Auf die Anschlussberufung des beklagten Landes wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. November 2006 - 1/8 Ca 411/05 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung des Klägers
als schwerbehinderten Menschen im Rahmen von Stellenbesetzungsverfahren. Die von dem beklagten Land betriebene Technische Universität X (im Folgenden: TU X) schrieb unter den Kenn-Nummern 103, 106, 107, 108 und 109 fünf Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter aus. Wegen des genauen Inhalts der Stellenausschreibungen wird auf die Kopien Bl. 7-16 d.A. Bezug genommen. Der am 28. Dezember 1961 geborene, in X wohnhafte Kläger ist Diplom-Mathematiker mit dem Nebenfach Informatik und verfügt über einen Abschluss Magister Artium im Fach Germanistik. Wegen der von ihm in den Jahren 1986 bis 1998 verrichteten beruflichen Tätigkeiten wird auf die Aufstellung in seinem Lebenslauf Bl. 22 d.A. Bezug genommen. Der Kläger stellte einen Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung, woraufhin ihm - nach seinem Vorbringen - Mitte Februar 2004 ein Grad der Behinderung von 30 anerkannt worden ist. Mit Schreiben vom 25. April 2004 bewarb sich er, der seit einiger Zeit arbeitslose war, innerhalb der vorgegebenen Bewerbungsfrist auf jede der unter den Kenn-Nummern 103, 106, 107, 108 und 109 ausgeschriebenen Stellen unter Beifügung eines Lebenslaufs und von verschiedenen Zeugnissen und Bestätigung en. Wegen des Inhalts der Bewerbungsunterlagen wird auf Blatt 19-38 d.A. Bezug genommen.
Darüber hinaus ließ er Anfang Juni 2004 der TU X die Zusicherung gemäß § 34
SGB X der Bundesagentur für Arbeit vom 2. Juni 2004 zukommen, wegen deren genauen Inhalts auf Bl. 18 d.A. Bezug genommen wird. Der Leiter des E-Learning Centers der TU X,
Prof. Dr. A, beantragte mit Schreiben vom 17. Mai 2004 (Bl. 177-179 d.A.) bei dem Präsidium der TU X die Besetzung der Stelle mit der Kennnummer 107 für die Zeit von Juni 2004 bis Dezember 2005 mit dem internen Bewerber B, der bereits für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2004 befristet bei der TU X eingestellt worden war. Mit Schreiben vom 24. Mai 2004 beantragte der Präsident der TU X bei dem Personalrat die Zustimmung zur Besetzung dieser Stelle mit dem Bewerber B. Der Personalrat erteilte am selben Tage seine Zustimmung (Bl. 180 d.A.). Im Auswahlverfahren war der Kläger intern als Bewerber nicht aufgeführt worden. Die Stelle mit der Kennnummer 103 wurde mit der Bewerberin C besetzt. Wegen des Inhalts ihrer Bewerbungsunterlagen wird auf Bl. 147-162 d.A. Bezug genommen. Mit Erklärung vom 5. Juli 2004 stimmte der Personalrat der Einstellung zu (Bl. 164 d.A.). Mit Schreiben der TU X vom 23. Juli 2004 erhielt der Kläger eine Absage auf seine Bewerbung, wegen deren Wortlauts auf Bl. 39 d.A. Bezug genommen wird. Im August 2004 brach die TU X das Einstellungsverfahren für die Stelle mit der Kennnummer 106 offiziell ab. Die Vergütung auf der Basis einer Vollzeittätigkeit auf den fünf ausgeschriebenen Stellen würde sich für den Kläger bis November 2004 auf
EUR 3.875,78 und danach auf
EUR 3.987,81 brutto im Monat belaufen. Mit Schreiben seiner damaligen bevollmächtigten Rechtsanwältin D vom 21. September 2004 machte er gegenüber der TU X eine Entschädigungsanspruch gemäß § 81
Abs. 2
SGB IX geltend (Bl. 40 d.A.). Zeitlich nachfolgend wurde der Kläger rückwirkend zum 1. Februar 2004 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt; insoweit wird auf die Kopie seines unter dem 18. April 2006 ausgestellten Schwerbehindertenausweises Bl. 310 f. d.A. Bezug genommen.
Der Kläger hat mit seiner Klage Entschädigung gegenüber dem beklagten Land geltend gemacht und die Auffassung vertreten, als schwerbehinderter Mensch benachteiligt worden zu sein, weil er - unstreitig - von der TU X nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sei und weil, wie er behauptet hat, die Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung nicht informiert worden sei. Er hat gemeint, bei benachteiligungsfreier Auswahl und unter Wahrung der Auswahlgrundsätze der Bestenauslese nach Artikel 33
GG habe die TU X nur die Möglichkeit gehabt, ihn als bestgeeigneten Bewerber auszuwählen. Die Mindesthöhe der begehrten Entschädigung hat er mit
EUR 14.534,18 beziffert und ursprünglich so bemessen, dass er für jede der drei Halbtagsstellen 3 Monatsverdienste veranschlagt hat, wobei er im Verlauf des Verfahrens die Höhe der Vergütung der dienstaltersbedingten Erhöhung angepasst hat.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, ihm eine Entschädigung, welche in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens
EUR 14.534,18 betragen sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Ansicht vertreten, dem Kläger keine Entschädigung nach
§ 81 Abs. 2 SGB IX zu schulden. Es hat behauptet, der Kläger sei zu einem Bewerbungsgespräch nicht eingeladen worden, weil ihm die fachliche Eignung offensichtlich gefehlt habe. Es sei für die TU X unabdingbare Voraussetzung für eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gewesen, dass der Bewerber einen biographischen Bezug zur Evaluation und Qualitätssicherung von E-Learning offensichtlich gehabt habe. Darüber hinaus sei Voraussetzung für die Stellenbesetzung gewesen, dass der Bewerber sich schon im Studium oder in der beruflichen Praxis mit E-Learning befasst gehabt habe. Dementsprechend sei der Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, wobei die eingeladenen Bewerber jeweils über wissenschaftliche Kenntnisse und praktische Erfahrungen im Bereich E-Learning verfügt hätten. Während des Studiums des Klägers sei es - unstreitig - E-Learning als Lehrfach noch nicht gelehrt worden. Dementsprechend könne der Kläger kein Aufbaustudium oder ähnliches vorweisen. Weiterhin hat das beklagte Land behauptet, die Schwerbehindertenvertretung sei rechtzeitig über die Bewerbung des Klägers unterrichtet worden.
Das Arbeitsgericht Darmstadt hat durch Urteil vom 29. November 2006 der Klage nur in Höhe von
EUR 996,95 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat angenommen, der Kläger habe gemäß § 81
Abs. 2
Nr. 2 SB IX Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung, weil die TU X ihn bei der Bewerbung um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses als schwerbehinderten Menschen benachteiligt habe. Nach § 81
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX dürfe ein schwerbehinderter Mensch bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Nach
§ 82 SGB IX seien schwerbehinderte Menschen, die sich bei einem öffentlichen Arbeitgeber um einen Arbeitsplatz beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, es fehle ihnen offensichtlich die fachliche Eignung. Der Kläger habe in Bezug auf die Besetzung der Stelle mit der Kennnummer 103 Tatsachen glaubhaft gemacht, die eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vermuten lassen.
Denn er sei entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, obwohl im die Eignung für die Stelle mit der Kennnummer 103 nach seinen vorgelegten Bewerbungsunterlagen nicht offensichtlich fehle. Die von dem beklagten Land zusätzlich zu den Anforderungen in der Stellenausschreibung herangezogenen Kriterien des unerlässlichen biographischen Bezugs zu Evaluation und Qualitätssicherung von E-Learning und zur vorhergehenden Befassung des Bewerbers in Studium oder beruflicher Praxis mit E-Learning könnten bei der Frage nach der offensichtlich fehlenden fachlichen Eignung des Klägers nicht berücksichtigt werden, da es sich hierbei um nicht in der Stellenausschreibung aufgeführte Kriterien handele. Wenn Einstellungsvoraussetzungen nicht ihrerseits offensichtlich in einer Weise seien, dass sie dem Bewerber über die Stellenausschreibung deutlich würden, könne auch nicht von einer offensichtlich nicht vorhandenen Eignung eines Bewerbers ausgegangen werden. Deshalb sei die Vorenthaltung des Rechts des Klägers auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch für die Stelle mit der Nummer 103 als eine Hilfstatsache anzusehen, die eine Benachteilung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lasse. Diese für die Benachteilung des Klägers sprechende Hilfstatsache habe das beklagte Land nicht widerlegt, da es dem Arbeitgeber im Rahmen einer gerichtlichen Prüfung grundsätzlich verwehrt sei, sich auf sachliche Gründe für die Ablehnung zu berufen, die er dem betroffenen Bewerber bei seiner Unterrichtung nach
§ 80 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht mitgeteilt habe.
Aus dem Schreiben der TU X vom 23. Juli 2004 gehe nur hervor, dass man einen anderen Bewerber ausgewählt habe, der den gewünschten Kriterien noch besser entsprochen habe. Die Höhe der zu leistenden Entschädigung sei mit einem halben Monatsverdient ausreichend hoch bemessen. Denn von vorneherein sei die Entschädigung auf höchstens 3 Monatsverdienste beschränkt, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteilungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. So liege der Fall hier, denn die TU X hätte den Kläger auch dann nicht eingestellt, wenn sie ihn zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß beteiligt hätte. Mit der Bewerberin C habe der TU X eine Person zur Verfügung gestanden, die bereits als Projektkoordinatorin und Didaktikerin im Projekt "Notebook-University" an der BTU Cottbus und durch wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen zum Themenbereich E-Learning hervorragend, zumindest aber besser als der Kläger für die Stelle mit der Kennnummer 103 qualifiziert gewesen sei. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass es um eine bis Ende 2005 befristete Stelle gegangen sei, was zu einer Reduzierung des Entschädigungsanspruchs führen müsse. Weiterhin müsse zu Gunsten des beklagten Landes berücksichtigt werden, dass eine ordnungsgemäße Vorgehensweise bei der Stellenbesetzung durch die erst während des Auswahlverfahrens bekannt gewordene Gleichstellung des Klägers erheblich erschwert worden sei und lediglich ein formaler Verfahrensverstoß zur Last gelegt werden könne und darüber hinaus keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren, dass die TU X den Kläger nur deshalb nicht als Bewerber in die engere Wahl gezogen habe, weil er schwerbehindert war.
Soweit der Kläger eine höhere Entschädigung wegen seiner Bewerbung auf die Stellen mit den Kennnummern 106 und 107 geltend macht habe, sei die Klage unbegründet. Der Kläger erfülle für die Stellen mit den Kennnummern 106 und 107 offensichtlich die Voraussetzungen der Anforderungsprofile nicht, weil er nicht die jeweils erforderliche Erfahrung in der Softwareentwicklung (insbesondere Java) habe und Webprogrammierungen beherrsche. Zwar habe er in seinem Bewerbungsschreiben angegeben, in einem einjährigen Vollzeitkurs zusätzlich die Qualifikation als Multimediaentwickler erworben zu haben, wozu insbesondere Webprogrammierung und der Umgang mit den Autorenprogrammen Director und Authorware gehörten. Dies stelle jedoch keinen ausreichenden Hinweis darauf dar, dass auch die in den Stellenausschreibungen mit den Kennnummern 106 und 107 aufgeführten Erfahrungen in der Webprogrammierung vorhanden seien. Darüber hinaus fehlten in dem Bewerbungsschreiben Hinweise darauf, dass er Erfahrungen mit Java habe. Ein Hinweis hierauf befinde sich erst im Kleingedruckten und zwar in der Anlage zum Zertifikat über die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme zum Multimediaentwickler im drittletzten Absatz. Es sei einem Arbeitgeber jedoch nicht zuzumuten, jede Zeile umfangreicher Anlagen eines Bewerbungsschreibens daraufhin zu untersuchen, ob Hinweise im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen des Stellenprofils enthalte seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 221-226 d.A. Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 27. Juni 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung und das beklagte Land Anschlussberufung eingelegt.
Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren teilweise unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Er vertritt unter Bezugnahme auf seinen beruflichen Werdegang - wie er sich aus den, dem beklagten Land vorliegenden Bewerbungsunterlagen und der ihm bekannten Informationen aufgrund seiner Tätigkeiten für das beklagte Land ergebe - die Ansicht, die Qualifikationen für die Stellen mit den Kennziffern 103, 106 und 107 zu erfüllen. Er meint, das Arbeitsgericht habe in keinem Fall aus eigener Sachkunde ohne Erhebung von Beweisen die erfolgreiche Bewerberin als besser geeignet ansehen können, da er mit seiner naturwissenschaftlich-technischen und geisteswissenschaftlichen Hochschulausbildung über ein breiteres Spektrum verfüge als die ausgewählte Bewerberin und auch nur er im Übrigen langjährige Berufserfahrung in der Erwachsenbildung habe. Außerdem sei die Höhe der Entschädigung fehlerhaft bemessen worden. Die Befristung einer Stelle sei kein Bemessungsfaktor für den Diskriminierungsakt. Auch sei der vom Gesetzgeber intendierte Strafaspekt ebenso völlig außer Betracht gelassen worden wie der Aspekt, dass die TU X in besonders eklatanter Weise sich in Widerspruch zu den Vorgaben der § 81 f.
SGB IX verhalten habe. Bezogen auf die Stellen mit den Kennziffern 106 und 107 könne sich das beklagte Land im Hinblick auf den Inhalt seines Ablehnungsschreibens nicht darauf berufen, er sei völlig ungeeignet. Der Kläger behauptet, über die geforderten Erfahrungen in der Softwareentwicklung und JAVA zu verfügen und dies auch nachgewiesen zu haben. Allein schon aus der Absolvierung eines Informatikstudiums und der Tätigkeit in einer Softwarenentwicklungsabteilung folge, dass er über derartige Erfahrungen verfüge. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, besser als der ausgewählte Bewerber B qualifiziert zu sein.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. November 2006 - 1/8 Ca 411/05 - teilweise abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an ihn eine weitere Entschädigung, welche in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens
EUR 13. 527,23 betragen sollte, zuzüglich Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 29. November 2006 - 8 Ca 411/05 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land verteidigt, soweit vom Kläger angegriffen, das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Es vertritt jedoch bezogen auf alle Stellen, auf die der Kläger sich beworben hat, darüber hinaus die Ansicht, der Kläger könne sich überhaupt nicht auf den Schwerbehindertenschutz in Bezug auf seine Bewerbungen und den Ablauf der Stellenbesetzungsverfahren beziehen, denn aus dem von ihm vorgelegten Bescheid vom 2. Juni 2004 ergebe sich nicht, dass er als einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt anzusehen sei. Wenn aber damals nicht festgestanden habe, dass er im Sinne des
§ 68 Abs. 2 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sei - der konstitutiv wirkende Verwaltungsakt habe nicht vorgelegen - fehle es an einer notwendigen Voraussetzung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2007 (Bl. 300 f. d.A.) Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 29. November 2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64
Abs. 2, 8
Abs. 2
ArbGG). Der Kläger hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520
ZPO, 66
Abs. 1
ArbGG).
Auch die Anschlussberufung ist zulässig. Das beklagte Land hat die Anschlussberufung gemäß § 524
Abs. 2 Satz 2
ZPO innerhalb der gemäß § 66
Abs. 1
S. 5
ArbGG verlängerten Berufungserwiderungsfrist eingelegt und sie gemäß § 524
Abs. 3
ZPO zugleich begründet.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet, während die Anschlussberufung des beklagten Landes begründet ist.
Die Klage ist zulässig. Sie ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Höhe der von ihm begehrten Entschädigungszahlung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Ein derartiger Klageantrag ist zulässig, wenn die Bestimmung des Betrages von einer gerichtlichen Schätzung oder billigem Ermessen des Gerichts abhängig ist (
vgl. BAG vom 12. September 2006 -
9 AZR 807/05, AP
Nr. 13 zu § 81
SGB IX m. w. H.). Der Kläger muss jedoch die Tatsachen, die das Gericht für die Schätzung heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (
vgl. BAG vom 12. September 2006 a.a.O). Für den Fall der Diskriminierung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers bei der Einstellung sieht § 81
Abs. 2
S. 2
Nr. 2
SGB IX in der bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung eine Entschädigung in angemessener Höhe vor. § 81
Abs. 2
S. 2
Nr. 3
S. 1
SGB IX a.F. beschränkt den Entschädigungsanspruch auf drei Monatsverdienste, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage sind erfüllt. Der Kläger hat die Berechungsgrundlagen des möglichen Monatsverdienstes bezogen auf die Stellen, auf die er sich beworben hat, dargelegt.
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger kann in Bezug auf keine seiner drei Bewerbungen auf die Stellen mit den Kennziffern 103. 106 und 107 eine Entschädigung wegen Benachteiligung bei der Einstellung verlangen.
Zwar hat der Kläger seinen Entschädigungsanspruch innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 81
Abs. 2
S. 2
Nr. 4
SGB IX a.F., d.h. innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung, schriftlich geltend gemacht. Auf die Ablehnung seiner Bewerbungen durch Schreiben der TU X vom 23. Juli 2004 hat er mit Schreiben seiner vormaligen Bevollmächtigten, Rechtsanwältin D vom 21. September 2004 die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 81
Abs. 2
SGB IX" verlangt. Dabei schadet es nicht, dass er seinen Entschädigungsanspruch nicht hat beziffern lassen, denn der Anspruchsteller muss dem Arbeitgeber lediglich deutlich machen, für die erlittene Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung eine Entschädigung verlangen zu wollen. Eine Bezifferung selbst ist nicht erforderlich (
vgl. BAG vom 12. September 2006 a.a.O.).
Allerdings kann der Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts keine Entschädigung gemäß § 81
Abs. 2
S. 2
Nr. 2
SGB IX i.V.m. § 81
Abs. 2
S. 1 und
S. 2
Nr. 1
SGB IX a.F. verlangen, denn er erfüllte bei seinen Bewerbungen nicht die Voraussetzungen des besonderen Einstellungsschutzes für schwerbehinderte Menschen
bzw. Gleichgestellte im Sinne des
SGB IX.
Nach der Vorschrift des § 81
Abs. 2
S. 2
Nr. 2
SGB IX a.F.
i.V.m. § 81
Abs. 2
S. 1 und
S. 2
Nr. 1
SGB IX, die allein als Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch in Betracht kommen (
vgl. BAG vom 12. September 2006 a.a.O. und
BAG vom 15. Februar 2005 -
9 AZR 635/03, AP
Nr. 7 zu § 81
SGB IX) kann der benachteiligte schwerbehinderte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen, wenn er bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Voraussetzung für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ist daher, dass der Kläger als Bewerber in den Schutzbereich des
SGB IX gefallen ist.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hatte der Kläger jedoch weder bei Abgabe seiner Bewerbung noch beim Ablauf der Bewerbungsfrist den Status eines schwerbehinderten Menschen
bzw. diesem Gleichgestellten.
Nach
§ 68 SGB IX gelten die Regelungen des Teils 2 des
SGB IX und mithin auch die Vorschriften der § 81 f.
SGB IX a. F. für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte Menschen. Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen erfolgt aufgrund einer Feststellung nach § 69
SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen. Sie wird mit dem Tage des Eingangs des Antrags wirksam. Danach ist die Gleichstellung ein konstitutiver Verwaltungsakt. Sie begründet den Schutz für den Behinderten erst durch den Verwaltungsakt im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei denen durch die Anerkennung ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird (
vgl. BAG vom 24. November 2005 -
2 AZR 514/04, AP
Nr. 43 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit m.w.H.).
Nach
§ 2 Abs. 2 SGB IX sind Menschen im Sinne des Teils 2 des
SGB IX neben anderen notwendigen - im Streitfall jedoch gegebenen Voraussetzungen - schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann sich der Kläger in Bezug auf seine Bewerbungen auf die Stellenausschreibungen bei der TU X mit den Kennziffern 103, 106 du 107 nicht auf den besonderen Schutz des Schwerbehindertenrechts berufen. Zwar hat er einen Antrag auf Feststellung der Behinderung nach § 68
SGB IX bereits am 1. Februar 2004 gestellt, wie dem für ihn erteilten Schwerbehindertenausweis vom 18. April 2006 entnommen werden kann. In diesem Ausweis wird dem Kläger ein Grad der Behinderung von 60 mit der Gültigkeit ab dem 1. Februar 2004 bestätigt. Hieraus folgt jedoch auch, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Bewerbung und anlässlich des zeitgleichen Ablaufs der Bewerbungsfristen für die Stellen mit den Kennziffern 103, 106 und 107 am 5. Mai 2004 noch keinen festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 50 gehabt hat.
Ebenso wenig lag zu den vorgenannten Zeitpunkten die Feststellung einer Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen im Sinne von § 68
SGB IX vor. Zwar hat der Kläger, wie dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit X vom 2. Juni 2004 entnommen werden kann, an diesem Tag die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen beantragt. Damit steht aber auch fest, dass in Bezug auf seine Person am 2. Juni 2004 lediglich ein Grad der Behinderung von mindestens 30 und nicht mehr als 50 festgestellt worden war. Die Gleichstellung selbst erfolgte auch nicht am 2. Juni 2004, denn in dem Schreiben von diesem Tag sicherte die Agentur für Arbeit dem Kläger lediglich zu, ihn für den Fall, dass ein Arbeitgeber seine Einstellung von einer Gleichstellung abhängig mache, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Damit hatte sich die für die Feststellung der Behinderung und der Gleichstellung des Klägers zuständige Behörde jedoch - aber auch nur - im Rahmen ihrer Zusage rechtlich gebunden. Eine rechtsverbindliche Feststellung der Gleichstellung selbst ist in dem Schreiben vom 2. Juni 2004 nicht erklärt worden.
Somit steht fest, dass für den Kläger weder ein relevanter Grad der Behinderung im Sinne von § 2
Abs. 2
SGB IX noch eine Gleichstellung im Sinne von § 68
Abs. 2
SGB IX während der Dauer der Stellenbesetzungsverfahren für die unter den Kennziffern 103, 106 du 107 bei der TU X ausgeschriebenen Stellen vorlag. Zwar verkennt das Berufungsgericht nicht, dass aufgrund der rückwirkenden Feststellung der Anerkennung als schwerbehinderten Menschen und der damit hinfällig gewordenen Feststellung der Gleichstellung, die im Falle ihrer positiven Bescheidung ebenfalls auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückgewirkt hätte, der Kläger im Zeitraum der streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren als schwerbehinderter Mensch anzusehen ist, denn der Bescheid über die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehindert entsteht kraft Gesetzes, wenn die in § 2
SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Feststellungsbescheid selbst hat nach § 2
Abs. 2, 69
SGB IX keine rechtsbegründende (konstitutive), sondern lediglich eine erklärende (deklaratorische) Wirkung (
vgl. BAG vom 20. Januar 2005 -
2 AZR 675/03, AP
Nr. 1 zu § 85
SGB IX m.w.H.). Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der Stellenbesetzungsverfahren sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Arbeitgebern können die rechtlichen Wirkungen der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch allerdings im Rahmen der Pflichten des Arbeitgebers bei Einstellungen nicht ohne weiteres, dh. schon bei bloß bestehender objektiver Eigenschaft als schwerbehindert eintreten. Ebenso wenig kann in diesem Zusammenhang auf die für den Sonderkündigungsschutz maßgeblichen Voraussetzung abgestellt werden (Bescheid über die Eigenschaft als schwerbehindert ist vor Zugang der Kündigung ergangen oder ein entsprechender Antrag mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt worden,
vgl. BAG vom 1. März 2007 -
2 AZR 217/ 06, Pressemitteilung 17/07).
Der schwerbehinderte oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Bewerber genießt im Interesse der besonderen Förderungs- und Schutzwürdigkeit dieser Personen bei der Stellenbesetzung gegenüber dem nicht behinderten Bewerber besondere Rechte als deren Ausfluss dem Arbeitgeber bestimmte Pflichten auferlegt worden sind. Deshalb ist es erforderlich, auch für den Arbeitgeber insoweit eine Rechtsklarheit herbeizuführen, dass er bei der Durchführung der Stellenbesetzungsverfahren weiß oder zumindest erkennen kann, welche Pflichten ihn in Bezug auf in den Schutzbereich des
SGB IX fallender Bewerber und Bewerberinnen treffen. Dies setzt nach Auffassung der Kammer voraus, dass zumindest im Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfristen für einen Stellenbewerber
bzw. für eine Stellenbewerberin, die für sich die Rechte des
SGB IX in Anspruch nehmen möchten, die Feststellungen nach §§ 68
Abs. 2
bzw. 69
Abs. 1
SGB IX getroffen worden sind. Stellt ein Bewerber erst im noch laufenden Besetzungsverfahren nach Einreichung seiner Bewerbung und nach Ablauf der Bewerbungsfrist einen Antrag Feststellung einer Schwerbehinderung oder einen Antrag auf Gleichstellung
bzw. werden zuvor gestellte Anträge erst nach Ablauf der Besetzungsverfahren für den Antragsteller positiv beschieden, ist der Arbeitgeber nicht mehr gehalten, dass Besetzungsverfahren im Hinblick auf die sich aus §§ 81 f.
SGB IX ergebenden Pflichten neu auszurichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1
ZPO. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist gemäß § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.