I.
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Frage, ob nach
§ 82 S. 2 SGB IX im öffentlichen Dienst auch bei interner Ausschreibung ein schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch zu laden ist, sofern die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.
Der Antragsteller (Beteiligter zu 1.) ist Hauptvertrauensmann der schwerbehinderten Menschen beim früheren Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport, das im September 2007 neu ressortiert wurde zum Ministerium für Inneres und Sport
(Antragsgegner und Beteiligter zu 2.).
Mit Schreiben vom 18.1.2007 wurde bei der Landespolizeidirektion Saarland, Polizeibezirk Saarbrücken-Land, zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle der Vertreterin
bzw. des Vertreters des Leiters der Polizeiinspektion Völklingen ausgeschrieben. Die Stelle sollte mit einer Beamtin
bzw. einem Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes besetzt werden. Auf die ausgeschriebene Stelle bewarben sich acht Beamte, darunter auch der schwerbehinderte Kriminalhauptkommissar R..
Am 5.3.2007 ging beim Antragsgegner eine weitere, verspätete Bewerbung ein. Da die verspätete Bewerbung vom Bewerber nicht verschuldet war, wurde sie ebenfalls berücksichtigt. Deshalb musste das Bewerbertableau nochmals geändert werden. Dieser Bewerber zog im Laufe des weiteren Verfahrens seine Bewerbung wieder zurück, so dass es bei den acht Bewerbern blieb.
Mit Schreiben vom 12.3.2007 wurde die Landespolizeidirektion von dem Antragsgegner mit der Durchführung des Auswahlverfahrens beauftragt. Unter Anwendung eines Punktesystems des standardisierten Auswahlverfahrens für die Besetzung von Dienstposten im Bereich der saarländischen Polizei wurde für die Auswahlgespräche eine Vorauswahl nach Aktenlage getroffen. Für vier Bewerber, zu denen nicht Herr R. gehörte, ergab sich ein deutlicher Leistungsvorsprung. Mit ihnen wurden daher am 29.3.2007 Auswahlgespräche geführt.
Mit Schreiben vom 28.3.2007 hatte zuvor der Antragsteller den Antragsgegner aufgefordert, auch Herrn R. gemäß § 82
SGB IX zum Vorstellungsgespräch zu laden, was dann jedoch nicht geschah. Einer aus der Vierergruppe kam schließlich zum Zug, was Herr R. hinnahm.
Der Antragsteller will mit dem vorliegenden Beschlussverfahren überprüfen lassen, ob die Vorgehensweise des Antragsgegners richtig war. Allein der Umstand, dass der schwerbehinderte Bewerber in einem Bewerbungsverfahren 1,25 Punkte weniger gehabt habe, erfülle nicht das Kriterium gemäß
§ 87 S. 3 SGB IX der offensichtlichen Ungeeignetheit. Herr R. habe daher gemäß § 82
S. 2
SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch geladen werden müssen.
Ferner rügt der Antragsteller, dass die Informationen über die Bewerbungen zu spät erfolgt seien. Diese waren am 15.2.2007 eingegangen und dem Antragsteller mit Schreiben vom 19.3.2007 vorgelegt worden. Der Antragsgegner hat hierzu vorgetragen, zu der verspäteten Information sei es deshalb gekommen, weil das Bewerbertableau wegen der Nachmeldung erst verspätet habe erstellt werden können.
Der Antragsteller formulierte in der Antragsschrift folgende Anträge:
1. Die Nichtberücksichtigung des KHK R. zu einem Bewerbungs-/Auswahlgespräch betreffend die ausgeschriebene Stelle des Vertreters
bzw. der Vertreterin des Leiters der Polizeiinspektion Völklingen wird als Verstoß gegen § 82
SGB IX festgestellt.
2. Es wird festgestellt, dass schwerbehinderte Bewerber, die die Voraussetzungen einer Stellenbeschreibung erfüllen, nach § 82
SGB IX zu einem Vorstellungs- oder Auswahlgespräch zu laden sind.
3. Es wird festgestellt, dass die Information vom 19. März 2007 über die am 15. Februar 2007 eingegangenen Bewerbungen unter Verstoß gegen
§ 81 Abs. 1 SGB IX erfolgt.
Der Antragstellervertreter stellte im Anhörungstermin vom 20.9.2007 die Anträge zu 1. und 3. Den Antrag zu 2. nahm er auf Anraten des Arbeitsgerichts zurück, woraufhin das Arbeitsgericht das Verfahren insoweit mit dem Verkündungsbeschluss vom
20.9.2007 einstellte.
Der Vertreter des Antragsgegners beantragte,
Zurückweisung der Anträge.
Er hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten bestritten. Da es sich bei dem Stellenbesetzungsverfahren für einen Beamten um eine Angelegenheit des Öffentlichen Dienstrechts handele, seien die Verwaltungsgerichte für eine gerichtliche Entscheidung zuständig.
Es fehle auch an der Antragsbefugnis des Antragstellers. Der Schwerbehindertenvertrauensmann sei nicht eine Art Superrevisionsinstanz für fehlerhaft befundene Entscheidungen des Dienstherrn.
Zu den späten Bewerbungsinformationen sei es lediglich wegen der Nachmeldung gekommen.
Schwerbehinderte Bewerber seien zu Vorstellungsgesprächen nur zu laden, wenn der neu zu besetzende Arbeitsplatz der Agentur für Arbeit zu melden war. Dies treffe aber bei intern ausgeschriebenen Stellen nicht zu. Es sei deswegen auch keine Meldung erfolgt.
Es habe bezüglich der Auslegung des § 82
SGB IX auch Einverständnis zwischen den Beteiligten bestanden. In einem von allen Beteiligten unterschriebenen Vermerk über ein Gespräch vom 12.7.2004 heißt es:
"... Es bestand Einvernehmen, dass die in § 82
SGB IX geregelte Verfahrensweise (Verpflichtung, schwerbehinderte Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, sie seien offensichtlich fachlich nicht geeignet) ausschließlich auf Stellenbesetzungsverfahren anzuwenden ist, deren Grundlage eine externe und damit dem Arbeitsamt zu meldende Ausschreibung einer freien Stelle bildet. Es bestand auch Einvernehmen, dass die Dienststelle die "offensichtliche Ungeeignetheit" feststellt. ...".
Bezüglich der damaligen Vereinbarungen der Beteiligten über die einzelnen Vorgehensweisen bei Bewerbung schwerbehinderter Menschen wird auf Bl. 24 d.A. verwiesen.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, der zu besetzende Dienstposten sei der Agentur für Arbeit nicht gemeldet worden, weil die Stelle aus Haushalts- und Qualifikationsgründen nicht mit einem externen Bewerber habe besetzt werden können. Deshalb sei auch nur intern ausgeschrieben worden. Da es um keine Neueinstellung ging, seien auch keine "Vorstellungsgespräche", sondern "Auswahlgespräche" geführt worden. Die internen Bewerber und ihre dienstlichen Leistungen seien dem Dienstherrn anders als bei externen Bewerbern seit Langem bekannt.
Durch am 20.9.2007 verkündeten Beschluss gab das Arbeitsgericht den Anträgen statt.
Trotz Bedenken bejahte es den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Im Interesse der Rechtssicherheit folgte es der Rechtsauffassung des
BAG in der Entscheidung vom 11.11.2003 (NZA 2003, 1215), wonach die Angelegenheiten aus den
§§ 94,
95,
139 des
SGB IX nach der Änderung des Gesetzgebers in § 2a I Ziff. 3a
ArbGG in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gestellt habe. Danach seien materiell-rechtliche Erwägungen nicht mehr anzustellen.
Der Antragsteller sei auch antragsbefugt. Bezüglich des Antrages zu 2. gehe es eindeutig um die Geltendmachung eigener Rechte, nämlich Informationsansprüche. Bezüglich des Antrages zu 1. gehe es nur scheinbar um ein subjektives Recht des Bewerbers R.. Die Verpflichtung zur Einladung des offensichtlich nicht ungeeigneten schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch resultiere nicht allein aus einem subjektiven Recht des Behinderten, sondern sei Ausdruck einer objektiven Rechtsverpflichtung. Begünstigter dieser objektiven Rechtsverpflichtung sei das Kollektiv der Schwerbehinderten. Deren Interessenwahrnehmung weise § 95
SGB IX explizit der Schwerbehindertenvertretung zu. Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten habe nicht allein die Stellung eines Mediators. Im Hinblick auf die Aufgabenzuweisung in § 2 a
ArbGG seien die Gerichte für Arbeitssachen die zuständige Stelle, um zu prüfen, ob die Vorschriften, deren Einhaltung die Schwerbehindertenvertretung zu überwachen hat, tatsächlich eingehalten werden. Dies habe zur Konsequenz, dass die Schwerbehindertenvertretung aus eigenem Recht einen Antrag wie den zu Ziffer 1. stellen dürfe.
Die Argumentation des Antragsgegners, Herr KHK R. habe nicht zu den einzuladenden Personen gehört, weil der Arbeitsplatz, der zu besetzen gewesen sei, keine der Agentur für Arbeit zu meldende Stelle gewesen sei, verkenne den gesetzgeberischen Verweis auf
§ 73 SGB IX. Unter den Begriff des Arbeitsplatzes fielen alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer oder Beamte beschäftigt werden. Die Ausnahmeregelung des § 73
Abs. 2
SGB IX kämen nicht zum Tragen. Zwar möge es nicht sehr wahrscheinlich sein, dass die Arbeitsagentur aus dem Kreis der zu vermittelnden Arbeitslosen einen geeigneten Bewerber finde, theoretisch sei dies jedoch sehr wohl denkbar.
Ob der Antragsgegner den Anforderungen des
Art. 33
GG gerecht werde, wenn er das Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle auf allein interne Bewerber beschränkt, müsse ebenfalls bezweifelt werden.
Auch für den Bewerber R. gelte § 82
SGB IX. Dies folge auch aus dem Sinn dieser Vorschrift. Sie solle den schwerbehinderten Menschen Gelegenheit geben, bei einem Bewerbungsverfahren sich selbst präsentieren zu können und die Gelegenheit zu haben, etwa gegen ihn gesammelte Vorurteile zu widerlegen.
Ernsthafte Ausführungen, der Bewerber R. sei offensichtlich nicht geeignet gewesen, seien in den Ausführungen des Antragsgegners nicht enthalten.
Gemäß §§ 81/95 II 1
SGB IX hätte der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung über vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Dies habe der Antragsgegner unterlassen. Dass das Bewerbungstableau erst verzögert erstellt werden konnte, entlaste den Antragsgegner nicht. Die Vorgehensweise des Antragsgegners sei nicht nur grob rechtswidrig, sondern sie stehe auch total im Gegensatz zum Geist des Diskriminierungsschutzes.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte der Antragsgegner form- und fristgemäß Beschwerde ein (
vgl. hierzu die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 13.2.2008, Bl. 105 d.A.).
Im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht schlossen die Beteiligten einen Teil-Vergleich, wonach sie sich darüber einig sind, dass die Informationen des Beteiligten zu 2. vom 19.3.2007 über die am 15.2.2007 eingegangene Bewerbung des Schwerbehinderten KHK R. verspätet erfolgt ist. Insoweit wurde das Verfahren eingestellt. Im Streit ist somit nur noch der Antrag zu 1.
Der Antragsgegner bestreitet weiterhin die Antragsbefugnis des Antragstellers. Der Umfang der Schwerbehindertenvertretung sei in § 95
SGB IX umfassend und abschließend geregelt. Vertretungen außerhalb des Betriebes
bzw. der Dienststelle seien grundsätzlich nicht vorgesehen. Bei Anträgen habe der Obmann die Schwerbehinderten lediglich zu "unterstützen" und nicht zu "vertreten". Anträge außerhalb des Betriebes müsse der Schwerbehinderte selbst stellen. Einen eigenen Anspruch habe der Schwerbehindertenvertreter nur gemäß § 95 II
SGB IX. Herr R. selbst habe das Verfahren nicht beanstandet. Bei Rechtsverletzungen habe der Schwerbehinderte eventuelle Entschädigungsansprüche.
Ziel des Gesetzes sei es, die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten zu senken. Daher schreibe der Gesetzgeber eine enge Zusammenarbeit des Arbeitgebers mit der Agentur für Arbeit vor sowie eine Meldepflicht im Falle freier Arbeitsplätze. Diese seien jedoch nur dann zu melden, wenn sie von außen besetzt werden können. Dies sei hier jedoch unstreitig nicht der Fall gewesen.
Aufgrund der vorliegenden Beurteilungen seien die Leistungen von Herrn R. dem Dienstherrn bekannt gewesen. Man habe ihn als nicht geeignet eingeschätzt, weshalb ein Vorstellungsgespräch sinnlos gewesen sei.
Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts gebe es Richtlinien zur Integration und Gleichstellung von schwerbehinderten Menschen in der saarländischen Landesverwaltung seit Langem.
Da die Behinderung bereits bei der Beurteilung Berücksichtigung gefunden habe, sei ein Auswahlgespräch nicht zwingend notwendig wie bei externen Bewerbern.
Der Antragsgegner beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 20.9.2007 - Az. 61 BV 5/07 - den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 20.9.2007 - Az. 61 BV 5/07 - zurückzuweisen.
Der Antragsteller weist darauf hin, dass es hier nicht um individuelle Rechte eines Beamten gehe, sondern um die Klärung von Verfahrensrechten des Antragstellers. Dessen Aufgabe sei es, die Einhaltung der die schwerbehinderten Menschen schützenden Normen zu überwachen. Hierzu habe er eine eigene Befugnis, die im Übrigen auch aus der eigenständigen Zuständigkeitsregelung abzuleiten sei.
§ 82
S. 2
SGB IX beziehe sich nicht nur auf Arbeitsplätze, die den Agenturen gemeldet sind, sondern auch auf intern zu besetzende Arbeitsplätze. § 82
SGB IX diene auch der Umsetzung europarechtlicher Richtlinien zum Gleichbehandlungsrecht und sei daher richtlinienkonform auszulegen. Die Richtlinie unterscheide nicht zwischen interner und externer Stellenbesetzung. Sie gelte auch für das berufliche Fortkommen im Unternehmen oder der Dienststelle.
Schließlich gehe es hier um die konkrete Eignung für eine ganz bestimmte Stelle. Dazu könne die dienstliche Beurteilung von ihrer Funktion her keine Aussage treffen. Darüber helfe auch
Nr. 4.1 der Integrationsrichtlinien nicht hinweg. Das Auswahlgespräch zwinge die Beteiligten dazu, sich das in den Richtlinien enthaltene Instrumentarium vor Augen zu führen und im konkreten Fall die Anwendbarkeit zu überprüfen.
Nach § 82
SGB IX seien diejenigen schwerbehinderten Bewerber zum Gespräch einzuladen, die nicht offensichtlich ungeeignet sind, was hier bei Herrn R. der Fall gewesen sei. Damit gehe es nicht um die Frage, ob ein Bewerber offensichtlich bei der Bestenauslese der Bessere ist. Das Kriterium der Bestenauslese sei für die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch nicht anzulegen. Das vorgeschriebene Gespräch könne in jenen Fällen besonders sinnvoll sein, in denen zu befürchten sei, dass ab der Ebene der Hilfskriterien für eine Stellenbesetzung Voraussetzungen geschaffen wurden, die möglicherweise für Behinderte direkte oder indirekte Nachteile bei ihrer Anwendung bedeuten. Auch ein scheinbar feststehendes Ergebnis der Bestenauslese anhand der Beurteilung und weiterer Hilfskriterien könne im Hinblick auf eine Behinderung diskriminierenden Charakter haben, was möglicherweise den Personalverantwortlichen erst durch ein Gespräch vor Augen geführt wird.
Was die Einigung laut Vermerk vom 12.7.2004 anbelange, könne sich der Antragsteller im Hinblick auf seinen gesetzlichen Auftrag nicht wirksam seiner Mitwirkungsmöglichkeiten begeben.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsniederschrift Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 87
ArbGG) und begründet.
I.
Sie wurde frist- und formgerecht eingelegt (§ 89
ArbGG).
Wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat, ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung durch § 2a I Ziff. 3a
ArbGG gegeben. Das Beschwerdegericht teilt allerdings nicht die Bedenken des Arbeitsgerichts bezüglich der Argumentation des
BAG in der Entscheidung vom 11.11.2003. Aufgrund der Bindung des Rechtsmittelgerichts durch § 17a V GVG bedarf es zur Frage des Rechtsweges keiner weiteren Erörterungen.
II.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Antragsbefugnis des Antragstellers mit überzeugender, lesenswerter Begründung bejaht. Das Beschwerdegericht schließt sich dem an. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus §§ 95 II Ziff. 2
SGB IX/2a Ziff. 3a
ArbGG. Danach sind zuständige Stellen, bei denen Maßnahmen für schwerbehinderte Menschen zu beantragen sind, auch die Gerichte für Arbeitssachen, wenn es darum geht, die Einhaltung von Schutzmaßnahmen zu überwachen.
III.
Nach § 82
S. 1
SGB IX "melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 73)."
§ 82
S. 2
SGB IX besagt:
"Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen."
Der Streit der Beteiligten besteht nun darüber, ob im konkreten Fall KHK R. angesichts der internen Ausschreibung vom
18.1.2007 zu einem Vorstellungsgespräch im Rahmen des Auswahlverfahrens einzuladen war oder nicht.
Einig sind sich die Parteien darüber, dass die Ausnahmeregelung des § 82
S. 3
SGB IX hier nicht greift, wonach
"eine Einladung entbehrlich ist, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt".
Da die Ausnahmeregelungen des § 73 II
SGB IX hier nicht einschlägig sind, geht es um Arbeitsplätze im Sinne des Teil 2 des
SGB IX, also auch um die unter § 82
SGB IX erwähnten Arbeitsplätze. Darunter fällt auch die hier ausgeschriebene Stelle.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie als neu zu besetzender Arbeitsplatz auch der Agentur für Arbeit zu melden war. Dies verneint der Antragsgegner zu Recht, da der Arbeitsplatz gemäß der Ausschreibung nur von einem internen und nicht externen Bewerber besetzt werden sollte. Hierfür hat der Antragsgegner vertretbare Gründe angeführt, nämlich zum einen haushaltsrechtliche Gegebenheiten und zum anderen fachliche Erwägungen, eingearbeitete, bestens ausgebildete und qualifizierte Bewerber zu bekommen. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht hat das Beschwerdegericht gegen eine interne Ausschreibung keine rechtlichen Bedenken.
Die vom Antragsteller vertretene Auffassung, für den öffentlichen Arbeitgeber bestehe auch die Verpflichtung, intern neu zu besetzende Stellen der Agentur für Arbeit zu melden (so auch Schimanski/
GK-SGB IX § 82 Rn. 22), überzeugt nicht. § 81
SGB IX gibt zum einen den schwerbehinderten Menschen konkrete Rechtspositionen, legt den Arbeitgebern zum andern spezielle Pflichten auf um die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen und ihnen Gleichgestellter im Arbeits- und Berufsleben zu verbessern und die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen abzubauen. So hat der Arbeitgeber gemäß § 81 I 1-3
SGB IX zu prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz mit einem schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden kann. Die Prüfung ist nicht abstrakt, sondern konkret für den zu besetzenden Arbeitsplatz vorzunehmen. Hierzu hat der Arbeitgeber frühzeitig Kontakt mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen.
Für den öffentlichen Arbeitgeber bestehen erweiterte Pflichten. Er hat nach § 82
S. 1
SGB IX auch alle künftig frei werdenden Arbeitsplätze der Agentur für Arbeit zu melden und gemäß Satz 2 alle schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, die fachliche Eignung des Bewerbers fehlt offensichtlich.
Die Meldung macht jedoch nur Sinn, wenn der frei werdende und neu zu besetzende oder neue Arbeitsplatz auch möglicherweise von einem Externen besetzt werden kann oder soll. Kommen nur beim Arbeitgeber oder Dienstherrn schon beschäftigte Mitarbeiter in Betracht, wäre der Zweck der Meldung verfehlt, nämlich schwerbehinderten Menschen bevorzugt einen Arbeitsplatz zu vermitteln, um somit ihren hohen Stand an Arbeitslosen abzubauen und ihnen verstärkte Chancen zu bieten, um ihre behindertenbedingte Benachteiligung zu kompensieren.
Es stellt sich nun die Frage, ob unter einem "solchen" Arbeitsplatz nach § 82
S. 2
SGB IX, der den öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet, lediglich ein neu zu besetzender oder neuer Arbeitsplatz zu verstehen ist oder einer, der darüber hinaus der Agentur für Arbeit zu melden ist, ob also die Verweisung auf "solche" die Meldung an die Agentur mit umfasst.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts bezieht sich das "solche" auf den gesamten ersten Satz von § 82
SGB IX. Dieser spricht nicht nur von freien oder neuen Arbeitsplätzen
i. S. v. § 73
SGB IX, sondern darüber hinaus von zu meldenden Arbeitsplätzen. Mit dem Wort "solchen" wird diese Einschränkung erfasst und wiederholt.
Diese Auslegung drängt sich auch aus dem Sinnzusammenhang der einzelnen Sätze und Normen des § 82
SGB IX auf. Es geht um die Vermittlung von schwerbehinderten Menschen auf freie Arbeitsplätze, um sie aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen oder sie davor zu bewahren. Damit sollen ihren schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Behinderung Rechnung getragen werden. Hierzu hat der Gesetzgeber insbesondere den öffentlichen Arbeitgeber in die Pflicht genommen. Er soll eng mit der Arbeitsvermittlung zusammenarbeiten und bei der Auswahl der Bewerber auch mit den Schwerbehinderten ein Vorstellungsgespräch führen, wenn die fachliche Eignung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Dadurch soll sich der Arbeitgeber einen persönlichen Eindruck von dem schwerbehinderten Bewerber verschaffen, wodurch eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile ausgeräumt werden können und Hilfskriterien stärker zur Geltung gebracht oder anders gewichtet werden. Der Arbeitgeber soll die Persönlichkeit des Schwerbehinderten näher kennen lernen, wodurch die Einstellungschance eventuell gesteigert wird und seine Auswahl eher in Betracht kommt. Über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus soll sich der Arbeitgeber ein Bild von der Persönlichkeit des schwerbehinderten Bewerbers, seinem Auftreten, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Eignung machen.
Diese Erwägungen sind bei dem schon beschäftigten Schwerbehinderten jedoch nicht anzustellen, da er dem Arbeitgeber oder Dienstherrn schon - in der Regel viele Jahre - persönlich bekannt ist, ebenso seine Leistungen aufgrund seiner Beschäftigung und seiner Beurteilungen. Es geht in diesen Fällen auch nicht um die Förderung von arbeitslosen Schwerbehinderten, sondern meistens lediglich um ihre Umsetzung, die allerdings häufig mit Verbesserungen verbunden ist.
Dem Antragsteller ist zwar beizupflichten, wenn er darauf hinweist, dass § 81 II
SGB IX den Bezug zum
AGG herstellt, das wiederum die Umsetzung der europarechtlichen Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung enthält. Es ist auch richtig, dass der Anwendungsbereich des
AGG sich nicht nur auf die Neubegründung eines Dienstverhältnisses durch externe Bewerber bezieht, sondern auch auf die interne Besetzung von Stellen beim beruflichen Aufstieg (§ 2 I
Nr. 1
AGG). Hier hat der Gesetzgeber jedoch über § 81
SGB IX hinaus eine konkrete Pflicht lediglich für den öffentlichen Arbeitgeber begründet, die im Zusammenhang mit der Bewerbung und Einstellung von externen schwerbehinderten Menschen steht und keine Förderung interner schwerbehinderter Arbeitnehmer oder Beamter beinhaltet, da es um die Beseitigung von Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen geht. Dem öffentlichen Arbeitgeber wird hier eine Vorbildfunktion auferlegt. Der Antragsgegner geht daher zu Recht davon aus, dass er zu einem Vorstellungsgespräch mit dem schwerbehinderten Bewerber R. nicht verpflichtet war.
Dieser grundsätzlichen Ansicht war offensichtlich auch der Antragsteller einmal, wie aus der im Vermerk vom 12.7.2004 festgehaltenen Abrede zu entnehmen ist, die allerdings keinen bindenden Charakter hat.
Schließlich beinhalten auch die vom Antragsteller zitierten Entscheidungen (Bay.VGH 7.10.2004, Br 2005, 174
ff.;
VG Düsseldorf 6.5.2005, Br 2005, 176
ff.;
ArbG Berlin 10.10.2003, LAGE § 82
SGB IX Nr. 1) Fälle, in denen es um externe Ausschreibungen
bzw. externe Bewerber ging.
Der noch im Streit befindliche Feststellungsantrag war somit als unbegründet zurückzuweisen unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Da die strittige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist und anscheinend noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, war die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92, 72 I 2, II
ArbGG zuzulassen.