Tenor:
Unter Aufhebung des Bescheides vom 03.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2010 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger Übergangsgeld für die Zeit vom 01.04.2009 bis 06.09.2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Übergangsgeld ab 01.04.2009 streitig.
Dem am .... geborenen Kläger hatte die Beklagte nach Berufsfindung, Arbeitserprobung und Rehabilitationslehrgang eine zweijährige Ausbildung zum Betriebswirt in der Fachschule für Wirtschaft und Technik C. bewilligt. Die Maßnahme begann im August 2006 und wurde wegen längerer Arbeitsunfähigkeit des Klägers im zweiten Semester abgebrochen.
Ab August 2007 bewilligte die Beklagte eine weitere berufliche Rehabilitation zum Betriebswirt, eine ebenfalls zweijährige Ausbildung im Berufsförderungswerk G. Zu Beginn des dritten Semesters wollte der Kläger aus verschiedenen Gründen das Berufsförderungswerk G. verlassen, er wechselte daraufhin mit Zustimmung der Beklagten (Bescheid vom 03.12.2008) zum 01.12.2008 zur DAA Wirtschaftsakademie D.. Er wurde in das zweite Semester übernommen, die Beklagte hatte der damit verbundenen Verlängerung der Umschulungsmaßnahme zugestimmt.
Der Kläger fühlte sich dort gemobbt, er war seit 27.02.2009 arbeitsunfähig. Sein Arzt Dr. Schmidt hatte die Empfehlung gegeben, die Maßnahme nicht fortzuführen, da eine Chronifizierung insbesondere des psychischen Leidens drohe. Der Kläger wollte keine Zeit verlieren und bat die Beklagte um Prüfung von Alternativen in anderen Berufszweigen.
Nach sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit widerrief die Beklagte die Bewilligung der Maßnahme durch Bescheid vom 03.04.2009 und bewilligte nach Anfrage bei der beratenden Ärztin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme von sechs Wochen zur Klärung einer Persönlichkeitsstörung und der Belastbarkeit für eine Leistung zur Teilhabe (Bescheid vom 06.04.2009).
Gegen beide Entscheidungen hatte der Kläger Widerspruch eingelegt, er hatte gemeint, bei Fortführung der Umschulung an einem leidensgerechten Bildungsort sei keine medizinische Rehabilitation indiziert.
Der ärztliche Berater der Beklagten meint hingegen, Dr. Sch. habe ein psychisches Leiden, das zu chronifizieren drohte, attestiert. Es bestünde auch eine posttraumatische Belastungsstörung. Er halte eine psychiatrische Begutachtung für zwingend erforderlich zur Klärung der Belastbarkeit und der Fragen, ob die Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und ob spezielle Hilfen erforderlich seien.
Mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung (S 4 R 127/09 ER) begehrte der Kläger die Fortsetzung der Umschulung und die Weitergewährung von Übergangsgeld. Die Beteiligten schlossen einen Vergleich des Inhalts, dass eine Begutachtung durch den vom Kläger benannten Nervenarzt Dr. R. erfolgen solle; anschließend werde die Beklagte über die Frage entscheiden, ob und welche Maßnahmen über die weitere Umschulung zum Betriebswirt sie dem Kläger anbiete.
Dr. R. stellte in seinem Gutachten vom November 2009 fest, dass folgende Leiden bestünden: Zustand nach Wegeunfall im Januar 2003 mit traumatischer Brustwirbelkörper-12-Fraktur, Anlage einer Spondylodese mit Fixateur interna und Spongiosaplastik 2/03 und ventraler Spondylodese 12/03, verbliebenes, chronisches Schmerzsyndrom, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie ein leichtes Polyneuropathie-Syndrom. Er war der Meinung, der Kläger sei in der Lage, die Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt weiterhin umzusetzen. Diese Ausbildung sei durch eine von ihm erlebte Mobbing-Situation unterbrochen worden, die zusätzlich zu einer vorübergehenden Akzentuierung der psychischen Situation geführt hätte. Derzeitig stünden die Symptome der postraumatischen Belastungsstörung im Vordergrund, es erfolge eine fachpsychotherapeutische Behandlung. Einschränkungen bestünden hinsichtlich Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkord- und Fließbandarbeiten sowie häufigem Publikumsverkehr. Wesentliche Einschränkungen des allgemeinen Umstellungs- und Anpassungsvermögens hätten sich nicht gefunden, die Konzentration und Merkfähigkeit seien nicht gemindert.
Die Beklagte bzw. dessen ärztlicher Dienst halten das Gutachten für unzutreffend, es fehle hinsichtlich der während der Rehabilitation aufgetretenen interaktionellen Konflikte des Klägers mit Mitarbeitern und Mitauszubildenden an einer eingehenden psychiatrischen Exploration. Der Gutachter übernehme nur die Einschätzung der behandelnden Psychologin. Hier sei das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung weder ausreichend beschrieben noch begründet.
Zu den Einwänden der Beklagten hatte Dr. R. sich dahin geäußert, dass sich wesentliche psychische Beeinträchtigungen in der Zeit vor dem Unfall nicht ergäben. Es sei eine gewisse Akzentuierung der Persönlichkeit nicht auszuschließen, eine eigenständige Erkrankung ließe sich daraus aber nicht ableiten. Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung lasse sich aus den Schilderungen des Klägers und der Aktenlage herleiten.
Die Beklagte zog nun berufskundliche Unterlagen von "Berufenet", der Internetplattform der Arbeitsverwaltung bei und stellte fest, dass sowohl beim Betriebswirt als auch beim Verwaltungsfachangestellten, dem Industriekaufmann und dem Eurokaufmann Kundenkontakte vorkommen. Sie meinte, damit sei von häufigem Publikumsverkehr auszugehen. Sie teilte daraufhin durch Bescheid vom 28.01.2010 dem Kläger mit, sie gehen zwar von einer Belastbarkeit für eine Leistung zur Teilhabe aus, allerdings sei weder eine Ausbildung zum Betriebswirt noch zu den alternativ vorgeschlagenen Ausbildungen möglich, da diese durch Kunden, Bürger- oder Publikumsverkehr gezielt gekennzeichnet seien.
Daraufhin stellte der Kläger beim erkennenden Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung mit dem Ziel, Übergangsgeld zu gewähren und unverzüglich die Ausbildung zum Betriebswirt fortzusetzen. Die Ausführungen zu Persönlichkeitsstörungen seien konstruiert. Der Antrag wurde erstinstanzlich abgelehnt (S 4 R 184/10 ER). Vom LSG NRW wurde die Beklagte zur Fortsetzung der Maßnahme verpflichtete, im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen (L 18 R 674/10 B ER, Beschluss vom 02.12.2010).
Der Antrag hinsichtlich des Übergangsgeldes wurde mangels Anordnungsgrund abgelehnt, zur unmittelbaren Fortsetzung der Ausbildung hat das LSG ausgeführt, die Ablehnung der Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt sei rechtswidrig. Soweit die Beklagte durch den Bescheid vom 03.04.2009 die Bewilligungsbescheide vom 03.12.2008 und 14.08.2007 mit der Begründung widerrufen habe, dass aus gesundheitlichen Gründen ein Unterrichtsausfall eingetreten und die Fehlzeiten eine regelmäßige Teilnahme nicht mehr erlaubt hätten und damit das Rehabilitationsziel nicht mehr erreicht werden könne, sei bereits fraglich, ob die zu Grunde liegenden Fakten ausreichen würden, eine solche Beurteilung zu treffen. Es habe lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im April 2009 vorgelegen. Auch habe der Kläger in der Vergangenheit gezeigt, dass er trotz länger dauernder AU-Zeiten das Klassenziel erreicht habe.
Ein Widerruf sei zwar unter den im Bewilligungsbescheid konkret angegebenen Gründen grundsätzlich möglich. Die Beklagte habe jedoch auch im Falle des Widerrufs nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, § 47 Abs. 1 S. 1 SGB I.
Ermessenserwägungen seien aber nicht dargelegt. Es habe zwar eine AU-Bescheinigung bis zum 08.04.2009 vorgelegen. Daraus habe aber nicht geschlossen werden können, dass das Rehabilitationsziel aufgrund des Unterrichtsausfalls nicht mehr erreicht werde, zumal der behandelnde Arzt des Klägers lediglich die Fortsetzung der Maßnahme an dieser Schule nicht befürwortet habe. Er habe vielmehr angegeben, dass beim Wechsel der Ausbildungsstelle die Symptome wahrscheinlich verschwinden würden. Diese Angaben habe nachträglich auch Dr. R. bestätigt. Die Beklagte habe daher ohne Prüfung geeigneter Alternativen, die sich seinerzeit aus wirtschaftlicher, zielorientierter Sicht geboten hätten widerrufen, obwohl dies kurz vor Beendigung eher unverhältnismäßig gewesen sei und der Kläger noch im Juli 2008 beste Leistungsbewertungen vorgewiesen habe. Vor diesem Hintergrund habe es sich als einzig sinnvolle Lösung angeboten, für die letzten vorgesehenen Monate der Ausbildung eine geeignete Bildungseinrichtung zum Abschluss der Maßnahme zu suchen.
Auch die Einigung der Beteiligten im vorangegangenen einstweiligen Anordnungsverfahren ändere hieran nichts, denn die Beteiligten hätten dieses mit dem Ziel beendet, die gesundheitliche Leistungsfähigkeit festzustellen. Dieser Vergleich konnte bei verständiger Würdigung nur mit dem Ziel erfolgt sein, dass sich die Beklagte auf der Grundlage der getroffenen ärztlichen Feststellungen weil für den Kläger positivem Ergebnis umgehend um eine Einrichtung bemüht, an der die Maßnahme erfolgreich beendet werden könne.
Zwischenzeitlich, während des laufenden Verfahrens um einstweilige Anordnung haben die Beteiligten sich im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 03.04.2009 auseinandergesetzt. Der Kläger hielt die Annahme, das Ziel der Maßnahme sei nicht mehr erreichbar gewesen, für unzutreffend. Er hätte dieses durchaus an einem anderen Ort erreichen können.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 07.10.2010 zurück mit der Begründung, es sei nach der Bewilligung eine Änderung dahingehend eingetreten, dass der Kläger selbst eine Fortsetzung bei der AA D. abgelehnt habe, sich dort abgemeldet habe sowie seit 27.02.2009 krankheitsbedingte Fehlzeiten entstanden seien, aufgrund derer das Rehabilitationsziel nicht mehr erreichbar gewesen sei. Auch könne durch die Leistung zur Teilhabe die Erwerbsfähigkeit nicht mehr wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden.
Hiergegen richtet sich die am 10.11.2010 beim erkennenden Gericht erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Durch Bescheid vom 03.03.2011 bewilligte die Beklagte aufgrund des Beschlusses des LSG NRW vom 01.12.2010 eine Weiterbildung zum Betriebswirt.
Der Kläger begehrt daraufhin nur noch Übergangsgeld für die Zeit nach dem Widerruf zu gewähren. Er bezieht sich zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs auf die Begründung des LSG insbesondere zum fehlenden Ermessen und der fehlenden Prüfung von Alternativen sowie der Unklarheit, ob tatsächlich das Rehabilitationsziel nicht mehr erreicht werden könne. Er meint, das Übergangsgeld sei über den 31.03.2009 hinaus zu gewähren, nicht nur während der Rehabilitationsleistungen, sondern auch während der Unterbrechung. So sei die Unterbrechung durch den Widerruf rechtswidrig gewesen, der Abschluss daher von der Beklagten verhindert worden. Ihm sei daher Zwischen-Übergangsgeld auch dann zu gewähren, wenn die Pause zwischen Maßnahmen nicht nach dem Abschluss des ersten Teils der Rehabilitation liegt. Er habe auch die Ausbildung sofort weiterführen können, was sich aus der medizinischen Beurteilung des Dr. R. ergebe. Dies habe die Beklagte treuwidrig verhindert. Er sei daher wirtschaftlich so abzusichern wie ein Rehabilitand zwischen zwei Rehabilitationsleistungen, zwischen denen kein nahtloser Übergang möglich ist. Hätte die Beklagte pflichtgemäß die Fortsetzung der begonnenen Maßnahme in einer entsprechenden Einrichtung gewährt, hätte er einen durchgängigen Anspruch auf Übergangsgeld gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 03.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 01.04.2009 bis 06.09.2011 Übergangsgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält einen Anspruch auf Übergangsgeld für nicht gegeben. Anstelle der Fortsetzung der begonnen Umschulung sei nunmehr auf Wunsch des Klägers eine erneute volle Umschulung für die Dauer von 24 Monaten, beginnend im September 2011 bewilligt worden. Anspruch auf Zwischen-Übergangsgeld bestehe im Anschluss an Leistungen im Rahmen eines Gesamtplans, wenn erforderliche Leistungsabschnitte sich nicht nahtlos aneinander anschließen und die Gründe für die Verzögerung nicht vom Versicherten zu vertreten sind. Hier seien keine einzelnen, aufeinander aufbauenden Leistungsansprüche geplant gewesen. Zwischen-Übergangsgeld setze auch voraus, dass der erste Teil abgeschlossen ist. Hier sei die Maßnahme durch Widerruf beendet und nicht abgeschlossen worden.
Dem hält der Kläger entgegen, es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihn von der Maßnahme in D. vorzeitig abgemeldet habe. Er habe sich zwar auch abgemeldet, jedoch erst drei Tage später, weil er dem Rat des Arztes gefolgt sei und davon ausging, dass die Beklagte einen anderen Maßnahmeträger suche. Die nunmehrige Vollausbildung ab September 2011 sei auf die lange Zeit seit dem Abbruch in D. zurückzuführen. Die Maßnahme der ursprünglichen Maßnahme sei auch nicht durch die Zustellung des Widerrufs beendet gewesen. Sei der Widerruf rechtswidrig, so verschieben sich die Beendigung ebenso wie der Übergangsgeldanspruch.
Hierzu meint die Beklagte, dass unabhängig davon, durch wen eine Maßnahme beendet worden sei, diese gerade nicht erfolgreich beendet sei. Der Widerruf sei in der Bewilligung vorbehalten gewesen. Durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten sei ein Abbruch geboten gewesen, weil ein erfolgreicher Abschluss nicht mehr wahrscheinlich gewesen sei.
Der Kläger verweist darauf, dass bei Widerspruch das Semester gerade angefangen habe und wegen der Osterferien durch die Arbeitsunfähigkeit kaum Stoff verpasst worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Streitakten, der Streitakten S 4 R 84/10 ER und S 4 R 127/09 ER sowie der Verwaltungskaten der Beklagten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.