Urteil
Keine Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Gericht:
LSG Bayern 10. Senat
Aktenzeichen:
L 10 AL 266/02
Urteil vom:
27.04.2006
LSG Bayern 10. Senat
L 10 AL 266/02
27.04.2006
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 07.05.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die 1956 geborene Klägerin hatte bereits mehrfach Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt.
Ausgangspunkt des Berufungsverfahrens ist der am 05.05.2000 von der Klägerin gestellte Antrag auf Gewährung von Leistungen im Rahmen der beruflichen Eingliederung Behinderter (berufliche Rehabilitation). Daraufhin reservierte die Beklagte für die Zeit ab dem 20.09.2000 einen Platz für die Klägerin in einer Berufsfindungsmaßnahme im Berufsförderungswerk E ... Nachdem sich die Klägerin jedoch geweigert hatte, an der erweiterten Arbeitserprobung unter Einschluss von psychologischen Untersuchungen teilzunehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2000 die Durchführung berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ab.
Am 22.09.2000 beantragte die Klägerin, ihr eine Umschulung zur Bürokauffrau bzw. ein Studium der Informatik im Wege einer einstweiligen Anordnung zu fördern. Diesen Antrag lehnte das Sozialgericht Nürnberg (SG) mit Beschluss vom 27.11.2000 (Az: S 5 AL 804/00 ER) ab. Die gegen den Beschluss vom 27.11.2000 zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss vom 23.08.2001 (Az: L 10 B 1/01 AL ER) zurückgewiesen.
Am 24.09.2001 beantragte die Klägerin im Wege einer einstweiligen Anordnung beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - die Genehmigung der von ihr selbst beschafften Praktikumsstelle bei der Fa. S. Transport & Logistik GmbH in N. im Rahmen einer praxisorientierten Reintegrationsmaßnahme von Behinderten. Mit Beschluss des BayLSG vom 10.10.2001 (Az: L 10 AL 366/01 ER) wurde der Antrag zuständigkeitshalber an das funktionell und örtlich zuständige SG verwiesen.
Mit Beschluss vom 07.02.2002 lehnte das SG diesen Antrag ab (Az: S 5 AL 869/01 ER). Beschwerde hiergegen wurde nicht eingelegt.
In der Zwischenzeit hatte die Klägerin im Zeitraum vom 07.02. bis 28.02.2001 an einer im Berufsförderungswerk E. durchgeführten erweiterten Arbeitserprobung und Berufsfindung teilgenommen. Aus psychiatrisch-psychologischer Sicht wurde die Motivation der Klägerin für eine berufliche Wiedereingliederung als sehr zweifelhaft beurteilt, weil sich bei der Klägerin eine neurotische Entwicklung bei Zustand nach Geschlechtsumwandlung ergeben habe. Nach dem Ergebnisbericht vom 04.04.2001 seien allenfalls einfach geartete Anlern- oder Helfertätigkeiten im Rahmen einer vollschichtigen beruflichen Beschäftigung in Betracht zu ziehen. Qualifizierende berufliche Maßnahmen kämen im Hinblick auf die erzielten Leistungsergebnisse auch auf einfacherem Niveau nicht in Betracht (vgl. dazu Beschluss des BayLSG vom 23.08.2001, Az: L 10 B 1/01 AL-ER). Die angestrebte Umschulung zur Bürokauffrau wurde nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung als ungeeignet beurteilt. Ein Anordnungsanspruch fehle auch für die selbstbeschaffte Praktikumsstelle für eine Bürotätigkeit bei der Fa. S. Transport & Logistik GmbH.
Der Versuch der Klägerin, bei verschiedenen Praktikumsbetrieben, u.a. der VdK P. GmbH, ein Praktikum durchzuführen, scheiterte wegen ihres Sozialverhaltens (siehe Stellungnahme der VdK P. GmbH vom 26.09.2001). Die Klägerin konnte nicht in das Team integriert werden, teilweise wurden von ihr Kollegen bedroht. Aufgrund ihrer fehlenden kaufmännischen und EDV-Kenntnisse war ein Einsatz in einer von ihr angestrebten kaufmännischen Tätigkeit auf absehbare Zeit nicht möglich.
In einem arbeitsamtsärztlichen Gutachten nach Aktenlage vom 26.10.2001 führte Frau Dr.B. aus, dass aus arbeitsamtsärztlicher Sicht aufgrund der schon früher bekannten gesundheitlichen Störungen der Klägerin keine weitere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr befürwortet werden könne. Die Klägerin sei bis auf weiteres nicht in der Lage, eine regelmäßige Tätigkeit auszuüben.
Mit Bescheid vom 09.11.2001 (S 5 AL 14/02) lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 05.05.2000 auf Gewährung von Leistungen im Rahmen der beruflichen Eingliederung Behinderter (berufliche Rehabilitation) ab und begründete die Ablehnung insbesondere mit der arbeitsamtsärztlichen Stellungnahme vom 26.10.2001. Die Klägerin sei auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage, eine regelmäßige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Daher könne sie auch an berufsfördernden Maßnahmen nicht mehr teilnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2001 (S 5 AL 14/02) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 09.01.2002 beim SG Klage eingelegt.
Mit Urteil vom 07.05.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei derzeit aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus könne sie nicht an qualifizierenden beruflichen Maßnahmen teilnehmen. Aufgrund der neurotischen Entwicklung bei Zustand nach Geschlechtsumwandlung sei aus psychiatrisch-psychologischer Sicht weiterhin die Motivation der Klägerin für eine berufliche Wiedereingliederung als sehr zweifelhaft zu beurteilen (Arbeitserprobung und Berufsfindung im Berufsförderungswerk E. in der Zeit vom 07.02. bis 28.02.2001). Qualifizierende berufliche Maßnahmen scheiden im Hinblick auf die erzielten Leistungsergebnisse auch auf einfacherem Niveau aus. Zweifel seien auch angebracht, soweit es um einfach geartete Anlern- oder Helfertätigkeiten im Rahmen einer vollschichtigen beruflichen Beschäftigung gehe, denn die im Interesse der Klägerin zwischenzeitlich durchgeführten Praktika seien wegen der erheblichen sozialen Anpassungsschwierigkeiten abgebrochen worden. Eine Anpassungs- und Einordnungsbereitschaft der Klägerin habe weder bei der P. GmbH noch anlässlich des Praktikums bei der P. GmbH festgestellt werden können. Das fehlende Sozialverhalten sei für die jeweiligen Praktikumsbetreiber sowie die Kollegen nicht akzeptabel gewesen. Für das Gericht sei es aufgrund eigener Erfahrungen nachvollziehbar, dass es wiederholt zu Bedrohungssituationen kommen könne. Angesichts der fehlenden kaufmännischen und EDV-Kenntnisse sei ein Einsatz im in erster Linie angestrebten kaufmännischen Bereich nicht realistisch. Zunächst seien persönlichkeitsbildende bzw. therapeutische Maßnahmen durchzuführen, um die nötige Sozialkompetenz zu erwerben. Die Voraussetzungen des § 97 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) lägen somit nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.07.2002 beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - "Widerspruch" eingelegt und die Berufung folgendermaßen begründet: Am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem SG sei sie bereits um 10.30 Uhr vor dem Sitzungssaal gewesen. Vor dem Sitzungssaal sei die Urkundsbeamtin aus dem Saal gekommen und habe ihr gesagt, sie solle noch vor dem Sitzungssaal warten, da die Richterin und der Vertreter vom Arbeitsamt, Herr B. , noch sprächen. Hiermit sei erneut deutlich zu erkennen, dass es zwischen der Richterin und dem Vertreter des Arbeitsamts vor der Verhandlung eine eindeutige Absprache gegeben habe. Seitens der Richterin sei nur nach der Akte des Arbeitsamtes das Urteil gesprochen worden. Auch sei ihr durch die Richterin erneut in jeder Hinsicht und in allen drei Urteilen ihre Operation von 1995 vorgehalten worden. Bei jeglichen Entscheidungen und Urteilen durch das SG Nürnberg sei in keiner Hinsicht auf ihre soziale, wirtschaftliche und finanzielle Lage Rücksicht genommen worden.
Durch das Berufsförderungswerk E. sei ein Gutachten erstellt worden, das eindeutig sage, dass sie auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelbar sei. Durch eine Frau Dr.B. sei weder 2000 noch 2001 ein Gutachten erstellt worden.
Wegen des Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten sei ihr Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 EUR zu gewähren, den sie nunmehr geltend mache.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. das Urteil des SG vom 07.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, a) den Antrag vom 05.05.2000 auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden, b) Schadenersatz in Höhe von 2. 100.000,00 EUR zu leisten, hilfsweise, das Urteil des SG vom 07.05.2002 aufzuheben und den Rechtsstreit an das SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 07.05.2002 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Darlegungen im Widerspruchsbescheid sowie im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils.
Das Gericht hat folgende Akten beigezogen: Die Akten des BayLSG mit den Az: L 10 AL 366/01 ER; L 10 B 1/01 AL ER; L 10 AL 264/02; L 10 AL 265/02; die Akten des SG mit den Az: S 5 AL 869/01 ER; S 5 AL 753/00, S 6 AL 958/01, S 13 AL 439/99, die Versichertenakten der Beklagten Bände I-III sowie die Reha-Akten der Beklagten Bände I-III.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, insbesondere den Inhalt der Gerichtsakten, Bezug genommen.
R/R4596
Informationsstand: 14.07.2010