder in einer Dienststelle, für die Personalvertretungsrecht gilt, gebildet wurde (
BAG 11. November 2003 -
7 AZB 40/03 - zu II 1 b der Gründe, juris). In seiner Entscheidung 30.03.2010 hat das
BAG einschränkend zu § 96
SGB IX (nunmehr § 179
SGB IX) ausgeführt, § 96
SGB IX treffe nach seiner Überschrift Bestimmungen über die persönlichen Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen und regele zu einem erheblichen Teil deren individualrechtlichen Rechte und Pflichten,
z. B. das Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot (
Abs. 2), den Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz (
Abs. 3) sowie Entgeltfortzahlungsansprüche für die Dauer der Wahrnehmung von Amtstätigkeiten und der Teilnahme an
Schulungsveranstaltungen (
Abs. 4). Streitigkeiten hierüber seien - je nach dem Status des Mitglieds als Arbeitnehmer oder Beamter - im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht oder dem Verwaltungsgericht zu entscheiden. Dementsprechend sei eine Erstreckung der Regelung in § 2a
Abs. 1
Nr. 3a,
Abs. 2
ArbGG auf diese Angelegenheiten vom Gesetzgeber konsequenterweise unterblieben. Eine Eröffnung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens für derartige individualrechtliche Streitigkeiten wäre systemwidrig (
BAG, Beschluss vom 30. März 2010 -
7 AZB 32/09 -, Rn. 10, juris). Demgegenüber wird in Schrifttum und Rechtsprechung auch vertreten, dass auch solche Rechtsstreitigkeiten zwischen Schwerbehindertenvertretung und Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu verfolgen seien, die die Aufgaben und Befugnisse der Schwerbehindertenvertretung als solche zum Gegenstand haben, auch insoweit, als sie die persönlichen Befugnisse und Pflichten der Vertrauenspersonen betrifft, wenn sie ihre Grundlage auch im Amt als Vertrauensperson der Schwerbehinderten haben (Schwab/Weth/ Walker,
ArbGG, 5. Aufl., § 2a
ArbGG, Rn 99). Deshalb seien
z. B. Streitigkeiten um die Freistellung eines Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung nach § 96
Abs. 4
SGB IX (nunmehr § 179
SGB IX) ebenso im Beschlussverfahren zu entscheiden (
LAG Nürnberg vom 22.10.2007 -
6 Ta 155/07;
LAG Sachsen vom 13.04.2010 -
2 TaBV 23/09).
Vorliegend ist nach Ansicht der Kammer das Beschlussverfahren entsprechend § 2a
Abs. 1
Nr. 3a
ArbGG die zulässige Verfahrensart. Im vorliegenden Falle beruft sich die Vertrauensperson darauf, dass durch die Abmahnung die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung, die in der gesetzlich vorgesehenen Beratung im Rahmen von Gleichstellungsanträgen (§ 178
Abs. 1
S. 3
SGB IX) der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehe, behindert werde. Die Abmahnung betreffe einzig und allein die erfolgte Beratungstätigkeit, die der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178
Abs. 1
S. 3
SGB IX obliege. Dies verstoße gegen § 179
Abs. 2
SGB IX. Die Vertrauensperson beruft sich damit auf ihre Rechte im Rahmen der "Amtstätigkeit" der Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber. Es geht ihr um die Feststellung der Rechtsbeziehungen zwischen der Schwerbehindertenvertretung und dem Arbeitgeber und um hieraus resultierende Rechte und Pflichten. Eine schwerbehindertenvertretungsrechtliche Streitigkeit entfällt nicht schon deshalb, weil es in diesem Zusammenhang um eine der Vertrauensperson der Schwerbehinderten als Arbeitnehmer erteilte Abmahnung geht, die nach dem Text der Abmahnung eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten zum Inhalt hat.
Nach den Grundsätzen, die das Bundesarbeitsgericht zu der Frage der Verfahrensart hinsichtlich einer Abmahnung von Betriebsratsmitgliedern entwickelt hat, ist es der Arbeitgeberin nicht verwehrt, auch im Beschlussverfahren sich auf die Berechtigung der Abmahnung zu berufen, weil dieser auch individualrechtliche Pflichtverletzungen zugrunde lägen. Besonderheiten bei der Abmahnung von Betriebsratsmitgliedern sollen dann bestehen, wenn ein Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Verletzung von Amtspflichten abgemahnt wird. Hier ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Voraussetzung der individualrechtlichen Abmahnung - verstanden als die Androhung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses -, dass die beanstandete Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten zugleich eine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt (
BAG, Urt. v. 26.01.1994 - 7 AZR 640/92 Rn. 20;
BAG, Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92 Rn. 30). Eine solche Doppelnatur nimmt das Bundesarbeitsgericht etwa an für die Verpflichtung des Betriebsratsmitglieds, sich vor Beginn einer zur Wahrnehmung des Betriebsratsamts erforderlichen Arbeitsversäumung beim Arbeitgeber abzumelden (
BAG, Urt. v. 15.07.1992 -
7 AZR 466/91 Rn. 26) oder bei Arbeitsverweigerung infolge Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung, die bei sorgfältiger objektiver Prüfung für jeden Dritten ohne weiteres als nicht erforderlich erkennbar war (
BAG, Urt. v. 10.11.1993 - 7 AZR 682/92; Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 5/2016
Anm. 2). Etwas Anderes kann nicht deshalb gelten, weil die Arbeitgeberin sich zwar hinsichtlich des abgemahnten Sachverhaltes auf eine "Amtstätigkeit" stützt, die Pflichtverletzung in ihrer Bewertung ausschließlich individualrechtlich einordnet. Bei der kollektivrechtlichen und der individualrechtlichen Rechtsposition des mit dem Abmahnungsentfernungsantrag verfolgten Verlangens handelt es sich nicht um zwei abgrenzbare Streit- oder Verfahrensgegenstände (
BAG; 9. September 2015 -
7 ABR 69/13 -, Rn. 31 - 32, juris). Nach dem auch für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren geltenden sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (
BAG; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16 juris;
BAG; 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 -, Rn. 31 - 32, juris). Vorliegend verlangt die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen von der Arbeitgeberin die Abmahnung vom 04.06.2019 und das Protokoll des Mitarbeitergesprächs vom 22.05.2019 aus seiner Personalakte zu entfernen. Ausgehend von ihrem Tatsachenvortrag beruft sich die Vertrauensperson auf Anspruchsgrundlagen kollektivrechtlicher Natur. Sie ist weiter der Ansicht, auch vorwerfbare arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen - die die Arbeitgeberin gemäß ihrer Abmahnung behauptet - seien nicht gegeben. Auch die Frage der individualrechtlichen Berechtigung der Abmahnung kann - entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin - ein Gegenstand des Beschlussverfahrens sein. Der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte folgt dann aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 242, 1004
Abs. 1 Satz 1
BGB. Eine Prüfung dieses - individualrechtlichen - Anspruchs kann auch im vorliegenden Beschlussverfahren erfolgen. Nach § 48
Abs. 1
ArbGG i. V. m. § 17
Abs. 2 Satz 1 GVG ist die Sache in der zulässigen Verfahrensart des Beschlussverfahrens unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (
BAG; 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 -, Rn. 38 - 39, juris).
Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004
Abs. 1 Satz 1
BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (
BAG; 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12 - Rn. 58; 19. Juli 2012 - 2 AZR 782/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 142, 331;
BAG, Beschluss vom 9. September 2015 - 7 ABR 69/13 -, Rn. 38 - 39, juris). Dementsprechend ist bei einer berechtigten Abmahnung individualrechtlicher Pflichtverletzungen, auch wenn Amtspflichten mitbetroffen sind ("Doppelnatur"), der Antrag zurückzuweisen. Verletzt die Vertrauensperson dagegen ausschließlich Amtspflichten, die sich aus den Rechten und Pflichten der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ergeben, sind vertragsrechtliche Sanktionen ausgeschlossen. Macht der Arbeitgeber allein eine Amtspflichtverletzung geltend oder erweist sich diese, so steht ihm ein Kündigungsrecht nicht zu (§ 179
Abs. 3
SGB IX i. V. m. § 15
KSchG). Folgerichtig besteht dann auch kein Recht, der Vertrauensperson die Kündigung anzudrohen (
vgl. Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 5/2016
Anm. 2).
3. Weiter sei darauf hingewiesen, dass auch hinsichtlich der erstinstanzlichen Antragserweiterung betreffend die angekündigten Anträge der Schwerbehindertenvertretung, das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart ist. Dies ergibt sich für den eigenständigen Antrag der Schwerbehindertenvertretung aus den oben dargestellten Gründen.
3.1 Hinsichtlich des Antrages der Schwerbehindertenvertretung vom 12.02.2020 handelt es sich um einen eigenständigen Antrag der Schwerbehindertenvertretung als "Stelle" im Sinne des
SGB IX. Dabei ist es im Beschlussverfahren grundsätzlich möglich, zusammen mit weiteren Antragstellern verschiedene Anträge gegen mehrere Beteiligte oder einen Beteiligten zu richten (subjektive Antragshäufung; Wessel in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Beschlussverfahren, Rn. 127). Die Schwerbehindertenvertretung als "Stelle" im Sinne des
SGB IX ist auch grundsätzlich antragsbefugt und von der Vertrauensperson der Schwerbehinderten Menschen zu unterscheiden (
vgl. BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 -
7 ABR 39/14 -, juris).
3.2. Dabei mag letztlich dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht über die Verfahrensart auch hinsichtlich der subjektiven Antragserweiterung, die erst nach der Einlegung der Beschwerde erstinstanzlich erfolgte, entscheiden kann, da gegebenenfalls dieser Teil des Verfahrens, der noch erstinstanzlich anhängig ist, in die Beschwerdeinstanz "hochgezogen" werden kann (für den noch nicht in der Berufungsinstanz anhängigen Teil einer Stufenklage
vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2017 - II ZR 179/16 -, juris). Vorliegend ist allerdings auch die Beteiligte zu 2) der Ansicht, dass ein Antrag der Schwerbehindertenvertretung im Beschlussverfahren zu entscheiden sei. Mit Schriftsatz vom 02.04.2020 macht die Beteiligte zu 2) lediglich geltend, der Antrag der Schwerbehindertenvertretung sei rechtsmissbräuchlich und unbegründet. Weiter ist sie der Ansicht, dass selbst bei einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung das Verfahren hinsichtlich des Antrages der Schwerbehindertenvertretung abgetrennt werden müsste, da lediglich das Verfahren der Vertrauensperson im Urteilsverfahren zu führen sei.
4. Die Beschwerdekammer hat die Rechtsbeschwerde für die Beteiligte zu 2) zugelassen.