Urteil
Leistungen zur Teilhabe - fehlende Nähe zum Erwerbsleben - Langzeitarbeitsloser - rentennaher Jahrgang

Gericht:

LSG Darmstadt 2. Senat


Aktenzeichen:

L 2 RJ 600/03


Urteil vom:

16.12.2003


Orientierungssatz:

Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe besteht nicht, wenn eine dauerhafte Eingliederung bzw Rückkehr in das Erwerbsleben mit einer Beitragsleistung zur Rentenversicherung - auch wegen der fehlenden Nähe zum Erwerbsleben - nicht zu erwarten ist.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation.

Der am 20. Dezember 1940 geborene Kläger, kroatischer Staatsbürger, hat nach seinen Angaben in Kroatien eine Kfz- Mechanikerlehre abgeschlossen. Nach seinem Versicherungsverlauf vom 21. Juli 1999 ist er in der Bundesrepublik seit 10. Februar 1966 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; seit März 1981 war er fast durchgehend arbeitslos. Nach den von ihm vorgelegten Zeugnissen und Schulbescheinigungen sowie dem von ihm gefertigten Lebenslauf hat er u. a. an einem Ganztagslehrgang zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Kfz- Mechaniker-Handwerk teilgenommen, ferner an PC- und Buchführungskursen, außerdem an Seminaren und Workshops für Kosmetikberatung. In der Zeit vom 4. September bis 9. November 1987 hat er in B S/T ein medizinisches Reha-Verfahren durchgeführt. Als Hauptleiden wurde eine Charakterneurose ICD 301 diagnostiziert und es wurde eine überdurchschnittliche intellektuelle Befähigung festgestellt. Nach dem psychiatrisch- psychotherapeutischen Verlaufsbericht konnte sich der Kläger nicht mehr vorstellen, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten, sondern für ihn kam nur noch eine selbständige Existenz in Frage (Reha- Entlassungsbericht vom 24. November 1989).

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 25. April 2001 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 15. November 2001 und der Begründung abgelehnt, der Kläger sei langjährig Bezieher von Arbeitslosengeld. Nach den objektiven Gegebenheiten sei eine dauerhafte Eingliederung bzw. Rückkehr in das Erwerbsleben mit einer Beitragsleistung zur Rentenversicherung nicht zu erwarten. Die Rentenversicherung erbringe Leistungen zur Rehabilitation, wenn hierdurch die Eingliederung in das Erwerbsleben erhalten oder wiedererlangt werden könne (§ 9 Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Der Kläger möge sich an seine Krankenkasse wenden.

Der Kläger erhob dagegen am 21. Dezember 2001 Widerspruch. Mit Schreiben vom 15. Februar 2002 teilte er mit, er könne derzeit noch keine abschließende Stellungnahme abgeben. Mit Bescheid vom 21. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation maßgeblichen Vorschriften der §§ 9 bis 11 SGB VI seien zugunsten des Klägers nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der fehlenden Nähe zum Erwerbsleben, aber auch des Lebensalters und der derzeitigen Arbeitsmarktlage sei davon auszugehen, dass die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zu erwarten sei. Damit sei das mit der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe zu verfolgende Ziel nicht erreichbar, so dass die leistungsbegründenden Voraussetzungen für eine Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 9 ff. SGB VI fehlten.

Der Kläger erhob am 19. Juli 2002 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Zur Begründung führte er unter Bezugnahme auf den von ihm vorgelegten Reha-Entlassungsbericht vom 24. November 1989 aus, es sei nicht richtig, dass er nichts unternommen habe, die seit 1980 bestehende Arbeitslosigkeit zu beenden. Er verwies auf zur weiteren Fortbildung durchgeführte Lehrgänge. Dem Arbeitsamt habe er immer zur Verfügung gestanden, ohne dass dies ihn vermittelt habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schreiben des Klägers vom 27. Februar 2003 nebst Anlagen und 30. April 2003 Bezug genommen. Die Beklagte verblieb demgegenüber bei ihrer Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenübernahme für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Sie sei auch nicht der zuständige Leistungsträger für diese Heilbehandlung. Sofern Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden sollten, habe die Prüfung nach den §§ 9 ff. SGB VI zu erfolgen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VI stehe ihr ein Ermessen bezüglich der Gewährung von Leistungen zu, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien. Bei ihrem Ablehnungsbescheid habe sie die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I geprüft und danach die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation zu Recht abgelehnt (Schriftsatz vom 27. März 2003).

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 15. Mai 2003 ab. Zur Begründung nahm es auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 und die schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten vom 27. März 2003 Bezug, die zutreffend seien.

Gegen den ihm am 24. Mai 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 24. Juni 2003 eingelegte Berufung, die der Kläger mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2003 begründet hat. In diesem Zusammenhang hat der Kläger u. a. aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 24. November 1989 zitiert, dass für ihn nur noch eine selbständige Existenz in Frage komme: "Der Leistungen der wirtschaftlichen Hilfe, 80.000,- Euro der Aufnahme einer Beschäftigung selbständige Tätigkeit, und weitere Leistungen der freien Förderung sollte unter der angegebenen Konto zur Verfügung bzw. überwiesen werden." Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 29. Oktober 2003 verwiesen.


Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. Mai 2003 - S 16 RJ 2413/02 - und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und ihm Leistungen zur Rehabilitation in Form von Wirtschaftshilfe in Höhe von 80.000,- Euro zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu bewilligen.


Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Senat einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten, die vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt hatten (§§ 153 Abs. 1, 124 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21. Juni 2002 zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat. Die Voraussetzungen der maßgeblichen Vorschriften der §§ 9; 11 SGB VI sind zugunsten des Klägers nicht erfüllt.

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die persönlichen Voraussetzungen haben eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zur Voraussetzung, die durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann.
Vorliegend fehlen bereits die persönlichen Voraussetzungen, denn das Ziel einer Rehabilitation, eine möglichst dauerhafte Eingliederung in das Erwerbsleben ist nicht mehr zu erreichen. Der Kläger zählt aufgrund seines Alters (geb. 20. Dezember 1940) zu den rentennahen Jahrgängen (vgl. dazu § 12 Abs. 1 Satz 4 SGB VI) und ist seit mehr als 20 Jahren arbeitslos. Zudem geht es ihm nach seinem Vortrag im gerichtlichen Verfahren nicht um die Rückkehr in das Erwerbsleben als abhängig beschäftigter Beitragszahler, sondern um wirtschaftliche Hilfe zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Dazu hat er im Klageverfahren 50.000,- Euro, im Berufungsverfahren 80.000,- Euro an Wirtschaftshilfe zur Aufnahme einer selbständigen Existenz gefordert. Diese, im gerichtlichen Verfahren beantragte wirtschaftliche Leistung ist in den Katalog, der im Verwaltungsverfahren bei der Beklagten beantragten Bewilligung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation, über die Beklagte und Sozialgericht entschieden haben, nicht eingeschlossen, und der Senat kann darüber zulässig auch nicht im Berufungsverfahren entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG fehlt.

Referenznummer:

KSRE018490514


Informationsstand: 31.08.2004