Urteil
Keine Entschädigung wegen verzögerter Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung im Bewerbungsverfahren

Gericht:

LAG Hessen


Aktenzeichen:

19/3 Sa 340/08


Urteil vom:

28.08.2009


Leitsätze:

1. Die verzögerte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ist allein nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen, wenn die Schwerbehindertenvertretung noch so rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie bei der Vorauswahl die Belange der schwerbehinderten Bewerber vertreten kann.

2. Die Pflichten nach § 81 Abs. 1 Sätze 7 - 9 SGB IX bestehen nur, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX nicht erfüllt.

3. Ein Anspruch auf Mitteilung der Entscheidungsgründe folgt weder aus § 15 AGG noch aus § 242 BGB. Für einen solchen Auskunftsanspruch besteht neben der Beweislastregelung des § 22 AGG kein Raum.

Pressemitteilung:

(des LAG Hessen vom 30.10.2009 Nr. 20/09)

Die verzögerte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen allein ist nicht geeignet, die Vermutung der Benachteiligung wegen einer Behinderung zu begründen, wenn die Schwerbehindertenvertretung noch so rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie bei der Vorauswahl die Belange der schwerbehinderten Bewerber vertreten kann. Auch bestünden die Pflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 7-9 SGB IX nur, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nicht erfülle. Grundsätzlich folge weder aus § 15 AGG noch aus § 242 BGB ein Anspruch des abgelehnten Bewerbers auf Mitteilung der Gründe.

Hintergrund der Entscheidung waren mehrere Klagen eines behinderten Stellenbewerbers gegen öffentliche Arbeitgeber, die seine Bewerbungen abschlägig beschieden hatten. Daraufhin hatte der abgelehnte Bewerber Entschädigungsansprüche wegen Benachteiligung aufgrund seiner Behinderungen gegenüber den Arbeitgebern gerichtlich geltend gemacht.

Das Hessische Landesarbeitsgericht wies in der Entscheidung darauf hin, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch mangels Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht zustehe.

Zwar kann nach § 15 Abs. 2 AGG bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen.

§ 81 Abs. 1 SGB IX lege dem Arbeitgeber Pflichten über die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Zusammenhang mit Bewerbungsverfahren auf und die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei grundsätzlich geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen. Allerdings rechtfertige die verzögerte Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung über den Eingang einer Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen allein nicht die Vermutung einer Benachteiligung, wenn sie - wie vorliegend geschehen - noch so rechtzeitig erfolgt sei, dass diese bei der Vorauswahl der Bewerbungen die Belange des behinderten Bewerbers vertreten könne.

Auch auf dem Umstand der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, der nur bei einem öffentlichen Arbeitgeber eine Tatsache darstellt, die geeignet ist, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen, habe der Kläger den Anspruch nicht stützen können. Denn diese Verpflichtung bestehe nicht, wenn der schwerbehinderte Bewerber für die ausgeschrieben Stelle offensichtlich nicht geeignet sei. Diese Feststellung sei anhand eines Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln. Die fachliche Eignung fehle, wenn der Bewerber über die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen oder sonstige Voraussetzungen, wie z.B. die nach der Stelle geforderten ausreichenden praktischen Erfahrung nicht verfüge.

Rechtsweg:

ArbG Offenbach/Main Urteil vom 6. Februar 2008 - 3 Ca 291/07

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 06. Februar 2008 - 3 Ca 291/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger eine Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund Behinderung zu zahlen hat und ob sie dem Kläger Auskunft über die Qualifikation, den Status der Behinderung, das Geschlecht und das Alter des erfolgreichen Bewerbers erteilen muss.

Die Beklagte ist eine Gebietskörperschaft im Kreis A. Im Jahr 2006 waren durchschnittlich 8,53% ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt. In der "B" vom 18. November 2006 schrieb die Beklagte die Stelle einer Fachkraft für Kämmerei und Stadtkasse aus. Laut Stellenausschreibung (Bl. 56 d. A.) umfasst das Aufgabengebiet insbesondere

- Abwicklung des Zahlungsverkehrs und des Belegwesens

- Kontierung und Buchung der Bankauszüge

- Sachbearbeitung der Beitreibung (Mahnung und Vollstreckung)

- Mitarbeit bei der Einführung der kommunalen Doppik; Aufbau einer doppelten Buchführung und Umstellung der Buchhaltung von der Kameralistik auf die Doppik

- Publikumsverkehr

Als Einstellungsvoraussetzungen sind u. a. genannt:

- eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung

- einschlägige Berufserfahrung und EDV-Kenntnisse

- umfassende Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung

Mit Schreiben vom 20. November 2006 bewarb sich der am 25. März 1962 geborene, verheiratete und mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehinderte Kläger auf diese Stellenanzeige und wies auf seine Schwerbehinderung hin. Wegen des Inhalts der Bewerbungsunterlagen wird auf Bl. 33 - 55 d. A. Bezug genommen. Vor der Bewerbung hatte der als Krankenpfleger ausgebildete Kläger, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr als Krankenpfleger einsetzbar war, eine vom Rentenversicherungsträger geförderte Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert und am 28. September 2006 erfolgreich abgeschlossen. Wegen der Lerninhalte der Ausbildung wird auf den Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellter / Verwaltungsfachangestellte (Bl. 72 - 93 d. A.) und auf den Stoffgliederungsplan für die Auszubildenden im Ausbildungsberuf des Verwaltungsfachangestellten der Bayerischen Verwaltungsschule (Bl. 94 - 151 d. A.) verwiesen. Wegen der Einzelheiten der Prüfungsfächer und Prüfungsergebnisse wird auf Bl. 35 f. d. A. Bezug genommen.

Am 19. März 2007 informierte die Beklagte den Kläger - wie auch die übrigen Bewerber - darüber, dass wegen einer Stellenbesetzungssperre noch keine Entscheidung über die zu besetzende Stelle getroffen sei. Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sich für einen anderen Bewerber entschieden zu haben. Daraufhin forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juli 2007 unter Hinweis auf Verfahrensverstöße nach §§ 81 Abs. 1, 82 SGB IX auf, eine Pflicht zur Zahlung einer angemessen Entschädigung wegen Diskriminierung anzuerkennen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22. August 2007 eine Entschädigungszahlung ab und begründete die Ablehnung der Bewerbung und die fehlende Einladung zum Vorstellungsgespräch damit, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Stelle nicht erfülle. Der Kläger hat am 15. August 2007 die vorliegende Klage auf Zahlung einer Entschädigung und Erteilung von Auskunft erhoben, die der Beklagten am 29. August 2007 zugestellt worden ist.

Der Kläger hat behauptet, von der Beklagten im Bewerbungsverfahren wegen seiner Behinderung diskriminiert worden zu sein. Für die Diskriminierung spräche schon der Umstand, dass die Stellenanzeige keinen Hinweis enthalte, dass Schwerbehinderte bei gleicher Eignung bevorzugt würden. Er gehe davon aus, dass die Beklagte ihre Prüfpflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, ihre Pflicht zu Meldung der Stelle an die Bundesagentur für Arbeit sowie die Pflicht zur Unterrichtung und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung verletzt habe; von einer ordnungsgemäßen Beteiligung sei nur auszugehen, wenn die Schwerbehindertenvertretung und die anderen Gremien Gelegenheit hätten, mit dem Bewerber zu sprechen. Hinzu komme mangels näherer Begründung des Ablehnungsschreibens vom 17. Juli 2007 ein Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX. Schließlich habe die Beklagte ihre Pflicht, ihn zum Bewerbungsgespräch einzuladen, verletzt. Er erfülle aufgrund seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten die Einstellungsvoraussetzungen. Die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten vermittele ebenso wie eine kaufmännische Ausbildung Kenntnisse der Buchführung, Kosten- und Leistungsrechnung und der Kameralistik. So seien allein im dritten Lehrjahr 100 Stunden vorgesehen für das Aufgabengebiet "öffentliche Leistungen finanzwirtschaftlich kontrollieren und steuern". Die fehlende einschlägige Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich ändere nichts an der prinzipiellen Eignung. Der Auskunftsanspruch folge aus § 15 AGG und Treu und Glauben. Erst nach Erteilung der geforderten Auskunft sei der Kläger zur Bemessung seines Schadensersatzanspruchs in der Lage.


Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.250 Euro zu zahlen;

2. die Beklagte zur verurteilen, in dem Stellenbesetzungsverfahren zur Einstellung einer Fachkraft für Kämmerei und Stadtkasse, ausgeschrieben in der B vom 18. November 2006, dem Kläger Auskunft über die Person des eingestellten Bewerbers zu erteilen nach dessen Qualifikation, Status einer Behinderung, Geschlecht und Alter.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, den Kläger wegen seiner Behinderung benachteiligt zu haben. Die Ablehnung der Bewerbung beruhe allein auf der fehlenden Eignung des Klägers. Der Kläger verfüge weder über die erforderliche Berufserfahrung in Kämmerei und Stadtkasse und/oder im kaufmännischen Bereich noch über umfassenden Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung.

Das Arbeitsgericht Offenbach hat die Klage mit Urteil vom 06. Februar 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht unter den Geltungsbereich des AGG falle, weil er nicht im Sinne des AGG benachteiligt worden sei. Im Besetzungsverfahren könne nur derjenige im Rechtssinne benachteiligt werden, der sich subjektiv ernsthaft beworben habe und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht komme. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle ungeeignet. Er verfüge weder über eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, noch über einschlägige Berufserfahrungen und EDV-Kenntnisse. Aus den Bewerbungsunterlagen und dem sonstigen Vortrag des Klägers ergäbe sich auch nicht, dass er über umfassende Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung verfüge. Ein Auskunftsanspruch scheide aus, weil der Kläger sich nicht auf die Bestimmungen des AGG berufen könne.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger 12. Februar 2008 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 04. März 2008, eingegangen beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 05. März 2008, Berufung eingelegt und diese - nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 13. Mai 2008 - mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008, der am selben Tag beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Der Kläger meint, dass nach dem Wortlaut der Stellenausschreibung keine Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich erforderlich sei. Im Übrigen begründe das Erfordernis der Berufserfahrung eine mittelbare Diskriminierung wegen Behinderung.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 06. Februar 2008 - 3 Ca 291/07 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.250,- Euro zu zahlen;

2. in dem Stellenbesetzungsverfahren zur Einstellung einer Fachkraft für Kämmerei und Stadtkasse, ausgeschrieben in der B vom 18. November 2006, dem Kläger Auskunft über die Person des eingestellten Bewerbers zu erteilen nach dessen Qualifikation, Status einer Behinderung, Geschlecht und Alter.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie behauptet, dass unmittelbar nach Aufhebung der Stellenbesetzungssperre sämtliche Bewerbungen vom Personalamt im Zusammenwirken mit dem Leiter der Kämmerei und Stadtkasse C, dem Personalrat, vertreten durch dessen Vorsitzende D, der Frauenbeauftragten E und der Vertrauensperson für Schwerbehinderte F gesichtet worden seien und eine Auswahl über die zu einem Vorstellungsgespräch einzuladenden Personen getroffen worden sei. Der Kläger sei aus rein fachlichen Gründen, nämlich seiner offensichtlichen Nichteignung, nicht berücksichtigt worden. Der Kläger habe keine kaufmännische Ausbildung absolviert. Die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten erfülle diese Voraussetzung nicht, weil sie nur in Teilbereichen und nicht in nennenswertem Umfang kaufmännische Kenntnisse vermittele. Ferner fehle dem Kläger die einschlägige Berufserfahrung. Der Kläger habe des Weiteren nicht die erforderlichen EDV-Kenntnisse nachgewiesen. Schließlich habe er keine umfassenden Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung; diese Kenntnisse könne nur derjenige haben, der sich im Rahmen seiner Berufstätigkeit damit befasst habe. Ohne diese Kenntnisse sei der Kläger zur Bewältigung der Aufgaben nicht in der Lage.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 28. August 2009 (Bl. 230 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 b ArbGG nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft. Ferner ist sie gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden.

B. Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung noch kann er von der Beklagten Auskunft über die Person des eingestellten Bewerbers nach dessen Qualifikation, Status einer Behinderung, Geschlecht und Alter verlangen.

I. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu. Ein Entschädigungsanspruch kommt allein nach § 15 Abs. 2 AGG in Betracht. Danach kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen. Der Kläger hat die Entschädigung zwar fristgerecht geltend gemacht. Es fehlt aber an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, denn die Beklagte hat den Kläger im Stellenbesetzungsverfahren nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt.

1. Der Kläger hat die für den Entschädigungsanspruch einzuhaltenden Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4, 61 b Abs. 1 ArbGG beachtet.

a) Nach § 15 Abs. 4 AGG muss der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Der Fristlauf beginnt im Falle der Bewerbung mit dem Zugang der Absage. Nach § 61 b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

b) Diese Fristen sind eingehalten. Nachdem die Beklagte die Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 17. Juli 2007 abschlägig beschieden hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 27. Juli 2007 von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung verlangt. Wie sich aus dem Antwortschreiben der Beklagten vom 22. August 2007 ergibt, ist die schriftliche Geltendmachung der Beklagten innerhalb von zwei Monaten nach der Absage zugegangen. Unschädlich ist das Fehlen eines bezifferten Entschädigungsanspruch im Geltendmachungsschreiben ( BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 -, Rn. 43, NZA 2009, 729; BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 -, Rn. 62, AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 -, Rn. 16, BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14; BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 -, BAGE 113, 361 = AP SGB IX § 81 Nr. 7 = EzA SGB IX § 81 Nr. 6 zu B III der Gründe ). Die Klage ist der Beklagten am 29. August 2007 zugestellt und damit innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung erhoben worden.

2. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG sind jedoch nicht erfüllt. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG Beschäftigter im Sinne der Norm. Er ist unstreitig schwerbehindert im Sinne des SGB IX und damit behindert im Sinne des AGG. Die Beklagte hat den Kläger jedoch nicht wegen der Behinderung benachteiligt. Es ist weder von einer unmittelbaren Benachteiligung noch von einer mittelbaren Benachteiligung auszugehen.

a) Die Beklagte hat den Kläger im Stellenbesetzungsverfahren nicht wegen seiner Behinderung unmittelbar benachteiligt.

aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe - zu denen die Behinderung zählt - benachteiligt werden. Das Verbot der Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter regelt zudem § 81 Abs. 2 SGB IX. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen der Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln muss der behinderte Bewerber, der eine Entschädigungszahlung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, darlegen, dass er beim Auswahl- bzw. Einstellungsverfahren wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Seiner Darlegungs- und Beweispflicht genügt er nach § 22 AGG, wenn er im Streitfall Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen. Solche Indiztatsachen, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung eines Menschen vermuten lassen, können auch Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften des §§ 81 Abs. 1, 82 SGB IX sein. Das Gericht muss die Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen der Behinderung und dem Nachteil gewinnen ( BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 -, Rn. 35, a. a. O.; BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - BAGE 109, 265 = AP BGB § 611 a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611 a Nr. 3; Düwell, BB 2006, 1741, 1743; Grobys NZA 2006, 898, 900; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 645 f. ). In diesem Fall trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierzu hat sie Umstände darzulegen, welche den Schluss zulassen, dass die Behinderung in dem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, nicht als negatives Merkmal enthalten war ( BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 -, Rn. 43, a. a. O.; BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 -, Rn. 62, a. a. O.; BVerfG 16. November 1993, 1 BvR 258/86 - BVerfGE 89, 276) .

bb) Nach diesen Grundsätzen ist nicht von einer unmittelbaren Benachteiligung wegen Behinderung auszugehen. Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen seiner Behinderung durch die Beklagte vermuten lassen.

(1) Soweit der Kläger vorträgt, es sei zu unterstellen, dass Beklagte ihre Prüfpflicht verletzt und die Stelle nicht an die Bundesagentur für Arbeit gemeldet habe, ist sein Vorbringen unbeachtlich. Die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit ist zwar geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen. Es fehlt jedoch insoweit an einer beachtlichen Behauptung des Klägers.

(a) Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist jeder Arbeitgeber verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Nach § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ist er verpflichtet, vor der Besetzung einer freien Stelle frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Verbindung aufzunehmen. Nach § 82 Satz 1 SGB IX hat jede Dienststelle der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neue Arbeitsplätze zu melden. Die Tatsache der Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit ist grundsätzlich geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen ( BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 -, Rn. 21 f., a. a. O. ).

(b) Der Kläger hat die Verletzung der Prüfpflicht und die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit jedoch nicht behauptet. Er hat insoweit nur vorgetragen, es sei zu unterstellen, dass die Beklagte ihre Prüfpflicht und ihre Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit verletzt habe. Auch unter Berücksichtigung der begrenzten Zugänglichkeit von Informationen für Bewerber und deren Auswirkung auf die Anforderungen an die Darlegungslast ( BT-Drucks. 16/1780, S. 47; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 651 ) liegt in dem Vortrag des Klägers, eine Pflichtverletzung sei zu unterstellen, keine Behauptung einer Pflichtverletzung. Allenfalls ist in diesem Vorbringen eine erkennbar aus der Luft gegriffene Behauptung zu sehen, die ohne jeden Anhaltspunkt "ins Blaue" aufgestellt und damit unbeachtlich ist ( vgl. zu Behauptungen "ins Blaue": BAG 3. August 2005 - 10 AZR 585/04 - EzA ZPO 2002 § 850 h Nr. 1 zu II 2 c der Gründe; BGH 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - NJW 2005, 2710; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rn. 651, Schleusener/Suckow/Voigt AGG § 22 Rn. 3; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 22 Rn. 11; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 22 Rn. 27 ).

(2) Gleiches gilt für den Vortrag zur Unterrichtung und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung.

(a) Nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Eingang der Bewerbung zu unterrichten. Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung bei der Prüfung, ob ein Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, zu beteiligen. Nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 81 Abs. 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. Die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen ( BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 - a. a. O zu B IV 1 b bb (2) der Gründe ).

(b) Nach dem Vortrag der Parteien ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte diese Pflichten zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung so verletzt hat, dass die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung begründet ist.

Soweit der Kläger vorträgt, es sei zu unterstellen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß unterrichtet und beteiligt worden sei, fehlt es an einer beachtlichen Behauptung.

Soweit der Kläger meint, eine ordnungsgemäße Unterrichtung und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei nicht gegeben, weil zu dieser in jeden Fall das Gespräch mit dem schwerbehinderten Bewerber gehöre, ist dem Kläger nicht zu folgen. Aus den Unterrichtungs- und Beteiligungspflichten nach § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX und § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX folgt nicht die Pflicht, jeden schwerbehinderten Bewerber zu einem Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung einzuladen.

Auch nach dem Vortrag der Beklagten ist nicht von einer die Vermutung der Benachteiligung begründenden Verletzung der Pflichten des § 81 Abs. 1 Satz 4 und 6 SGB IX und § 95 Abs. 2 SGB IX auszugehen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie der Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Aufhebung der Stellenbesetzungssperre sämtliche Bewerbungen vorgelegt habe und diese an der Vorauswahl beteiligt habe. Aus diesem Vortrag ist zwar zu entnehmen, dass die Beklagte die Bewerbung des Klägers nicht unmittelbar nach ihrem Eingang, sondern erst nach Aufhebung der Stellenbesetzungssperre der Schwerbehindertenvertretung zur Kenntnis gebracht hat. Diese verzögerte Unterrichtung ist jedoch unter Berücksichtigung des weiteren Verhaltens der Beklagten nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen. Die Beklagte hat die Schwerbehindertenvertretung nach ihrem Vortrag, den der Kläger nicht bestritten hat, unmittelbar nach Aufhebung der Stellenbesetzungssperre und vor der Vorauswahl unterrichtet und an der Vorauswahl beteiligt, so dass die Schwerbehindertenvertretung ihre Rechte in vollem Umfang wahrnehmen konnte.

(3) Der Kläger kann sich zur Darlegung eines Verfahrensfehlers, der die Vermutung einer Benachteiligung indiziert, auch nicht auf den Umstand berufen, dass die Beklagte ihm nicht schon unmittelbar im Ablehnungsschreiben vom 17. Juli 2007 die Gründe für die von ihr getroffene Entscheidung mitgeteilt hat.

(a) Damit hat die Beklagte nicht gegen § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX verstoßen. Nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX hat der Arbeitgeber alle Beteiligten über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Zu den Beteiligten im Sinne der Vorschrift zählt auch der betroffene Bewerber ( BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 50, a. a. O. ). Diese Regelung bezieht sich aber - was sowohl aus ihrem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt - auf den Tatbestand des § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX und betrifft damit nur Fälle, in denen der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 SGB IX genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist. Denn nur dann kommt es nach dieser Regelung zu einer Erörterung mit den Vertretungen unter Darlegung der Gründe, bei der der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört wird ( BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 - a. a. O., zu B IV 1 b bb
(2) der Gründe; offen gelassen in BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 -, Rn. 59, a. a. O. ).

Vorliegend bestand aufgrund des Umstands, dass die Beklagte bereits die Beschäftigungsquote erfüllte, keine Veranlassung zur Durchführung des Erörterungsverfahrens und damit auch nicht zur Darlegung der Gründe der Entscheidung gegenüber dem schwerbehinderten Bewerber.

(b) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Unterrichtungspflicht in jedem Fall - also unabhängig von dem Verfahren nach § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX - bestände, ist das Fehlen einer Begründung für die Absage im Schreiben vom 17. Juli 2007 nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen Behinderung zu begründen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Beklagten mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Einklang steht. In der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2005 (- 9 AZR 635/03 - a. a. O., zu B IV 1 b bb (2) der Gründe) heißt es, dass die Verpflichtungen nach § 81 Abs. 1 Satz 7 - 9 SGB IX nur bestehen, wenn der Arbeitgeber seine gesetzliche Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX nicht erfüllt. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht aufgegeben (offen gelassen in BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 -, Rn. 59, a. a. O ). Zum anderen hat die Beklagte dem Kläger die Gründe für die Ablehnung mit Schreiben vom 22. August 2007 und damit 5 Wochen nach ihrer Entscheidung und noch vor Zustellung der Klage mitgeteilt.

(4) Die Indizwirkung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger unstreitig nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden ist. Die Verletzung der Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ist zwar eine Tatsache, die geeignet ist, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen. Die Beklagte war jedoch nicht verpflichtet, den Kläger zum Vorstellungsgespräch einzuladen, denn der Kläger war für die ausgeschrieben Stelle der "Fachkraft Kämmerei und Stadtkasse" offensichtlich nicht geeignet.

(a) Die Verletzung der Pflicht, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (§ 82 Satz 2 SGB IX), ist geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen ( BAG 12. September 2006 - 9 AZR 791/07 -, Rn. 23, a. a. O. ).

Nach § 82 Satz 2 SGB IX haben öffentliche Arbeitgeber, zu denen die Beklagte als Gebietskörperschaft zählt (§ 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), sich bewerbende schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nur dann nicht, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt (§ 82 Satz 3 SGB IX). Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl kommt, muss er den Bewerber nach dem Gesetzesziel einladen. Der schwerbehinderte Bewerber soll den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, liegt darin eine weniger günstige Behandlung, als sie das Gesetz zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen nichtbehinderten Bewerber für erforderlich hält. Der zugleich damit verbundene Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren stellt sich als eine Benachteiligung dar, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht ( BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 -, Rn. 24, a. a. O.; BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/05 -, Rn. 44, a. a. O. ).

Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung hat, ist anhand eines Vergleichs des für die zu besetzende Stelle bestehenden Anforderungs- mit dem Leistungsprofil des behinderten Bewerbers zu ermitteln. Die fachliche Eignung fehlt, wenn der Bewerber über die für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen oder sonstige Voraussetzungen, wie z. B. die nach der Stelle geforderten ausreichenden praktischen Erfahrung nicht verfügt ( vgl. BAG vom 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 -, Rn. 45, 48, a. a. O.; BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 -, Rn. 25, a. a. O.; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 10. Aufl, § 82 Rn 6 ). Im Hinblick auf das geforderte Anforderungsprofil ist der öffentliche Arbeitgeber gehalten, dieses ausschließlich nach objektiven Kriterien, d. h. unter Berücksichtigung der Anforderungen der auszuübenden Tätigkeit, festzulegen. Ansonsten würde der Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes das durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistete Recht auf Zugang zu einem öffentlichen Amt einschränken, ohne dass dies durch Gründe in der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung des Bewerbers gerechtfertigt wäre. Daher ist es unzulässig, einen für die Art der auszuübenden Tätigkeit nicht erforderlichen Ausbildungsabschluss zu verlangen ( BAG vom 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 -, Rn. 31 - 33, a. a. O.; BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07, Rn. 48, a. a. O. ). Gleiches muss in Bezug auf geforderte praktische Fähigkeiten und Kenntnisse gelten, sofern sie für die auszuübende Tätigkeit nicht notwendig sind. Zwar muss der schwerbehinderte Bewerber bei der angestrebten Einstellung nicht bereits alle geforderten Kenntnisse und Erfahrungen besitzen, um sofort den Arbeitsplatz ausfüllen zu können. Allerdings muss der Stellenbewerber in der Lage sein, sich fehlende Kenntnisse und Erfahrungen in einer zumutbaren Einarbeitungszeit anzueignen. Dies kann in der Regel nicht angenommen werden, wenn er über überhaupt keine praktischen Berufserfahrungen verfügt und das nach den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeit ein zulässiges Kriterium im Anforderungsprofil der Stelle ist.

(b) Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dem Kläger fehlte offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle.

Nach dem Stellenprofil für die zu besetzende Stelle Fachkraft Stadtkämmerei und Stadtkasse wurden neben einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung einschlägige Berufserfahrung und EDV-Kenntnisse und umfassende Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung verlangt.

Der Kläger verfügt unstreitig nicht über einen kaufmännischen Abschluss. Es kann offen bleiben, ob der Kläger in der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten Kenntnisse erworben hat, die in Inhalt und Umfang den in einer kaufmännischen Ausbildung vermittelten Kenntnissen entsprechen. Immerhin sieht der Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf des Verwaltungsfachangestellten 40 Unterrichtsstunden im Rechnungswesen (Lernfeld 7, vgl. Bl. 79, 86) und 100 Unterrichtsstunden in Kosten- und Leistungsrechnung vor. Das kaufmännische Rechnungswesen und das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen waren Gegenstand der Abschlussprüfungen (Bl. 35 f.).

Dem Kläger fehlen jedenfalls die vorausgesetzten praktischen Berufserfahrungen und Kenntnisse. Nach der Stellenausschreibung sind einschlägige Berufserfahrungen, d. h. Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich, und umfassenden Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung vorausgesetzt. Bei diesen Stellenanforderungsmerkmalen kann es sich nur um praktische berufliche Erfahrungen handeln, denn theoretische und praktische Kenntnisse, wie sie im Rahmen einer Ausbildung vermittelt werden, sind bereits von der Stellenanforderung der abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung erfasst. Über solche - die Ausbildungskenntnisse übersteigende - Erfahrungen und Kenntnisse verfügte der Kläger jedoch ausweislich der der Beklagten überlassenen Bewerbungsunterlagen nicht. Zwar hat er im Jahr 1979/1980 als Registrator in einer Gesundheitsabteilung der Landesversicherungsanstalt Hessen gearbeitet. Zu seinen Aufgaben gehörte jedoch lediglich das Ziehen und Ablegen von Akten sowie das Sortieren und Beifügen von Posteingängen und die Überwachung von Wiedervorlagen. Darüber hinaus war der Kläger - was verschiedenen Arbeitszeugnissen zu entnehmen ist - im Rahmen seiner krankenpflegerischen Tätigkeiten mit der Führung von Krankenunterlagen betraut. Seinem Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die von ihm gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse solche sind, die einer Beschäftigung in einer Kämmerei und Stadtkasse gleichzusetzen sind.

Die von der Beklagten für die ausgeschriebene Tätigkeit einer Fachkraft Kämmerei und Stadtkasse geforderten einschlägigen Berufserfahrungen und umfassenden Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung sind zur Ausübung der Tätigkeit einer Fachkraft Kämmerei und Stadtkasse auch wesentlich und entscheidend. Das gilt insbesondere für die vorgesehenen Aufgaben der Sachbearbeitung in Mahnung und Vollstreckung, die Kenntnisse des Vollstreckungsrechts und praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet erfordert. Das gilt aber auch für die Aufgabe der Mitarbeit bei der Einführung der kommunalen Doppik, des Aufbaus einer doppelten Buchführung und der Umstellung von Kameralistik auf Doppik. Diese Aufgabe erfordert eine Übersicht über beide Systeme, die ohne praktische Erfahrungen nicht zu erlangen ist. Ohne praktische Erfahrungen in diesem Bereich müsste der Stelleninhaber über einen langen Zeitraum intensiv eingearbeitet werden, um im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit sich erst diese zu Recht geforderten praktischen Fähigkeiten anzueignen und entsprechend zu qualifizieren. Unter Berücksichtigung dieser Aufgaben kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte einen berufserfahrenen Mitarbeiter und nicht einen Berufungsanfänger, der nur über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, für diese zu besetzende Stelle sucht.

(5) Schließlich ist dem Kläger nicht in der Ansicht zu folgen, dass eine Benachteiligung zu vermuten sei, weil die Beklagte in die Stellenausschreibung nicht den Hinweis aufgenommen hat, dass Schwerbehinderte bei gleicher Qualifikation bevorzugt würden.

b) Die Beklagte hat den Kläger auch nicht mittelbar wegen seiner Behinderung mittelbar dadurch benachteiligt, dass sie für die Einstellung einschlägige Berufserfahrung und umfassende Kenntnisse der Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung vorausgesetzt hat.

aa) Nach § 3 Abs. 2 AGG 3 liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

bb) Es ist nicht ersichtlich, dass die Kriterien der kaufmännischen Berufserfahrung und der umfassenden Kenntnisse in Kameralistik bzw. der kommunalen Doppik oder der kaufmännischen Buchführung behinderte Bewerber gegenüber nicht behinderten Bewerbern benachteiligen. Dass nicht behinderte Bewerber über diese Erfahrungen und Kenntnisse häufiger verfügen, liegt nicht auf der Hand. Das gleiche gilt auch für Bewerber nach Umschulungen. Im Übrigen sind die Kenntnisse und Erfahrungen für die auszuübende Tätigkeit erforderlich (§ 8 AGG).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Mitteilung der Qualifikation, des Status einer Behinderung, des Geschlechts und des Alters des eingestellten Bewerbers. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX, noch aus dem AGG, noch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB).

a) Der Auskunftsanspruch folgt nicht aus § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX.

Einerseits sind die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nicht erfüllt, denn die Beklagte erfüllt die Beschäftigungspflicht. Die Regelung des § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX bezieht sich nach ihrem Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck nur auf den Tatbestand des § 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX und betrifft damit nur Fälle, in denen der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 SGB IX genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden ist ( BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 - a. a. O., zu B IV 1 b bb (2) der Gründe; offen gelassen in BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 -, Rn. 59, a. a. O. ).

Darüber hinaus ist die Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX auf die Mitteilung der getroffenen Entscheidung unter Darlegung der Gründe gerichtet. Ob diese Darlegungspflicht außer der bereits mitgeteilten Qualifikation weitere persönliche Daten wie das Alter, das Geschlecht und den Status der Behinderung des erfolgreichen Bewerbers umfasst, hängt vom Inhalt der Entscheidung ab und ist deshalb nicht generell zu bejahen.

b) Der Anspruch folgt nicht aus der Regelung des § 15 AGG. Das AGG gewährt dem erfolglosen Bewerber keinen Anspruch auf Mitteilung der Gründe der Auswahlentscheidung (Grobys NZA 2006, 903; Schleusener/Suckow/Voigt AGG § 22 Rn. 37) . Ein solcher Auskunftsanspruch ist im Vorfeld der Richtlinienumsetzung zwar diskutiert, letztlich aber nicht in das Gesetz aufgenommen worden (Schleusener/Suckow/Voigt AGG § 22 Rn. 37 ). Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für die Regelung des § 22 AGG, mit welcher dem Bewerber Beweiserleichterungen gewährt werden, entschieden. Hat der Bewerber Indizien bewiesen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Dazu hat er Umstände darzulegen, welche den Schluss zulassen, dass die Behinderung in dem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, nicht als negatives Merkmal enthalten war. Dazu kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - die Darlegung persönlicher Daten des erfolgreichen Bewerbers erforderlich sein. Kommt er seiner Darlegungslast nicht nach, ist die Entschädigungsklage begründet.

c) Es besteht schließlich kein allgemeiner Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB).

aa) In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass sich Auskunftsansprüche aus Treu und Glauben ergeben können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen oder den Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete unschwer Auskunft geben kann (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung zu II 1 der Gründe; BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - BAGE 96, 274 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 35 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 6 zu I 2 der Gründe; BGH 7. Dezember 1988 - IVa ZR 290/87 - NJW-RR 1989, 450 ).

bb) Diese Voraussetzungen sind indes hier nicht gegeben. Für die Zubilligung eines allgemeinen Auskunftsanspruchs nach Treu und Glauben ist neben der Regelung des § 22 AGG kein Raum. Aufgrund der Regelung des § 22 AGG ist ein Bewerber nicht auf einen allgemeinen Auskunftsanspruch angewiesen.

Die Zubilligung eines Auskunftsanspruchs nach Treu und Glauben darf nicht dazu führen, dass die gesetzliche Beweislastregelung des § 22 AGG unterlaufen wird (vgl. BAG 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 158 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 2 zu II 2 der Gründe; Grobys NZA 2006, 898, 903 ). Das schließt die Zubilligung eines Auskunftsanspruchs aus, solange der Bewerber keine Tatsachen beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen (vgl. zu § 611 a BGB: MünchKomm BGB 4. Aufl., § 611 a Rn. 83 f.; Staudinger/Annuß BGB § 611 a Rn. 115 ).

Gelingt dem Bewerber der Beweis in der ersten Stufe, trägt der Arbeitgeber schon nach § 22 AGG die Darlegungs- und Beweislast, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Für einen allgemeinen Auskunftsanspruch besteht neben § 22 AGG kein Bedarf.

Entgegen seiner Ansicht ist der Kläger auf die begehrte Auskunft nicht zur Bemessung des Entschädigungsanspruchs angewiesen. Bei der Regelung zur Begrenzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, für die der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, die Darlegungs- und Beweislast trägt ( Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl., § 15 Rn. 36 ).

C. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 ZPO).

Für die Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Referenznummer:

R/R5099


Informationsstand: 19.11.2009