Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region ... - Integrationsamt - vom 31. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 19. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die erteilte Zustimmung ist
§ 85 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen im Sinne von
§ 2 Abs. 2 SGB IX durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist insoweit der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier der Erlass des Widerspruchsbescheides am 19. Juli 2011. Die Zustimmungsbehörde hat also für Ihre Entscheidungsfindung all diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die bis zu diesem Zeitpunkt von den Beteiligten an sie herangetragen worden sind oder die sich sonst hätten aufdrängen müssen (
vgl. BayVGH vom 17.9.2009 Az.
12 B 09.52).
a) Der streitgegenständliche Bescheid begegnet in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, insbesondere wurden der Kläger, die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat der Beigeladenen zur beantragten Zustimmung angehört (
§ 87 Abs. 2 SGB IX), ebenso wurden der Kläger und die Beigeladene im Widerspruchsverfahren gehört (
§ 121 Abs. 2 SGB IX).
b) Die Zustimmung des Beklagten zur ordentlichen Änderungskündigung des Klägers verletzt auch nicht materielles Recht.
Die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung oder deren Versagung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamtes, wobei die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe mit den Schutzinteressen des behinderten Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der in
§ 89 SGB IX vorgesehenen Einschränkungen abzuwägen sind (
vgl. BayVGH vom 28.9.2010 Az.
12 B 10.1088 (juris)). Die Ermessensentscheidung unterliegt gemäß § 114 Satz 1
VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung dahingehend, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Zu überprüfen ist dabei auch, ob das Integrationsamt den der Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zutreffend ermittelt und seiner Aufklärungspflicht aus § 20 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (
SGB X) genügt hat. Das Integrationsamt hat, anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung, all das zu ermitteln und zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können (
BVerwG vom 19.10.1995, BVerwGE 99, 336).
Die Entscheidung des Integrationsamtes ist an Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen auszurichten. Danach ist das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu behalten, mit dem Interesse des Arbeitgebers, Personalkosten einzusparen, abzuwägen (
BVerwG vom 19.10.1995 BVerwGE 99, 336). Es ist dem Fürsorgegedanken der Regelungen des
SGB IX Rechnung zu tragen, das die Nachteile schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen will. Der schwerbehinderte Mensch soll vor den Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung ausgesetzt ist, bewahrt werden und es soll sichergestellt sein, dass er gegenüber gesunden Menschen nicht benachteiligt wird. Besonders hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber sind im Rahmen der Interessenabwägung dann zu stellen, wenn die Kündigung auf Gründen beruht, die in der Behinderung ihre Ursache haben; entsprechend geringer ist der Schutz, je weniger ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung feststellbar ist.
Andererseits ist auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers mit dem ihr zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses ist es nicht, eine zusätzliche zweite Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen, so dass im Rahmen der Ermessensentscheidung grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob eine Kündigung nach
§ 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt ist. Vielmehr kann der Schwerbehinderte, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat, arbeitsgerichtlich klären lassen, ob die Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt ist (
vgl. BVerwG vom 2.7.1992 BVerwGE 90, 287/293). Allerdings darf das Integrationsamt an einer offensichtlich unwirksamen Kündigung in dem Sinne, dass die Unwirksamkeit der Kündigung "ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt", nicht mitwirken (
vgl. BVerwG vom 2.7.1992 a.a.O; BayVGH vom 28.9.2010 a.a.O.).
Ist der Schwerbehinderte krankheits- oder behinderungsbedingt nicht zur Fortsetzung der Arbeit am bisherigen Arbeitsplatz in der Lage, sind jedoch an die Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können (
vgl. BVerwG vom 18.09.1989 Az.
5 B 100/89 (juris);
BVerwG vom 26.10.1971 BVerwGE 39, 36). Der Arbeitgeber braucht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Schwerbehinderten keinen neuen Arbeitsplatz zu schaffen und auch keinen anderen Arbeitnehmer zu entlassen, um für den Schwerbehinderten Platz zu schaffen. Es wird ihm aber zugemutet, den Schwerbehinderten nach Möglichkeit umzusetzen, d.h. ihm im Rahmen der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, wobei das Bemühen um einen anderen geeigneten Arbeitsplatz von fürsorgerischem Denken und Fühlen getragen sein muss (
BVerwG vom 11.9.1990 Az.
5 B 63/90 (juris)).
c) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Zustimmung des Beklagten nicht zu beanstanden, da die geltend gemachten personenbedingten Kündigungsgründe die Zustimmungsentscheidung tragen und Ermessensfehler nicht ersichtlich sind.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist hier durch
§ 89 Abs. 2 SGB IX eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist. Eine "Soll"-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinn bedeutet, dass grundsätzlich so zu verfahren ist, wie es im Gesetz bestimmt ist, nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall atypisch erscheinen lassen, entscheidet die Behörde diesen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen (
BVerwG vom 10.9.1992 BVerwGE 91, 7). Angemessenheit und Zumutbarkeit sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegen und ausschließlich den neuen Arbeitsplatz betreffen; § 89
Abs. 2
SGB IX verlangt nicht, dass der neue im Verhältnis zum alten Arbeitsplatz gleichwertig oder gleichartig sein muss (BayVGH vom 17.9.2009 Az. 12 B 09.52 (juris)).
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm liegen vor. Die Beigeladene bot dem Kläger mit Schreiben vom 30. November 2010 mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2010 eine Umsetzung an (Bl. 58 der Behördenakte). Der neue Arbeitsplatz war dem Kläger damit gesichert. Er lehnte ihn allerdings ab.
Der neue Arbeitsplatz war auch angemessen. Die Frage der Angemessenheit lässt sich nicht nach den Wünschen des schwerbehinderten Menschen beantworten; auch ist die Feststellung der Einkommenseinbuße kein geeigneter Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit (
BVerwG vom 12.1.1966 BVerwGE 23, 123; BayVGH vom 17.9.2009 a.a.O). Maßgeblich ist, ob Entgelt und Art der Tätigkeiten den Fähigkeiten, den krankheits-
bzw. behinderungsbedingten Einsatzmöglichkeiten und der Vorbildung des schwerbehinderten Menschen entsprechen (
BVerwG vom 12.1.1966 a. a. O). In diesem Sinne entspricht die Art der (neuen) Tätigkeit als Bediener in Lohngruppe 6 mit einer sich im Wesentlichen wiederholenden Tätigkeit den Fähigkeiten (und der Vorbildung) des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt; auch ist die sich ergebende Nettovergütung angemessen (
vgl. BayVGH vom 17.9.2009 a.a.O). Die Beigeladene trug den schwerbehindertenrechtlichen Belangen ausreichend Rechnung; aufgrund der krankheitsbedingten Einschränkungen besteht ein geringeres Leistungsvermögen, so dass die Rückstufung in Lohngruppe 6 nicht wegen der Schwerbehinderung als solcher, sondern wegen der einschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers erfolgt. Überdies merkte die Beigeladene im vorgenannten Schreiben vom 30. November 2010 an, dass sie den Einsatz des Klägers als Selbsteinrichter bei entsprechender Beschäftigungsmöglichkeit und vollständiger Heilung der seelischen Erkrankung beabsichtige.
Der neue und angemessene Arbeitsplatz ist dem Kläger unter Berücksichtigung des
§ 81 Abs. 4 SGB IX auch zumutbar. Er kann die hier geforderten Tätigkeiten trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen, die seine Schwerbehinderung begründen, dauerhaft ausfüllen. Persönliche Umstände, die gegen eine solche Zumutbarkeit sprechen, sind unter Berücksichtigung der Gesamtumstände weder ersichtlich noch hinreichend dargetan; insbesondere ergeben sich solche nicht aus dem Vortrag des Klägers, nach der geplanten Umsetzung nur noch eine Anlerntätigkeit auszuüben.
Sind demzufolge die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89
Abs. 2
SGB IX erfüllt, so soll das Integrationsamt der Kündigung zustimmen. Die Zustimmungserteilung ist damit der Regelfall, von dem der Fall des Klägers nicht atypisch abweicht. Anhaltspunkte für eine offensichtlich unwirksame Kündigung sind nicht gegeben.
d) Aber auch für den Fall, dass § 89
Abs. 2
SGB IX nicht zu berücksichtigen sein sollte, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.
Als Grund für die Kündigung macht die Beigeladene krankheitsbedingte Einschränkungen des Klägers geltend. Hinsichtlich der Prognose des Gesundheitszustandes
bzw. der gesundheitlichen Einschränkungen führte bereits der Betriebsarzt in seiner Stellungnahme vom 28. April 2009 (Bl. 36 der Behördenakte) aus, die Erkrankung verlaufe wellenförmig, so dass vermutlich immer wieder mit akuten Schüben gerechnet werden müsse, in denen der Kläger arbeitsunfähig sei, Probleme fänden sich hinsichtlich der Erkenntnis der Schwierigkeiten am Arbeitsplatz; insgesamt sehe er auf lange Sicht immer wieder Probleme auf die Arbeitgeberin zukommen. Entsprechend des Antrages der Beigeladenen konnte im Präventionsgespräch am 30. November 2010 unter Einbindung aller maßgeblichen Stellen, insbesondere auch des behandelnden Arztes des Klägers, keine Lösung dahingehend, dass der Kläger weiterhin als Einrichter tätig sein kann, gefunden werden. Allein das diesbezügliche bloße Bestreiten seitens des Klägers führt insofern zu keiner anderen Beurteilung.
Unabhängig davon wird die Einschätzung des Integrationsamtes, der Kläger sei aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage, seine bisherige Tätigkeit entsprechend dem Arbeitsvertrag auszuüben, auch durch das während des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erstellte arbeitsmedizinische Gutachten vom 10. August 2011 im Nachhinein bestätigt. Dieses stellt zur Frage des Vorliegens einer beruflichen Leistungsminderung fest, dass der Kläger für die Tätigkeit als Bediener und Einrichter von
CNC-Maschinen zu 100 % nicht mehr geeignet sei, da bereits kleine Fehler in der Bedienung der Maschinen zu fehlerhaften Produkten oder gar Ausschuss führen würden.
Zusammenfassend kam das Integrationsamt daher in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bei der Interessensabwägung zu dem Schluss, dass das Interesse der Beigeladenen an störungsfreien Betriebsabläufen höher zu bewerten ist als das Interesse des Klägers weiterhin als ausgebildeter Facharbeiter tätig zu sein.
Nach allem ist daher festzustellen, dass der Bescheid des Integrationsamtes vom 31. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2011 rechtmäßig ist.
2. Als unterliegender Teil hat der Kläger gemäß § 154
Abs. 1
VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da sich die Beigeladene mit der ausdrücklichen Stellung eines Antrags auf Klageabweisung einem Prozessrisiko aus § 154
Abs. 3
VwGO ausgesetzt hat, entspricht es auch billigem Ermessen, eine Erstattungspflicht hinsichtlich ihrer außergerichtlichen Aufwendungen aus § 162
Abs. 3
VwGO im Urteil auszusprechen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 2
VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (
ZPO).